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Nr. 219. 23. Jahrgang. 2. KcilU 0(9 Fomilck- Inliut WWM.  Donnerstag, 20. September 1900. Die Breslauer Polizeischlacht vor Gericht. (Telcgrdphischer Bericht. Unber. Nachdr. Verb.) Hg. Breslau, 19. September. Der Sitzungssaal gemährte heute früh einen eigenartigen An- blick, da als Zeugen 6 Kommissare und zirka 49 Schutzleute aufgerufen wurden. Darunter auch der Kommandeur der Bres- lauer Schutzmannschaft bei den Krawallen auf dem Striegaucr Platz, Hauptmann Roll. Da außerdem zur Zlufrechterhaltung der Ordnung im Sitzungssaale wieder ein starkes Schutzmanns- aufgebot erschienen war, so blinkie und blitzte alles von Schutz- mannefcmiforinen und-Helmen. Vor dem Richtertische hatte ein Tisch Aufstellung gefunden, auf dem eine große Anzahl von Gegenständen ausgebreitet sind, die von der Polizei nach den Krawallen auf dem Striegauer Platz aufgelesen worden sind: so ein Mauerstein, mit dem nach der Polizei geworfen worden ist, ein Taschenmesser, mit dem nach einem Schutzmannspferde ge- stachen wurde, mehrere durch Schntzmannssäbel zerhauene Jacken zind viele andere Dinge. Als erster Zeuge wird der Polizciwachtmeister Langer ver- 'nommen, der als erster die Menschenansammlung vor der Linke- scheu Fabrik nach Feierabend bemerkte und darauf seinen Vor- gesetzten Meldung erstattete. Um �7 Uhr traf dann Hauptmann Roll mit einer Abteilung Berittener auf dem Striegauer Platz ein. Bis das Schutzmannskommando kam, ist nach der Aussage des Zeugen nichts geschehe». Als aber die berittene Polizeitruppe anrückte, johlte, pfiff und schrie die Menge, worauf der Kommissar laut und vernehmlich zum Verlassen des Platzes aufforderte. Die Aufforderung wurde mit neuem Lärm beantwortet. Tarauf droht: der Kommandeur dreimal, von der Waffe Gebrauch zu machen, wenn der Platz nicht sofort geleert würde. Neuer Lärm folgte. Nun kommandierte Hauptmann Noll: Gewehr auf! Wir mußten ein Glied formieren und nun half kein: Bitte weiter gehen! mehr, sondern die Waffe mußte Raum schaffen. Vors.: In welcher Art gingen die Berittenen vor? Zeuge: Als geschlossene Abteilung. Vor s.: Und was war der Erfolg Ihres Vorgehens? Zeuge: Binnen kurzem war der Platz leer, füllte sich aber bald wieder, da die Leute nur meist in die Häuser geflüchtet waren. Vors.: Wurde Ihnen Widerstand geleistet? Zeuge: Nein, nur einmal wurde mit einer Flasche nach mir geworfen. Vors.: Fassen Sie das nicht auch als Widerstand auf? Zeuge: Nein, darunter verstehe ich einen tätlichen Slngriff. Vors.: Außer diesem einen Fall haben Sie nichts von Bedeutung bemerkt? Zeuge: Nein. Vert. Justizrat M a in r o t h: Die Flasche konnte ja auch irgend- wo zufällig aus dem Fenster gefallen sein. Vert. Justizrat Hein: Ich halte es für wichtig, zu konstatieren, daß der Staats. anwalt auch hier schon den Tatbestand des Widerstandes gegen die Staatsgewalt für gegeben erachtet hat. Vors.: Waren die Schutzn'annssäbcl stumpf? Zeuge: Nur die der Berittenen. Die Säbel der Schutzleute zu Fuß waren scharf geschliffen. Vors.: Und zwar erst im März infolge eines Auflaufes in der Stockgasse Neu geschliffen worden. Auf weiteres Befragen der Verteidiger bestätigt der Zeuge, daß die in der Mitte der Menge stehenden Leute beim besten Willen der Aufforderung, aus- einanderzugehen, nicht hätten Folge leisten können, da die am Rande stehenden nicht wichen. Vert. Rechtsanwalt Simon: Und eS ist nicht durchaus möglich, daß die Angeklagten gerade mitten in der Menge gestanden haben? Zeuge: Jawohl! Nächster Zeuge ist der Polizeikommissar G e ß w e i n, der über die Vorgeschichte der Krawalle und die Ursachen der Aussperrung vernommen werden soll. Vert. Justizrat Mamroth bittet, den Zeugen darauf aufmerksam zu machen, daß er genau unterscheiden müsse, was er selbst wahrgenommen und dem, was er nur von Dritten gehört habe. Zeuge: Meine ganze Wissen- schaff stammt nur von Dritten. Vert. Mamroth: Dann müssen Sie es auch sagen, von wem Sie cS wissen. Zeuge: Darauf verweigere ich die Aussage. Der Zeuge schildert dann in längeren Darlegungen die Ursachen des Streiks der Former und der darauf folgenden Aussperrung. Bert. Mamroth: Durch den Rcchtsamvalt Wolsgang Heine ist gegen die Leiter des Breslauer Metallindustriellen-BcrbandeS, die Direktoren Glasenapp und Neumann, Strafantrag wegen Erpreffung und Bedrohung, Vergehen wider die Gewerbcfreiheit, gestellt worden mit Rücksicht auf ihr Vorgehen bei dieser Aussperrung. Staatsanwalt: Das ist richtig, aber die Staatsanwaltschaft hat ein Einschreiten abgelehnt, weil sie in dem Rundschreiben des Breslauer Metall- industricllen-Vcrbandcs keine Drohung, sondern nur eine Ankündigung erblickte. Vert. Mamroth: Das trifft nicht zu. Die Staatsanwaltschaft hat vielmehr die Strafanzeige nur abgewiesen, weil sie bei den Metallindustriellcn den Dolus vermißte. Die Sache schwebt gegenwärtig beim Oberverwaltungsgericht. Es gelangte hierauf die vom Metallarbeitcrverband durch den Rechtsanwalt Heine-Berlin erstattete Strafanzeige gegen die Breslauer Mctallindustriellcn-Organisation zur Verlesung. Ter nächste Zeuge, der A r b e i t s w i l l i g e Brühe, fühlt sich von den Ausgesperrten belästigt und beleidigt. Vert. Rechts anwalt Weizmann: Sie sollen aber erst auf Ver- anlassung des Untersuchungsrichters Firle Strafantrag gestellt haben? Vors.: Diese Frage lehne ich ab. Vert. Weizmann: Dann beantrage ich Gerichtsbeschlutz. Gestern ist bereits von einem Zeugen gesagt worden, er habe nicht Strafantrag stellen wollen mit Rücksicht darauf, daß der Angeklagte verheiratet sei. Es scheint mir nun von erheblicher Bedeutung für die ganze Beurteilung der Lage zu sein, ob der Zeuge sich selber beleidigt gefühlt hat oder erst vom Untersuchungsrichter darauf aufmerksam gemacht wurde. Vors.: Wenn ich Unter- suchungsrichicr gewesen wäre, hätte ich mich auch für verpflichtet gehalten, den Zeugen auf sein Recht hinzuweisen. Vert. W e i z° wann: Darum handelt es sich gar nicht. Der UntersuchungS- richter mag pflichtgemäß gehandelt haben, aber für mich dreht eS sich darum, ob der Entschluß, Strafantrag zu stellen, der eigenen Initiative des Zeugen oder fremder Anregung entsprungen ist. Bors.: Also, fühlen Sie sich beleidigt? Zeuge: Jawohl. Vorl.: Wollen Sie. daß Ihr Beleidiger bestraft wird? Zeuge: jjtonwfch Staatsanwalt: Man kann doch beim besten Willen nicht verlangen, daß der Zeuge hier seine innersten Gefühle zum Ausdruck bringt. Mehrere Schutzleute bekunden, daß die Menge sie beschimpft und angegriffen habe; den Pferden sei man einfach in die Zügel gefallen. Vert. Hein: Das kann doch auch geschehen sein, um abzuwehren und sich vor den Hufen der Schutzmannspfcrde zu schützen. Zeuge Schutzmann Hof richtcr: Dann brauchten die Leute doch nur fortzugehen. _ Vert. Hein: Das ging doch nicht, die Menge war dicht ge- drängt. Zeuge Hofrichter: So schlimm war es gar nicht. Bert. Hein: Ihre Kollegen meinten aber, daß die in der Mitte Stehenden gar nicht fortgehen konnten, weil die Menge zu dicht gedrängt stand. Zeuge: Nach meiner Meinung konnte jeder weggehen, wenn er nur wollte. Zeuge Schutzmann Marler! sagt aus, es fei so gespuckt worden, als ob es regnete. Sein ganzer Regenmantel fei der Länge nach mit Speichel bedeckt gewesen. Zeuge Polizeikommissar Bernhard hatte den Eindruck, als ob die Menge wie auf ein Kommando gewaltsam gegen die Arbeitswilligen vorzugehen beabsichtigte. Es sei vielfach mit Flaschen geworfen worden. Der Auf- forderung'des Hauptmanns Roll, den Platz zu verlassen, hätte jeder Folge leisten können. Soviel Platz sei vorhanden gewesen. Zur Waffe habe die Polizei erst gegriffen, als nichts anderes mehr übrig blieb. Eine besondere Erregung habe die Menge infolge der Explosion von Feuerwerkskörpern ergriffen. Zeuge Polizcikommissar John macht einen leidenden Eindruck. Er leidet an traumatischer Neurose und Magenbeschwerden, die von Stößen und Püffen im Gedränge herrühren. Die Vorgänge schildert er folgendermaßen: Er war von der Menge umringt und forderte sie auf, Platz zu machen. Da das nicht geschah, zog er seinen Säbel und durchschnitt einem Manne die Hand, der laut aufschrie:Das ist ja das lange Aas aus der Behren- stratze!"(Das Revier deS Zeugen liegt in der Behrenstraße.) Plötzlich fiel neben dem Zeugen ein scharfer Schuß. Woher er kam, weiß der Zeuge nicht anzugeben. Aus den Fenstern wurden Flaschen, Plättbolzen und andere Gegenstände geworfen. Die Flasche, die den Zeugen traf, enthielt Salzsäure und zersprang. Tie Säure zerfraß das Zeug und rief a m Oberarm heftige Anschwellungen hervor.(Bewegung.) Da baS Werfen aus den Fenstern nicht aufhörte, ließ der Kommissar gegen die Häuserwand einige Schreckschüsse abgeben mit der Drohung, daß, falls die Fenster nicht geschlossen würden, scharf in die Fenster geschossen werden würde. Darauf schloffen sich denn auch die Fenster. Zeuge Kommissar M i t t m a n n entschuldigt den Gebrauch der Schußwaffe damit, daß der Feind" sich in zu großer Entfernung befand und infolgedessen mit Hieb- Waffen nicht erreicht werden konnte. Staats anwalt: Es ist also von Feuerwaffen erst Gebrauch gemacht worden, als die Hiebwaffen sich als unwirksam erwiesen hatten. Zeuge: Ja- wohl. Hierauf tritt eine längere Pause«in. In der Nachmittagfitzung wird zunächst der Wachtmeister Jahn vernommen. Er sagt aus, daß die Schutzleute von der Menge mit Ausdrücken, wieBlut- Hunde" undKosaken  " belegt worden seien. Schließlich sei nichts weiter übrig geblieben, als mit Gewalt vorzugehen. Er selbst sei durch einen Mauersteinwurf schwer verletzt worden, habe 7 Wochen im Krankenhaus gelegen und habe noch jetzt unter den Folgen der Verwundung zu leiden. Gleich ihm bekundet eine weitere Reihe von Schutzleuten, die vernommen werden, daß die Menge, wenn sie gewollt hätte, sich sehr wohl vom Striegauer Platz hätte ent- fernen können. Der folgende Zeuge ist der Kommandeur der Schutzmannschaft bei jenen tumultuarischen Straßenszenen. Er macht eingehende Bekundungen über die Maßnahmen, die er zur Wiederherstellung der Ordnung habe treffen müssen. Der nächste Zeuge. Leutnant Goßner, hat als fein Adjutant die ergangenen Befehle an die Schutzmannschaft weitergegeben. Ihnen folgend sei die Schutz- Mannschaft strahlenförmig gegen die Menschenhaufen vorgegangen und in ungefähr 20 Minuten sei der Stricgauer Platz gesäubert gewesen. Dabei sei er selbst von mehreren SeitenKosaken- Häuptling" beschimpft worden und eine Frau habe nach ihm ge- schlagen mit den Worten:Warte, Kosake, wenn Du meinen Mann erschlagen willst, schlage ich Dich tot." Unmittelbar nach diesem Schlag ist der Zeuge von heftigen Kopfschmerzen befallen worden. Es folgt nunmehr dir Erörterung der Vorgänge in der Hilde- brandtstraße, die insofern von besonderem Interesse ist, als die Hildebrandtstraße der Schauplatz des Falleß Biewald ist. Der erste Zeuge, Kommissar Schmidt, sagt auS, daß er und feine Beamten fortwährend angespuckt und mit Kohlenstücken, Bier» flaschen und Blumentöpfen geworfen worden seien. Er habe die ihm unterstellten Polizisten sofort auf die gefahrdrohende Lage aufmerksam gemacht. Er selbst sei über ein Stück Kohle zur Erde gefallen; sofort seien 19 Kerle über ihn hergefallen und hätten ihn unter den gemeinsten Redensarten mit Schlägen traktiert. Daraufhin habe er sofort den Befehl zur Räumung der Hildebrandtstratze gegeben. Da? sei zwischen 8 und 8l4 Uhr abends gewesen, um dieselbe Zeit, wo sich der Fall Biewald zugetragen habe. Er habe fich außerordentlich für dieses Vorkommnis interessiert und fich die größte Rkühe gogeben,>u er- Mitteln, aus welche Weise und von wem Biewald»erftümwrkt worden sei: (Bewegung.) Der Vorsitzend« will die Erörterung des Falles Biewald ab- schneiden, da er für diesen Prozeß keinerlei Bedeutung Hab«. Auch der Staatsanwalt Dr. Hensel ist der Ansicht, baß cS gar nicht darauf ankomme, ob wirklich ein Exzeß eines bestimmten Schutz» mannes nachgewiesen werde, sondern lediglich darauf, wie sich das Gefamkbenehmen der Schutzmannschaft charakterisiere, und das könne nur dahin geschehen, daß die Beamten den ihnen erteilten .Auftrag, die Straßen und Plätze zu säubern. korrekt und ruhig ausgeführt hätten. Vert. Justizrat Mamroth: Nach meiner Meinung müssen wir hier auch untersuchen, ob die Befehle, die an die Schutzmannschaft erteilt worden sind, immer zweckmäßig waren oder nicht. Es scheint mir für das Strafmaß nicht ohne Einfluß, festzustellen, daß Fehler auf beiden Seiten gemacht worden sin». Ich beantrage daher die Ladung de» Arbeiters Biewpld und einiger anderer Augenzeugen seiner Verstümmelung. Der Gerichtshof beschließt, den Bierspüler Franz Biewald zum 21. September als Zeugen vorzuladen. ES steht also eine ausführliche gerichtliche Erörterung der Affäre Biewald in Aussicht. Es wird nunmehr noch eine ganz« Reihe von Schutzleuten über die Borgiinge in der Hilbebrandtftraße vernommen. Schutzmann Tschetschek hat bei der Säuberung der Straße durch einen Wurf eine 4 Zentimeter lange Wunde im Siesicht erhalten, durch die auch das Auge mit verletzt worden ist. Wahrscheinlich rührt sie von einer Flasche oder einem Ziegelsteikk her. Schutzmann Schulze hat auf der Berliner   Chaussee eine Wunde am Unterleib erlitten, und dem Schutzmann Höhne ist eine Schnittwunde am linken Daumen beigebracht worden. Der Schutzmann Walt her hat Schläge mit der Faust ,md Fußtritte bekommen, und der Schutzmann Noack eine tiefe Verletzung an der linken Wade davongetragen. Als weitere Zeugen treten einige Anwohner des Striegaucr Platze? auf, die von der Staatsanwaltschaft geladen worden sind. Der EisendahnbetriebSsekretär Steude» spricht sich anerkenneod über das ruhig« Vorgehen der Polizei auS. Die Schutzleute seien besonnen und vorsichtig vorgegangen, allerding» habe«S auf ihn den Eindruck gemacht, als ob dte Menge von einer bestimmten Welle au» geleitet würde, Jedesmal, wenn Arbeitswillige die Fabrik verließen, seien die Frauen und Kinder in ein wütendes Hurragefchrei ausgebrochen. Besonders ein Mann mit einem großen weißen Hut habe die Kinder zum Schreien angefeuert. Jeder, der ruhig seines WegeS dahin­ging und sich bescheiden an die Schutzleute wandte und sie um Schutz bat, sei unbehelligt geblieben. Geschlagen Warden seien nur Leute, die fich widersetzt oder die Schutzmannfchast tätlich an. gegriffen haben. ZeuGe Ingenieur Brühl ist im Bureau der bestreikten BreSlauer Waggonfabrik beschäftigt. Er bestätigt, daß die Arbeitswilligen befpie» und beschimpft wurden. Die AuS» ständigen hätten sich» soweit er Gesehe« Hove  , in geschlossenem Zuge formiert, als ob st« einen DemonstrotionSzng zum Bürgermeister»der zu« Haufe Setz Polizei prllßbenten machen wollte«. Zeuge Lehrer K n i f p e l hat, nachdem er in den Zeitungen von de« rigorosen Vorgehen der Schutzleute in den anderen Städten gelesen hatte, sich ganz besonder» für das Benehmen der BreSlauer Schutz- Mannschaft intereifiert und kann nur sagen, daß es durchaus korrekt gewesen ist. Er habe ja vielleicht als VolkSfchullehrer einen ziemlich ausgeprägten Sinn für Ordnung, aber das Be» nehmen der Menge fei ganz unerhört gewesen. Den Schluß der heutigen Sitzung bilden die Bekundigungen einiger Arbeitswilliger, die gleichfalls belästigt und beschimpft wurden. Morgen werde» die Verhandlungen fortgesetzt. Hua der Frauenbewegung. Zur Wenn die Ktilfttrhohe eineS NolkeS gMllstest l?etk>e» kann an dem Grade der Frauensmanzipation, so kann ina» mit noch mehr Recht Ate Kvlturhöhe einer politischen Parter danach werten, wie sie fich»u tzem Befretungskampfe der Frau verhält. Die sogenannte Frauenfrage ist so brennend geworden, ist so sehr in den Mittelpunkt des öffentliche* Lebens gerisikt, daß niemand an ihr vorübergehen kann. In dem Sinne, wie in der Bourgeoisie der Begrifh Frauen frage Geltung erlangt hat, kann die Sozialdemokratie sie nicht anerkennen. Wenn die bürgerliche Frau sich de- freien,emanzipieren" wollte, wenn sie fich in ihren Ledens- bedingungen durchsetzen wollte, sa muhte dies im Kampfe gegen den Mann ihrer Kkaffe geschehen. CS widersprach den Jntereffen des bürgerlichen Mannes, in der Frau einen selb- ständigen, auf eigenen Fühen stehenden Menschen zu sehen. In dem zügellos entfesseltenSpiel der freien Kräfte", in dem rücksichtslosen Kampf um die wirtschaftliche Existenz be- deutete das Eintreten der Frau in die?lrena der Oeffentlich- keit eine feindselige Macht, eine Mehrung des Angebots gerade auf solchen Arbeitsgebietem aus denen bisher unbe- stritten der Bourgeois fich behauptet hatte. In deck bewußt oder unbewußt richtigen Erkenntnis, daß Frauenarbeit herab- drückend auf sein« eigene wirken müsse, und daß letzten Endes die selbständig und gkeichberechtigt erzogene Frau das Ende seiner tausendjährigen unbedingten Herrschast mit sich bringen müsse, sträubt« sich her Mann, die Berechtigung der Frauenfrage'.anzuerkenn« oder-die Bewegung gar ch, fördern. Daher der Artespalt in den Reihen bürgerlicher Männer und Fnmen. soweit ste im öffentlichen Leben her- vortreten, daher auch die schwankend«, schwächliche Haltung der bürgerlichen Frauen. Weiche die Frauensrage aufrollten und heute noch vertreten. Wie jede andere in den wirtschaft­lichen Verhältnisse» beaetUWrte Beweguu«. so muß sich inner- halb der hiwGerl ich- kaptbaliftischen Welt anch die Frauenfrage entwickeln. Deshalb«Mffen die Mr«erlichen Frauen mit den Männern ihrer«i«eimn Klaffe den hartnäckigen Kampf VrifhMipnögiichkeit. wirtschaftliche Selw ständigkeit lu schaffen fftr alle die unverbrauchten, frei ge- auSfechten, um eine wordenen Frmienkräfte, die mit der Zeit der erstarkenden kapitalistischen   ProduMo-nSweife in dem Haushalt der klein- bürgerlichen Vhe nun keine Verwendung«ehr finden konnten. Da sie selbst aber mir existieren können, so lange die Be- »tnaungen für ihre Klaffe Gegeben find, so müssen sie trotz alledem die Gefolgschaft»her richtiger tzaS Anhängsel ihrer Widersacher bilden. Di« dllrgrrliche Frau muß trotz des scharfen Konkurrenzkampfes mt de« Manne ihrer Klasse im öffentlich-politischen Leben«fit iD« Msammenstehe«. Damit aber iwGtert sie in her Praxi» ale die grundsätzlichen, Wichtige» F»rhen«i»en. die fie iw Anfang ihrer Be- we�ung»tt  «ratze in«teto aus Wr Banner geschrieben. weck eben dar v»ur«eo«p tMß eintreten kann für die kG» gk forderte Glefchberechtimm, tat Ira». Gau  « einfach»nd kk«w tivGen alle diese Verhältniffe innerhalb der GaMldenWikdMbe. Dirft Partei kennt keine Frauen fra««", die man richtig«:Dttmenfrage" nennen sollte. Sie setzt sich s» gut ani Sftiunern, wie aus Frauen zusammen. Fhre Anhämger rekrutier«? sich aus dem Prole­tariat. Hier hat fimWst die Krau das Recht, fich wirtschaftlich zu betätigen, weil sie zur Mrbeft gezwungen ist. wenn sie ,hr und ihrer Kinder Lebe» erhalten will. Wogegen sich die proletarische Frau zu wehren hat. das ist das Uebermaß der Arbeit, das der Kapitalismus emf die Schultern der schlecht ernährten, mangelhaft ansgeMbeten und früh nieder- gezwungenen Töchter tzeS Belkes gewälzt hat. Nicht nur, daß sie in»0 i2 und mehestnndiger Arbeitszeit fronden müssen, um hei anUestrengter Arbeit»ft nicht die Hälfte dessen zu verbienen, was notgebrnngen der Unternehmer dem männliche« Arbeiter kaffen muß, müssen sie sehen, daß durch ihre Arbeftswilligkeft. durch ihr tapferes Sjvtreten in den unerbittlichen Kampf irw ihre Eristenz das Niveau der Lebenshaltung mehr und mehr bedroht wir». Je stärker in irgend einem Teil« de« Fntastrie die Ar»uenarb«ft verbreitet ist, dest» mehr sinken die Lähne. auch für den Rann, desto weniger ist dieser in de» Vag«, eine Familie w erhalten und so mutz notwendig die Schar der weiblichen Arbeitskräste weiter anschwellen. Sv find die arbeitenden Frauen in In- öustriezweige eivgednmgen, die man ausschließlich als männ- liches Arbeitsgebiet zu betrachten gewohnt war. Frauen stehen wirklich am Schraubstock«mh hantieren mit der Feile. und cm dem StanjeiiheSel. so lange, bis ihr« Kräfte auf- ««braucht find, und Bettelpfennige find ihr Lohn. Fu alledem aber mottet ihrer nach Beendigung der Er- werbsarbeit die Tätigkeit, die von einer Frau und Mutter auch in den schlimmsten imd gedrücktesten Verhältnissen not- wendig geleistet werde» muß: die Hausarbeit. Es seufzt also die Proletanerin unter einer doppelten, ja dreifachen Ar- betWfcft.