vollsten Streiche verübt hat, den die ausschweifendste Erfindungs- Virtuosität kaum im wildesten Westen Amerikas für diskutierbar siehalten hätte.... Der Sieg des militärischen Ka da V e rg eho r- sam s über d i e gesunde Vernunft, über die Staatsordnung, über die Persönlichkeit deS einzelnen, das ist es, was sich gestern in der Küpenicker Komödie in grotesk- entsetzlicher Art offenbart hat. lind das ist das Ernste, das Bittere, das Be- schämende an dem unsagbar lachhaften Abenteuer. Ein Hochstapler, ein Gauner, ein Räuber mußte kommen, um dergestalt eine der wundersamsten staatlichen Ordnungseinrichtungen scl absurdum zu führen! Eine solche Blamage ist noch nicht dagewesen! Der Mann aber, der solches vermocht hat, weil er auf die schlaue Idee verfiel, sich in eine militärische Uniform zu werfen, e r st e h t m i t seinem Scharfblick bei der.Abwägung realer M ach tverhältnisse fast in genialer Größe da. Uniform und Kadavergehorsam— s i e öffnen die festesten Geldschränke sicherer und geräuschloser als das überwundene Sauer st offgebläs e." Die„N a t i o n a l- Z e i t u n g" sagt: „Ein ungeheures Gelächter geht durch Berlin Und pflanzt sich fort über das Weichbild unserer Stadt, über Deutschlands Grenzen, über den Ozean. Es lacht die bewohnte Erde, und wenn wir noch einen Olymp hätten, so würden zweifellos auch die Götter lachen, daß es wie ein Gellen und Brausen durch den Weltenraum tönte. Niemand würde sich wundern, wenn der Seismograph heute höchst unnormale Erschütterungen des Planeten feststellte, auf dem zu leben wir die Ehre haben.... Der k ü h n st c und bissig st e Spötter könnte auf den sich überschlagenden Militarismus keine Satire schreiben» die den Ber - gleich mit dieser von der Bühne ins Leben übersetzten Operette aushielte....' Ein, herrliches Bild, diese Gendarmen, die auf dem Marktplatz grablitätiisch„die Ordnung aufrecht erhalte n", während im Rathaus die Stadtkasse ausgeraubt wird! Und dann das Haupt- opfer! Herr Dr. Langerhans'ist unschuldig wie ein weißes Blatt Zcitungspapier, ehe es bedruckt wird, aber was erscheint ihm plausibler, als daß ihn jemand beim Be- zrrkskommando wegen irgend eines erfundenen Vergehens denunziert habe! Er ist vielleicht auf der Straße von jemand am Aermel gestreift worden, ohne ihn zu fordern? Immerhin, er fühlt sich bedrückt'und denkt: Gott und das Bezirkskommando werden es schon wissen—, ohne wenigstens das Bezirkskommando telephonisch anzufragen. Nur vor einer Persönlichkeit bat der geniale Strolch Hochachtung: vor dem lv achthabenden Unteroffizier in der Militär- f ch w i in m a n st a l t, der denn auch gnädig„entlassen" wird, bevor der Marsch zum Bahnhof Putlitzstraße und die Fahrt sprecaufwärts beginnt. Die Geschichte ist's o komisch, daß man beim besten Willen heute noch kaum imstande ist, ihre e r n st e n Seiten ins Auge zu fassen. Nie sind deuts che Bürger für ihre Loya»«- tät, ihren Gehorsam und ihr Vertrauen in das Walten der'irdischen Mächte so genasführt worden wie die Nachkommen Jaczos von Köpenick. Sie dürfen sich nicht darüber beklagen, daß sie nun neben dem Schaden auch noch den Spott zu tragen haben." Die konservative Presse hat dagegen begreiflicher- weise innerhalb der verflossenen 24 Stunden noch nicht den rechten Standpunkt gefunden. Sie begnügt sich einstweilen mit der bloßen Darstellung der märchenhaften Historie, ohne auch nur die Stimmung zu einem herzhaften Gelächter zu finden. Die Blamage des Militarismus, der Polizei und des Bureaukratismus ist doch gar zu groß! Nur die„Berliner Neue st en Nachrichte n" protestieren ärgerlich dagegen, daß etwa„auch der Köpenicker Streich wieder gegen den Militarismus ausgebeutet" werde, „etwa so: Der ganze Vorfall wäre undenkbar, wenn das Bürgertum nicht eingeschüchtert wäre durch das Uebergewicht des Heeres, speziell des Offizierkorps." Alles was in Köpenick an„Einfältigkeit" geleistet worden sei, sei nichts als eine lokale, spezifisch Köpenicker Schild- burgerei: „Was aber soll man vom Bürgermeister und seinen Leuten denken, die nicht einmal wissen, daß im Frieden das Militär überhaupt keine Verhaftung vornimmt, es sei denn, wenn es insultiert oder von der Polizei requiriert wird. Welche Verwirr» ng gehört dazu, um für möglich zu halten, daß der Kaiser — den man übrigens seit Tagen verreist wußte— den Köpenicker B ü r g e r m e i st e r sollte verhaften lassen. Wozu ist der Herr B ü rg e r- meister selb st Chef der Polizei, deren Angestellte, wie berichtet wird, auf dem Rathausplatz den Mcnschenverkehr regu- lierten, da ein Auflauf erfolgt war, als man von der sonderbaren Verhaftung erfuhr?"' Die„Deutsche T a g e s- Z e i t u n g" bemerkt: „Sonderbar, wirklich sonderbar! Ein Mann in der Haupt- mannsuniform mit Mütze ohne die zweite Kokarde und mit einer wie ein Strick zusammengedrehten Feld- binde mußte doch unter allen Umständen den Soldaten, zum mindesten dem Wachtunteroffizier verdächtig erscheinen. Jeder Unteroffizier muß wissen, daß zum Anzüge eines Offiziers mit solchem Auftrage der Helm gehört. Doch man mag darüber hinwegsehen und das bestimmte Auftreten des Schwindlers wie den unbedingten Gehorsam des Soldaten, auch den ganz ungewöhn- lichen Auftrag des„Herrn Hauptmann" in Rechnung stellen. Wie aber in Köpenick ! Wie konnte es angehen, daß der Bürger- meister, selber Offizier der Reserve, sich von einem derartig kostümierten Gauner, der„gerade aus dem Zucht- haus zu kommen schien", düpieren und sich wie ein Ver- brecher behandeln ließ? Die Behandlung der Beamten, die Be- setzung der Rathauseingänge vor einer tausendköpfigen Zuschauer- menge, die Komödie mit dem Ehrenwort dos Bürgermeisters, der Diebstahl, der Transport der beiden Beamten nach Berlin und zu- guterletzt die drei Glas Bier nach getaner aufregender Arbeit: — welcher Dichter würde wohl auf eine solche Häufung komischen Stoffes gekommen sein? In der Tat: Köpenick wird auf alle Zeiten Schöppenstedt und Teterow in den Schatten st e l l e n. Man wird sich denken können, wie� dort heute die sogenannte Stimmung sein mag. Brrr---" In der Tat: Der ganze Vorfall ist von einer unwider- stehlichen Komik. Aber gerade in dieser geradezu unwahr- fcheinlichen Komik liegt das unerhört Blamable für die intelligenten Vertreter unseres herrlichen Kriegsheeres, von dem abgeschobenen Unteroffizier angefangen bis zu dem dienstbeflissenen Köpenicker Polizeiinspektor, der doch auch ehemaliger Militär ist. und dem Reserveoffizier Dr. Langerhans, der in seinem zivilen Nebenberuf als Stadtoberhaupt in Köpenick fungiert. Sie alle hielten das Unmögliche der im„Namen Seiner Majestät" ausgeführten militärischen Erekution eben doch für möglich! Von Jena nach Köpenick — welch glorreicher Aufstieg! Preußen wird fortan auf der ganzen Welt als das Land der unbegrenzten Lächerlichkeiten gelten!_ Es war einmal...! Das Schreiben des Posener Erzbischofs in Sachen des polnischen Religionsunterrichts hat nirgends ein so aufgeregtes Gegacker hervorgerufen wie im freisinnigen Hühnerhof. Versteigt sich doch die„Voss. Ztg." bis zu der Gemeinheit, den Erzbischof als reif fürs Kefäng- nis bei der Staatsregierung zu denunzieren! So sieht's aus mit der Duldsamkeit, mit der Achtung der Religions- und Meinungsfreiheit bei Teutschlands Liberalen. Und dabei zählt die„Voss. Ztg." bekanntlich noch zu den sogenannten „anständigen" Blättern des Liberalismus. In der Tat ist im„Berliner Tageblatt" z. B. die Hetze noch um verschiedene Grade wüster. In diesem Augenblick ist es von Interesse, zu erfahren, wie liberale Blätter ehedem über solche"Bedrückungen der Glaubensfreiheit schrieben. Zwar ist die(auch in unseren Reihen vielfach verbreitete) Mär von einer ruhmreichen Ver- gangenheit des deutschen Liberalismus weiter nichts als eben ein Märchen. Auch als der deutsche Liberalismus auf der Höhe seinos Ansehens stand, als er z. B. im preußischen Ab- geordnetenhaus— Anfang der 60er Jahre— zirka 250 Abgeordnete zählte, denen die anderen Parteien insgesamt nur etwa 140 Mann entgegen zu stellen hatten— auch da war er genau so lakaienhaft wie heute: jeder, der sich ein wenig in die Geschichte jener Zeit vertieft, bemerkt das bald. Aber er war doch noch nicht bis zu d e r Stufe der Gemeinheit ge- funken, den Staatsanwalt anzurufen zur Verfolgung von Taten, die gerade der Liberalismus auf Grund seiner Prin- zipien nachdrücklich schützen müßte. Im Gegenteil, gegen Unrecht und Bedrückung fand er damals noch markige Töne— die freilich, weil den Worten nie die Tat entsprach, in ihren Konsequenzen sich auch nur als Humbug erwiesen. Immer- hin lohnt der Vergleich. In der Broschüre des ehedem sehr bekannten liberalen Schulmanns und Politikers Eduard Sack(zugleich Re- dakteur an der„Franks. Ztg.")„Beiträge zur Schule im Dienste für die Freiheit" lesen wir aus Seite 30: „Wen faßte nicht der Menschheit ganzer Jammer an," schrieb im Jahre 1870 ein Korrespondent der liberalen)„Augsburger Allgemeinen Zeitung",„wenn er die Wutausbrüchc und Henkerlaunen eines Murawieff, Potapoff und anderer Werk- zeuge asiatischer Juchtenpolitik geschildert fand! Alle diese Einzelheiten werden aber überboten durch die Wirtschaft auf einem Gebiete, welches die heiligsten und für unantastbar ge- haltenen Rechte nicht bloß des Angehörigen eines zivilisierten Staates, sondern jedes Menschen, auch des berachtesten Paria, in sich schließt: auf dem Gebiete der Erziehung und des Unter- richts.� Hier übersteigt die raffinierte Korruption, die ver- worsenste geistige Rotzucht in der Tai jeden Begriff, welchen man seit Jahrtausenden bis heute zur Ehre des mensch- lichen Geschlechts festgehalten hatte. Alle Grausamkeiten und Gewalttätigkeiten heidnischer Tyrannen, von denen die Geschichte meldet, erscheinen wie Kinderspiel gegen Schlachtcnernst im Ver- gleich mit dem fluchwürdigen System, welches unter der Regie- rung Kaisers Alexander II. durch den zügellosen Terrorismus einer wahren Molochspartei zur Geltung und Durchführung ge- langt ist, und heute mit wütendem Eifer an der geistigen Ver- stümmelung. Entkräftung, ja man kann und muß sagen Ent- menschlichung der jungen Generation einer lebens- und ent- wickelungsfähigen, seit einem Jahrtausend an der europäischen Kultur teilnehmenden Nationalität arbeitet. „Oder wohätte man in hi st arischen Zeiten schon davon gehört, daß eine Regierung die privatliche Erteilung von elementarem Unter- richt in der Muttersprache und in der chri st lichen Religion mit Strafe bedroht und belegt?... �„Alles das... wird seit längerer Zeit... in Polen mit unübertroffener Schamlosigkeit getan und getrieben. Das System ist noch dadurch verschärft, daß der Unterricht nicht in der Muttersprache der Schüler, sondern in einer Sprache erteilt wird, die jeden? polnischen Kinde von Natur ver- haßt, durch ihre fremdartige Schreibung schwer zu erlernen... ist. Sogar für den Unterricht in der Religion, wobei tiefes Verständnis und innigstes keusch-familienhaftes Ge- fühl in Anspruch genommen wird, hat man jetzt die fremde Sprache des Unterdrückervolkes vorgeschrieben. Wie vergiftender Mehltau zehrt solcher Terrorismus an entzünd- baren Gemütern; man kann danach begreifen, wie in polnischen Herzen fanatische Bigotterie und irreligiöser Haß und Rache- dürft dicht aneinander wohnen. Um jeder Verhöhnung humanen Gefühls die Krone aufzusetzen, ist man in neuester Zeit so weit gegangen, den Schülern auch in ihren Er- holungspausen den Gebrauch der Mutter- spräche zu untersagen; sie müssen sich russisch amüsieren... „Das absolutistische Raffinement des russischen Systems hat auch dafür gesorgt, daß kein Untertan seine Kinder etwa durch unkontrollierten Privatunterricht oder durch Erziehung im Aus- lande den Wirkungen dieser des Namens unwürdigen„Bildungs- anstalten" entziehe.... Einerseits ist jedes Staatsamt und jede, wenn auch noch so bescheidene'öffentliche Stellung nicht mehr ohne Kenntnis des Russischen auszufüllen... andererseits wird die Berufung und Tätigkeit inländischer und ausländischer Privatlehrer und Erzieher in den wohlhabenderen Familien von feiten der Regierung in jeder irgend erreichbaren und kontrollier- baren Richtung aufs äußerste erschwert..." So der liberale Berichterstatter, das liberale Blatt im Jahre 1870. Es mag ja zweifelhaft sein, ob er feiner Ent- rüstung ebenso scharfen Ausdruck gegeben hätte, wenn es sich um Taten einer deutschen Regierung gehandelt hätte. Bemerkenswert ist aber, daß der liberale Redakteur Sack— im Jahre 1877— an diesen Bericht die Worte knüpfte: „Ich finde das alles so selbstverständlich, so folgerichtig, daß ich nicht zu begreifen vermag, wie man vernünftigerweise etwas anderes, wie man das Gegenteil erwarten kann. Noch nie hat sich eine Tyrannenherrschaft mit der Volksbildung befreunden können; immer noch hat jedes„persönliche Regi- ment" die geistige und sittliche EntWickelung eines Volkes so viel als möglich niederzu- halten und zu verderben gesucht. Sie haben's nur nicht gewagt, die Tyrannen, bis an die äußerste Grenze der Menschlichkeit zu gehen, und alles, was sie laut unserer ge- fälschten Geschichte sür die Volksbildung getan, waren nur möglichst geringe Zugeständnisse, die sie machten, aus Furcht, der nicht zu fesselnde Geist könne über sie hinwcgschreiten." Im Ton und im Ausdruck ist doch ein Unterschied zwischen den Liberalen von einst und denen von jetzt. Heute denun- zieren sie den, der sich gegen die Unterdrückung der Mutter- spräche wehrt, beim Staatsanwalt. — * ♦* DcutTcbcö Reich. „Aufkliirmig" über den Fall Fischer. Zu der Haftentlassimg des Tippel-Stipendiaten schreibt die„Deutsche T a g e s- Z t g.": „Die Verhaftung ivürde sicher nicht erfolgt sein, wenn man nicht von ihrer unbedingten Notwendigkeit überzeugt gewesen wäre. Diese Ansicht muß bis zum Beweise des Gegenteiles fest- gehalten werden, das ist ein selbstverständliches Gebot der Loyalität gegen die in Frage kommenden Be- Hörden und Offiziere. Ein freisinniges Blatt verlängt mit ziemlicher Entschiedenheit die amtliche Veröffent- lichung deS tatsächlichen Ergebnisses der Voruntersuchung. Das Verlangen erscheint insoweit berechtigt, als man er- warten darf, daß an derselben halbamtlichen Stelle, wo damals die Verhaftung des Majors Fischer mitgeteilt wurde(in der„Norddeutschen Allgemeinen Zeitung") auch die Hastentlassung und ihre Begründung verkündet wird. Bisher ist das nicht ge- schehen. Was über die Angelegenheit verlautet, sind lediglich Mit- teilungen der Presse, die des amtlichen Hintergrundes entbehren. Wir gehen wohl in der Annahme nicht fehl, daß die'. Norddeutsche Allgemeine Zeitung" binnen kurzem veranlaßt werden wird, aus der Vor- Untersuchung zu veröffentlichen, was � überhaupt veröffentlicht werden kann. Freilich wird sich diese amtliche Veröffent- lichung im großen und ganzen auf die Mitteilung des negativen Ergebnisses der amtlichen Untersuchung beschränken müssen." Das wäre in der Tat eine famose Aufklärung, die nur das negative Resultat der Untersuchung veröffentlichte. Gerade die positiven Ergebnisse interessieren die Oeffentlichkeit und die Volksvertretung!—_ Eine„Lex Hohenlohe". In einem nationalliberalen Blatte war im Anschluß an die Veröffentlichungen der Tagebuchaufzeichnungen Hohenlohes angeregt worden, eventuell durch Schaffung eines Gesetzes künftig die Ver- öffentlichung ähnlicher Aufzeichnungen zu verhindern. Demgegen- über erklärt die„Deutsche Tag es-Ztg." ein solches Gesetz für„ s ch l e ch t b i n unmöglich". Schon die Fassung eines solchen Gesetzes würde die größten Schwierigkeiten machen. Außer- dem würde dasselbe in alte Familienrechte eingreifen und den Richter vor die ungeheuer schwierige Frage stellen, in jedem Einzelfalle zu entscheiden, ob die Veröffentlichung strafbar sei. Solche Veröffentlichungen müsse man dem allgemeinen Urteil überlassen. Wolle man sich dagegen sichern, so gebe es kein anderes Mittel, als in der Ausivahl der höchsten Beamten überaus vorsichtig zusein und nur solche Männer ins Auge zu fassen, von denen man nach ihrer ganzen Vergangenheit und Eigenart erwarten darf, daß sie h ä ß- l i ch e r oder bedenklicher Indiskretionen nicht fähig sind. Was die von dem Agrarierblatt empfohlene sorgliche AnS- wähl anlangt, so sollte eS sich doch daran erinnern, daß auch Fürst Bismarck im Jahre 18S6 seine Indiskretionen über den russischen RückVersicherungsvertrag beging, von denen der„Reichs-Anzeiger" damals erklärte, daß sie �ihrcr Natur nach zu den strengsten Staatsgeheimnissen gehörten" und von denen damals die„Köln . Ztg." bemerkte, daß sich das„Herz des deutschen Volkes bei dem Gedanken zusammen- krampfe", daß die„verblendeten und gewissenlosen sogenannten Freunde Bismarcks" einen solchen Einfluß auf den Säkularmenschen auszuüben vermöchten! Zwei Urteile der Militärjustiz! Die beiden Reservisten Martin und G e i ß l e r wurden am 13. September vom Kriegsgericht in Dresden zu der ungemein harten Strafe von zwei Jahren bezw. sechs Monaten Gefängnis verurteilt. Den Angeklagten wurde zur Last gelegt, einen Bor - gesetzten beleidigt und sich tätlich an ihm vergriffen zu haben. Der Anklage liegt folgender Sachverhalt zugrunde. Im Frühjahr d. I. brach in dem Betriebe, in welchem die beiden Angeklagten beschäftigt waren, ein Streik aus, in dessen Verlauf der Arbeitswillige I ü h r i n g dort eintraf. Bei der diesjährigen Frühjahrskontroll- Versammlung erschien nun neben Martin und Geißler auch der Arbeitswillige I ü h r i n g. Dieser war Unteroffizier der Reserve und in seiner Eigenschaft als solcher mit dem Aufstellen der Mann- schaften beauftragt worden, wobei er mit einer weißen Armbinde als Vorgesetzter gekennzeichnet war. Ohne jeden Zwischenfall ver- lief die Kontrollversammlung. Auf dem Rückwege von dieser traf nun unterwegs der Arbeitswillige Jühring die beiden Streikenden. Er behauptet nun, von den beiden verhöhnt Und von Martin ab- sichtlich angerempelt worden zu sein, auch sollen sie ihn Lump und Schuft genannt haben. Geitzler kann sich an diesen Vorfall nicht mehr erinnern, da er sinnlos betrunken gewesen sei, was auch durch Zeugen bestätigt wird. Martin bestreitet mit aller Entschiedenheit, daß er den Arbeitswilligen angerempelt habe, llebereinstimmcnd bekunden die beiden Angeklagten, daß Jühring schon früher einmal geäußert habe, er warte nur auf eine Gelegenheit, um den Martin gründlich hineinlegen zu können. Auch sind sich die beiden, Martin und Geißler gar nicht bewußt gewesen, daß Jühring ihr Vorgesetzter sei, denn sie haben keine weiße Armbinde bei ihm gesehen. Bei der Verhandlung vor dem Kriegsgericht wurde damals eine ganze Reihe Entlastungszeugen nicht vereidigt wegen angeblicher Voreingenommenheit. Und so erfolgte damals die Bestrafung der beiden Angeklagten zu den oben erwähnten Strafen von zwei Jahren bezw. sechs Monaten Gefängnis. Gegen dieses Urteil haben beide Berufung eingelegt, und so kam die Sache am Dienstag erneut vor das Oberkriegsgericht. Hier wurde nun ein wesentlich anderes Bild zutage gefördert, indem fast alle Aussagen zugunsten der Angeklagten ausfielen. Auch wurden hier alle Zeugen vereidigt. Nach mehrstündiger Beweisaufnahme wurde das kriegsgerichtliche Urteil aufgehoben-und die beiden Angeklagten wegen einfacher Beleidigung eines Vorgesetzten zu je sechs Wochen mittleren Arrest verurteilt. Also erst zwei Jahre bezw. sechs Monate Gefängnis und nun jeder sechs Wochen mittleren Arrest! Die prompte Reichsregierung. Einige Danziger Stadtveu ordnete wollen in der nächsten Stadtverordnetenversammlung den Magistrat auffordern, einem Antrage beizutreten, der von der Regierung zur Linderung der Flcischteuerung die Ocffnung der Grenzen fordert. Solche Anträge sind bereits im Jahre 1902 und im Jahre ISvö von den städtischen Bebördcn an die Reichsregicrung gestellt worden— doch auf Antwort wartet der Danziger Magistrat immer noch.— Nürnberger Krawall-Prozesse. Gegen alle streikenden Arbeiter der Unionwerke, die am 17. August bei dem ersten Zusammenstoß in der Regensburgerstraße zugegen waren, schwebt eine Unter- suchung wegen Landfriedensbruchs. Da ihnen nichts weiter als die bloße Anwesenheit in der Regensburgerstraße zur Zeit des Krawalls, aber keine Gewalttätigkeit nachgewiesen werden kann. beschränkt sich die Anschuldigung auf ein Vergehen des Land- friedensbruchs, das nicht das Schwurgericht, sondern die Straf- kammer beschäftigen müßte. Nachdem in dem vor einigen Tagen zu Ende gegangenen ersten Prozeß die Geschworenen die Frage auf Landfriedensbruch verneinten, müßte eigentlich gegen die übrigen Angeschuldigten die Untersuchung sofort e i n g e st e l l t werden; aber es ist fraglich, ob die gelehrten Richter sich um den Spruch des Schwurgerichts kümmern.— Warnung vor Südafrika . Ein Bekannter schreibt uns aus K a p st a d t: Im Kaplande, wie überhaupt in Britisch Südafrika, gehen die Geschäfte augenblicklich schlecht; altangesessene Leute ernähren sich nur mit Mühe und Sorgen. Wer mit Kapitalbesitz eiliivanderte. bringt sein Geld sehr rasch an den Mann, aber das Hereinbekommen fällt sehr schwer. Di« während des Krieges zu einer Schwindelhöhe gestiegenen Häuserwerte fielen rapid und geheniinmer mehr zurück, so daß bei den häufiger werdenden ZwangSverkäufen kaum der hypothekarische Wert erzielt wird. Die arbeitende Bevölkerung muß aus dreiArbcils- tagen in der Woche ihren Unterhalt fristen; ganze Scharen sind arbeitslos und viele Weißen fronen im Taglohn zu Kaffern- löhnen. Viele arbeitsame, einst wohlbemittelte deutsche Handwerker würden, wenn sie die Interessen befriedigen könnten, in ihr Vater- land heimkehren. ES ist also vor der Auswanderung nach Südafrika iu warnen. Wer einen festen Kontrakt eingeht, bedinge mindestens 500 M. pro" Monat aus und sichere sich freie Rücksahrt.— Wer gewohnt ist, den Mund offen zu haben, kann unter Um- ständen in schlimmen Verdacht kommen. Das mußte der Mechaniker
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