Teten, sondern er müßte auch seine eigene bisherige Ansicht revidieren und Aigeben, daß der Kapitalismus nicht not- inendig die sonalistische Anschauung unter den Arbeitern züchte. Aber das tut Sombart nun wiederum nicht. Er bleibt bei seiner soziologischen Ansicht und— vertröstet den Leser auf die Zukunft, auf weitere Bücher, die er später schreiben werde:„Ich werde später zu zeigen versuchen, daß in keinem Lande der Welt— objektiv betrachtet— der Arbeiter vom 5l'apitalismuS so ausgebeutet wird wie in den Vereinigten Staaten , daß der Arbeiter in keinem Lande der Welt sich in den Sielen des Kapitalismus so blutig reibt, sich so rasch zu Tode rackert wie dort."(s. 130/131.) Und am Schluß des Buches(S. 142) spricht er, und 'zwar gänzlich unvermittelt, als seine Persönliche Ansicht aus, „daß alle Momente, die bis heute die Entwickelung des So- zialismus in den Vereinigten Staaten aufgehalten haben, im Begriffe sind zu verschwinden oder in ihr Gegenteil ver- kehrt zu werden, so daß infolgedessen der Sozialismus in der Union im nächsten Menschenalter aller Voraussicht nach zu vollster Blüte gelangen wird". Die Begründung dieser An- ficht„hofft" er„später einmal geben zu können". Man� wird zugeben, Herr Sombart niutet der Vertrauensseligkeit des Lesers etwas viel zu. Auf den ersten 24 Seiten bringt der amerikanische Kapitalismus grauen- Haftes Elend mit sich: dann folgen zirka 120 Seiten, die des amerikanischen Arbeiters Lebenshaltung als mindestens so be- haglich schildern wie die eines wohlhabenden deutschen Bürgers aus dem Mittelstande, und zum Schluß wird ohne jede Begrün- dung behauptet, daß es im nächsten Menschenalter umgekehrt sein werde.— Herrn Sombarts wissenschaftliche Autorität müßte denn auch eine ganz andere sein, als sie in Wirklichkeit ist, wenn man ihm das alles so ohne weiteres glauben sollte. Gelöst hat also Sombart das Problem nicht, das zeigen die aufgedeckten Widersprüche. Trotzdem aber wird der kritische Leser, der nie vergißt, was für einen Verfasser er vor sich hat, aus dem Buche mehr Nutzen ziehen, als etwa aus dem inhaltsleeren Geschwätz, das Sombart unter dem Titel: „Sozialismus und soziale Bewegung" in die Welt gesetzt hat. Die Ursache, weshalb es in den Vereinigten Staaten bisher keinen nennenswerten Sozialismus gibt, behauptet Sombart in der poilitschen, der sozialen und der Wirtschaft- lichen Lage des amerikanischen Arbeiters gefunden zu haben, serner durch die ihm offenstehende Möglichkeit, durch An- siedelung im freien Westen sich der kapitalistischen Aus- beutung ganz und gar zu entziehen. Da. wie gesagt, die Lösung des Problems dem Verfasser nach unserer Ueber- Zeugung nicht gelungen ist, so liegt für uns der Wert des Buches nicht in dem, was er als Antwort auf die im Titel aufgeworfene Frage gibt, sondern in der Schilderung der tat- sächlichen Lage des amerikanischen Arbeiters und in ihrem Vergleich mit der des europäischen. WaZ zunächst die politische Stellung des amerikanischen Arbeiters anbelangt, so schildert Sombart mit großer Anschaulichkeit das Spiel der politischen „Maschine", wie es durch die völlige Demokratie drüben ent- fesselt wird. Da nicht nur der Präsident und die Mitglieder des Bundesparlaments gewählt werden, sondern auch die wichtigsten Beamten der Einzelstaaten, der Provinzen, der Kommunen und der Gerichte, so hat der gewissenhafte Bürger durchschnittlich jedes Jahr 22mal zu wählen. Das erfordert Zur Bearbeitung der Wähler einen Apparat, den nur große und reiche Parteien sich leisten können. Und dies ist, nach Sombart , ein wichtiger Grund, weshalb neben den beiden existierenden Parteien bisher keine dritte hat aufkommen können. Einen politischen Unterschied zwischen„Demo- kraten" und„Republikanern" vermag Sombart nicht zu ent- decken. Mag ein solcher früher vorhanden gewesen sein, jetzt existieren die beiden großen Parteien einfach deshalb weiter, weil sie einmal da sind und ein ungeheurer Troß von Menschen von ihnen lebt. Alle diese„Drahtzieher" haben ein persön- liches Interesse an der Existenz dieser Parteien, sei es daß sie von der Wahlarbeit leben, sei es daß sie nach Wahlerfolgen mit öffentlichen Aemtern bedacht werden. Da besteht nun erstens(immer nach Sombart ) für diejenigen Arbeiter, die sich als Führer ihrer Klasse hervortun, die Aussicht, selbst in gutbezahlte Staatsämter einzurücken, und zweitens sehen die Parteien, durch keinerlei Prinzipien beschwert, kein Hindernis, alle Forderungen der Arbeiter(die sie beim gleichen Wahl- recht ja unbedingt als Arbeiter brauchen) selbst auf ihre Fahne zu schreiben, so daß diese nicht nötig hatten, eine be- sondere Arbeiterpartei zu gründen. Obgleich in dem, was Sombart hier meint, die blanke Korruption eine große Rolle spielt, so meint er doch nicht nur Korruption, �r schreibt Zum Beispiel(S. 55): „Man denke, daß es den Arbeitern Berlins möglich gewesen wäre, in der Zeit des Sozialistengesetzes den Staatsanwalt Teisendorf zu kassieren oder heute irgend eine Strafkammer in die Luft zu sprengen, die wegen ihrer drakonischen Strafen bei Streikvergehen berüchtigt ist, oder sich an einer bestimmten Nichterschaft, etwa der, die das Löbtauer Urteil gefällt hat, dadurch zu rächen, daß man ihnen in der nächsten Wahl den Lauf- patz gibt! Der amerikanische Arbeiter kann das; allerdings um einen Preis, der vielen hoch erscheinen wird: er mutz sich nämlich einer der großen Parteien anschließen, weil eS die großen sind. Denn nur mrt deren Hülfe ist eine erfolgreiche Beeinflussung des Wahlergebnisses möglich." So wurde z. B. der berüchtigte Governor(Präsident des Einzelstaats) Peabody von Colorado , dessen Eingreifen in die Streiks von 1903 noch in aller Gedächtnis ist, durch die Wahlen von 1904 gestürzt, aber nicht durch Anwachsen der sozial- demokratischen Stimmen— diese gingen vielmehr um die Hälfte zurück—, sondern indem die Arbeiter für die demo- kratische Partei stimmten, die dadurch in die Lage kam, den republikanischen Governor durchfallen zu lassen.— Auf diese Weise also übt der amerikanische Arbeiter dank der demo- kratischen Verfassung seines Landes einen unmittelbaren und nicht selten entscheidenden politischen Einfluß aus. Wichtiger ist indessen seine wirtschaftliche Lage. Durch umfangreiche Berechnungen kommt nämlich Sombart zu folgendem Resultat: der G e l d l o h n des amerikanischen Arbeiters ist z w e i- b i s d r e i m a l so hoch wie der des deutschen . Die W o h n u n g ist höchstens ebenso teuer wie bei uns, im Durchschnitt eher niedriger: allerdings gibt der amerikanische Arbeiter viel mehr für seine Wohnung aus als der deutsche, aber nur weil er in der Regel 3— 4 Zimmer bewohnt. In Baltimore z. B., einer Stadt von über 500 000 Einwohnern, kostet ein ganzes Familienhaus mit 4 bis ß Räumen nur 332 bis 408 M. Miete im Jahre: in St. Paul .(163.000) nur halb so viel! Beleuchtung und Heizung. DaS Petroleum kostet in New Uork etwa halb so viel wie in Mannheim oder Breslau . Die Steinkohle hat hüben wie drüben ungefähr den gleichen Preis. Die Wohnungseinrichtung(Möbel usw,) ist„in chen Vereinigten Staaten eher billiger als bei uns".(S. 103.) Die Ernährung. Die Preise der wichtigsten Lebens- mittel sind in den Vereinigten Staaten und in Deutschland im großen ganzen dieselben. Kleidung. Auf Grund längerer Berechnung schließt Sombart , daß auch die Kleidung dem amerikanischen Arbeiter nicht oder doch nur unwesentlich teurer zu stehen kommt als dem deutschen . Die Folge ist, daß der amerikanische Arbeiter weit behag- licher lebt wie der deutsche. Er spart nicht wesentlich mehr, aber er bewohnt in der Regel 4 Räume, der deutsche nicht ein- mal 2. Er richtet sich die Wohnung„komfortabel" ein. Er ißt fast dreimal so viel Fleisch, dreimal so viel Mehl, viermal so viel Zucker wie der deutsche, der sich dafür den Bauch mit Kartoffeln vollschlägt. In der Kleidung endlich unterscheidet sich der amerikanische Arbeiter und ebenso die Arbeiterin in nichts von dem wohlhabenden Mittelstande. Nebenbei be- merkt: Sombart berechnet, daß der deutsche Arbeiter, dank seiner elenden Lebenshaltung, von seinem Einkommen doch noch einen höheren Prozentsatz übrig behält als der ameri- konische.(Absolut natürlich viel weniger.) Was macht er damit? Nach Sombarts Angaben vertrinkt er ihn, während der Amerikaner viel mäßiger lebt. Dieser wirtschaftlichen Lage des amerikanischen Ar- beiters im Verein mit seinem politischen Einfluß entspricht nun auch seine s o z i a l e S t S l l u n g. d. h. die gesellschaft- liche Achtung, die er bei den anderen Klassen genießt. Der Arbeiter drüben ist„Gentleman", die Arbeiterinnen sind „Ladies" so gut wie jeder andere. Ein Ton der Gleich- berechtigung herrscht nicht nur im gesellschaftlichen und öffent- lichen Leben, sondern sogar auch innerhalb der kapitalistischen Unternehmung. Auch verstehen die Kapitalisten ihre Arbeiter am Profit zu interessieren, erstens durch Gewinnbeteiligung, sodann durch willige Aufnahme aller Anregungen zur Ver- besserung der Produktion, an deren Ertrag, wenn�sie Gewinn bringen, der Anreger ebenfalls beteiligt wird: und endlich — ein ganz„smarter" Geschäftskniff— durch Verkauf von Aktien des Unternehmens an die eigenen Arbeiter! Man muß sich fragen, wieso denn unter solchen Um- ständen der amerikanische Arbeiter in so großer Menge„in die Freiheit flieht", d. h. durch Ansiedelung auf bisher un- benutztem Boden sich dem kapitalistischen Getriebe entzieht. Wenn es ihm so gut geht, müßte er doch gerade unter dem Szepter des Kapitalismus sich außerordentlich wohl fühlen. Statt dessen sind während eines einzigen Menschenälters(bis 1900) nicht weniger als 5 Millionen Menschen aus den Ost- staaten in die westliche„Freiheit" gewandert(S. 138) und gerade hierin sieht ja Sombart einen der stärksten Gründe gegen die Entstehung des Sozialismus. Auch das ist offenbar ein klaffender Widerspruch. poUtilcbe deberficht. Berlin , den 8. Oktober. Vergebliche Mahnung zur Einkehr! Die bürgerliche Presse hat über den Verlauf des Mann- heimer Parteitages die tollsten Kapriolen geschlagen. Sie hat die blödesten Witze gerissen über Bebels„Rückzug" und die „Versöhnungskomödie", die in Mannheim agiert worden sei. Sie hat wieder einmal den klassischen Beweis für die Richtig- keit des Wortes geliefert/ daß die Götter denjenigen, den sie verderben wollen, mit Blindheit schlagen. Eine Ausnahme von diesem läppischen Treiben bildeten nur zwei kleine Gruppen: die nationalsozialen Eigenbrödler vom weiblichen Freisinn und etliche extreme Scharfmacher. Die Barth, Naumann und Gerlach beurteilten den Mann- heimer Parteitag von ihrem Standpunkte aus ganz logisch. Sie erblickten in der Mannheimer Resolution über den Massen- streik einen Sieg der gewerkschaftlichen Richtung und eine— wenn auch verschleierte— Niederlage des radikalen marxisti - schen Flügels. Das Vordringen der die praktische Gegen- wartsarbeit immer schärfer betonenden Tendenzen werde sich in Zukunft noch stärker bemerkbar machen und schließlich den Sozialismus von allen„utopischen" End- zielschlacken reinigen, so daß schließlich von der Sozial- demokratie nichts anderes als eine demokratisch- proletarische Reformpartei übrig bleiben werde. Die Paar einsichtigeren Scharfmacher deuteten das Ergebnis des Parteitages ähnlich; nur daß der Sieg der gewerkschaftlichen Richtung für sie keine Herabminderung der revolutionären Gefahr bedeutete. Ihren extremen Charakter werde die Partei auch ferner beibehalten und damit eine dauernde Bedrohung des Ordnungsstaates bleiben. Ja, der Sieg der nüchternen gewerkschaftlichen Richtung, die zurzeit vom Massenstreik nichts wissen wolle, ihn aber als alrüna ratio nach Schaffung der zu seiner Durch- führung notwendigen organisatorischen Vorbedingungen nach wie vor im Auge behalte, habe die rote Gefahr nicht ab- geschwächt, sondern im Gegenteil verschärft. In solchen Auffassungen liegt doch wenigstens System und ernstes Bemühen, die proletarische Klassenbewegung zu ver- stehen. Die trotzdem unterlaufenden Irrtümer bestehen darin, daß gerade die radikale Richtung, die sich auf das Werk der Genossin Roland-Holst bezog, seit jeher von dem frei war, was man— innerhalb und außerhalb der Partei— als Massenstreik- oder Revolutionsromantik be- zeichnet hatte. Ihr lag alles näher, als mit einem so ernsten Ding, wie dem politischen Massenstreik, zu spielen. Der Unterschied zwischen ihr und dem extremen GewerkschastS- opportunismus bestand vielmehr darin, daß dieser mit einem friedlich-idyllischen Hineinwachsen in die künstige Gesell- schaft rechnete, während die radikale Richtung aus allen ähnlichen Gesellschaftskämpfen der Geschichte. die Lehre zieht, daß auch der Uebergang vom Kapitalismus zum Sozialismus sich schwerlich ohne schärfste Konflikte mit den herrschenden, in ihren Privilegien bedrohten Klassen abspielen wird. Ein weiterer Irrtum speziell der National- sozialen besteht darin, daß sie diesen Einfluß historischen Denkens auf die breiten Massen außerordentlich unterschätzen, während doch gerade der Mannheimer Parteitag den Beweis geliefert hat, daß das Proletariat heute vielleicht mehr als je von revolutionärem— das Wort im wahren, unkarrikierten Sinne verstanden— Empfinden beseelt ist. Sieht man von diesen Einschränkungen ab, so darf zu- gestanden werden, daß der Freiherr v. Zedlitz in seiner kürzlich im„Tag" veröffentlichten Würdigung des Mann- eimer Parteitages ein viel feineres politisches Verständnis ewiesen hat als das Gros der blindlings darauf los schwatzenden bürgerlichen Zeitungsschreiber. Zedlitz meinte, daß der Parteitag eine nicht zu überschätzende Vorarbeit für die bevorstehende Reichstagswahl geleistet habe. Ueber dieser nächsten und dringlichsten Ausgabe habe man die weitere EntWickelung der Partei und ihrer Bestrebungen aber nicht vergessen. Der Massenstreik sei zwar für den Augenblick zurückgestellt, aber diese modernste Form der Revolution bleibe nach wie vor als die ultün» ratio im Arsenal der sozialdemokratischen Kampfesmittel. An dem hierzu erforderlichen Ausbau der Organisation aber werde sicher mit fieberhaftem Eifer gearbeitet werden. Glaubten Staat und bürgerliche Gesellschaft daher, daß mit Mannheim die Frage des politischen Massenstreiks endgültig erledigt sei, so würden sie sich gefährlichen Illusionen hingeben und äußerst unliebsame Ueberraschungen zu gewärtigen haben. Aehnlich wie Zedlitz äußert sich auch Max Lorenz. Wie man auch über den Charakter dieses Renegaten denken mag: er hat doch einmal des sozialdemokratischen Geistes reinen Hauch verspürt und politisch denken gelernt, wenn er auch in überraschendem Tempo zu den rabiatesten Scharf- machern hinübergewechselt ist. Es ist ihm �daher sicher bitterer Ernst, wenn er seine Kollegen von der Scharfmachereouleur in gar nicht schnteichelhafter Weise folgendermaßen apostrophiert: „Ich benutze diese höchst verdienstvolle Beurteilung des Frei- herrrn v. Zedlitz, mit der ich Zeile für Zeile übereinstimme, zu dem ganz allgemeinen Hinweis darauf, datz sich die bürgerliche Presse aller Parteien— von Ausnahmen abgesehen— der Beurteilung sozialdemolratischer Verhältnisse und einer von wahrhaft politi- schen Gesichtspunkten geleiteten Bekämpfung der Sozialdemokratie nicht gewachsen zeigt. Sie arbeitet nach längst ver- brauchten Schablonen und� mit Klischees, die fast durchweg auf die Sachlage wie die Faust aufs Auge passen. Das Schema ist etwa dies: Man verunglimpfe nach Möglichkeit sowohl in moralischer wie in intellektueller Beziehung die einzelnen sozial- demokratischen Persönlichkeiten, und um dabei nicht allzu roh, sondern als„ ü b e r l e g e n e r G e i st" zu erscheinen, sei man witzig, so möglichst von oben herab wegwerfend witzig. Dabei kommt denn nun fast regelmätzig ein s e h r g e- kün st elter und aufgeblasener Witz zustande, der in Wahrheit nichts weiter ist als das intellektuelle Unvermögen, das sozialdemokratische Pro- blem gründlich zu verstehen und sachlich zube- handeln und die politischeRatlosigkeit gegenüber dem vorrückenden sozialdemokratischen Gegner, dessen umkammernde Macht man widerwillig fühlt. Diese„Witze" sind tatsächlich die Irrlichter über dem Sumpf bürgerlicher Partcipolitik, in den wir mehr und mehr hineingeraten. Ich will hiermit gegen niemand persönlich einen Vorwurf erheben, sondern ich will nur einen Fehler, ein organi- scheS und habituelles Leiden kennzeichnen, das aus einer Situation hervorgewachsen und seinerseits wieder für diese Situation charak- teristisch ist. Wenn wir uns nicht daran gewöhnen, die Sozial- demokratie sehr ernst zu nehmen und sehr fach- lich zu behandeln, wenn wir uns nicht des ganzen ungeheueren zeitgeschichtlichen Problems bewußt werden, das in der sozialdemokratischen Frage steckt, wenn wir nur irrlichterierend tänzeln und geist- reichelnd witzeln, wenn wir politischen„Zeitungsschreiber" unsere Aufgabe nicht darin sehen, mit an führender Stelle und in maß- gebender Weise Politik zu machen, sondern mehr darin, unsere Leser zu amüsieren, dann korrumpieren wir nur die ohnehin nicht überreichlichen Reste des politischen Sinnes im Bürgertum und sind nichts als die besten und dabei noch persönlich würdelosen Vorarbeiter und Wegbereiter der Sozialdemokratie." Herr Max Lorenz wird trotzdem wohl tauben Ohren predigen. Die bürgerliche Gesellschaft taumelt blindlings, freche Selbstverhöhnung auf der Lippe, einem neuen Jena entgegen.—_ Zolltarif und Grundstückspreise. Als zur Zeit der Zollkämpfe die agrarische Presse die Erhöhung der Getreidezölle mit der Begründung betrieb, daß die Landwirt- schaft wieder„rentabel" gestaltet werden müsse, haben wir wieder- holt darauf hingewiesen, daß durch die Steigerung der Getreidezölle wohl den damaligen Besitzern ländlicher Güter ein beträchtliches Ge- schenk in den Schoß geworfen würde, da die Steigerung der Ge» treidezölle eine Vermehrung der Einnahmen und diese wieder eine Preiserhöhung der Grundstücke.und Pachten zur Folge haben würden, daß aber von einer Steigerung der „Rentabilität der Landwirtschaft" nicht gesprochen werden könnte, da künstig bei einem Uebergang der Güter in andere Hände die neuen Besitzer oder Pächter entsprechend höhere Preise zahlen müßten, so datz sich für sie der Profit aus den von ihnen bewirtschafteten Grundstücken im Verhältnis zum auf- gewendeten Kapital um nichts höher stellen werde, als vor der Er- höhung der Getreidezölle. Vorteil von der Getreidezollsteigerung hätten demnach nur jene Personen, die zur Zeit dieser Steigerung im Besitz ländlicher Grundstücke seien, die Rentabilität der Landwirt« schaft aber würde dadurch nicht im geringsten geförderte Seit dem Inkrafttreten der neuen Handelsverträge und des Zolltarifs vom Dezember 1S02 wird denn auch aus den verschiedenen Teilen des Reiches ein starkes Steigen der Grundpreise gemeldet. Aus Mecklenburg berichtet z. B. unser Rostocker Parteiorgan, die .Mecklenburg. VolkSztg.": „Das auf der Feldmark Neubrandenburgs gelegene Gehöft Fritscheshof ist in diesen Tagen mit voller Ernte für 170 000 M. an einen Herrn Schröder aus der Gegend von Gnoien verkauft worden. Der jetzige Besitzer. Herr Kortüm, zahlte seinerzeit einen Kaufpreis von 110 000 M.— Der Berkauf der dem Orts- Vorsteher Hamann in Lüdersdorf gehörigen beiden Vollstellen an den Landmann Camens auS Abbeltorn ist zum Abschluß ge- kommen. Der Kaufpreis beträgt 112 000 M. H. kaufte die Stelle vor etwa fünf Jahren von der Schulzenwitwe Lühr für 84000 M. Und nun ein paar Zahlen, wie sie in den letzten Tagen die Pachtausschreibungen von Gütern des großherzoglich-schwerinschen Domaniums brachten. Die Pächter wissen eben, was sie dank der Zollerhöhungen leisten können: Von den sogenannten„HauSHaltspachtHöfen", die gewissermaßen die Zivilliste deS Großherzogs darstellen, brachte an Pacht- summe pro Jahr bisher M. jetzt M. Hof Toitenwinkel.. i. 13 000 18 000 Dabei ist zu bemerken, daß der Hof Toitenwinkel vor der Neuverpachtung noch um etwa 1 Last Acker ver- kleinert worden ist, so daß er jetzt nur etwa 25'/. Last Acker beträgt. Die Pachtzeit beträgt im vorliegenden Falle 21 Jahre. Es bringt also allein der Hof Toitenwinkel für die Dauer der Pachtzeit 12 600 M. mehr für den Großherzog ein oder pro Jahr 000 M. mehr. Insgesamt sind von den großherzogltchen „Haushaltspachthöfen" m diesem Jahre neu verpachtet worden: Klein-Sprenz, Gorschendorf, Peetz, Hinter-Bollhagen, Wendisch- Mulsow, Fahrenholz und Toitenwinkel . Die Pächter dieser. Höfe zusammen haben deren Pachtsumme pro Jahr um 6000 Mark erhöht. Nim sind aber in diesem Jahre auch noch sogenannte „Kameralhöfe"— das find Güter, auS deren Erträgnissen der Großherzog die Regierung bestreiten soll— neu verpachtet worden. Von diesen brachte pro Jahr:
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