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Sr.219. 23. Iahrglmg. 3. Krilagt des Jomiitts" Kerlim NcksM. Donnerstag, 29. Septeinber 1996. Zur Landtagswahl km dritten Berliner Landtagswahlkreis. Von den beiden Gesetzen, die Regierung und Landtag in der verflossenen Session erlassen haben, und die von offiziöser Seite mit dem NamenWahlreform" belegt werden, obwohl sie in Wirklichkeit nur jämmerliches Flickwerk sind, findet das eine, das Gesetz betr. Vermehrung der Mitglieder des Hauses der Abgeord- neten und Aenderungen der Landtagswahlbezirke und Wahlorte erst bei den nächsten allgemeinen Landtagswahlen Anwendung. Dagegen sind die Bestimmungen des Gesetzes betr. Aenderung der Borschriften über das Verfahren bei den Wahlen zum Hause der Abgeordneten bereits jetzt in Kraft getreten; nach ihnen richtet ftch also die Ersatzwahl in Berlin III, und es ist im Parteiinteresse dringend geboten, daß die Urwähler sich zeitig mit den gesetzlichen Bestimmungen vertraut machen. Zunächst sei daraus hingewiesen, daß die 1303 gewählten Wahlmänner auch bei der Ersatzwahl noch als gewählt gelten und an der Wahl des Abgeordneten teilnehmen. Nur an Stelle der inzwischen durch Tod, Wegziehen aus dem llrw ahlbezirk oder auf sonstige Weise aus- geschiedenen Wahlmänner sind neue zu wählen. Die Wahl der Wahlmänner fand bisher in gemeinschaftlicher Versammlung der Urwähler zu bestimmter Stunde(Terminswahl) statt. Von nun ab erfolgt die Wahl in Gemeinden mit mindestens 50 000 Einwohnern genau .wie bei den Reichstags- und Stadtverordnetcnwahlen in einer nach Anfangs- und Endtermin fe st zusetzenden Abstimmungsfrist(Fr ist Wahl). Hierbei können Ab- teilungen, die 500 oder mehr Wähler zählen, in Abstimmungs- gruppen geteilt werden. Allerdings kann der Minister des Innern auf Antrag des Gemeindevorstandes anordnen, daß die Termins- wähl beibehalten wird, doch ist hieran in Berlin wohl kaum zu denken. Die Wahl in Form der Fristwahl bietet die Möglichkeit, säumige Wähler auf ihre Pflicht aufmerksam zu machen. In welcher Weise das geschieht, werden die in der Agitation tätigen Genossen auf Grund ihrer Erfahrungen selbst am besten wissen. Die Vorzüge der Fristwahl bestehen darin, daß sie die Benutzung kleinerer Wahllokale gestattet und deren Beschaffung erleichtert, vor allem aber, daß sie es dem einzelnen Wähler ermöglicht, zu ihm gelegener Zeit innerhalb der Abstimmungsfrist am Wahltisch zu erscheinen und seine Stimme abzugeben, in der Regel ohne lange warten zu müssen. Stichwahlen können bei der Fristwahl natürlich nicht mehr, wie bisher, sofort im Anschluß an den ersten Wahlgang vor- genommen werden; die Wähler müssen in den UrWahlbezirken, wo eine Stichwahl nötig ist, noch ein zweites Mal zur Wahl schreiten. Nach den bisherigen Bestimmungen mußte eine engere Wahl in allen Fällen stattfinden, in denen im ersten Wahlgang keine absolute Stimmenmehrheit erzielt war, also auch im Falle der Stimmengleichheit. Erst dann, wenn auch die engere Wahl wiederum zur Stimmengleichheit geführt hatte, konnte gelost werden. Diese unsinnige und zeitraubende Bestimmung ist be- seitigt. Fortan entscheidet, falls bei der ersten Abstimmung nur zwei Personen oder, wenn von einer Wählerabteilung bei der Ur- wähl zwei Wahlmänner zu wählen sind, und vier Personen gleich viel Stimmen erhalten haben, sofort das Los darüber, wer ge- wählt ist. Das gilt sowohl für die UrWahlen als auch für die Abgeordnetenwahlen. Die Wahl der Abgeordneten erfolgte bisher gleichfalls nur in Form der Terminswahl. Alle Wah.männer wurden zu der gleichen Stunde nach dem Wahllokal geladen; sie mußten, wenn sie ihr Recht voll ausüben wollten, von Anfang bis zu Ende der Wahlhandlung beiwohnen, die z. B. in Teltow-Beeskow-Storkow-Charlottenburg von vormittags 10 Uhr bis zum nächsten Morgen um 7 Uhr, also 21 Stunden, währte. Solche Anforderungen an die Zeit, die Geduld und die physische Kraft des einzelnen werden fortab nicht mehr gestellt. Auf An- ordnung des Ministers des Innern kann vielmehr in Wahl- bezirken, in welchen die Zahl der Wahlmänner 500 oder mehr be- tragt, die Wahl der Abgeordneten in Gruppen der Wahlmänner vorgenommen werden. Dabei sind die Orte innerhalb des Wahlbezirks zu bestimmen, an denen örtlich ge- trennte Gruppen der Wahlmänner zu versammeln sind. An Stelle dieser Bestimmungen kann unter den gleichen Voraussetzungen von dem Minister auch angeordnet werden, daß in dem Wahlbezirke die Abstimmung bei der Wahl der Abgeordneten in der Form der Fristwahl stattfindet. Ueber die Gültigkeit der Wahlmännerwahlen, welche der Wahlkommissar für ungültig erachtet hat, und über die Ausschließung der Wahlmänncr, deren Wahl für ungültig erkannt wird, entscheidet, wo Gruppen der Wahlmänner gebildet sind, die Gruppe, zu welcher der Wahlmann gehört, dessen Wahl beanstandet ist. wo Fristwahl stattfindet, der Wahlvorstand mit Stimmenmehr- heit. Bei Stimmengleichheit ist der Wahlmann zur Wahl der Ab- geordneten zuzulassen. Daß bei dieser neuen Form der Wahl der Abgeordneten für eine eventuelle Stichwahl ein neuer Termin angeordnet werden muß, ist einleuchtend. Die Urwähler, die zugleich Wahlmänner sind, müssen unter Umständen also viermal am Wahltisch er- scheinen, ehe die Wahl vollbracht ist. m.... Die Protokollführer und die Be,s,tzer für den Wahlvorstand bei der Wahl der Abgeordneten werden nicht mehr wie früher von den Wahlmännern gewählt, sondern vom Wahl- kommissar aus der Mitte der Wahlmänner er- n a n n t. Verpflichtung zur Nebernahme von Ehrenämtern. Mit Rücksicht darauf, daß die Fristwahl und Gruppcnbildungen der Wähler wesentlich erhöhte Anforderungen an die Wahlvor- stände stellen, ist zur Uebernahme dieser ehrenamtlichen Funktionen ein gesetzlicher Zwang eingeführt. Die Urwähler sind verpflichtet, das Ehrenamt des Wahlvor- stehers, des Protokollführers oder eines Beisitzers im Wahlvor- stände bei der Wahl der Wahlmänner, die Wahlmänner sind ver- pflichtet, das Ehrenamt des Protokollführers oder eines Beisitzers im Wahlvorstand bei der Wahl der Abgeordneten zu übernehmen. Zur Ablehnung ist berechtigt, wer das 65. Lebensjahr überschritten bat oder durch Krankheit, Abwesenheit in dringenden Privat- geschäften, durch Dienstgeschäfte eines öffentlichen Amtes oder durch sonstige besondere Verhältnisse, welche nach billigem Ermessen eine genügende Entschuldigung begründen, an der Wahrnehmung des Amtes verhindert ist. Wer die Uebernahme dieser Obliegen- heiten ohne zulässigen Grund ablehnt oder sich ihrer Wahrnehmung obne ausreichende Entschuldigung entzieht, kann mit einer Ord- nungsstrafe bis zu 300 M. belegt werden. Diese Strafandrohung richtet sich wohl in der Hauptsache gegen Mitglieder bürgerlicher Parteien. Denn wenn in den Motiven zu dem Gesetz darüber geklagt wird, daß die Gewinnung der zur Uebernahme der ehrenamtlichen Funktionen geeigneten und bereiten Personen namentlich in großen Städten auf Schwierigkeiten gestoßen ist, so liegt das eben an der Kurzsichtig- keit und Engherzigkeit der Behörden, die Angehörige der Arbeiter- klasse oft als ungeeignet betrachten. Da wo Arbeiter mit der­artigen Ehrenämtern betraut sind, haben sie sie gewöhnlich ge- wissenhaft und bereitwilligst angenommen und ihre Pflicht in zufriedenstellender Weise erfüllt' Partei-?Zngelegendeiten. Nieder-Schöneweide. Der Wahlverein hält heute abend 8Vz Uhr im Lokal von Wilhelm Ladendorf, Berlinerstr. 22, seine Mitglieder- Versammlung ab. Die Tagesordnung lautet: 1. Vortrag vom Genossen Böske über: Reichstag und Sozialdemokratie. 2. Bericht von der Kreis-Generalversammlung. 3. Diskussion, i. Verschiedenes. Das Erscheinen eines jeden Genossen ist unbedingt notwendig. Gäste haben Zutritt._ Der Vorstand. Berliner JVacbncbten* Was der Stock des Lehrers zerstört! Prügelnde Lehrer sind die ärgsten Feinde der Schule. Sie sind ja manchmal nicht wenig stolz auf die äußeren Erfolge, die sie mit ihrem Stock erzielen, auf die nie versagende Sicherheit, mit der in ihrer gut gedrillten Klasse alles zur Zufriedenheit der Vor- gesetzten klappt, weil dieRangen" Angst haben. Aber das ist frei- lich ungefähr alles, was solche Stockpädagogen mit ihrer Prügel- Methode zu erzwingen vermögen. Die Liebe der Schüler hat noch keiner sich erprügelt und ebensowenig die Achtung der Eltern. Wohl aber hat schon mancher dieser prügelnden Lehrer, der seinem Rektor und dem Schulinspektor samt den noch höheren Instanzen vielleicht als ein um die Schule besonders verdienter Mann galt, aus den Kindern die Liebe zum Lehrer und die Lust zu lernen heraus- geprügelt und in den Eltern die Achtung vor der Schule vernichtet. Wieder einmal wird uns ein Fall berichtet, der recht deutlich zeigt, wie leicht ein rasch zuhauender Lehrer die guten Beziehungen zwischen Schule und Haus zerstört. In der 24 9. Gemeinde- schule(Greifenhagenerstraße) hat in einer dritten Klasse der Lehrer Krüger kürzlich in der Religionsstunde den Eifer seiner Schüler durch das Allheilmittel Stock zu steigern gesucht. Das wäre an sich nicht weiter bemerkenswert, denn er tut das öfter, da er einer von jenen Lehrern ist, die ohne Stock nicht fertig zu Werder wissen. Diesmal hatte er sich aber unter anderen Jungen auch einen herausgelangt, der an einem Bruch leidet. Erst vor den Sommerferien hat der Schularzt dieses Gebrechen festgestellt, und seitdem ist der Junge vom Turnen dis- pensierr und steht in schulärztlicher Ucberwachung. Ter Ueber- ivachungsschein wird in der Schule aufbewahrt, der Lehrer konnte also wissen, wen er vor sich hatte. Aber Herr K. langte sich, wie gesagt, auch diesen Jungen heraus, ließ ihn sich über den Stuhl bücken und verabreichte ihm seine Tracht Prügel. .Herr K. legte den Stock beiseite in dem Bewußtsein, seine Pflicht getan zu haben, so gut er konnte. Der Junge aber lief in der nächsten Pause aus der Schule und klagte daheim der Mutter sein Leid. Sie wunderte sich, daß der Lehrer sich an einem Jungen vergriffen hatte, der ihm als bruchleidend bekannt sein müsse. Ihre Verwunderung steigerte sich zur Entrüstung, als sie sich den Jungen besah und auf seinem Körper die Spuren der Erziehungstätigkeit des Herrn K. entdeckte. Was hatte denn der Junge verbrochen? Er gehört, wie wir aus seinen Zensuren ersehen, seit mehreren Jahren zu den besseren und besten Schülern und hat jetzt in seiner Klasse den zweiten Platz inne. Aber auch er hatte mal seine schwache Stunde gehabt, hatte ein Kirchenlied und eine biblische Geschichte wohl nicht sicher genug gelernt und blieb stecken. Die Eltern waren der Ansicht(die wahrscheinlich mancher der Herren Lehrer als naiv belächeln wird), daß da doch nicht gleich zum letzten Mittel, dem Stock, gegriffen zu werden brauchte. Sie meinten, der Lehrer habe die Pflicht gehabt, zunächst mal sie selber von der mangelhasten Leistung des Jungen in Kenntnis zu setzen, sie würden, dann dafür gesorgt haben, daß so etwas nicht wieder vorkomme. Daß Herr K. das nicht getan hatte, darüber wunderten sie sich um so mehr, als gerade sie zu ihm bisher die besten Beziehungen gepflegt hatten. Die Angelegenheit nahm dann den üblichen Verlauf: Unter suchung des Jungen, durch einen Arzt, Klage der Eltern beim Lehrer, Bescheverdc über ihn beim Rektor, erregte Auftritte im Schulhause, schließlich Eingabe an die Schuldeputation. Uebrigens gab der zuerst um Untersuchung des Jungen gebetene Arzt Dr. Labes in der Schön- hauser Allee der Mutter die beruhigende Versicherung, das Gesäß des Menschen sei vom lieben Gott dazu geschaffen, daß drauf ge- hauen werde. So ähnlich hat schon früher mal sich ein Schul- inspektor geäußert, aber von einem Arzt hätten wir anderes er- wartet. Die Mutter ließ dann von einem anderen Arzt die Spuren der Erziehertätigkeit des Lehrers K. bescheinigen. In der Schule benahm Lehrer Krüger sich ziemlich kleinlaut, aber Rektor Schwarz erklärte der Mutter bezüglich ihres Jungen, der Lümmel verdiene nochmal'ne Ladung. Ter Herr Rektor fragte auch, ob er sich viel- leicht noch seine Zensur verderben wolle. Da sind wir allerdings neugierig, wie die nächste Zensur ausfallen wird. Manchem mag das alles wie einSturm im Glase Wasser" gelten, der kein öffentliches Interesse habe. Wir sind anderer Meinung. Wer die Dinge einigermaßen kennt, der wird uns be- stätigen, daß rasch zuhauende Lehrer gefährliche Schädlinge am Baume der Schule sind. Wir glauben, uns ein Verdienst um die Schule zu erwerben, wenn wir von Zeit zu Zeit wieder mal einen dieser Pädagogen aus dem Dunkel des Schulhauses heraus in das Licht der Oeffenttichkeit hineinrücken. Das Fernsprechnetz des Rudolf Birchow-Krankeuhauses übertrifft nach der Zahl der Anschlüsse das mancher kleinen Stadt. Dem Privatfernsprechverkehr dienen 125 Teilnehmerapparate, von denen mindestens je einer in jedem der vielen Pavillons untergebracht ist. Außerdem vermitteln 25 Nebenstellen den Verkehr nach außen über fünf Amtsleitungen des ReichsfernsprechnctzeS und zwei direkten Leitungen des Rathauses in der Königstraße. Alle Leitungen, in einer Gesamtlänge von mehr als 190 000 Meter, sind zum größten Teile in mehraderigen Bleirohrkabeln mit Papier - und Luftifolation von 8000 Meter Länge verlegt, die Jnduktionsstörungen Ivie Mit- sprechen gänzlich ausschließen, sie enden in der eigenen Fernsprech- zentrale im Hauptgebäude. Der Zollhafen deS TeltowIanalS in Tempelhof ist nunmehr fertig gestellt und der Durchstich der Einfahrt zum Hafen vor- genominen. Die Eröffnung deS ZollhafenS wird jedoch nicht vor Oktober nächsten Jahres erfolgen können, bis zu welchem Zeitpunkte die Güterschuppenanlagen fertiggestellt sein sollen. Der Bau des großen Güterschuppens ist auch bereits in Angriff genommen. Die Znfahrtsrampen zum Hafen sind betriebsfertig und gegenwärtig werden die Hafenstraßen reguliert. Der Teil deS Tempelhofer HafenS, welcher dem Lokalverkehr dienen soll, ist in Benutzung ge- nommen. Die nach Einführung der Zigarettensteuer gültigen wichtigsten Verkaussbestimmungen für die banderolierten Waren find auf Ber- anlassung der Steuerverwaltung gedruckt und an alle Zigaretten« tabake verkaufenden Geschäftsleute zur Verteilung gelangt. Die Händler sind angewiesen, die allgemeinen Bestimmungen an den Verkaufsstellen für die Käufer sichtbar zum Aushang zu bringen. Von Arbeiter» der städtischen Markthallen, die der Freien Vereinigung der städtischen Markthallenarbeiter Berlins angehören, bekommen wir eine Zuschrift, die sich mit unserem in der Nummer vom 12. September enthaltenen Bericht der Morkthallendeputation beschäftigt. In diesem Bericht hieß eS: Bei der Beratung über die seitens des Arbeiterausschusses der Markthallen eingereichtenBestimmungen über die Arbeits- und Lohnberhältnisse der städtischen Arbeiter Berlins " wurde von dem Stadtrat Fischbeck darauf hingewiesen, daß aych von anderen Arbeiterkategorien ähnliche Wünsche beim Mogistrat eingelaufen sind. Der Ragistrat habe dazu Stellung genommen und eine besondere Kommission ernannt, die diese Forderungen einer Prüfung unterziehen soll. Aus diesem Grunde empfehle cS sich. von einer besonderen Beschlußfassung über die Forderungen der Markthallenarbeiter Abstand zu nehmen, um der generellen Er- ledigung nicht vorzugreifen. Eigentümlich erscheine es nur, daß die Wünsche der Arbeiter so widersprechend seien. Während von dem Verband städtischer Arbeiter in bezug der Arbeitszeit für mehrschichtige Betriebe der Acht- stundentag gefordert wird, verlangen die Markthallen- arbeiter für das Maschincnpersonal acht, für die um- schichtige Arbeitsleistung neun Stunden. Auf Grund dieser Ausführungen muhten es sich unsere Genossen versagen, des (längeren auf die Forderungen selbst einzugehen, da auch sie nicht im Besitz dieser eingereichten Forderungen waren." Der Arbeiterausschuß und mit ihm eine Versammlung der Markthallenarbeiter erklärt nun, daß bei den Reinigungsarbeiten keine Nachtarbeit existiere, daher die zwei Schichten. Die Arbeits- zeit betrage 9% Stunden. Der Antrag des Ausschusses gehe auf 9 Stunden, bei Maschinen und ähnlichen Betrieben(Fahrstuhl- führer) laute die Forderung auf 8 Stunden, weil hier Nachtdienst bestehe. Zum Schluß heißt es in der Zuschrift: Bedauern müssen wir, daß die Zentralleitung der städtischen Arbeiter es für über- flüssig hielt, sämtliche Arbeiterausschüsse zu einer gemeinsamen Konferenz zu laden, damit über sämtliche Forderungen ein klares Bild geschaffen würde. Diese Zuschrift scheint uns wieder einmal zu beweisen, zu welchen Konsequenzen es führt, wenn für bestimmte Arbeiter- kategorien verschiedene Organisationen vorhanden sind. Die Freie Vereinigung der Markthallenarbeiter, die sich seinerzeit vom Ver- band der städtischen Arbeiter absonderte, ging in bezug auf Auf- stellung von Forderungen an die Stadt ihre eigenen Wege und andere als der Verband. Jetzt zeigt sich, daß durch ein derartiges Verfahren die Einheitlichkeit einer Bewegung durchkreuzt und die Durchsetzung der Forderungen sehr erschwert wird. Wann werden die Arbiter einsehen lernen, daß Sonderbündelei die Interessen der Arbeiter nur schädigt? Die Ordensdckorationen, die anläßlich der Einweihung deS Virchow-KrankenhauseS verliehen wurden, erfüllen nicht die Hoffnungen mancher Männer des Bürgerstolzes vor Königsthronen. DieVossische Zeitung" findet nämlich, daß die Ver- leihung des Kronenordens dritter Klasse an den Stadtbaurat Hoffmann zu gering sei. Ein Mann wie.Hoffmann bedürfe zwar keiner bureaukratischen Auszeichnung; nicht ihn, aber nmsomehr treffe es die Behörde, daß für einen Künstler erste» Ranges ein Orden als gerade gut genug erachtet werde, den eine ganze Anzahl expedierende Sekretäre aus dem Ministerium des Herrn v. Studt ins Knopfloch heften. Ganz abgesehen davon, daß die Freisinnsmänner sich plötzlich so sehr für Orden begeistern, fällt es ordentlich auf, daß man auf einmal sich in diesen Kreisen so warm des Herrn Hoffniann annimmt, desselben Herrn Hoffmann, den man im Rathause bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit eins auswischen möchte. Woher kommt diese Sinnes- änderung? Mußte man wieder einmal wider Willen die Tüchtigkeit dieses Mannes bei Gelegenheit der Einweihung des Virchow- Krankenhauses anerkennen? In einer anderen Notiz und bei einer anderen Gelegenheit nimmt sich dasBerliner Tageblatt" des von ihm erst kürzlich ge- schmähten Hernr Hoffmann an. Es schreibt: Wie bekannt, hat der Kaiser neulich eingehend das Rudolf Virchow -Krankenhaus besichtigt und dabei in seiner lebhaften Art seine größte Bewunderung für dieses Werk ausgesprochen. Bei dieser Gelegenheit ist eine Aeußerung gefallen, die für die Art, wie der Kaiser von gewisser Seite über künstlerische Leistungen unterrichtet wird, sehr bezeichnend ist. Er sagte nämlich ganz erstaunt:Aber hier find ja gar keine Fratzen?!" Haben ihm also offenbar die Menschen, die sein Ohr haben, eingeredet, daß unser Hoffmann, der ruhige, feine, eher nüchterne Baumeister, einModerner" und infolge- dessen ein wilder Fratzenmacher sei. Aus diesem Einzelfall kann man weitgehende Schlüsse ziehen, die denn allerdings nur be- stätigen, was man nach manchen Aeußerungen des Kaisers schon ahnte, daß ihm nämlich einige der Künstler, auf die er hört, falsche und nicht unbewußt falsche Schilderungen von der Art unserer Schaffenden geben." Wie sich das liest: Der ruhige, feine, eher michterne Baumeister! Früher las maus anders! Nachdem früher genug auf den Stadt- baurat geschimpft wurde, sonnt nian sich heute in seinen Schöpfungen. Aber man soll auch heute nicht nach der anderen Seite übertreiben. WaS auf dem Gebiete der städtischen Bauerei geleistet worden ist, ist nur durch Zusammenwirkung aller Kräfte geschehen, und die Ar- beiter haben nicht zum wenigsten ihr redlich Teil dazu beigetragen. Eine Anzahl Frühstücksmarder treiben seit einigen Wochen im neuen KriminalgerichtSgebäude in der Turmstraße ihr Unwesen. Die bei den Strafkammern tätigen Gerichtsdiener Pflegen ihr Früh- stück in den Kästen der kleinen Tische aufzubewahren, die vor dem Eingang zu den Sitzungssälen auf den Wandelgängen stehen und den Gerichtsdienern zur Verfügung gestellt sind. An den Tischen sitzen gewöhnlich diejenigen Gerichtsdiener, welche an den betreffenden Tagen den Außendienst haben, wenn sie aber auf kurze Zeit zu irgend einer Besorgung abberufen werden. dann sind diese Tische vorübergehend ohne Bewachung. Diese kurze Spanne Zeit ist in letzter Zeit in zahlreichen Fällen zur Ausplünderung der Kästen benutzt worden. Wenn die Gerichtsdiener sich an das Verzehren ihres Frühstücks machen wollten, sahen sie zu ihrem Verdruß, daß letzteres schon einen Liebhaber gesunden hatte. Der Spitzbube scheint dabei ein Feinschmecker zu sein, denn er ver- schmäht die unbelegten Brote und hat nur Interesse für diejenigen, die nicht zu kargen Aufschnitt haben. Trotz verstärkter Aufmerksam- keit ist es noch nicht gelungen, des oder der frechen Spitzbuben Hab- hast zu werden. Stachklänge zum Pommerniankprezeß. Während Kommerzienrat Schultz sich der gegen ihn verhängten Strafe durch die Flucht ent- zogen hat, so daß er jetzt steckbrieflich verfolgt wird, verfällt die von ihm seinerzeit für seine Entlassung aus der Untersuchungshaft gestellte Kaution in Höhe von 100 000 M. dem FiskuS. Der Betrag wird annähernd zur Deckung der Kosten dieses RiesenprozesseS aus- reichen. Der zweite Direktor der falliten Bank Romeick ist um Strafaufschub eingekommen, der ihm gewährt worden ist. Der Bierkricg wird jetzt weniger geräuschvoll, aber darum nicht minder nachdrücklich geführt. Ganz im stillen hat sich schon in Berlin eine Umwälzung in den Biersorten vollzogen. Fortwährend werden von den Gastlvirten neue GenossenschaftSbrauereien in der engeren und weiteren Umgebung Berlins gegründet, die Berlin mit ringfreiem Bier versorgen sollen. Außerdem werden mit ring- freien Provinzbrauereien Lieferungsverträge seitens der Berliner Gastwirtsvereine abgeschlossen. Erst gestern wieder ist in Lucken- walde die Brauerei Quintern von den Gastwirten angekauft worden. Ihr Betrieb soll so vergrößert werden, daß auch nach Berlin Bier geliefert werden kann. Ans anderen märkischen Städten: Freienwalde , Potsdam , Seelow , Neu-Ruppin usw. werden schon auf Grund von Lieferungsverträgcn erhebliche Mengen Bier nach Berlin eingeführt. Der Ring der Bayerisch-Bierbrauercien dürfte ein ganz erhebliches Absatzgebiet verlieren. Trübe Folgen hat der Bierkrieg für viele der kleineren Weißbier- Brauereien, die sich dem Ring anschlössen. Der vollständige Sieg der Gastwirte in der Wcißbierfrage hat die großen Ringbraucreien weniger empfindlich geschädigt, weil sie einen festen Kundenkreis unter den besseren Restaurants behalte» haben, die kleinen Ringbrauer sind ihre Abnehmer aber unter der Konkurrenz der Neunpfennig-Brauereien in Massen los geworden. Mick trübe die Lage dieser kleinen Brauer gegenwärtig ist. das«gibt sich aus