Ganz recht I Die adligen Memmen wollen hübsch unter sich öleiben. Mehr wirklichen Seelenadel haben die russischen Bildhauer bewiesen, die sich— so meldet„Herold"— sämtlich weigerten, den Auftrag für ein Denkmal für den erschossenen General Mmn zu übernehmen, für das von feiten der Reaktionäre bereits große Summen gezeichnet worden sind. „Majestäts"-Beleidigung— Petersburg, 22. September. sMeldung der Petersburger Tele- �raphen-Agcntur.) Während der Leichenfeier für Trepow sind in Peterhof bei der Kathedrale tatsächlich sieben Personen verhaftet worden, doch erfolgten die Verhaftungen nicht wegen eines Attentatsversuches, sondern wegen Aeuszerungen über die Tätig- keit Trepows, die von den Verhafteten öffentlich gemacht worden waren. Auch das noch! Petersburg, 23. September. Der Kassierer der Katharinen- bahn. Arzmowitsch, hat durch falsche Buchungen den Staat um 600000 Rubel geschädigt._______ politifcbe Ocb erficht. Berlin , den 24. September. Die Eröffnung des rote» Parlaments. Mannheim , 23. September 1906. Der Rosengarten , der Stolz Mannheims, ist nun doch durch den #oten Parteitag ent-, oder wie die Mehrheit der Mannheimer Be- völkerung denkt, eingeweiht worden. Wenigstens die Eröffnungsfeier des Parteitages konnte in dem pompösen Nibelungensaal des pracht- vollen städtischen Etablissements stattfinden. Und das muß gesagt werden: in einem prächtigeren und gewaltigeren Saal hat ein sozialdemokratischer Parteitag noch niemals getagt. Der große Saal des Rosengartens— Nibelungensaal genannt, weil der Fries oberhalb des riesigen Podiums mit wundervollen Fresken, Motiven aus der Nibelungensage, geschmückt ist— faßt mit seinem gewaltigen Parterre und den amphitheatralisch ansteigenden Tribünen bequem 7000 Personen, ist also wohl der größte und schönste Saal Deutschlands . Und dieser enorme Raum war bereits eine Stunde vor Eröffnung der Sitzung ist allen seinen Teilen über- füllt, sodaß sich vor den geschlossenen Türen gewaltige Menschen- massen ansammelten, die vergebens ZuWitt zu der Veranstaltung begehrten. Hätte der Saal 10 oder 12000 Menschen gefaßt, er wäre ebenfalls überfüllt worden. Die Eröffnungsfeierlichkeit wurde stimmungsvoll eingeleitet durch einsäe Massenchöre, die, von dem Komponisten Wendelin Weiß- heimer selbst dirigiert, mit Schwung und Verve vorgewogen wurden. Feuriger Schwung charakterisierte auch die Begrüßungsrede des Ge« nnssen Dreesbach. Mit freudigem Stolz konnte dieser Veteran der badischen Sozialdemokratie von dem energischen Wachstum der Mannheimer Parteibewegung sprechen. Das Mannheimer Proletariat habe die Klassenerkenntnis bewiesen, sowohl in den Reichstag wie in den Landtag rote Vertreter zu schicken; im Stadtverordnetenkörper bestehe ein volles Drittel aus Vertretern der Sozialdemokratie. Mit herzlichen Worten hieß Dreesbach die Delegierten in der Stadt willkommen, wo Schiller seinen wildrevolutionären dramatischen Erstling„Die Räuber " einst aufführen konnte, wo die Gräber zahlreicher Freiheitsmärtyrer aus dem tollen Jahre 1348 von dem Freiheitsringen früherer Generationen zeugen. Genosse Bebel, beim Erscheinen von endlosem Jubel um- braust, dankt namens der Delegierten für den überaus warmen und über Erwarten imposanten Empfang, den daS Mann heimer Proletariat dem Parteitage bereitet. In kräftigen Zügen entwarf Bebel ein Bild der ganzen gegenwärtigen Situation, um aus dieser Lage heraus die Aufgaben des Parteitages zu entwickeln. Unter dem Vorsitze Si ngers, den ebenfalls leb- hafter Beifall begrüßte, erfolgte dann die Konstituierung des Parteitages und die definitive Festsetzung der Tagesordnung. Als erster Punkt nach den Geschäftsberichten, als vierter Punkt der TageS- ordnung wurde der Massenstreik bestimmt; Maifeier und Internationaler Arbeiterkongreß, die ihm in der provisoriichen Tagesordnung voraufgingen, mußten vor ihm zurück- treten. Mit dieser Umstellung hat der Parteitag zu erkennen gegeben, daß seine Hauptaufgabe die Klärung der Meinungen über den Massen- streik und der Ausgleich der Differenzen zwischen der Partei und den Gewerkschaften sein wird. Möge er für diese Ihochbedeutsamen Auf- gaben glückliche Lösung finden. Der Parteitag. Mannheim , 24. September. Privatdepesche des„Vorwärts". Die Montagsversammlung begann überaus stimmungsvoll mit den Begrüßungsansprache der ausländischen Delegierten, die dies- mal besonders zahlreich erschienen sind. Begreiflicherweise wird von den vielen Vertretern unserer ausländischen Bruderparteien den Sendboten der russischen Bruderpartei die meiste Aufmerk- samkeit gewidmet. Großen Beifall errang der Vertreter der polnischen sozialistischen Partei durch eine eindrucksvolle Schil- derung der brutalen zaristischen Reaktion und ihrer„Erfolge", die in einem enormen Wachstum der revolutionären Kämpfer ihren Ausdruck fanden. Die Zahl der Agitatoren in den Regimentern sei jetzt nach einem Jahre des Kampfes und des Kriegsrcchts größer als ehedem. Unter lebhaftem Beifall des Parteitags begrüßte Genosse Singer die Vertreterin der Sozialdemokratie Russisch-Polens und Litauens , die Genossin Luxemburg , nach ihrer Rückkehr aus dem zarischen Kerker. Im Mittelpunkt des Interesses stand die Rede der Vertreterin der russischen Sozialdemokratie, Genossin Balabanoff , die flammende Worte für die Art des russischen Knutenregiments und den Heroismus des russischen Proletariats fand, einen Heroismus, der erhaben sei über alles rednerische Pathos. Das russische Proletariat wirkt sein Los, obwohl es ganz genau weiß, daß der Kampf nicht für die Verwirklichung des End- zieles des Klassenkampfes ist, nicht mit der Erringung der sozialen Republik ende, sondern nur die Schaffung konstitutioneller Zu- stände bringen wird, die den Kampfboden bilden für die Aus- tragung des Entscheidungskampfes zwischen Bourgeoisie und Proletariat. Die russische Arbeiterklasse dankt der deutschen Sozialdemokratie für die geistige und materielle Unterstützung, die sie dem russischen Proletariat seit jeher geleistet hat, das mit höchster Spannung die Verhandlungen des Mannheimer Partei- tages verfolgt. Der stürmische Beifall hat den Vertretern unserer russischen Kämpfer den erneuten Beweis der Teilnahme gegeben, die das deutsche Proletariat dem erschütternden Drama des russischen Be- frciungskampfcs entgegenbringt. Den allgemeinen Teil des Parteivorstandsberichtes behandelte Genosse Pfannkuch. Er zeigte die Erfolge der neuen Organi- sationSform und ging dann auf das Verhältnis zwischen Partei und Gewerkschaft ein. Nach seiner Ansicht beruht die Kontroverse zwischen Partei und Gewerkschaft auf hüben wie drüben miß- verständlich gedeuteten Aeußerungen. Er betrachte daß Wort von dem„Beseitigen der herrschenden Richtung in der Partei" als eine bloße Aufforderung an die Gewerkschaftler, innerhalb der Partei eine größere Tätigkeit zu entfalten als bisher. Die Schaffung der neuen Arbeiterhochschule soll dem gegen- wärtig vorhandenen Mangel an ausgebildeten Kräften abhelfen. Nichts sei törichter, so führt Pfannkuch hierzu aus, als von einer geistigen Verarmung der Partei zu sprechen. Habe doch die ge- samte Arbeiterbewegung auf ihren verschiedenen Gebieten in der letzten Zeit eine Unsumme von.Intelligenzen aufgebracht. Was die Erweiterung des Parteivorstandcs anlangt, so schlägt der Parteivorstand selbst vor, ihn durch Anstellung eines neuen Sekretärs in seiner Arbeit zu unterstützen. Genosse G e r i s ch hielt ein außerordentlich instruktives Referat über die Finanzwirtschaft der Partei. Die Fortschritte der Organisation und speziell der Arbeiterpresse bieten die Gewähr, daß die Partei bei der im Jahre 1908 bevorstehenden Feuerprobe einen glänzenden Beweis ihrer Erstarkung abzulegen imstande sein wird. Die danach beginnende Diskussion wird auf morgen vertagt. Von da ab finden die Verhandlungen des Parteitages nun doch im Rosengarten statt._ Eine Wahlparole fürs deutsche Bürgertum. Nach einer zugkräftigen Wahlparole hat das deutsche Bürgertum schon 1903 bänglich geseufzt. Seine Sehnsucht fand keine Erfüllung. Es ließ sich beim besten Willen— und den haben die Bülow und andere Handlanger sicher gehabt— nichts finden, womit die patriotische Philisterseele hätte zum Kochen gebracht werden können. Heeres- und Marinevorlagen ziehen ja nicht mehr. So mußten denn die Parteien der Ordnung mit dem großen Sündenregister des Wucher- tarifs vor die Wähler treten, ohne mit irgend einem packenden. die Gehirne umnebelnden patriotischen Schwindel den Gestank ihrer Gesetzgebungsprodukte übertäuben zu können. Im Jahre 1908 wird es ihnen voraussichtlich nicht besser gehen. Die Miasmendüfte der Kolonialskandale sind keine geeignete Atmosphäre, Begeisterung darin zu züchten für des Reiches Herrlichkeit; die Finanzreform ist zwar nicht das gigantische Ungeheuer, wie der Hungertarif, aber dafür wirkt sie durch ihre Kleinlichkeit, durch die tückische Bosheit kaum minder erbitternd. Zudem werden bis zum Wahljahre die Wirkungen der Hungerzölle selbst den Unempfindlichsten nur allzu deutlich fühlbar werden. Die Situation wird für's Bürgertum alles andere, denn günstig sein. Eine zugkräftige Wahlparole wäre daher von unschätz- barem Werte. Ob die Regierung, die auf dem Gebiete der inneren und äußeren Politik von Blamage zu Blamage taumelt, eine finden wird, ist aber sehr zweifelhaft. Ver- dicnstvoll ist es deshalb, wenn heute schon der Bürger selbst auf die Suche geht. Ein Herr E. Z. hat's getan und in der „Kreuz-Zcitung" packt er aus. An leitender Stelle des Junkerblattes steht sein„Mahnwort an das schwer bedrohte deutsche Bürgertum". Die Quintessenz ist, daß dieses deutsche Bürgertum bei den Wahlen 1908 auf dem Felde der Sozialreform mit voller Lungenkraft„Das Ganze halt!" blasen lassen soll I E. Z. entwirft ein ergreifendes Gemälde der furchtbaren Zustünde, in die Deutschland vom Jahre 1910 ab, da die Witwen- und Waisenversicherung kommen soll, hineingeraten wird. Dennoch hält er eine Reform der Arbeiter-Bersicherungs- gesetzgebung für notwendig— die Zusammenlegung ihrer ver- schiedenen Zweige, daß der Wirrwarr der verschiedenen Organi- sationen beseifigt werde,„ist ein noftvendiges Erfordernis, und Staat und Arbeitern wird gleicherweise gedient sein, wenn die bevorstehende große Reform gleichzeitig die durch nichts gerechtfertigte Herrschast der Sozialdemokratie über eine große Zahl von Krankenkassen beseiftgt, welche der Sozialdemokratie die Möglichkeit gibt, an 4000 ihrer Agitatoren gut zu ver- sorgen..." In der zusammengelegten Organisafion will E. Z. den Arbeitern großmütig ebensoviel Recht auf die Ver- waltung geben, wie den Unternehmern, obgleich die Unternehmer, wenn die Zahlungen der Kranken-, Unfall- und Invalidenversicherung zusammengezählt werden, nach Lohmann über 53 Millionen mehr zahlen als die Arbeiter. Die Großmut wird indes verständlich, wenn man die weitere Forderung hört, daß das Reich nach Maßgabe seiner Zuschüsse an der Verwaltung zu beteiligen sei. Das bedeutet natürlich die Versetzung der Arbeiterschaft in hoffnungslose Minderheit. Das ist das große Reformprojekt, das einzige, das in der Sozialreform ausgeführt werden soll. Sonst soll Grabesstille sein. Die einzige Betätigung auf sozialpolifischem Gebiet soll sein— Entrechtung der Arbeiter. Herr E. Z. versteht sich auf die Interessen des deutschen Bürgertums. Wir können ihm nur lebhaft empfehlen, den Mahnruf dieses getreuen Eckehard zu beherzigen. Wir zweifeln nicht, daß Herr E. Z. eine vorzügliche Wahlparole gefunden hat für die— Sozialdemokratie. #•* Deutfcbcs Reich. Sozialdemokratische Siege im ReichZlande. Auch im zweiten Gange der Bezirkstagswahlen haben unsere Genossen ihre Pflicht wacker erfüllt. Wie der Telegraph meldet, sind bei den Nachwahlen zwei Sozialdemokraten gewählt worden, der Genosse B u ch e r im Kanton Gebweiler und der Genosse Fuchs im Kanton Schiltig heim. In M e tz wurde der Liberale Weißmann mit Unterstützung der Sozialdemokratie gewählt. Er erhielt 973 gegen 907 Stimmen. die auf den Kandidaten der Blockpartei fielen, der Zentrumshütfe genoß. Auch in der Domäne Benzler wird die Sozialdemokratte zum achtunggebietenden Faktor. Eine spätere Meldung besagt, es seien sogar drei Sozial- demokraten gewählt._ Das badische Amnestieche». Die bürgerliche Presse macht viel Aufhebens von einem Dutzend Begnadigungen, durch die der Großherzog von Baden sein Regierungsjubiläum zu verschönern wußte. Sogar zwei zum Tode verurteilte und zu lebenslänglichem Zuchthaus „begnadigte" Mörder sind in die'Amnestte mit einbezogen worden,„nachdem sie sich während einer langen Einschließung in der Strafanstalt gut geführt und den Beweis aufrichtiger Reue und nachhaltiger Besserung(!) an den Tag gelegt haben." Sobald etwas ruchbar wurde von der Absicht des Groß- Herzogs, eine Amnestie zu erlassen, betrachteten unsere Partei- genossen nicht nur. sondern alle fühlenden Menschen in Baden es als selbstverständlich, daß jenes entsetzliche Oberkriegsgerichts- urteil korrigiert werden würde, das vor drei Jahren(am 2. November 1903) vier Soldaten vom Grenadierregiment Nr. 110 zu barbarischen Strafen verdammte. Die vier hatten im trunkenen Zustande gemeinsam mit vier Zivilisten zwei Unteroffiziere mißhandelt. Einer der vier wurde mit sieben Jahren Zuchthaus, die anderen mit sechs Jahren Gefängnis bestraft I Eine Begnadigung der vier Unglücklichen hat nicht stattgefunden. Die zuerst verbreitete Nachricht, daß der Groß- Herzog die Amnestierung dieser Leute beantragt und durch- gesetzt habe, erweist sich also als unzutreffend. So ist es also dem Großherzog versagt geblieben, die vier unglücklichen jungen Männer an seiner Jubiläumssreude teilnehmen zu lassen. Die dreimal geheiligte„Disziplin" geht eben über alles — sogar über Leichen. —_ Aus dem ZentrumSkager. Der Kampf zwischen den„christlichen" Gewerkschaftlern und den Befürwortern katholischer Fachabteilungen hat einen neuen Zwist im Zentrumslagcr hervorgerufen. An der letzteren Richtung steht bekanntlich Bischof Korum von Trier . Dieser hat vor mehreren Tagen eine Rede gehalten, in der er auch den Gewerk» schaftsstreit erwähnte, und infolge deren es zwischen der Bachem- scheu„Kölnischen Volksztg." und der Dasbachschen„Trierischen Landesztg." zu scharfen Auseinandersetzungen gekommen ist. Bischof Korum hatte in jener Rede mit unverkennbarer Richtung auf die „Kölnische Volksztg." gesagt:«Der Bischof darf nicht zurückweichen, weil ihm Schmach droht, weil er von einigen Zeitungen heruntergerissen wird. Was scheren mich die Zeitungen!" Das Bachemsche Blatt hatte sich dagegen zur Wehr gesetzt, und die Folge ist, daß das Korum-ofsiziöse Trierer Blatt gegen„diese Verunglimpfung des Hochwürdigsten Herrn Bischofs" protestiert. Die„Kölnische Volksztg." teilt mit, daß im Trierer Gebiet ein Komitee von Pfarrern besteht, das der Dasbachschen„Landesztg." auf die Finger zu sehen habe; man habe dem Blatte sogar einen Zensor, einen Oberredakteur ge- geben, weil die Redaktion nicht gefügig genug gewesen sei. Ducken solle sich das Blatt„bis zur Bewußt- losigkeit". Wenn die Richtung der katholischen Fachabteilungs- anhänger, die„Berliner Richtung", Oberwasser bekäme, stehe der Zentrumspresse Meinung sterrorismus, unbedingte Unterwerfung, andernfalls Höherhängen des Brot- k o r b e s bevor. In einem anderen Zentrumsblatte, der„Saarpost", veröffent- licht der katholische Arbeitersekretär Kloos gegen den christlichen Gewerkschaftssekretär Hüskcs— beides Zentrumsgrößen—'eine Berichtigung, worin er erklärt:„Daß mich Herr Hüskes mehrmals„Lump" genannt hat, kann ich mit vier Zeugen beweisen. Er kam an die Rednertribüne heran und rief mir zunächst daS Wort„Lump" zu. Kurze Zeit darauf rief er mir noch wörtlich folgendes zu:„Lump, an Deiner Stelle würde ich mich schämen, katholisch zu sein."— So tobt der christlich-katholische Gewerkschaftsstreit schon seit langer Zeit, ohne daß sich ein Ende absehen ließe. Die Zentrumspresse aber schreibt von Krach bei anderen Leuten.— Der„militärische Erzieher" auf dem Torpedoboot. Daß der Militarismus auf dem Wasser genau dieselben scheuß- lichen Auswüchse zeitigt, wie am Lande, ist aus den vielfachen Miß- Handlungsprozessen der Marinekriegsgerichte nachgerade bekannt ge- worden. Die Legende von dem herrlichen Leben, das unsere„blauen Jungcns" an Bord der„schmucken" Kriegsschiffe führen, stiftet höchstens noch tief unten im Biimcnlande ein kümmerliches Dasein, und mancher unerfahrene junge Mensch in Bayern oder Schwaben , der sich durch die Propaganda des Flottenvereins zum Eintritt in die Marine hat verlocken lassen, hat es später bitter bereut. Ka, man kann sagen, Menschenquälereien und Schindereien nehmen auf See infolge der eigenartigen Verhältnisse an Bord, wo das Opfer seinen Peinigern noch schwerer entgehen kann, als in der Kaserne, in der Regel viel schlimmere Formen an, als beim Landhcer. Das ging auch wieder aus einer Verhandlung hervor, die am Freitag das Oberkriegsgericht der Ostsee st ation in Kiel sechs Stunden lang beschäftigte. Festgestellt wurden folgende empörenden Vorkommnisse. Der Maschinistenanwärter Rückenbrodt aus Berlin war im Februar dieses Jahres auf das Torpedoschubschiff S 32 kommandiert, wo er im Maschinen- und Kesseldienst unterrichtet werden sollte. Auf einer Fahrt nach der Nordsee sollte er, in der Nacht zum 14. Februar,. zum erstenmal praktischen Dienst vor dem Kessel tun. Als dem gänzlich Unerfahrenen dabei die Beschickung des Feuers nicht gleich glücken wollte, fiel sofort der Oberheizer Blonske über ihn her und traktierte ihn mit O h r f e i g e n; außerdem versetzte er ihm heftige Schläge mit einer tauförmigen draht« umsponnenen Asbe st Packung. Infolge der Schläge und der im Heizraum herrschenden Hitze, 60 bis 70 Grad, wurde Rücken- brodt ohnmächtig und fiel gegen den Kessel, wobei er sich schwere Brandwundenam Kopf, Rücken und an den Händen zuzog. Man schaffte ihn an Deck, und hier versetzte Blonske dem Ohnmächtigen weitere Schläge ins Gesicht. Der Oberfcuermeistersmaat Brüning stießmitdemFußnachdcm Bewußtlosen und rief:„Schafft doch den Berliner Hund fort!" Der Umstand, daß der Unglückliche während seiner Ohnmacht unwillkürliche Stuhlentleerungen gehabt hatte, gab seinen Peinigern für die Folgezeit immer neuen Stoff zu Quälereien. Der Ober- fcuermcistersmaat Brüning pflegte ihn mit Schimpfworten von dem gemeinsamen Mittagsfisch wcgzulveisen und warf häufig mit Tellern und Eßbestecken nach ihm. Infolge seiner Brandwunden konnte R. sein schmutziges Zeug nicht selber waschen. Bei solchen Gelegenheiten pflegen sich die Mannschaften untereinander auszuhelfen. Die Quälgeister des Rückenbrodt aber nutzten perfider Weise diese Be- tätigungen der Kameradschaft zu neuen Gemeinheiten aus. Der Obermaschinistcnmaat Mannske beorderte eines Tages acht Heizer von der alten Mannschaft zusammen mit Rückenbrodt nach dem Heizraum. Nachdem alle Ausgänge verschlossen worden, muhten die Heizer die schmutzige Wäsche des Rückenbrodt waschen, dieser aber hatte aus Befehl des Obermaats auf einem Stuhle Platz zu nehmen, mutzte sich eine Zigarre anzünden und der Gesellschaft mis einem Buche unanständige Geschichten vorlesen. Während dieser Szene suchte der Obermaat die„alten" Leute gegen Rückenbrodt aufzuhetzen. indem er ihnen u. a. höhnisch zurief:„Seht, der hat's gut, und Ihr müßt für ihn arbeiten". Weiter zwang er Rückenbrodt, mit der Asbestpackung, mit der er mißhandelt worden war, und die allgemein an Bord„der militärische Erzieher" genannt wurde, den Takt zu schlagen, während die anderen sangen. Beim Fortgehen deutete Mannske den eigentlichen Zweck dieser Veranstaltung noch einmal ausdrücklich in nicht mißzuverstehender Weise mit den Worten an:„daß mir aber keiner den Rückenbrodt schlägt, und daß der„militärische Erzieher" nicht weg- kommt!" Die Heizer ließen den„Wink mit dem Zaunpfahl" denn auch nicht unbeachtet, und kaum hatte Mannske den Rücken gewandt, so fielen sie über ihren unglücklichen Kameraden her, banden ihm ein Handtuch um den Kopf und richteten ihn mit Hülfe des„militärischen Erziehers" bös zu. Nach der Ankunft in Wilhelmshaven kam Rückenbrodt ins Lazarett und lag dort zwei Monate schwer krank da- nieder.
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