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Die Gehülfen in diesen Druckereien werden teilweise besser bezahlt als in gewöhnlichen Akzidenzdruckereien, ihre Stellung ist eine selbständige, angenehme. Nach Inkrafttreten des Vertrages werden sie dieselbe verlassen müssen oder fliegen aus dem Verbände hinaus, dem sie angehörten, um für bessere Lohn- und Arbeitsbedingungen zu kämpfen l Mehrere Gewerkschaften haben eigene Druckereien. Der Verband deutscher Buchdrucker wird ihre Betriebe sperren, wenn ihre Leiter nicht dem Unternehmer- verbände beitreten! Hunderte von Buchdruckern, vielleicht schon Tausende arbeiten in Parteibetrieben. Mutet man auch diesen zu, die Organisation der Unternehmer verstärken zu helfen? Oder wenn man sie nun speren, die dort beschäftigten Vcrbandsmitglieder ausschliefen wollte? Es gibt doch Buchdrucker, die nebenher auch noch Partei- genossen sind! Werden diese ruhig zusehen, wenn ihre Partei- organe nicht erscheinen sollen? Wir glauben es nicht. Nicht einen Tag wird die Parteipresse ihr Erscheinen aussetzen! Dann hat man den Kampf in der Gehülfenschaft. Und lvofür? Um die Unternehmer zu orga- n i s i e r e n! Es wäre zum Lachen, wenn es nicht so ver- zweifelt ernst wäre! Und wer ist der andere Kontrahent, wer ist derDeutsche Buchdruckerverein"? Umfaßt er die Mehrheit der Be- triebe? Umfaßt er auch nur ihre Hälfte? Ach nein I Zwei Drittel der Prinzipale st e h e n ihm noch fern; die soll ihm die Gehülfen- Organisation zutreiben; das Geld, das sie spart, indem sie dem Kampfe für eine Verbesserung der Lohn- und Arbeits- bedingungen aus dem Wege geht, soll sie verpulvern, indem sie ihren Mitgliedern die Arbeitsplätze sperrt und ihnen Unter- stützungen zahlt, damit die Unternehmer organisation gedeihe I Das ist die neue Aera sozialen Wirkens! Die Arbeiterorganisation als Exekutor des Unternehmer- tums. Auch in anderer Beziehung: Der Entwurf sieht nämlich auch vor, daß die Organi­sationen gegenseitig haftbar sind für den Schaden, den ihre Mitglieder einander verursachen: Der Verein, dem der Schädiger angehört, haftet dem Ge- schädigten für Ersatz des ihm entstandenen Schadens insoweit, als sein beteiligtes Mitglied gesetzlich dazu verpflichtet ist." Der Taff-Vale-Entscheid reckt vivus! Was die englischen Arbeiter mit allen Mitteln als geWerk- schaftsseindlich bekämpft haben, führt der Deutsche  Buchdrucker-Verband für sich freiwillig ein! Ob d a s die neue Aera sozialen Wirkens ist? Wird der Vertrag zwischen beiden Organisationen, so wie er vorliegt, Gesetz für die Buchdrucker, dann hat der Verband sein Erstgeburtsrecht dem Unternehmerverein verkauft. Und für weniger als ein Linsengericht  . Man will mit dem Unternehmerverein einen Vertrag schließen, und er sagt verbindlich: Bitte, wenn die Gehülfenschaft zehn Jahre lang nichts fordert! Man verlangt die Anerkennung der Ge hülfen- organisation, und die Unternehmer sagen: Bitte, wenn die Gehülfenschaft uns eine Organisation schafft! Für die Verpflichtung seiner Mitglieder zur Tariftreue verlangt der Unternehmervercin Gerichtsvollzieherdienste. Ohne Schamröte erklären die Prinzipalsvertretcr sich für verpflichtet, an der Unterstützung der Arbeitslosen teil- zunehmen eine Verkürzung der Arbeitszeit lehnen sie ab! Wird die Gehülfenschaft das Judasgeld annehmen, mit dem man sie um eine wirkliche soziale Wohltat betrog? DerKorrespondent" sagt in seinen Betrachtungen über den Vertrag: Heute kann jedoch ohne Uebertreibung gesagt werden, daß die deutschen   Büchdrucker dem Wirtschaftsleben gezeigt haben, wohin eine konsequent und logisch geleistete Arbeit führt, und daß nicht eine sklavische Form, sondern der Sinn, der Geist, das Wesen einer Sache das Entscheidende ist. Und weil es mit der Tarifgemein- schaft der Buchdrucker an dem ist, konnte sie zum Bannerträger einer gewerblichen Friedensära werden, immer mehr den einigenden Momenten den Vorrang sichern und aus einer Politik des Waffenstillstandes eine Politik der Verständigung machen." Auch w i r sind der Meinung, daß nicht die Form, sondern der Sinn, der Geist, das Wesen einer Sache das Entscheidende ist. Und darum erscheint uns die Tarifgemeinschaft nicht ein Waffenstillstand, noch weniger ein Akt der Verständigung zu sein, als vielmehr die Hinüberleitung des Kampfes vom offenen Schlachtfeld auf den Parkettboden der Diplomatie. Möchte der Verband deutscher Buchdrucker auf diesem glatten Boden nicht straucheln l Die russische   Revolution. Der Ruin. Im Gouvernement Nishni Nowgorod  , dessen Budget eine Million erreicht, konnten bis zum Ende vorigen Jahres 46t) 000 Rubel von der Semstwoverwaltung nicht eingetrieben werden. Im Peters- burger Gouvernement wurden im Laufe dieses Jahres statt dxei Millionen Rubel nur 860 006 Rubel eingetrieben, im Semstwo von Wiatka gingen bloß 26 Proz. aller'Steuern ein. Um eine richtige Idee von dem Grade des Geldmangels, an dem die Kassen der Semstwos leiden, zu erhalten, muß man an die Rückstände erinnern, die die Semstwos im vorigen Jahre zu ver- zeichnen hatten. In 34 Semstwos, deren jährliches Budget Ivo Millionen Rubel erreicht, stiegen die Rückstände am 1. Januar 1306 bis auf etwa 70 Millionen Rubel.   Die Semstwos begannen darum, aus den Versicherungskapitalien zu borgen, zinstragende Papier zu verpfänden, Anleihen bei Privat- Personen und-Anstalten zu machen. Das Semstwo von Saratow  ist der Russischen   Bank für auswärtigen Handel 125 000 Rubel schuldig. Der Zahlungstermin ist schon eingetreten, so daß, wenn die Bank keine Stundung bewilligt hätte, alle Einkünfte des Semstwos mit Beschlag belegt worden wären und seine Tätigkeit ganz hätte eingestellt werden müssen. Aus allen Ecken Rußlands  , selbst aus den Gouvernements, deren Semstwos als sehr wohlsituiert angesehen wurden, kommen Hiobs- Nachrichten. Das Moskauer Gouvernement-Semstwo hat schon alle ihm gehörigen Kapitalien verpfändet, und dessenungeachtet reichen die ihm zur Verfügung stehenden Mittel nur, um die Gage der An- gestellten bis Januar zu zahlen. Das Saratowsche Gouvernement  - Semstwo hat die Zahlungen für Versicherungsunfälle eingestellt. Das Twersche Bezirks-Semstwo zahlt den Lehrern und Aerzten schon seit einigen Monaten kein Gehalt, das Gouvernement-Semstwo hat die Verabreichung der Arzneimittel sistiert und ist außerstande, 300 000 Rubel Versicherungsprämien auszubezahlen. Im Gou- vernement Woronesh   zahlt ein Semstwo den Aerzten und An- gestellten keine Gage, ein anderes schließt die Volksschulen und die ärztlichen Ambulanzstellen, ein drittes verzichtet auf die Errichtung der notwendigsten Bauten. Den Angestellten des Poltawaschen Semstwos wird nur die Hälfte der ihnen zustehenden Gehälter ge» zahlt. Das Semstwo Tscherepowetz   hat den Lehrern schon seit dem Monat Mai keine Gage gezahlt. Das Kreiskrankenhaus des Semstwo von Wologda   entbehrt aller Medikamente: der ihm bewilligte Kredit ist schon erschöpft, und die Moskauer   Drogenhandlungen lehnen jede weitere Vcrabfolgung der Medikamente auf Konto ab. Usw. usw. bis ins Unendliche. Man wirft sogar i m E r n st die Frage auf, ob man die Schulen und Krankenhäuser nicht schließen solle! Im Gouvernement Twer hat man schon angefangen, die Schulen zu schließen. In jedem Kreise gibt es bereits einige geschlossene Schulen, im Kreise von Nowotorshsk sind sogar 22 Schulen geschlossen, und es werden dort auch die Krankenhäuser geschlossen. Also das, woran man früher nur mit Entsetzen dachte, ist Wirklichkeit geworden. Selbst die allernotwendigsten Bedürfnisse werden nur unvollständig befriedigt: in einem Orte wird die Tätig- keit der Ackerbauverbesserungsanstalten eingestellt, in einem anderen werden selbst die Gesundheitsämter ganz abgeschafft, in einem dritten die ärztliche Hülfe eingeschränkt. Jetzt ist die Reihe an das Schulressort gekommen, und bald wird auch die Existenz der Semstwos s e l b st fraglich werden. DieRussische Korrespondenz" bringt folgende Aeußerungen des Professors am Petersburger Polytechnikum, M. Friedmann: Das soeben veröffentlichte Schreiben des Herrn Kokoffzew an den Ministerpräsidenten enthält das Geheimmittel, dank dem der Finanzminister die verlotterte russische Staatswirtschast vom Krache zu retten meint. Dieses Mittel ist durchaus nicht neu und wird schon lange angewandt. Es besteht im folgenden: Im Aus- lande werden energisch günstige Auskünfte über die Finanzlage Rußlands   verbreitet, man scheut dabei weder die Presse zu kaufen, noch persönlich den ausländischen Korrespondenten wissentlich der Wirklichkeit unadäquate Mitteilungen zu machen; sobald der Boden solchermaßen bearbeitet ist, bemüht man sich, eine mehr oder weniger bedeutende Anleihe im Auslande abzuschließen, um damit die papierne Wohlfahrt der russischen Staatswirtschaft noch für einige Zeit aufrecht zu erhalten. Legen jedoch die unabhängigen Journalisten und Gelehrten dar, es sei angezeigt, nicht zu einer so ungesunden Entwickelung hinzustreben, sondern zur Aufrichtung des Volkswohlstandes; be- baupten sie, daß Armut und Hunger im Reiche wachsen und daß die Last der Verschuldung je länger desto stärker auf dem Volke drückt, da die durch Anleihen aufgetriebenen Gelder nicht zur Befriedi- gung der wirklichen Bedürfnisse des Voltes dienen, dann wird das Finanzministerium schrecklich böse, und die ihm gehorsamen Reptilien, über den Widerstand gegen die Pläne des Finanz- Ministers ausgebracht, erheben ein gewaltiges Geschrei und wieder- holen die Vorwürfe des Finanzministers: die unabhängige Presse unterwühle den vaterländischen Kredit, sie bezeuge ihren Mangel an Patriotismus und ihre revolutionären Bestrebungen. Die Resultate beider Systeme erscheinen jetzt in vollem Lichte. Den ausländischen Gläubigern ist es handgreiflich geworden, daß der russische Finanzminister zwei Maße, zwei Wahrheiten hat, daß er ganz o p t i m i st i s ch angehaucht ist, so lange er sich an die Gläubiger wendet, daß ihn jedoch ein unsäglicher P e s s i m i s- m u s überwältigt, sobald er offenherzig und ohne sich zu genieren seinen M i n i st e r k o l l e g e n seine Ansichten kundtut! Wird die Enthüllung dieserPolitik", dieser Taktik nicht einen tausendmal. mehr unheilstiftcnoen Einfluß auf den Staatskredit ausüben als das aufrichtige Bekenntnis, daß die Finanzen Rußlands   sich in einer schaurigen Lage befinden? Und ist denn die Wohlfahrt des Landes nicht ungeheuer bedroht von der schrecklichen Schuldenlast, zu deren Tilgung jahraus, jahrein 380 Millionen Rubel erforder- lich sind?! Es wäre doch endlich Zeit, die für unproduktive Zwecke vorgenommenen Anleihen zu sistieren und zur Einschränkung der unnötigen und schädlichen Ausgaben zu schreiten. Und wenn dessenungeachtet wieder neue Anleihen gemacht werden müssen, so sollen sie doch nur nach erfolgter Genehmigung durch die Volks- Vertreter abgeschlossen werden; diese werden als unbedingte Forde- rung aufstellen, daß die so ausgetriebenen Gelder nur zur Be- friedigung der Bedürfnisse der Hauptmasse der Steuerzahler, der Bauern, d. h. zur Verbreitung der Bildung und Erweiterung des Landbesitzes, verausgabt werden." Wuchtiger Protest. Lodz  , 3. Oktober. Wegen des Tagens der Feldkriegsgerichte sind heute die Arbeiter von sämtlichen Fabriken in den Ausstand getreten. Es herrscht große Erregung, viele Straßen sind mili- tärisch abgesperrt. Schlagt die Juden tot!" Odessa  , 10. Oktober. Die reaktionären Agitatoren Dubrowin und Bulazel sind wieder abgereist. Bei der Abfahrt vom Bahnhofe ereigneten sich heftige Szenen. Die Mitglieder des Verbandes des russischen Volkes trugen Fahnen mit der Aufschrift:Schlagt die Juden tot!". Der Passagiere auf dem Bahnhofe bemächtigte sich große Panik» da die fanatisierte Menge zu johlen und zu schießen anfing. Die Polizei verhielt sich vollständig untätig. DieKadetten". Helsingfors  » 9. Oktober. Die Opposition gegen die vom Komitee des Kadettenkongresses beantragte Resolution teilt sich «n zwei Gruppen, deren eine die vollständige Verwirklichung des Wiborger Programms fordert, während die andere die Steuer- Verweigerung für notwendig erklärt, die Verweigerung der Rekrutengestellung aber nicht für zweckentsprechend hält, da die Rekruten nach ihrem Eintritt in die Armee die alten Soldaten ge- Winnen würden. Helsingfors  , 10. Oktober. Das Exekutivkomitee der Kadetten- Partei dementiert die von der Regierung verbreiteten Gerüchte von einem bevorstehenden Verfall der Partei. Auch Miljukow erklärt, niemals die Aeußerung getan zu haben, er halte vorläufig die Schlacht für verloren. Tie Bauernagrarbank. Der Ackerbauminister a. D. N. Kutler hat in der Zeitung Rjetsch" eine Reihe von Artikeln über die Tätigkeit der Baucrnbank veröffentlicht, deren Ergebnisse sehr interessant sind. Die Operationen der Bank, meint Kutler, haben als einziges Resultat ein Anhäufen des freien Landes. Das hätte an und für sich willkommen sein können, da es die zu- künftige Verwirklichung der Agrarreform beschleunigt hätte. Aber diese vorteilhafte Seite der Banktätigkeit wird voll- ständig annulliert durch die Bedingungen, unter denen die Bank die Privatländereien erwirbt. Die Bank bezahlt den Gutsbesitzern einen so hohen Preis, daß sie nachher nicht imstande ist, den Bauern die Güter so abzutreten, daß jene Vorteil daraus ziehen können; die Bank arbeitet also nicht daran, den Landbesitz der Bauern zu regulieren, sondern sie ist bei der Liquidation des Privatgutbesitzes behülflich. Die Preise des mit Hülfe der Bauernbank von den Bauern erworbenen Landes sind so hinaufgeschraubt, daß ein bedeutender Teil der von der Bank in der letzten Zeit den Bauern für Landankauf gewährten Anleihen ohne Zweifel unwiederbringlich verloren sein wird. Infolge der großen Landnot gehen die Bauern darauf ein, für das Land jeden beliebigen Preis zu zahlen, da sie hoffen, in der Zukunft irgend welckze Erleichterungen zu erringen. Außerdem kommt die Bank hauptsächlich den wohlhabenderen Bauern zu Hülfe. Alles in allem genommen, trägt die Bank nach der Ansicht von Kutler nicht nur nicht dazu bei, die Agrarreform vorzubereiten, sondern sie erschwert noch ihre Verwirklichung in der Zukunft. poUtifcbe Qeberlicbt» Berlin  , den 10. Oktober. Der RückVersicherungsvertrag mit Rustland. DieDeutsche Tageszeitung" leitartikelt über die Veröffentlichung aus dem Tagebuch Onkel Chlod- wigs. Sie bringt es in diesem Artikel fertig, die Beseitigung des famosen RückVersicherungsvertrages mit Rußland   als einenfolgenschweren Schritt" zu bezeichnen, der Ruß- land in die Arme Frankreichs   getrieben habe. Als der im Jahre 1890 abgelaufene Rückversiche- rungsvertrag hätte erneuert werden sollen, sei die Kanzler- krisis eingetreten. Trotzdem hätte das anfangs verschnupfte Rußland   die Bereitwilligkeit gezeigt, auch mit C a p r i v i diesen famosen Vertrag von neuem abzuschließen. Zu seinem Erstaunen habe jedoch Schuwalow erfahren müssen, daß der Vertrag von deutscher Seite mit der Begründung zurück- gewiesen worden sei. daß Deutschland   diesekomplizierte Politik" nach zwei Seiten hin nicht fortsetzten, sondern sich ein- fach auf sein Dreibundsverhältnis beschränken wolle. D a- durch sei denn Rußland   zu einer Alliance mit Frankreich  gedrängt worden. Es ist ja begreiflich, daß das Junkerorgan die damalige Zurückweisung Rußlands   noch heute schmerzlich empfindet. Unglaublich ist es nur, daß das Blatt die Behauptung auf- zustellen wagt, Rußland   sei durch die NichtVerlängerung des RückVersicherungsvertrages zur Alliance mit Frankreich   ge- drängt worden. Diese Alliance Rußlands mit Frankreich  war aber gerade das ureigen st e Werk Bismarcks, der durch die Annektion Eliaß-Lothringens die unnatürliche Verbindring der westeuropäischen Republik   mit dem west­asiatischen Knutenstaat herbeiführte. Bereits in den 70er Jahren begann die Annäherung zwischen Rußland   und Frank- reich; der im Jahre 1879 abgeschlossene Zweibund zwischen Deutschland   und Oesterreich, aus dem dann im Jahre 1883 durch den Hinzutritt Italiens   ein Dreibund wurde, war er st die Folge der Annäherung zwischen Rußland   und Frankreich  . Wie sehr nun Bismarck  selbst der Tragfähigkeit des Dreibundes mißtraute, beweist ja die Tatsache, daß er später hinter dem Rücken der verbündeten Mächte den ungeheuer- lichen Rückoersicherungsvertrag mit Ruß- land abschloß. Dieser ebenso törichten wie gewissen- losen Politik setzte der Heros des 19. Jahrhunderts dann im Jahre 1896 dadurch die Krone auf. daß er durch sein Leib- organ, dieHamburger Nachrichten", die E x i st e n z dieses RückVersicherungsvertrages aller Welt verkünden ließ. Wenn es irgend ein Mittel gab, der Reichspolitik Knüppel zwischen die Beine zu werfen und den Dreibund zu sprengen, so war es dieser geradezu hochverräterische Akt desgroßen" Kanzlers! Als im November 1896 die skandalöse Enthüllung Bis- marcks im Reichstag zur Sprache kam, übernahm es Herr von Marschall  , nachzuweisen, wie vernünftig seinerzeit Caprivi gehandelt habe, als er bei seinem Amtsantritt auf die von Bismarck   beliebten diplomatischen Mogeleien verzichtete. Herr von Marschall   führte damals aus, daß die Ansicht, durch ein ganzes Netz von Defensivverträgen könne der allgemeine Weltfrieden dauernd gesichert werden, doch dem Zweifel be- gegenen müsse, ob mit der Mehrheit der Bündnisse und Ver- träge auch der innere Wert jedes einzelnen sich steigere oder ob nicht umgekehrt die Gefahr bestehen könne, daß unter den mehrfachen Sicherungen im entscheidenden Augen- blicke gerade die versage, auf die es an- komme. Diehohe" Politik unseres neuen Kurses hat sich wahr- haftig niemals durch übermäßige Genialität ausgezeichnet. Durch ewiges Schwanken, durch tätschelndes Liebkosen heute und brüskierende Schärfe morgen hat unser neuer Kurs überall Mißtrauen gesät und keinen einzigen zuverlässigen Verbündeten erworben. Aber daß der neue Kurs seinerzeit die ebenso kindische wie tückische Mogelpolitik mit Rußland  zurückgewiesen hat. ist vielleicht auch sein einziger diploma- tischer Ruhmestitel, der uns leider durch die neuesten Machen- schatten mit Väterchen mehr und mehr wieder verscherzt worden ist._ Arbeiterbewegung und Sozialismus. London  , 8. Oktober.  (Eig. Bcr.) England steht gegenwärtig im Zeichen sozialistischer Dis- kussionen. Der unerfahrene Leser der englischen Presse könnte glauben, wir befänden uns hier am Vorabend der sozialistischen  Revolution. Die Konferenzen gewerkschaftlicher Organisationen werden mit großer Aufmerksamkeit verfolgt. Die GewerkschastS- führer, die sich unter das sozialistischeJoch" nicht beugen wollen. werden als Retter der Gesellschaft gefeiert. Liberale Führer blasen Sturm und die gelbe Presse befindet sich in ihrem Elemente im Elemente der Sensation. Man wird gut tun, sich dieser Agitation gegenüber ruhig zu verhalten. Sie bedeutet vorläufig nur soviel, daß einige arbeitcr- freundliche Liberale über den beginnenden Zusammenbruch ihrer sozialliberalen Theorien entrüstet sind. Die politische Verselbstän- digung eines Teiles der organisierten Arbeiterklasse kommt ihnen wie eine Rebellion vor. Der Lärmschläger ist der Master of Elibank  (Alexander O. Murray), der parlamentarische Sekretär (Whip) der schottischen Liberalen. Murray ist Impressionist und läßt sich von momentanen Eindrücken hinreißen. Er war es auch, der während des russisch  -japanischen Krieges allerlei Unheil für England prophezeite, da dieses in eine Allianz mit Japan   ein- gegangen war. Ihm schlössen sich nunmehr sein Kollege I. A. Pcase, ebenfalls Whip. und der Kricgsminister Mr. Haidane an. Alle drei sprachen vor einigen Tagen in einer liberalen Ver- sammlung in Schottland  . Haldane ist selbstredend für parlamen- tarische Arbeitervertreter, nur müßten sie mit den Liberalen zu- sammengehen und im Sinne der liberalen Bestrebungen und Ideale tätig sein.Wenn sie sich aber", meint Haldane.dem Führer der. Arbeiterpartei, Keir Hardie  , anschließen und solche abstrakte Forderungen vertreten, wie Verstaatlichung des Grund und Bodens, des Kapitals usw., so mutz die liberale Partei den Kampf aufnehmen. Solange Keir Hardie   indes diese Forderungen in Volksversammlungen aufstellt, so gehen sie die liberale Partei nichts an. Ich fürchte nicht, daß der Liberalismus in Sozialismus ausarten würde. Der Mann, der sozialistische Ansichten vertritt, hat einen sehr engen Gesichtskreis und kennt weder die Realitäten des Lebens noch die Bedeutung der menschlichen Natur. Ein solcher Mann ist gegen seinen eigenen Willen ein Materialist. und der Materialist hat keine Ahnung vom Menschentum oder vom Weltall  ." Haldane ist der Philosoph der liberalen Partei; ihm fällt also die Aufgabe zu, den Sozialismus philosophisch zu wider. legen. Nach Haldane sprach Murray, der die liberalen Arbeitcr- führer Bell Fenwick. Burt und Maddison lobte, aber den Sozia- listen, die den Liberalismus untergraben, den Krieq erklärte. Im