Stimmung im Goudernement St. Petersburg.Die Stimmung der Bauernschaft im Kreise Jamburg �Gou-bernemcnt St. Petersburg) wird im„Totoarisch" vom 2. Septemberfolgendermaßen geschildert:„In der ersten Zeit nach der Duma-auflosung war ein großer Teil der Bauern wie betäubt. Waswerden wir jetzt tun? fragten sie sich ratlos. Ein anderer Teil, dernicht so zahlreich war, aber aus den jüngeren Männern bestand,nahm die Dumaauflösung mit Ingrimm auf und kritisierte das Er-eignis in einer solchen Weise, wie sie hier nicht wiedergegebenwerden darf. Der seit langer Zeit aufgehäufte Klassenhaß ist vielglühender geworden. Der Wiborger Aufruf wurde mit bewunderns-würdiger Schnelligkeit und in ungeheuer großer Zahl im Kreiseverbreitet, die Bevölkerung selbst nahm daran einen äußerst regenAnteil. Die Stcuerverweigerung wurde mit solcher Einmütigkeitund Entschiedenheit in den Gemeinde- und Wolostversammlungenbeschlossen, daß alle Steuereingänge völlig aufhörten und dieScmstwokasse buchstäblich leer blieb. Ein anderes Alarmsymptombilden'die umgehenden dunklen Gerüchte von einer bevorstehendenallgemeinen Volksbewegung und auch die in der letzten Zeit häufiggewordenen Feuersbrünsts. Daß ei sich hierbei um Brandstiftunghandelt, steht auBee jedem Zweifel. Holzschnppen, Getreidespeicher,Heuschober und Getreidedarren der Großgrundbesitzer brennennieder; an vielen Orten ist man bereits zur Einäscherung derHcrrenschlösser geschritten. Die Aufgeklärteren versuchen, die Be-völkerung von solchen Schreckenstaten abzuhalten, dies glückt ihnenaber sehr selten. Denn viel zu viel Klassenhaß hat sich aufgespeichert.Die Edelleute erblicken in allen diesen Vorgängen nur die Folgender Agitation seitens der„unterirdischen Elemente" und derSemstwoangestellten; diese sind nach ihrer Meinung die Hetzer; siehalten es für genügend, etwa 30 bis 40 Personen herauszufischen,damit alles still werde. In seinem Verlangen nach„Pazifizierung"wäre der Adel bereit, die Schulen und Krankenhäuser abzuschaffen,wenn es nur möglich wäre."„Uebcrhaupt nimmt die innere Lageim Kreise eine von Tag zu Tag drohender werdende Wendung an."In den letzten drei Wochen sind im Kreise Jamburg großeFeuersbrünste auf den Gütern des Baron Mcllcr-Sakomelski,Stackelberg, Bogdanvff, Frau GierS u. a. geschehen. Bei dem Guts-besitzer Weimann sind alle Gebäude eingeäschert worden;, dannmehrere beim Fürsten Obolenski; an das Papierlagcr der Iwanow-fchen Fabrik wurde dreimal Feuer angelegt. Die kleinen Feuers-brünstc und Brandstiftungen sind so zahlreich, daß man von ihnengar nicht mehr spricht. Unter den Gutsherren und Großbauernherrscht Panik. Die Güter werden von bewaffneten Männern be-wacht.(„Totoarisch", 3. September.)Der St. Petersburger Gouverneur hat seinerseits allen Polizei-behörden des Gouvernements, die Landpolizistcn(Urjadniks) miteinbegriffen, die zirkularische Warnung zukommen lassen, daß gemäßden bei ihm eingelaufenen Meldungen die revolutionären Parteienvom 15. September(a. St.) an eine allgemeine Agitation auf demLande zu entfalten beabsichtigen. Der Gouverneur beauftragt diePolizei, strenge Maßnahmen zu treffen zwecks Ergreifung aller ver-dächtigen Personen, die in den Dörfern mit der Absicht, im Bauern-tum Propaganda zu treiben, erscheinen können.(„Towarisch",3. Oktober.)—Ein baltischer Scharfmacher über Tretzow.In Nr. 203 der berüchtigten„Düna-Zeitung" veröffent-licht ein gewisser O. G. einen warmen Nekrolog für den„früh-zeitig verstorbenen Palastkommandanten Trepow". In über-schwänglichen, hochtönenden Phrasen verherrlicht Her edleSkribent die„Geradheit, Gerechtigkeit und Ehrlichkeit" diesesBluthundes unseligen Gedenkens, den er als früheren„5tame.raden in heiteren Tagen der Jugend" gut gekannt und alsUntergebener schätzen gelernt habe.Dieser Herr O. G., in dem wir einen alten Bekanntenwiedererkennen, verdient es, dein deutschen Publikum inLebensgröße vorgestellt zu werden, damit es sieht, welchewürdigen Männer die Geschicke der schwergeprüften Ostsee-Provinzen leiten, wem dort Straferpeditionen, Kriegszustand,Feldgerichte usw. zu verdanken sind, und endlich, welche edlenPerlen der konservative baltische Adel in seiner Mitte birgt.Herr Otto v. Grotthus, der dann und wann im Denun-ziantenblatte„Düna-Zeitung" unter den Initialen O. G.schriftstellert, wurde nach einer sehr bewegten Vergangenheitim Jahre 1890 zum Kreischef in Tuckum(Kurland) ernannt.In dieser Eigenschaft bemühte er sich eifrig um die Gunst derjüdischen und lettischen Geldsäcke, die er tüchtig auszunutzenverstand. Dieses Metier betrieb er im Lause seiner ganzenweiteren Dienstzeit mit einer Virtuosität, um die ihn derraffinierteste russische Tschinownik beneiden dürfte. Er brachtees fertig, in jovialster Weise selbst armen Leuten Darlehenabzupressen und die so ergatterten paar tausend Rubel ver-praßte der Skrupellose bei Wein und Weibern. Er hat alsDon Juan jeden Rekord geschlagen. So benutzte er z. B.feinen Polizeisäbel dazu, um in die Volksbadestube einzu-dringen und die dort badenden Arbeiterfrauen zu vergewal-tigen. Allerdings wurde er bei dieser Gelegenheit von denWeibern auf echt proletarische Art windelweich geprügelt,aber diese Lektion hinderte'ihn nicht, bald darauf ein epilepti-scheS Mädchen betrunken zu machen und zu vergewaltigen.Als die Folgen dieser Untat sichtbar wurden, fand er sich mitseinem Opfer aus den Mitteln einer Wohltätigkeits-k o l l e k t e ah!Die Folge dieser und ähnlicher schwerer Verbrechen war.daß der damalige kurländische Gouverneur Swerbejew sichveranlaßt sah. den heißblütigen v. Grotthus nach einem ab-gelegenen Krähwinkel zu versetzen. Vor seinem Abgange ver-stand der„Edelmann" es noch, vom Direktorium der lettischenSparkasse(das er später in seinen offiziellen Berichten ebensowie den Gouverneur Swerbejew aus Rache der„Begünstigungder Revolution in Tuckum" bezichtigte und auf die Anklage-bank brachte) ein größeres Darlehen unter verschiedenen Vor-fpiegclungen zu ergattern. Bei dem von jenem Direktoriumzu seinen Ehren auf Kosten der armen Vereinsmitglicder veranstalteten Abschiedsschmaus küßte und umarmte er den vonihm später gleichfalls als„Revolutionär" denunziertenMartin Kremanns und empfahl ihn der Gemeinde aufs an-gelegentlichste.Es verstrichen einige Jahre. Dann kam die Hochflut derReaktion. Der Päderast Trepow wurde vom großfürstlichenPäderasten Sergius zum Oberpolizeimeister von Moskau er-nannt. Da tauchte plötzlich der längst für tot gehaltene Ottovon Grotthus wieder an der politischen Bildfläche auf! ZumjErstaunen seiner unzähligen Gläubiger erschien aufs neue imTuckumschen Kreise Otto von Grotthus als goldbetreßterStaatsrat und„Beamter des Polizeidepartements zu beson-deren Aufträgen", d. h. als politischer Polizeispitzel großenStils. Mit echt Grotthusscher Unverfrorenheit sandte er nuntäglich seinem„Kameraden aus heiteren Tagen der Jugend".Herrn Trepow, Berichte über die haarsträubendsten, natürlichfrei erfundenen„Verbrechen der Revolutionäre", er wärmtezum hundertsten Male die Lüge von der geplanten„lettischenRepublik" auf und bemühte sich redlich darum, das fleißigeintelligente Lettenvolk durch den Kriegszustand zu ruinieren.Es braucht nicht erst betont zu werden, daß er bei dieser'Ge-legenheit die früheren„Patrioten" und Geldgeber Kremanns,Eichenberg und JlsuN eben so wenig schonte, wie er darandachte, seine Schulden— trotz der von ihm bezogenen horrendenGage— zu bezahlen. Als„Ritter ohne Furcht" fürchtete ereben seine mundtoten Gläubiger nicht mehr, da er sie ja leichtzertreten konnte...Das sind, in blassen Farben geschildert, die schönenTugenden des Herrn O. G. alias Otto von Grotthus, der esverstanden hat, unter Beihülfe des Oberhenkers Trepow soviel Elend über das schöne„Gottesländchen" zu bringen.Der deutsche Leser kann aus diesen verbürgten, aktenmäßigfestgestellten Tatsachen ersehen, wie und durch welche Dunkel-männer die lettischen Sozialdemokraten verunglimpft undunsere Genossen ruiniert wurden. Der Geschichtsschreiber derlettischen Revolution wird nicht vergessen dürfen, Herrn O. G.nebst seinem„Kameraden" Trepow an den Pranger zu nageln.Ermordete Gefangene.Ein alltägliches Ereignis in dem russischen Freiheitskampfsind die diisteren, schauerlichen Gefäiignistragödicii. In denentsetzlichen Folterkammern, in den traurigen Stätten un-säglichen menschlichen Elends, die sich russische Gefängnisse nennen,werden die politischen Gefangenen gedemürigt, beleidigt, miß-handelt, aus jede erdenkliche Weise gemartert, und bei Protesten,sogenannten„Unruhen", wird auf die Wehrlosen durch Türund Fenster geschossen. Ein beliebtes Mittel der Beamten,um die Politischen zu peinigen, ist die Aufhetzung dergemeinen Sträflinge gegen sie. So wurde auch im Gefängnis zuRostow am Don gehandelt. Am 26. September, während desSpazierganges im Gefängnishof, stürzten die aufgehetzten Sträflingeauf die anwesenden Politischen und begannen sie entsetzlich zuprügeln. Die Aufseher ließen sie gewähren. Als die in denZellen eingeschlossenen Politischen dies sahen, erhoben sie Protest,begannen zu lärmen, zu schreien und gegen die Türen zu schlagen.Darauf wurden Soldaten geholt. Ein Politischer wurde getötet,sehr viele wurden verwundet. Infolge der erhaltenen Schläge sindspäter noch zwei Politische gestorben.politische üeberlicbt.Berlin, den 5. Oktober.Herr Bernard Shaw.Noch niemals hat ein Philosoph gelebt,Der mit Geduld sein Zahnweh nurertragen,Wenngleich sie in der Götter StilgeschriebenUnd Glück und Schmerz geleugnet undverlacht.Shakespeare: Viel Lärm um nichts.Journalistische Unterlassungssünden rächen sich. Hätte der„Vorwärts" vor einigen fahren, als ihm Herr Bernard Shawals Beitrag zur Maifest-Nummer einige der bekannten ewigenWahrheiten der neuesten englischen- Schutzzollagitation in aphori-st i scher Paprikasauce sandte, dieses- literarische Ragout nicht ab-gelehnt, sondern nach dem Rat eines maliziösen Redaktionsmitgliedcsdem„Unterhaltungsblatt" für die nächste Sonntagsplandcrei überwiesen, er hätte dem Gemüt des großen englischen Satirikers dasdurchbohrende Gefühl verletzter Eitelkeit, und der deutschen Sozial-demokratie eine, wie das„Berk. Tageblatt" konstatiert,„vernichtende" Kritik erspart. Auch Uebcrmenschen haben oft klein-liche Schwächen; und die besondere Schwäche des Herrn Shaw be-steht in der Aversion gegen Redaktions-Papierkörbe. Er will dieWerke seines Genies nicht in solche Körbe versenkt sehen, sonderner wünscht, wie er schreibt,„daß sie möglichst verbreitetwerden und freundliche Aufnahme finden." Soergriff denn des großen Dramatikers empfindsames Mimosengemüt,als seine geniale Leistung nicht die erwartete enthusiastische Auf-nähme fand, bitterer Schmerz. Wie, � der„Vorwärts" wagte dieVeröffentlichung von Beiträgen des großen Shaw, des großenRivalen Shakespeares, abzulehnen! Seit jenem Tage hat sich HerrShaw wiederholt über die Ablehnung seines Beitrages durch den„Vorwärts" beklagt, und auch Herr Theodor Barth blieb, als erlängst auf der Englandfahrt deutscher Journalisten von HerrnShaw der Unterhaltung gewürdigt wurde, von dieser Beschwerdeüber die Respektlosigkeit des„Vorwärts" nicht verschont. Dadurcherfuhren wir, daß Herr Shaw sich in der seltsamen Meinung bc-findet, sein Beitrag sei uns„zu radikal" gewesen. Um ihn vondieser an seinem verletzten Gemüt zehrenden fixen Idee zu heilen,gestatteten wir uns in einigen Zeilen die ergebenste Berichtigung,daß Herrn Shaws Opus uns nicht„zu radikal"), sondern zu„spießbürgerlich" gewesen sei.Das war mehr, alS die große- Ruhm und Heroenkultus der-achtende Seele Shaws vertragen konnte. Er richtete an HerrnArthur Levysohns Blatt, in dem er allem Anschein nach die feinsteBlüte deutscher Publizistik sieht, jene geniale„vernichtendeKritik" des Marxismus, die fast der ganzen deutschen Presse bisherab zur„Nordd. ��gcm. Ztg.".— Herrn Levysohns und HerrnSonncmanns Blatt natürlich ausgenommen— das Geständnis abnötigte, Herr Shaw hätte sich mit feiner Beurteilung deutscherpolitli.-yer Verhältnisse gründlich blamiert-.Herr Shaw zog sich ob dieses Attestes in-sein Uebermenschentumzurück; seine deutschen. Verehrer aber kränkelten an solcher Blamage.Wie es in England Politiker gibt, die in Herrn Shaw einen großenDramatiker, und Feuilletonisten, die in ihm einen großen Staats-mann sehen, so gibt es auch in Deutschland manche Leute, die eineVorliebe für alltagsphilowphische Plattheiten in paradox-aphori-stischen Facettierungen haben und hinter Herrn Shaws Aphorismeneinen Sinn suchen und schließlich, wenn es ihnen auchmancymal Mühe macht, finden. Sie gedachten dem großenSatiriker eine Rückzugsbrücke zu bauen, und der Leiter der„Soziali-stischen Monatsqefte", Genosse Josef Bloch, forderte deshalb Shawauf,„das Positive seiner sozialistischen An-schauungen darzulegen." Doch Bloch hat das kraft-genialische Selbstbewußtsein des Herrn Shaw, wie er zu seinemLeidwesen erfahren mußte, unterschätzt. Er ist allem Anschein nachnoch nicht in die volle Größe der Empfindungswelt großer Männereingedrungen. Herr Shaw verzichtete darauf, irgend etwas„Post-tives" darzulegen. Er begnügte sich mit folgendem von Bloch in derletzten Nummer seiner Moncuv.kyrist veröffentlichten Antwortschreiben:„Werter Herr Bwch. was in aller Welt verstehen Sie untereinem bürgerlichen Blatt? In England, zu LebzeitenKarl Marx' verstand man darunter ein Blatt, welches vonBerufsjournalisten gemacht wurde, die ihre Arbeit ordentlichbezahlt erhielten. Und im Gegensatz dazu verstand man untereinem sozialistischen Blatt ein solches, das von halb oder gar nichthonorierten Amateuren geschrieben wurde, das keine Nachrichtenbrachte, ganz unlesbar und nicht einen halben Pfennig wert war,obwohl es für zehn verkauft wurde. Heute reden und denkenwir in England nicht mehr solchen Unsinn. Der„V o r W ä r l S"ist gerade so gut ein bürgerliches Blatt Wiedas„Berliner Tageblatt"— tatsächlich ist eres in höherem Maße, weil das„Tageblatt"meine Beiträge mit Vergnügen veröffent-licht, während der„Vorwärts" sie un'ierdrsickt. ESist diese komische Sektiererei, diese Einbildung, daß ein sozia-listischcs Blatt sich von anderen Blättern in irgendeinemanderen Sinn unterscheidet, als, in dem sich alle Blatter voneinander unterscheiden, und daß ein Sozialist durch Natur.Charakter und Bcgnadung von anderen Menschen verschieden ist,welche die deutsche Partei so kindisch und unmöglichmacht. Warum sollte ich meine Beiträge dem„Vorwärts"einsenden? Ich wünsche, daß sie möglichst verbreitetwerden und freundliche Aufnahme finden.Warum sollte ich sie Ihnen senden? Sie würden Ihnen nurUngelegenhciten bereiten. Wenn Liebknecht, der durch unddurch Fabier war, niemals sich offen auszusprechen wagte undbis an sein Lebensende seine Parteigänger mit revolutionärenPhrasen und orthodox-marxistischen Redensarten, die er ver-achtete, irreführte, wenn Bernstein, will er sich nicht kom-promittieren, zu meinen Gunsten nicht mehr vorbringen darf,als Entschuldigungen: was würde Sie erwarten, wenn Sie inIhrer Zeitschrift meine Ansichten zum besten geben wollten?Diese sind übrigens den Sozialdemokraten in der Hauptsache schondurch Jaures unterbreitet worden, und die Sozialdemokratenhaben sie vor dem Allgesicht Europas verworfen. Um eineso törichte Partei wervo ich mir nicht iveiterUnbequemlichkeiten machen. Ich werde einfach, wasich zu sagen habe, so lange in der bürgerlichen Presse sagen, b i sder reaktionäre Charakter des Marxismusfür jedermann offenkundig wird.Die besonderen Bedingungen in Deutschland haben mitmeinem„Tageblatt"- Brief nichts zu tun. Die berfassungs-mäßigen Unterschiede zwischen dem Reichstag und dem Hauseder Gemeinen sind völlig bekannt und verstanden. Sie tangierendurchaus nicht den Unterschied zwischen der Achtundvierzigereiund dem XX. Jahrhundert. Bitte, denken Sie ja nicht, ichsei in irgend einer Weise unfreundschaftlich gesinnt. Ich möchtesehr gern dieser Ihrer zurückgebliebenen Parteiim Interesse der ganzen europäischen sozialistischen Bewegungzur Modernität verhelfen. Aber Sie müssen mich das in meinereigenen Weise tun lassen. Ich habe eine gute PortionUnsinn aus englischen Soziali st en heraus-gellopf; und ich gebe Ihnen die Versicherung: das geschahnicht, indem ich ihre Gefühle schonte oder meine Zeit damitvergeudete, den Papierkörben ihrer Redakteure meinen Tributzu entrichten.Ihr ergebener G. Bcrnard Shaw."Dazu bewerft der Herausgeber der„Soz. Monatshefte" etwasrespektlos:„So weit Shaw. Ich bin es gewohnt, in seinen Aphorismen.sie mögen noch so paradox klingen, einen Sinn zu suchen und zufinden; es macht zwar manchmal Mühe, aber es belohnt sichstets, da Shaw mit dem unbestechlichen Blick des Satirikers dasWesentliche der Dinge zu erfassen pflegt, deren Konturen ergewaltig verzerrt. In diesem Falle scheint mir abet die Ver-stimmung über die Behandlung, die ihm in einigen Blättern zuteil geworden, seinen Blick selber getrübt zu haben. WelchenSinn soll es haben, unserm Alten orthodoxen Marxisnzus undKultus der revolutionären Phraseologie zuzuschreiben? Jeder,der seine Schriften kennt, weiß, daß er sich nie als orthodoxenMarxisten aufgespielt, und daß er die Rcvolutionsphrase ver-warfen hat. Welchen Sinn soll es haben, es als Folge einerEnge der Partei hinzustellen, wenn Bernstein Shaw gerecht wird,ohne ihm darum recht geben zu können?..."Wir müssen gestehen— und wir sind nach unseren Erfahrungensicher, daß wir wenigstens in dieser Beziehung mit Herrn Shawübereinstimmen— daß Genosse Bloch noch nicht den.richtigen Ge-ichtspunkt für die Einschätzung der Genialität deS Herrn Shaw ge-funden hat; wir selbst enthalten uns denn auch ehrfurchtsvoll jederKritik,- sowohl seiner Definition des Begriffes„bürgerliches Blatt",wie des Bestrebens, aus dem alten Liebknecht einen kleinen Duodez.Shaw zu machen. Und was die immer wiederkehrende Klage überdie Unterdrückung der Shawschen Beiträge durch den„Vorwärts"und die Unersättlichkeit seiner Redaktions-Papierkörbe anbetrifft,so geloben wir in unserem Verständnis seines verletzten Gemütssogar reuevolle Besserung. Wir versprechen, wenn uns Herr Shawauch einen so schönen Brief schicken will, wie den Blättern des HerrnArthur Levysohn und des Genossen Bloch, diesen Brief vollständigzum Abdruck zu bringen— ohne jede Kritik, nur mit folgen-der Einleitung:»Der große englische Dramatiker und SatirikevShaw würdigt uns smaender Zuschrift".—Hansmaier und Sklbstherrscher.Aus de» Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig W�ohenlohe-Schillingsfürst, des als„Onkel Chlodwig" be-kannten dritten Reichskanzlers, die soeben in der Zeitschrift„Heber Land und Meer" erscheinen, erfährt man allerhandinteressante Details über die Konflikte, die seinerzeit zumSturze Bismarcks geführt haben. Onkel Chlodwig teilt inseinen Denkwürdigkeiten allerlei Aeußerungen mit, die er vonBismarck, Wilhelm lt., dem Großherzog von Baden und an»deren dem Hofe nahestehenden Personen selbst gehört hat.Etwas kvcsentlich Neues über die Entlassungsgründe Bis-marcks wird zwar nicht beigesteuert, allein auf die Schärfe desKonflikts, der sich zwischen dem in seiner Hausmaierwürde be-droht fühlenden eisernen Kanzler und dem selbstbewußtenjungen Herrscher entlvickelte, fallen doch nicht uninteressanteStreiflichter."Fürst Hohenlohe erzählt, daß er von dem HerzogvonR a t i b o r am 21. März 1890 gehört habe, daß es zwischenBismarck und dem Kaiser zu heftigen Szenen ge-kommen sei. Bismarck habe in Konversationen mit Di�lo-maten über den jungen Herrscher abfällige Urteilsgefällt und den Kaiser selbst unfreundlich behandelt. VomGroßherzog von Baden hörte Fürst Hohenlohe, daßbei einer Besprechung des Kaisers mit Bismarck der letztereso heftig geworden sei, daß der Kaiser selbst geäußert habe,„daß er mir nicht das Tintenfaß an den jkopf geworfen hat,war alles".Die Gründe, weshalb es zum Bruch zwischen Bismarckund dem Kaiser gekommen sei, hätten sowohl in Bismarcksinnerer wie äußerer Politik gestanden. Nach den Er-Zählungen des Großherzogs von Baden sowohl, wie denen desKaisers selbst, habe Bismarck von einer Arbeiter,schutzgc setz gebung nichts wissenwollen. DerKanzler habe vielmehr dem neuen Reichstag das Sozialisten-gcsetz mit der Ausweisung abermals vorlegen, den Reichstagim Ablehnungsfälle auflösen und dann, wenn es zn Auf-ständen käme, energisch einschreiten wollen. Ter Kaiser habeseinen eigenen Worten nach sich dem widersetzt, weil er sichgesagt habe, wenn sein Großvater nach einer„langen rühm-reichen Regierung" genötigt Wörden wäre, gegen Aufständischevorzugehen, so würde ihm das niemand übel genommen haben.Anders sei es bei ihm, der noch nichts geleistet habe. Ihmwerde man vorwerfen, daß er seine Re»gierung damit anfange, feine Untertanentotzuschießen. Er sei bereit einzuschreiten, aber erwolle dies mit gutem Gewissen tun, nachdem er versucht habe»die begründeten Beschwerden der Arbeiter zn befriedigen. Inder auswärtigen Politik habe Bismarck gegen den Dreibundintriguiert und ein Bündnis mit Rußland zustande bringenwollen. Bismarck habe es ruhig mit ansehen wollen, daßBulgarien durch die Russen besetzt werde,