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Mr. 234. 23. Jahrgang. 4. Beilage des Vorwärts  " Berliner Volksblatt.

Sonntag, 7. Oktober 1906.

Die neue Verhandlung gegen Pfarrer Gaisert wegen gericht Revision eingelegt, und in rechtlicher Hinsicht gerügt, daß wurden bis auf wenige in der Turnhalle im Siechenhauſe unter­Verleitung zum Meineid.

sprechende Urteil hatte die Staatsanwaltschaft beim Reichs- lose Familien bei der Armendirektion gemeldet haben. Sie dem Geständnis vom Gericht kein Gewicht beigemessen wurde. gebracht. Viele haben in den Kellerräumen einiger Der Angeklagte habe vor dem Untersuchungsrichter ausdrücklich er- Schulen und im Armenhause eine vorläufige Unter­melden sich noch immer weitere klärt, daß er dem vor dem Staatsanwalt abgelegten Geständnis funft gefunden. Aber es Familien. Die Hauswirte find nichts hinzuzufügen habe. Der Richter habe es deshalb zu Un- obdachlose der Bes aufgefordert worden, sich zu melden, falls fie recht abgelehnt, dem staatsanwaltlichen Protokoll die Beweiskraft hörde eines richterlichen beizumessen. Diesen Gründen hat sich das Reichs- einen Raum, selbst einen Keller, zur Unterbringung von gericht im wesentlichen angeschlossen und die Sache deshalb zur Familien geeignet, zur Verfügung haben. Aber selbst solche Räume erneuten Prüfung an das Landgericht Freiburg   zurückverwiesen. scheinen nicht einmal vorhanden zu sein.

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Soziales.

Beeinflussung der Aerzte durch die Unternehmer.

Der Kapitalismus bringt es, wie man sieht, fertig, selbst neue Heilmethoden zu erfinden. Leutemangel als Seilmittel- wieviel Honorar verdient der Arzt, der auf solchen Wunsch der Unternehmer­Honorar verdient der Arzt, der auf solchen Wunsch der Unternehmer­schaft eingeht und ihn standesgemäß" nicht zurückweist?

Vor der Strafkammer des Landgerichts in Freiburg   i. Br. hatte sich gestern der katholische Pfarrer Michael Gaisert   aus, Gündelwangen   in Baden   von neuem unter der Anklage der versuchten Berleitung zum Meineid zu ver­antworten, nachdem das Reichsgericht das freisprechende Urteil der Straffammer in Waldshut   vom 13. März d. J. aus rechtlichen Gründen aufgehoben und die Sache zur erneuten Prüfung an ein Das Privateigentum an Grund und Boden gibt dem Besizer anderes Landgericht verwiesen hatte. Der Fall Gaisert, der weit die Möglichkeit, aus der unsinnigen Erscheinung, daß infolge dieses Privateigentums die Mehrzahl der Menschen ohne eigenes Heim und über die badischen Landesgrenzen Aufsehen erregt hatte, bildet ein Nachspiel zu dem mit großer Leidenschaftlichkeit, insbesondere Stätte sind, arbeitslosen großen Gewinn einzustreichen. Die Kom­zwischen dem liberalen Block und dem Zentrum, geführten ver- Der Seemann  " veröffentlicht folgenden Brief des Kapitäns herrschend sind, sind gegenüber einem Wohnungsnotstand machtlos, munen, in deren Verwaltung die Interessen der Grundbesizer flossene.. Landtagswahlkampf. Bekanntlich hatten diese Wahlen vom Fischdampfer Frankfurt  " an den praktischen Arzt Dr. Buba in so lange sie nicht selbst an die Erbauung von Wohnungen und Ver­zum badischen Landtage zum ersten Male unter dem allgemeinen, Nordenham  : geheimen und direkten Wahlrecht stattgefunden und das Zentrum mietung derselben zum Selbstkostenpreis übergehen. " Herrn Dr. Buba! hatte gehofft, die absolute Mehrheit im Landtage zu erringen. Es Bitte den Matrosen C. Fischer vom Dampfer Frankfurt  " zu Die Hädselmaschine ist Zubehör" des ländlichen Grundstücks gemäß waren daher auf seiten des Zentrums die größten Anstrengungen untersuchen. Bitte Herrn Doktor, wenn irgend möglich, denselben gemacht worden, unter anderem hatte der Führer des badischen § 98 II des Bürgerlichen Gesetzbuches.  wieder nach See zu schicken, da die Leute knapp sind." Zentrums, Geistl. Nat Wacker, ein Rundschreiben an sämtliche Der Matrose Fischer, dessen Gesunderklärung so dringend wegen Zubehörteile, die, obgleich sie bewegliche Sachen sind, doch als katholischen Pfarrämter gerichtet, gegen die nichtkatholische Presse Leutemangel gewünscht wird, hatte sich den Fuß schwer verstaucht. zum Grundstück gehörig angesehen werden, haben stets einen wichtigen agitieren zu wollen. Auch auf der anderen Seite, die sich zu einem Seine Aufnahme in ein Krankenhaus oder eine längere Ruhepause Charakter, so auch in Versicherungsangelegenheiten. " Block der Linken" zusammengeschlossen hatte, wurden die größten erschien dringend notwendig. Dr. Buba ist offizieller Arzt der Fisch Versicherungsgesellschaft in Berlin   einen Versicherungsvertrag für sein Ein ländlicher Stellmacher und Grundbesitzer war mit der Aktien­Anstrengungen gemacht, um einen Sieg des Zentrums zu vereiteln. Dampferreederei Nordsee". Der franke Mann bekam teine Die scharfen Gegenfäße, welche dieser heiße Wahlkampf hervor- Krankenhausbehandlung und konnte seinen verstauchten Fuß nicht Grundstück eingegangen. Und zwar ging der Vertrag dahin, daß der gerufen hatte, führten zu verschiedenen Strafprozessen, unter denen ruhen, sondern ihm wurden Einreibungsmedikamente verschrieben. Versicherungsnehmer gegen materielle Folgen förperlicher Unfälle ver­der Fall Gaisert das größte Aufsehen erregte. Pfarrer Nach Empfang des oben mitgeteilten Briefes erhielt er vom Arzt sem versicherten Grundstück und dem dazu gehörigen Trottoir be= sichert sein sollte, von denen Personen während des Aufenthalts auf Gaisert hat in seinem Orte Gündelwangen   sehr eifrig für den Order, die Fangreise anzutreten! Zentrumskandidaten gewirkt und war am Wahltage von Haus zu troffen werden. Ausgeschlossen sein sollten Unfälle, welche durch den Haus zu ſeinen Pfarrkindern gegangen, um sie zu veranlassen, Betrieb gewerblicher oder industrieller Anlagen herbeigeführt werden. dem Landtagsabgeordneten Wittemann ihre Stimme zu geben für Unfälle im landwirtschaftlichen Betriebe aus. Nur die Haftpflicht oder, wenn sie das nicht wollten, wenigstens zu Hause zu bleiben benso schloß auch der Versicherungsnehmer auf Befragen die Haftung und nicht für den Nationalliberalen zu stimmen. So war Gaisert als Hausbesitzer verlangte er versichert durch Bejahung auf dem auch gegen Mittag zu dem Gastwirt Faller gekommen, der ihm Wie man Kellner auf patristischen Feierlichkeiten entlohnt. Fragebogen. durch Handschlag versichern mußte, daß er für den Am 6. Juni 1903 ereignete fich auf dem Grundstück des Ver­Zentrumskandidaten stimmen werde. Diese Unterredung war von Vor kurzem wurde in Ostpreußen   ein Bismarck 3- ficherten ein Unfall. Die 16jährige Tochter hatte Hädsel geschnitten dem Malermeister Kramer und seinen beiden Gehülfen Wolf und Turm eingeweiht". Obwohl für dieses Bauwerk schon seit Jahren und die Häckselschneidemaschine dann stehen lassen, ohne die Sicher­Kraak, die gerade im Nebenzimmer zu Mittag azen, beobachtet in der eifrigsten Weise gesammelt worden ist, sind jetzt noch 7000 m. heitsvorrichtung einzuschalten. Ein Knabe, der auf dem Grundstück worden. Als dann später gegen die Wahl des Zentrumsabgeordneten Schulden zu decken. Dabei haben Kommunen Beträge aus den spielte, schnitt sich darauf drei Finger der linken Hand ab. Der Wittemann beim Wahlkommissar ein Protest wegen Wahl- Gemeindekassen( Königsberg bewilligte allein 1000 m.) genommen, Bater des Verlegten machte jetzt Ansprüche gegen den Inhaber der beeinflussung einlief, war auch dieser Vorfall angegeben worden damit wenigstens einige Mittel zusammen famen. Jetzt ist der Turm Maschine geltend und legterer verwies auf die Versicherung. Diese und Kramer wurde von dem Wahlkommissar zur Vernehmung vor in üblicher Weise der" Deffentlichkeit" übergeben worden. Am Ein- lehnte jedoch jede Haftung ab, da der Unfall nicht unter die be­den Untersuchungsrichter vorgeladen. Er erhielt die Vorladung weihungstage fand in einem großen Etabliſſement in Königsberg   dingungsmäßig übernommenen Fälle zu rechnen sei. Vielmehr habe am 16. Januar d. J. Am Tage darauf erhielt Kramer von eine Festlichkeit statt. Das Komitee hatte auf 2000 Besucher ge- er sich im landwirtschaftlichen Betriebe ereignet, wozu das Schneiden Gaisert einen Brief des Inhalts: rechnet; doch nur 600 Personen waren erschienen. Zu dem des Häcksels gehöre. Sollten Sie befragt werden über das, was fest war eine ganze Anzahl Kellner engagiert, die Das Landgericht Berlin   erkannte daraufhin auf Ab­hatten und ich mit dem Wirte F. gesprochen habe, so können Provision bezahlt nun auf einen guten Verweisung der gegen die Versicherungsgesellschaft gerichteten An­Sie dem Untersuchungsrichter ruhig sagen: dienst rechneten. Doch sie sollten in ihrer Hoffnung getäuscht werden. sprüche. Das Kammergericht Berlin   entschied in demselben Sinne, Ich habe nichts davon gehört, ich habe im Ein Kellner hatte 30 Pf., einer 40 Pf. und einer gar indem es noch ausführte, daß die Gesellschaft haften würde, wenn Nebenzimmer mit meinen feine Tantieme zu verzeichnen. Dabei hatten die Kellner die ein herabfallender Dachziegel, eine schlechte Treppenstufe oder Leuten zu Mittag gegessen und nur auf dies Geschäft geachtet." Nacht hindurch nichts zu eſſen bekommen. Zuvor hatten sie an Glatteis die Verlegung herbeigeführt hätte, bei einer landwirtschaft­Malermeister Kramer übergab diesen Brief bei seiner Ver- 3 wei Vormittagen unentgeltlich Vorarbeiten verrichten müssen. lichen Maschine könne eine Haftpflicht in diesem Sinne aber nicht nehmung dem Oberamtmann und die Untersuchungsbehörde Gine Mart Strafe war ihnen angedroht, falls sie nicht zur eintreten. Das Reichsgericht billigte diese Auslegung der Vorder­folgerte aus dem Schreiben den Versuch, den Zeugen zu einer Racharbeit erscheinen sollten. Natürlich weigerten sich die drei Kellner richter nicht und hob infolge Revision des Klägers das Urteil des falschen Aussage zu verleiten und gab die Aften an die Staats- angesichts ihres ganz geringen Verdienstes, Nacharbeit zu verrichten, Kammergerichts auf. Das Reichsgericht führte aus, daß die Be­anwaltschaft weiter, welche gegen Pfarrer Gaisert Anklage wegen die natürlich auch unentgeltlich zu leiſten war. Als sie nach ihrem klagte bei Eingehung des Vertrages wußte, daß eine Vergehens gegen§ 159 des St.-G.-B., Verleitung zum Meineid, ohne kamen, wurde er ihnen nicht gegeben, sondern als Häckselmaschine sich auf dem Grundstück befinde und daß erhob, ein Vergehen, das mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren be- Strafgeld eingezogen. ihr bei Eingehung des Vertrages tein Zweifel darüber be= droht ist. Pfarrer Gaisert wurde in Untersuchungshaft genommen. stehen konnte, daß der Versicherungsnehmer diese mitversichert wissen In der vorigen Verhandlung, welche mit seiner Freisprechung wollte. Der Berufungsrichter habe das nicht untersucht, und müsse endete, erklärte der Angeklagte, daß der Brief nur bezweckt habe, er deshalb eine neue Prüfung eintreten lassen. In der neuen Ver­Kramer, dem es unangenehm gewesen sei, in die Sache, hinein­handlung vor dem Kammergericht kam dieses nun zu dem Resultat, gezogen zu werden, vor Weiterungen zu bewahren. Wenn derselbe daß die Beklagte( die Versicherungsgesellschaft) hätte wissen müssen, gefagt hätte, daß er nichts wisse, was Kramer dem Vikar Fahrenbach  daß ländliche Grundstücke wie dieses, der Landwirtschaft zu dienen versichert gehabt habe, so wäre wohl von einer weiteren Bernehmung bestimmt seien, wie es in ländlichen Bezirken stets üblich sei, daß desselben Abstand genommen worden. Außerdem aber habe er jeder etwas Landwirtschaft treibt. Die Häckselmaschine war also für nicht wissen fönnen, ob Kramer eidlich vernommen werden würde, den Versicherungsnehmer, der einige Kühe hält, unentbehrlich und da das badische Gesetz es dem Untersuchungsrichter freistelle, ob er müsse deshalb als zum Grundstück gehörig angesehen werden ge­eidlich oder uneidlich vernehmen wolle. Andererseits hatte aber mäߧ 98 Absaz II des Bürgerlichen Gesetzbuches  . Pfarrer Gaisert dem Staatsanwalt eine Aussage gemacht, welche Die gegen diese Entscheidung des Kammergerichts eingelegte dieser als Geständnis auffaßte. Das Gericht hatte jedoch dem In Tilsit  , der zweitgrößten ostpreußischen Stadt, ist der Revision wurde diesmal vom Reichsgericht zurückgewiesen. Die Ent letteren Moment kein Gewicht beigelegt. Gegen das frei- Mangel an kleinen Wohnungen so groß, daß sich bereits 50 o bda chscheidung ist für Kleinbesitzer von Erheblichkeit.

ihre

Die Kellner flagten nun vor dem Gewerbegericht und dieses berurteilte das Etablissement zur Zahlung von 2 bis 2,50 M. an jeden Kellner. Es entschied, daß die Kellner Anspruch auf Essen   und auch nur an einem Vormittag Vorarbeit zu verrichten hatten. Dieses kleine Bild zeigt zugleich einen Einblick in die trostlosen Lohn- und Arbeitsbedingungen der Kellner. Sie müssen Provision zahlen, schwer arbeiten und hungern, wobei der Verdienst gar nichts oder nur wenige Bettelpfennige beträgt. Aber auch nach dem letteren streckt das Geschäft die Hand aus und erst das Gewerbe­gericht muß ihm sagen, daß auch Kellner entlohnt werden müssen. Wohnungsnot und Kommune.

Preisausschreiben für die deutsche Arbeiterschaft.

5000 Mark Geldpreise, am 20. Dezember 1906 auszahlbar.

Die Aufgabe ist folgende: 8 sollen die Vorzüge des Kathreiners Malzkaffee, speziell deffen Wert und

1191

Die Geldpreise sind:

5 Preise

10 Preise

--

Erster Preis: Zweiter Preis:

Mart 500.­

=

Mark 500.­

"

Dritter Preis:

300.­200.-=

-

300.­

"

200.­

"

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100.­

500.­

"

"

à

75.-=

750.­

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15 Preise

à

50.-­

500.­

"

U

20 Preise

à

25.­

500.­

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50 Preise

10.­

500.­

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100 Preise

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500.­

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100 Preise

à

2.50

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250.­

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500 Trostpreise

à

1.­

500.­

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803 Preise

=

-

Mt. 5000.­

Bedeutung als tägliches Getränk für die arbeitenden Kreise geschildert und gekennzeichnet werden. Diese Darstellung muß geeignet sein, durch ihre Ver­öffentlichung neue Freunde und Anhänger für Kathreiners Malzkaffee in den ,, Arbeiterkreisen zu werben."

Jeder deutsche Arbeiter und jede deutsche Arbeiterin kann sich an dem Preis­ausschreiben beteiligen.

Wer sich um einen der Geldpreise bewerben will, muß bis zum 15. No­vember 1906 einen Brief an Kathreiner's Malztaffee  - Fabrit in München 712 mit der Aufschrift Preisausschreiben" senden, in dem er die Vorzüge von Kathreiners Malz­taffee in seiner Weise schildert. Die treffendsten Acußerungen werden mit den angeführten Geldpreisen bedacht.

"

Die Preisarbeiten müssen leserlich und deutlich geschrieben sein und die volle Adresse und den Beruf des Einsenders angeben.

Das Preisrichterfollegium setzt sich zusammen aus: zwei Arbeitern, einem Arzte, einem Lehrer und einem Mitgliede unserer Firma.

Diejenigen, welche die ausgezeichneten Eigenschaften des zuträglichen  ,, Kathreiner" mit dem würzigen, kaffeeähnlichen Wohlgeschmack noch nicht kennen, seien auf das praktische 10 Pf.- Paket hingewiesen, das man in den Kolonialwaren­geschäften erhält und das sich vorzüglich zu einem billigen lohnenden Versuche eignet. Von großer Wichtigkeit für den Wohlgeschmack des Getränkes ist die genaue Befolgung der Kochvorschrift, die sich auf jedem Paket befindet!

Das Adressen- Verzeichnis der Preisträger wird vom 20. Dezember ab auf Verlangen an jedermann unentgeltlich und portofrei abgegeben.

Kathreiner's Malzkaffee  - Fabriken

München, 20. September 1906. Gesellschaft mit  

beschränkter Haftung.