Einzelbild herunterladen
 

Nr. 233.

Abonnements- Bedingungen: Abonnements. Preis pränumerando: Bierteljährl. 3,30 M., monatl. 1,10 M., wöchentlich 28 Pfg. frei ins Haus. Einzelne Nummer 5 Bfg. Sonntags. nummer mit illustrierter Sonntags. Beilage Die Neue Belt" 10 Big. Bost Abonnement: 1,10 Mark pro Monat. Eingetragen in die Post Zeitungs. Preisliste. Unter Streuzband für Deutschland   und Desterreich). Ungarn 2 Mart, für das übrige Ausland 3 Mark pro Monat. Postabonnements nehmen an: Belgien  , Dänemark  , Holland  , Italien  , Luxemburg  , Portugal  , Rumänien  , Schweden   und die Schweiz  .

Ericheint täglich außer Montags.

Vorwärts

Berliner Volksblatt.

23. Jahrg.

Die Infertions- Gebühr beträgt für die sechsgespaltene Solonel geile oder deren Raum 50 Pfg., füt politische und gewerkschaftliche Vereins­und Versammlungs- Anzeigen 30 Bfg. ,, Kleine Anzeigen", das erste( felt­gedruckte) Wort 20 Bfg., jedes weitere Wort 10 Bfg. Stellengesuche und Schlaf stellen- Anzeigen das erste Wort 10 Big., jebes weitere Wort 5 Pfg. Worte über 15 Buchstaben zählen für zwei Worte, Inserate für die nächste Nummer müssen bis 5 1hr nachmittags in der Expedition abgegeben werden. Die Expedition ist bis 7 Uhr abends geöffnet.

Telegramm Adresse: ., Sozialdemokrat Berlin  ".

Zentralorgan der fozialdemokratifchen Partei Deutschlands  .

Redaktion: S. 68, Lindenstrasse 69.

Fernivrecher: Amt IV. Mr. 1983.

Sonnabend, den 6. Oktober 1906.

Streiks und Ausiperrungen im Jahre 1905.

Die naturgemäße Folge des guten Geschäftsganges im Tetzten Jahre ist eine verhältnismäßig große Zahl von Streiks, durch welche sich die Arbeiter bessere Lohn- und Arbeits­bedingungen zu erringen suchen. So ist*) gestiegen:

Die Zahl der begonnenen Streits

von 1908 im Jahre 1904 auf 2448

Berkürzung der bisherigen Arbeits­

zeit( im ganzen)

Abschaffung oder Beschränkung der Ueberstunden, Nachtarbeit, Arbeit an Sonn- und Feiertagen Verkürzung der Arbeitszeit am Sonnabend oder vor den hohen Festtagen.

"

"

1905,

die Zahl der beendeten Streits

"

"

auf 14 481

"

"

1905,

1905,

"

von 2101 im Jahre 1904 auf 3665

#

1905,

auf 408 145

"

"

1905,

1905.

"

Davon hatten vollen

oder feinen teilweisen

Streis fende

Erfolg

Streifende Streifende

277 991

41 362

236 629

222 580

4851

218 229

9

Nichteinführung von Ueberstunden

Bestimmte Regelung der Arbeitszeit,

12 423

6173

2611

2299

6250 312

8 652

4.621

4031

9 681 1 229

5 196 704

4485 525

14 952

5 567

9 385

1301

349

952

2772

3 890

1 118

5869

995

4 874

1.192

391

801

1829

1308

521

225 701

8 672

217 029

3 649

2158

1491

bon 1870 im Jahre 1904 auf 2403

die Zahl der Betriebe, in welchen gestreift wurde,

bon 10 321 im Jahre 1904

wo solche noch fehlte Einführung, Beibehaltung oder Ver­längerung von Arbeits-( Früh stücks-, Mittags-, Vesper-) Pausen Sonstige Arbeitszeitforderungen.

die Zahl der Betriebe, welche durch die Streits zum Wiedereinstellung entlassener Mit­Stillstand gekommen sind,

die Zahl der streikenden Arbeiter

von 113 480 im Jahre 1904

arbeiter

Entlassung oder Nichteinstellung von nichtorganisierten Arbeitern Entlassung bezw. Nichteinstellung von Streifbrechern und anderen mißliebigen Arbeitern Entlassung von Vorgesetzten. Freigabe des 1. Mai

die Zahl der Arbeitstage, die durch die Streiks verloren ge- Richtaufertigung von Streifarbeit. gangen sind,

"

bon 3 622 998 im Jahre 1904 auf 14 536 233

Bessere Behandlung, Zurücknahme von Beschimpfungen. Beleuchtung bezw. bessere Beleuch

Die Arbeitgeber- Zeitung" stimmt denn auch ein fläg- tung, Reinigung, Lüftung und tiches Wehgeschrei an:

Die durch die Sozialdemokratie und die Gewerkschaften hervorgerufenen Streifs", schreibt das Blatt in seiner letzten Nummer, erweisen sich nachgerade als eine schädliche Epidemie, wie menschliche(!) Krankheiten und gefährden die gesamte deutsche  Volkswirtschaft mehr, als Ungunst der Witterung, Pflanzenschäd linge und Viehseuchen die Landwirtschaft schädigen. In den neunziger Jahren hatte die deutsche   Landwirtschaft in einem Jahre einen nachweisbaren Verlust von 60 Millionen Mark zu beklagen. Welchen Verlust erlitten aber wohl die deutsche Industrie, Arbeit geber und Arbeitnehmer im vergangenen Jahre durch die Streik epidemie? Jedenfalls war dieser Berlust unvergleichlich größer." Um diesen Verlust von der Gesellschaft fernzuhalten, weiß die Arbeitgeber- Zeitung" ein unfehlbares Mittel: ein neues Ausnahmegesek, welches den Arbeitern jeden Widerstand gegen die Ausbeutung durch das Unternehmertum unmöglich macht. Jedoch muß die amtliche Streikstatistik selbst den Beweis liefern, daß die Arbeiter auf die Streits als ein Mittel zur Erlangung eines maßgebenden Einflusses auf die Regelung der Lohn- und Arbeitsverhältnisse gar nicht verzichten tönnen. Es verlangten nämlich:

Davon hatten bollen oder teilweisen

Heizung der Arbeitspläge, Ver­glasung der Neubauten. Schaffung befferer Schutzvorrich­

tungen, besseren Gerüstmaterials, Halten von Verbandszeug... Beschaffung von Ankleideräumen,

Aborten, Waschgelegenheit. Anerkennung des Arbeiterausschusses, der Lohnkommission, der leber wachungskommission. Anerkennung des Arbeitsnachweises Anerkennung des freien Koalitions­

rechtes.

Einführung von Lohnbüchern, Ver­teilung von Affordzetteln vor Ausgabe der Affordarbeit. Einführung oder Abänderung der Arbeitsordnung, Aushängung der Arbeitsordnung, der Unfallver­Richtmaßregelung von Arbeitern hütungsvorschriften Abschaffung von Kost und Logis

beim Meister

Auszahlung des Lohnes vor oder

4 192

2516

768

11 635

2911

1748 8724

233 967 6254

7.670 1411

226 297

4 843

355

1 197

355

Expedition: S. 68, Lindenstrasse 69. Fernsprecher: Amt IV. Nr. 1984.

Streits zurückzuschrecken. Dies tritt im letzten Jahre ganz besonders hervor. Es ist nämlich gestiegen:

die Zahl der begonnenen Aussperrungen von 132 im Jahre 1904 auf 263 1905,

"

die Zahl der beendeten Aussperrungen

bon 120 im Jahre 1904 auf 254 1905,

"

die Zahl der Betriebe, welche durch die Aussperrungen betroffen worden,

von 1115 im Jahre 1904 auf 3859 1905,

"

"

die Zahl der Betriebe, welche durch die Aussperrungen zum Stillstande gekommen sind,

"

von 435 im Jahre 1904 auf 834

"

1905, die Zahl der ausgesperrten Arbeiter bon 23 760 im Jahre 1904 auf 118 665 1905,

"

"

die Zahl der Arbeitstage, die durch die Aussperrungen verloren gegangen sind,

von 1662 127 im Jahre 1904 auf 4 448 320

"

1905.

"

Von den Aussperrungen des letzten Jahres hatten

65 vollen Erfolg, 147 teilweisen 42 feinen

"

"

Das ist ein für die Unternehmer günstigeres Resultat als in den früheren Jahren. Um so bedeutungsvoller ist es, daß trotz dieser Gewaltwirtschaft der Unternehmer auch in dem letzten Jahre der Einfluß der Arbeiter auf die Regelung der Lohn- und Arbeitsverhältnisse größer geworden ist. Die Arbeiter haben daher guten Grund, mit um so größerer Zu bersicht in die Zufunft zu bliden. Sie müssen sich aber aus immer schwierigere Stämpfe mit dem Unternehmertum gefaßi machen und sich dementsprechend rüsten.

Die russische   Revolution.

Die Staatskaffen leer!

Petersburg, 5. Dftober. Stolypin   lehnte das Ansuchen bes Stadtoberhauptes Reszew ab, die Regierung möge die halbe Million Rubel, welche die Stadt für Arbeitslose ausgegeben hat, 2995 erfegen, mit der Motivierung, daß die Staatskassen leer seien. Eine Proffriptionsliste?

3.396 222 315

777

Der Russ. Kurier" meldet: Auf Anordnung des Ministers Stolypin   sollen die Gouverneure mit Hülfe der ihnen unterstellten Beamten baldmöglichst feststellen, welche Persönlichkeiten von der Bevölkerung des betreffenden Rayons für die kommende Reichs­duma in Aussicht genommen sind; das Verzeichnis solcher Reichs­dumakandidaten muß ausführliche Angaben über deren Lebenslauf enthalten.

Die Reaktion an der Arbeit.

Petersburg, 5. Oktober. Außer dem gestern von hier nach Sibirien   abgegangenen Transporte von 650 politischen Gefangenen ist nachts ein Transport von 500 verurteiltrn Menterern von Kron stadt nach Sveaborg abgegangen.

Kaluga  , 5. Oktober. Hier ist aus Petersburg   die amtliche Mel­Sung eingetroffen, daß der frühere Reichsdumaabgeordnete Obninsfi fowie Fürst Urussow, ehemaliger Gehülfe des Ministers des Innern, wegen Unterzeichnung des Wyborger Aufrufs in den Anklagezustand versetzt sind, und daß ihnen das Recht der Teilnahme an Semstwo bersammlungen abgesprochen worden ist.

Diese Zusammenstellung verdient deshalb unsere Be­Hinrichtungen in Kronstadt   und in Czenstochan. achtung, weil sie uns flarer als alles andere zeigt, daß sich Kronstadt  , 4. Oktober. Die Peterburger Telegraphen- Agentur" die Kämpfe der Arbeiter bereits auf alle Punkte des teilt mit: Die Meldungen auswärtiger Korrespondenten über die Arbeitsvertrages erstrecken. Die Zeit ist endgültig vorüber, da Weigerung der hiesigen Garnison, das Todesurteil des Kriegsgerichts die Unternehmer als die naturnotwendigen Herren der Arbeiter an 19 Matrosen zu vollstrecken, sind völlig unbegründet. Das bes während der Arbeit, als die Herren im eigenen Hause" an- treffende Urteil ist heute früh 6 Uhr von Matrosen voll. erkannt wurden. Die Arbeiter fühlen sich vielmehr als voll- 30gen worden. In der Stadt herrscht Ruhe. berechtigte Menschen auch während ihrer Arbeit. Deshalb Czenstochau, 5. Ottober. Zehn standrechtlich zum Tode bere setzen sie ihre Kritik nicht nur an die Höhe des Arbeitslohnes urteilte Personen sind heute hier hingerichtet worden. und an die Länge der Arbeitszeit an, sondern sie verlangen Vergeltung.

7252

3856

227 333

5018

2215

1438

gleich nach Feierabend

0

5772

2 201

3 571

Verbot der Heimarbeit

1563

25

1 538

Streis fende

feinen

Abschaffung der Kündigungsfrist

4.752

3 030

Festsetzung der Kündigungsfrist

210 519

799

1 722 209 720

Erfolg Streifende Streikende

Freies Werkzeug und unentgeltliche Schärfung desselben.

3.860

Aufhebung der Strafgelder

980

Aufrechterhaltung der bestehenden

Zeit oder Affordlöhne.

4 307

2925

1 382

Erhöhung der bestehenden Zeit- oder

Regelung des Lehrlingswesens. Schriftliche Bestätigung getroffener Vereinbarungen

3559

2976 555 40

884 425 3 519

Sonstiges

6815 232 614

2917 13 276

3 898 219 38 3

Affordlöhne, Festsetzung von Mindestlohnen

365 874

113 685

252 189

Bezahlung, höhere Bezahlung der Ueberstunden, Nachtarbeit, Arbeit an Sonn- und Feiertagen Besondere Bezahlung der Neben­arbeiten, Außenarbeiten, der Fahrt zur Arbeitsstelle, Wartegelder Bezahlung für unfreiwillige Ruhe­pausen, für Feiertage, die auf Wochentage fallen

34 932

19 234

15 698

20 605

10 285

10 320

8.904

4402

4502

Gewährung von Abschlagszahlungen

bezw. häufigere oder größere Ab­fchlagszahlungen..

2419

243

2176

Einführung wöchentlicher Lohn­

zahlung

7 632

2369

5 263

Einführung zweiwöchentlicher Lohn­

zahlung

206

132

Regelung der Lohnzahlung( Ort und Zeit)

2000

1 854

146

Einführung, Beibehaltung des

Prämiensystems

Abschaffung des Prämiensystems

232 443

32 173

Abschaffung, bezw. Nichteinführung

der Affordarbeit

7 428

2 660

200 270 4768

Einführung bezw. Beibehaltung der Affordarbeit

862

Aufrechterhaltung von Lohntarifen

1058

202 778

Einführung von Lohntarifen und

Aushang derselben

Abänderung von Lohntarifen

Sonstige Lohnforderungen

Aufrechterhaltung der bisherigen

Arbeitszeit( im ganzen)

905

28944 18 490 29 898 24 307 28 028 16 113 230

10 454 5591

11 915

675

*) Nach der foeben erschienenen amtlichen Streifstatistit.

74

660 280

" 1

Bialystok.

Bialystok  , 4. Oktober. Zwei Unbekannte brangen heute in die Wohnung eines Arbeiters ein und verwundeten durch mehrere Revolverschüsse zwei Personen tödlich aus Rache für die Angabe der Organisatoren des Fabritstreifs.

auch gehörig hergerichtete Arbeitsräume, wirksame Unfall- Moskau  , 5. Oktober. Der Hauptmann des 3. Grenadier- Res berhütungsmaßnahmen, eine angemessene Behandlung, giments, Dejantotski, wurde auf offener Straße von einem jungen Schutz vor Maßregelungen usw. Sie beweisen durch Menschen durch drei Revolverschüsse getötet. Dejantowski hatte bie ihre Streiks, daß sie die Regelung der gemein- Kompagnie zu befehligen, welche vor furzem die im hiesigen Ge samen Arbeit nicht mehr den Unternehmern überlassen, sondern fängnis ausgebrochene Revolte der politischen Häftlinge unterdrückte, selbst ein entscheidendes Wort dabei mitsprechen wollen. Hier- wobei zwei Gefangene getötet wurden. Der Rächer ist entkommen. von werden sie sich auch durch kein Ausnahmegesetz nach dem Rezept der Arbeitgeber- Zeitung" abbringen lassen. 21Freilich dringen sie mit ihren Forderungen, wie aus der letzten Spalte unserer Zusammenstellung zu ersehen ist, oft nicht durch. Jedoch denken die Arbeiter nicht daran, die Forderungen, mit denen sie zunächst keinen Erfolg gehabt, haben, aufzugeben. Das können sie auch gar nicht. Die un­erträglichen Zustände treiben sie immer wieder von neuem dazu, bessere Lohn- und Arbeitsbedingungen zu erstreben. Jede ihnen von den Unternehmern verweigerte Verbesserung ist für sie nur ein Ansporn, ihre gewerkschaftliche und politische der Feuersbrunst im russischen Theater umgekommenen brei Organisation weiter und weiter auszubauen, um ihren For derungen einen stärkeren Nachdruck zu geben.

die hiesigen Fabriken in vollem Gange. Die feindlichen Beziehungen Infolge großer Nachfrage aus den Zentralgouvernements sind zwischen Unternehmern und Arbeitern sind beseitigt. Die Arbeiter stellen keine neuen Forderungen auf.

Das Schwarze Hundert  ". Odessa  , 5. Oktober. Gestern während der Beerdigung der bei Studenten gaben einige Mitglieder der Schwarzen Bande" mit dem Rufe: Schlagt die Juden!" mehrere Schüsse In den lezten Jahren haben die Unternehmer es ver- ab, was eine große Banik verursachte. Einer der Ruhestörer wurde sucht, durch massenhafte Aussperrungen die Arbeiter von den durchgeprügelt und darauf verhaftet.

27