Nr. 233.
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Vorwärts
Berliner Volksblatt.
23. Jahrg.
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Redaktion: S. 68, Lindenstrasse 69.
Fernivrecher: Amt IV. Mr. 1983.
Sonnabend, den 6. Oktober 1906.
Streiks und Ausiperrungen im Jahre 1905.
Die naturgemäße Folge des guten Geschäftsganges im Tetzten Jahre ist eine verhältnismäßig große Zahl von Streiks, durch welche sich die Arbeiter bessere Lohn- und Arbeitsbedingungen zu erringen suchen. So ist*) gestiegen:
Die Zahl der begonnenen Streits
von 1908 im Jahre 1904 auf 2448
Berkürzung der bisherigen Arbeits
zeit( im ganzen)
Abschaffung oder Beschränkung der Ueberstunden, Nachtarbeit, Arbeit an Sonn- und Feiertagen Verkürzung der Arbeitszeit am Sonnabend oder vor den hohen Festtagen.
"
"
1905,
die Zahl der beendeten Streits
"
"
auf 14 481
"
"
1905,
1905,
"
von 2101 im Jahre 1904 auf 3665
#
1905,
auf 408 145
"
"
1905,
1905.
"
Davon hatten vollen
oder feinen teilweisen
Streis fende
Erfolg
Streifende Streifende
277 991
41 362
236 629
222 580
4851
218 229
9
•
Nichteinführung von Ueberstunden
Bestimmte Regelung der Arbeitszeit,
12 423
6173
2611
2299
6250 312
8 652
4.621
4031
9 681 1 229
5 196 704
4485 525
14 952
5 567
9 385
1301
349
952
2772
3 890
1 118
5869
995
4 874
1.192
391
801
1829
1308
521
225 701
8 672
217 029
3 649
2158
1491
bon 1870 im Jahre 1904 auf 2403
die Zahl der Betriebe, in welchen gestreift wurde,
bon 10 321 im Jahre 1904
wo solche noch fehlte Einführung, Beibehaltung oder Verlängerung von Arbeits-( Früh stücks-, Mittags-, Vesper-) Pausen Sonstige Arbeitszeitforderungen.
die Zahl der Betriebe, welche durch die Streits zum Wiedereinstellung entlassener MitStillstand gekommen sind,
die Zahl der streikenden Arbeiter
von 113 480 im Jahre 1904
arbeiter
Entlassung oder Nichteinstellung von nichtorganisierten Arbeitern Entlassung bezw. Nichteinstellung von Streifbrechern und anderen mißliebigen Arbeitern Entlassung von Vorgesetzten. Freigabe des 1. Mai
die Zahl der Arbeitstage, die durch die Streiks verloren ge- Richtaufertigung von Streifarbeit. gangen sind,
"
bon 3 622 998 im Jahre 1904 auf 14 536 233
Bessere Behandlung, Zurücknahme von Beschimpfungen. Beleuchtung bezw. bessere Beleuch
Die Arbeitgeber- Zeitung" stimmt denn auch ein fläg- tung, Reinigung, Lüftung und tiches Wehgeschrei an:
Die durch die Sozialdemokratie und die Gewerkschaften hervorgerufenen Streifs", schreibt das Blatt in seiner letzten Nummer, erweisen sich nachgerade als eine schädliche Epidemie, wie menschliche(!) Krankheiten und gefährden die gesamte deutsche Volkswirtschaft mehr, als Ungunst der Witterung, Pflanzenschäd linge und Viehseuchen die Landwirtschaft schädigen. In den neunziger Jahren hatte die deutsche Landwirtschaft in einem Jahre einen nachweisbaren Verlust von 60 Millionen Mark zu beklagen. Welchen Verlust erlitten aber wohl die deutsche Industrie, Arbeit geber und Arbeitnehmer im vergangenen Jahre durch die Streik epidemie? Jedenfalls war dieser Berlust unvergleichlich größer." Um diesen Verlust von der Gesellschaft fernzuhalten, weiß die Arbeitgeber- Zeitung" ein unfehlbares Mittel: ein neues Ausnahmegesek, welches den Arbeitern jeden Widerstand gegen die Ausbeutung durch das Unternehmertum unmöglich macht. Jedoch muß die amtliche Streikstatistik selbst den Beweis liefern, daß die Arbeiter auf die Streits als ein Mittel zur Erlangung eines maßgebenden Einflusses auf die Regelung der Lohn- und Arbeitsverhältnisse gar nicht verzichten tönnen. Es verlangten nämlich:
Davon hatten bollen oder teilweisen
Heizung der Arbeitspläge, Verglasung der Neubauten. Schaffung befferer Schutzvorrich
tungen, besseren Gerüstmaterials, Halten von Verbandszeug... Beschaffung von Ankleideräumen,
Aborten, Waschgelegenheit. Anerkennung des Arbeiterausschusses, der Lohnkommission, der leber wachungskommission. Anerkennung des Arbeitsnachweises Anerkennung des freien Koalitions
rechtes.
Einführung von Lohnbüchern, Verteilung von Affordzetteln vor Ausgabe der Affordarbeit. Einführung oder Abänderung der Arbeitsordnung, Aushängung der Arbeitsordnung, der UnfallverRichtmaßregelung von Arbeitern hütungsvorschriften Abschaffung von Kost und Logis
beim Meister
Auszahlung des Lohnes vor oder
4 192
2516
768
11 635
2911
1748 8724
233 967 6254
7.670 1411
226 297
4 843
355
1 197
355
Expedition: S. 68, Lindenstrasse 69. Fernsprecher: Amt IV. Nr. 1984.
Streits zurückzuschrecken. Dies tritt im letzten Jahre ganz besonders hervor. Es ist nämlich gestiegen:
die Zahl der begonnenen Aussperrungen von 132 im Jahre 1904 auf 263 1905,
"
die Zahl der beendeten Aussperrungen
bon 120 im Jahre 1904 auf 254 1905,
"
die Zahl der Betriebe, welche durch die Aussperrungen betroffen worden,
von 1115 im Jahre 1904 auf 3859 1905,
"
"
die Zahl der Betriebe, welche durch die Aussperrungen zum Stillstande gekommen sind,
"
von 435 im Jahre 1904 auf 834
"
1905, die Zahl der ausgesperrten Arbeiter bon 23 760 im Jahre 1904 auf 118 665 1905,
"
"
die Zahl der Arbeitstage, die durch die Aussperrungen verloren gegangen sind,
von 1662 127 im Jahre 1904 auf 4 448 320
"
1905.
"
Von den Aussperrungen des letzten Jahres hatten
65 vollen Erfolg, 147 teilweisen 42 feinen
"
"
Das ist ein für die Unternehmer günstigeres Resultat als in den früheren Jahren. Um so bedeutungsvoller ist es, daß trotz dieser Gewaltwirtschaft der Unternehmer auch in dem letzten Jahre der Einfluß der Arbeiter auf die Regelung der Lohn- und Arbeitsverhältnisse größer geworden ist. Die Arbeiter haben daher guten Grund, mit um so größerer Zu bersicht in die Zufunft zu bliden. Sie müssen sich aber aus immer schwierigere Stämpfe mit dem Unternehmertum gefaßi machen und sich dementsprechend rüsten.
Die Staatskaffen leer!
Petersburg, 5. Dftober. Stolypin lehnte das Ansuchen bes Stadtoberhauptes Reszew ab, die Regierung möge die halbe Million Rubel, welche die Stadt für Arbeitslose ausgegeben hat, 2995 erfegen, mit der Motivierung, daß die Staatskassen leer seien. Eine Proffriptionsliste?
3.396 222 315
777
Der Russ. Kurier" meldet: Auf Anordnung des Ministers Stolypin sollen die Gouverneure mit Hülfe der ihnen unterstellten Beamten baldmöglichst feststellen, welche Persönlichkeiten von der Bevölkerung des betreffenden Rayons für die kommende Reichsduma in Aussicht genommen sind; das Verzeichnis solcher Reichsdumakandidaten muß ausführliche Angaben über deren Lebenslauf enthalten.
Die Reaktion an der Arbeit.
Petersburg, 5. Oktober. Außer dem gestern von hier nach Sibirien abgegangenen Transporte von 650 politischen Gefangenen ist nachts ein Transport von 500 verurteiltrn Menterern von Kron stadt nach Sveaborg abgegangen.
Kaluga , 5. Oktober. Hier ist aus Petersburg die amtliche MelSung eingetroffen, daß der frühere Reichsdumaabgeordnete Obninsfi fowie Fürst Urussow, ehemaliger Gehülfe des Ministers des Innern, wegen Unterzeichnung des Wyborger Aufrufs in den Anklagezustand versetzt sind, und daß ihnen das Recht der Teilnahme an Semstwo bersammlungen abgesprochen worden ist.
Diese Zusammenstellung verdient deshalb unsere BeHinrichtungen in Kronstadt und in Czenstochan. achtung, weil sie uns flarer als alles andere zeigt, daß sich Kronstadt , 4. Oktober. Die„ Peterburger Telegraphen- Agentur" die Kämpfe der Arbeiter bereits auf alle Punkte des teilt mit: Die Meldungen auswärtiger Korrespondenten über die Arbeitsvertrages erstrecken. Die Zeit ist endgültig vorüber, da Weigerung der hiesigen Garnison, das Todesurteil des Kriegsgerichts die Unternehmer als die naturnotwendigen Herren der Arbeiter an 19 Matrosen zu vollstrecken, sind völlig unbegründet. Das bes während der Arbeit, als die Herren im eigenen Hause" an- treffende Urteil ist heute früh 6 Uhr von Matrosen voll. erkannt wurden. Die Arbeiter fühlen sich vielmehr als voll- 30gen worden. In der Stadt herrscht Ruhe. berechtigte Menschen auch während ihrer Arbeit. Deshalb Czenstochau, 5. Ottober. Zehn standrechtlich zum Tode bere setzen sie ihre Kritik nicht nur an die Höhe des Arbeitslohnes urteilte Personen sind heute hier hingerichtet worden. und an die Länge der Arbeitszeit an, sondern sie verlangen Vergeltung.
7252
3856
227 333
5018
2215
1438
gleich nach Feierabend
0
5772
2 201
3 571
Verbot der Heimarbeit
1563
25
1 538
Streis fende
feinen
Abschaffung der Kündigungsfrist
4.752
3 030
Festsetzung der Kündigungsfrist
210 519
799
1 722 209 720
Erfolg Streifende Streikende
Freies Werkzeug und unentgeltliche Schärfung desselben.
3.860
Aufhebung der Strafgelder
980
Aufrechterhaltung der bestehenden
Zeit oder Affordlöhne.
4 307
2925
1 382
Erhöhung der bestehenden Zeit- oder
Regelung des Lehrlingswesens. Schriftliche Bestätigung getroffener Vereinbarungen
3559
2976 555 40
884 425 3 519
Sonstiges
6815 232 614
2917 13 276
3 898 219 38 3
•
Affordlöhne, Festsetzung von Mindestlohnen
365 874
113 685
252 189
Bezahlung, höhere Bezahlung der Ueberstunden, Nachtarbeit, Arbeit an Sonn- und Feiertagen Besondere Bezahlung der Nebenarbeiten, Außenarbeiten, der Fahrt zur Arbeitsstelle, Wartegelder Bezahlung für unfreiwillige Ruhepausen, für Feiertage, die auf Wochentage fallen
34 932
19 234
15 698
20 605
10 285
10 320
8.904
4402
4502
Gewährung von Abschlagszahlungen
bezw. häufigere oder größere Abfchlagszahlungen..
2419
243
2176
Einführung wöchentlicher Lohn
zahlung
7 632
2369
5 263
Einführung zweiwöchentlicher Lohn
zahlung
206
132
Regelung der Lohnzahlung( Ort und Zeit)
2000
1 854
146
Einführung, Beibehaltung des
Prämiensystems
Abschaffung des Prämiensystems
232 443
32 173
Abschaffung, bezw. Nichteinführung
der Affordarbeit
7 428
2 660
200 270 4768
Einführung bezw. Beibehaltung der Affordarbeit
862
Aufrechterhaltung von Lohntarifen
1058
202 778
Einführung von Lohntarifen und
Aushang derselben
Abänderung von Lohntarifen
Sonstige Lohnforderungen
Aufrechterhaltung der bisherigen
Arbeitszeit( im ganzen)
905
28944 18 490 29 898 24 307 28 028 16 113 230
10 454 5591
11 915
675
*) Nach der foeben erschienenen amtlichen Streifstatistit.
74
660 280
" 1
Bialystok.
Bialystok , 4. Oktober. Zwei Unbekannte brangen heute in die Wohnung eines Arbeiters ein und verwundeten durch mehrere Revolverschüsse zwei Personen tödlich aus Rache für die Angabe der Organisatoren des Fabritstreifs.
auch gehörig hergerichtete Arbeitsräume, wirksame Unfall- Moskau , 5. Oktober. Der Hauptmann des 3. Grenadier- Res berhütungsmaßnahmen, eine angemessene Behandlung, giments, Dejantotski, wurde auf offener Straße von einem jungen Schutz vor Maßregelungen usw. Sie beweisen durch Menschen durch drei Revolverschüsse getötet. Dejantowski hatte bie ihre Streiks, daß sie die Regelung der gemein- Kompagnie zu befehligen, welche vor furzem die im hiesigen Ge samen Arbeit nicht mehr den Unternehmern überlassen, sondern fängnis ausgebrochene Revolte der politischen Häftlinge unterdrückte, selbst ein entscheidendes Wort dabei mitsprechen wollen. Hier- wobei zwei Gefangene getötet wurden. Der Rächer ist entkommen. von werden sie sich auch durch kein Ausnahmegesetz nach dem Rezept der Arbeitgeber- Zeitung" abbringen lassen. 21Freilich dringen sie mit ihren Forderungen, wie aus der letzten Spalte unserer Zusammenstellung zu ersehen ist, oft nicht durch. Jedoch denken die Arbeiter nicht daran, die Forderungen, mit denen sie zunächst keinen Erfolg gehabt, haben, aufzugeben. Das können sie auch gar nicht. Die unerträglichen Zustände treiben sie immer wieder von neuem dazu, bessere Lohn- und Arbeitsbedingungen zu erstreben. Jede ihnen von den Unternehmern verweigerte Verbesserung ist für sie nur ein Ansporn, ihre gewerkschaftliche und politische der Feuersbrunst im russischen Theater umgekommenen brei Organisation weiter und weiter auszubauen, um ihren For derungen einen stärkeren Nachdruck zu geben.
die hiesigen Fabriken in vollem Gange. Die feindlichen Beziehungen Infolge großer Nachfrage aus den Zentralgouvernements sind zwischen Unternehmern und Arbeitern sind beseitigt. Die Arbeiter stellen keine neuen Forderungen auf.
Das„ Schwarze Hundert ". Odessa , 5. Oktober. Gestern während der Beerdigung der bei Studenten gaben einige Mitglieder der Schwarzen Bande" mit dem Rufe: Schlagt die Juden!" mehrere Schüsse In den lezten Jahren haben die Unternehmer es ver- ab, was eine große Banik verursachte. Einer der Ruhestörer wurde sucht, durch massenhafte Aussperrungen die Arbeiter von den durchgeprügelt und darauf verhaftet.
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