Dr. 241. 23. Jahrgang. 2. Stil(i(jt ii» Amillls" Kerlim Doltolilnlt Freitag. 19, Oktober 1906. Die Heldentat des Talmihanptmanns ist gegenwärtig in aller Munde. Man gehe in ein Restaurant, fahre auf der Eisenbahn oder benutze die Straßenbahn, überall hört man von dem Heldenstiickchen reden. Und wie wird geredet. Keineswegs in dem Sinne, daß man sich etwa entrüstet Über die Beraubung der Köpenicker «tadtkasse, sondern im spöttischen, sarkastischen Tone; eine gewisse Schadenfreude klingt überall durch über den Köpenicker Geniestreich. Es ist ja auch gar nicht möglich, angesichts dieses Vorfalles ernst zu bleiben. Sehr schnell sind denn auch die Spötter dabei, um die Situation nach den verschiedensten Richtungen zu verwerten. Fingerfertige Dichterlinge haben die Köpenicker Tragikomödie in poetische Form gebracht. Auch die Bühne hat sich bereits der Ge- schichte bemächtigt. Im Metropol-Theater marschierten gestern eine Anzahl Soldaten auf, die sich darauf beschränkten, zu allen Befehlen des Hauptmanns zu nicken. Eine Extraeinlage des Deutsch-Amerikanischen Theaters, die am Sonnabend in der Posse.Im wilden Westen" gesungen wird, be- titelt sich: Der„Herr Hauptmann von Köpenick ." Auch die Ansichtskartenindustrie hat sich bereits der Affäre bemächtigt. Auf den Straßen wurden gestern Ansichtskarten feilgeboten, auf denen der Hergang des ganzes Vorfalles in vier humoristischen Bildern und ebensolchen Versen dargestellt wird. Natürlich finden die Karten reißenden Absatz. Der Text einer dieser Körten lautet: terr Hauptmann, Herr Hauptmann, wo geht die Reise hin? u Köpenicks Bürgermeister, so habe ichs im Sinn. Was hat denn der verbrochen— das weiß ich selber nicht, Mein König hats befohlen, ich tu nur meine Pflicht. Herr Hauptmann, Herr Hauptmann, ach schießen Sie doch nicht I Ich glaube beinah selber, ich bin ein Bösewicht! Hier haben Sie den Schlüssel, der Geldschrank steht ja dort, Adieu, mein teures Köpenick , jetzt muß ich von dir fortl Den Hauptmann, den Hauptmann, kein Bitten hat gerührt, Drum die, die ihm im Wege, die wurden abgeführr. Inzwischen steckt der Hauptmann ein, was gar nicht ihm gehört, Die ganze Polizei patzt auf, daß ja kein Mensch ihn stört! Der Hauptmann, der Hauptmann, der ist ein Mann von Rasse, Drum greift er vor dem Abschied erst schnell noch in die Kasse. „Zurück, ihr dummen Bauern!" hat der Gendarm geschrien, „Der Hauptmann mit dem Geldsack muß eilig nach Berlin ." Solche Triumphe wie jetzt hat die Spottlust lange nicht gefeiert. Ueberall ist man aber geradezu von Bewunderung erfüllt ob des genialen Hauptmanns; vielfach wird sogar bedauert, daß der Lohn für das Stückchen zu gering gewesen sei. Andere geben wieder der Ansicht Ausdruck, daß der Mann noch übertroffen werden könne. Man brauche sich nur die nötige Energie zuzulegen und sich in eine Generalsuniform zu stecken, um schließlich ein ganzes Regiment Soldaten zur Verfügung zu erhalten. Inzwischen werden noch einige Details bekannt, die daS niedliche Bildchen noch vervollständigen. So wird beispielsweise von dem Aufenthalt des Hauptmanns auf dem Köpenicker Rathause berichtet: „Die Gänge im Rathause hatte der Herr Hauptmann so scharf besetzt, daß nichts durchkam. Die Post, die gclracht wurde, nahmen die Soldaten in Empfang, die sie dem Herrn Hauptmann weitergaben. Dieser öffnete während der Unterredung mit dem Bürgenneister in dessen Dienstzimmer mehrere Briefe, las sie vor seinen Augen und steckte sie dann in aller Ruhe in die Tasche seines Ueberrockes. Ein Brief mit 1800, und einer mit 80 M. entgingen nur durch einen Zufall dem Räuber. Der Kassenbote, der sie geholt hatte, behielt sie m der allgemeinen Verwirrung zunächst in der Tasche. Beim Unterschreiben der Quittung, die über 355S Mark 60 Pfennig lautet, und des Kassenzettels, zog der Herr Hauptmann seine Handschuhe aus. Dabei kamen sehr schmale, feine Hände zum Vorschein. Als Bürgermeister Dr. Langerhans aus dem Wege in die Gefangenschaft noch einmal ein Zimmer neben seinem Dienst- zimmer betreten wollte, kam er bei den Grenadieren, die ihn ge- leiteten, schlecht an. Einer, ein Pole, herrschte ihn an:„N i x d a I grade auSl" Die Unterredung mit seiner Gattin gewährte der Herr Hauptmann huldvoll, nachdem er einen Augenblick überleg! hatte. Auf der Straße hielten Gendarmerie und Polizei unter der militärischen Stadtverwaltung stramm Ordnung. Einige Leute, die nicht Platz machen wollten und sich widersetzten, wurden aus die Wache abgeführt, später aber wieder entlassen. Der galante Hauptmann. Die Gattin des Bürgermeisters Dr. Langerhans gibt über ihre Erlebnisse an dem ihr gewiß unvergeßlichen Tage eine Schilderung, der wir folgendes entnehmen:„Es war kurz vor fünf Uhr, als mein Mann mich dringlichst in sein Arbeitszimmer rufen ließ. Als ich über den Korridor eilte, sah ich, daß die Treppen von Soldaten mit ausgepflanztem Seitengewehr besetzt waren. Plein Mann ging mit großen Schritten in der höchsten Aufregung im Zimmer auf und nieder. Zwei Grenadiere hielten mit blanker Waffe neben ihm Wache, während der falsche Hauptmann im Lehnseffel meines Mannes saß, sich bei meinem Eintrittt jedoch sofort erhob. Mein Gatte sagte mir. er sei verhaftet worden, er wisse jedoch nicht weshalb. Er fragte in meinem Beisein nochmals den Offizier nach seiner Legitimation, dieser wurde jedoch sofort brüst und drohte mit An- Wendung von Zwangsniaßregeln. Ich beschwor meinen Mann, der rohen Gewalt zu weichen, und sich keiner Unüberlegtheit schuldig zu machen. Aus mein Bitten, ineinen Mann nach Berlin begleiten zu dürfen, wurde der Offizier höflich und bedauerte leb» Haft, sich in einer so unangenehmen Mission zn befinden. „Welche Wertschätzung man der Angelegenheit und der Person Ihres Galten beimißt, ersehen Sie daraus, gnädige Frau, daß man einen Hauptmann zu der Verhaftung abkommandiert," fügte er hinzu. Er benahin sich in seinem ganzen Auftreten nicht anders, wie man es von einem Ossizier hätte erwarten können. Er war höflich, sowie er sah, daß man seinen Anordnungen Folge leistete, wurde jedoch sofort militärisch brüsk mit dem Augenblicke, wo man Legiti- niation zu sehen wünschte. In der höflichsten Weise— erzählt Frau Dr. Langerhans weiter — machte er mich darauf ansinerksam, daß er ein Coups am hintern Eingang des Hauses bestellt habe, damit ich und mein Gatte vor etwaigen Belästigungen durch die Volksmenge, die sich vor dem Rathanse angesammelt hatte, geschützt seien. Auf mein Bitten ge- stattete er auch einem Magistratsdiener die Mtfahrt. Rasch eilte ich in unsere Wohnung, warf schnell einen Mantel Über und setzte den Hut aus. Dann küßte ich unseren Jungen zum Abschied und bestieg den bereits wartenden Wagen, der uns nach Berlin brachte. Neben dem Kutscher thronte einer der Grenadiere, um einen etwaigen Flucht» versuch zu verhindern." Wo ist der„Herr Hauptmann" geblieben? Es soll festgestellt sein, daß derselbe von Köpenick aus nach Stralau-Rummelsburg gefahren fei. Von hier aus benutzte er einen Fleischerwagen, mit dem er von der Frankfurter Allee aus nach Berlin fuhr. Er konnte dies, falls der Wagen abseits liegende Straßen benutzte, bei der bereits eingettetenen Dunkelheit tun. ohne durch seine militärische Uniform Verdacht zu erregen. Den Wagen hat er dann in einer stillen Straße Berlins verlassen und ist mit der Straßenbahn nach der südliche» Friede ich st raße gefahren, um zwei Zivilanzüge und einen Hut zu kaufen und bei dieser Gelegenheit den später nicht mehr verwciidbareii Tausendmark- schein zu wechseln. Nun fuhr der„Hauptmann" ebenfalls mit der Sttaßenbahn nach Nixdorf und dann nach dem Bahnhof Hermannstraße. Diese Stelle hatte er sich ausgesucht, um Zivilklcidung anzulegen. Zwischen'/«8 und 10 Uhr abends ist der Bahnhof stets menschenleer, da um diese Zeit eine Ver- kehrspause eintritt. Er konnte infolgedessen in aller Ruhe sich aus einem Militär in einen Zivilisten verwandeln. Von dem Bahn- Hofe Hermannstraße aus konnte er, indem er durch die Siegftied- oder Emserstraße nach der Oderstraße ging, bereits in fünf Minuten das Tempelhofer Feld erreichen. Hier wurden Mütze und Hose des Flüchtigen gefunden. Nach weiteren zehn Minuten konnte der„Hauptmann" bequem die Bellealliancestraße erreichen und dann als Zivilist ohne jede Gefahr für seine Person sich in Sicherheit bringen. Belohnungen sind gestern für die Ergreifung des PseudoHauptmannes aus- geschrieben worden. Der Regierungspräsident von Potsdam hat 2000 M. ausgesetzt, wozu noch ö0v M. kommen, die der Magistrat von Köpenick bewilligt hat. Außerdem wird in den Zeitungen auch das Faksimile der Quittung veröffentlicht, die der jetzt Verfolgte auf dem Köpenicker Rathause ausgestellt hat._ Partei- Angelegenheiten. Zweiter Wahlkreis. Sonntag, den 21. Oktober, früh 8 Uhr, findet eine Fliigblattverbreitung im 8. Komnumalwahlbezirke statt. Die Genossen aus den Bezirken, welche nicht ,ur Wahl stehen, werden ersucht, sich in folgenden Lokalen einzufinden: F. Seidel, Mittenwalderstt. 16; Scholz, Zossenerstt. 1; Hilgert, Urbanstr. 7. Alle Genossen, welche am Dienstag, den 23. Oktober, sich dem Wahlkomitee zur Verfügung stellen können, werden gebeten, dies so schnell als möglich zu tun und sich mit Angabe der Zeit, welche sie Übrig haben, sofort schnftlich bei dem Unterzeichneten anzumelden. Hermann Werner, Mittenwalderstt. 30. Friedrichshagen . Sonnabend, den 20. Oftober, abends 0 Uhr, findet im Restaurant Wilhelmsbad. Seestr. 4(5, die Monats- versanimlung des Wahlvereins statt mit folgender Tagesordnung: 1. Bericht des Genossen Grunow über den Mann- heimer Parleitag. 2. Diskussion. 3. Vereinsangelegenheiten und Aufnahme neuer Mitglieder. 4. Verschiedenes und Fragekasten. Alt-Glienicke. Am Sonnabend, den 20. d. M., abends 8 Uhr, hält der Wahlverei» seine Mitgliederversammlung bei Saß, Grünauer- straße, ab. Die Tagesordnung lautet: Kassenbericht, unter anderem auch die Aufnahme der Genossen von Bohnsdorf in unseren Wahl- verein. Es ist Pflicht sämtlicher Genossen, pünktlich zu erscheinen. ._ Der Vorstand. Berliner f'fodmebten. Freisinnige Buchstabenschnüffelei bei Kommnnalwahle». Im 8. Kommunalwahlbezirk wird der Freisinn voraussichtlich wieder den Versuch machen, bei der E r s a tz- Wahl am 23. Oktober die Zahl der für die Sozial- demokratie abgegebenen Stimmen durch schikanöse Tifteleien über die Form des Namens des sozialdemokratischen Wahlkandidaten mög- lichst zu verringern. Wahlkandidat der Sozialdemokratte für die Ersatzwahl im 8. Wahlbezirk ist der Bildhauer Paul Dupont, S o I m s st r. 33. Der Name unseres Wahlkandidaten wird den Wählern auf allen Flugblättern und in allen Wahl- aufforderungen mitgeteilt und noch vor den Wahllokalen wird ihnen ein Zettel mit diesem Namen eingehändigt. Aber bei den Stadtverordnetenwahlen hat der Wähler dem Wahlvorsteher nicht einen Stimmzettel zu überreichen wie bei den Reichstags- wählen, sondern ihm den Namen des Wahlkandidaten münd- l i ch anzugeben. Da entsteht nun die Frage, wie man den Namen„Dupont" ausspricht. Denn daß der Name des Wahlkandidaten richtig ausgesprochen wird, das ist notwendig und unerläßlich, wenn die betreffende Stimme ihm zugerechnet werden soll. Man wird sich erinnern, daß vor drei Jahren im 17. Wahlbezirk, wo für die Sozialdemokratte der Gastwirt Äersin kandidierte, der Freisinn Einspruch dagegen erhob, daß unserem Genossen Kersin auch die Sttmmen solcher Wähler zugerechnet worden waren, die eine abweichende Namensform genannt hatten. Für die bevorstehende Ersatzwahl im achten Wahlbezirk ist zu erwarten, daß auch dort mancher Wähler den Namen unseres Genossen Dupont nicht ganz richtig aussprechen wird. Es ist sogar zu befürchten, daß die Irrungen diesmal bei dem Namen„Dupont" vielleicht noch zahlreicher sein werden als damals bei dem Namen„Kerfin". Der Name„Dupont" wird ganz anders ausgesprochen, als er geschrieben wird. Genosse Dupont ist in der Wahl seiner Eltern nicht vorsichtig genug gewesen, daher läuft er durch die Welt mit einem Namen, dessen französische Form mancher deutschen Zunge Schwierigkeiten bereitet. In der ersten Silbe„Du" wird das„u" gesprochen wie„ü". In der zweiten Silbe„Pont" ist„on" zu sprechen wie das „on" in den Wörtern„Ballon",„Perrons " usw. Das„t" am Ende wird gar nicht gesprochen. Es kann beinahe lustig erscheinen, daß wir den Wählern erst Jnstruktton darüber erteilen, wie sie den Namen des Wahlkandidaten aussprechen sollen. Aber die Sache ist doch wohl nicht zum lachen. Die Namensttftcleien, mit denen der Freisinn im 17. Bezirk die Wahl unseres Genossen Kerfin an- focht, sind so ziemlich das widerwärtigste Schauspiel, das uns der Berliner Freisinn in seinem Kampf gegen die Sozialdemokratte bisher geboten hat. Leider ist es nur zu wahrscheinlich, daß jetzt auch im 8. Wahlbezirk gegenüber unserem Genossen Dupont ähnliches versucht werden wird. Agitatoren des Freisinns werden in den Wahllokalen auf jede abweichende Namensform lauern, um einen Wahlprotest damit zu begründen, falls das Stimmenverhältnis einem Protest günstig ist. Solche Mittelchen sind kleinlich, aber auch sie führen mit- unter zum Ziel. Nach dem Ausgang der Affaire Kerfin darf ja der Freisinn hoffen, daß das Oberverwaltungsgericht ihm in jedem neuen Fall mit dieser armseligen Buchstaben- schnüffelei recht gibt und dann bei nur geringer Mehrheit die Wahl für ungültig erklärt. Wenn jedem Manöver dieser Art von vornherein die Aussicht auf Erfolg genommen werden soll, so mutz jeder der Wähler, die den Wunsch haben, daß der achte Wahlbezirk weiter im Besitze der Sozialdemokratie bleibt, am 23. Oktober seine Pflicht tun! Wahlkandidat der Sozialdemokratte ist Bildhauer P a u l D u p o n t, S o l m s st r a ß c 33. Für ihn muß am 23. Ottober die Wählerschaft des achten Wahlbezirks sich mit einer so großen Mehrheit erklären, daß alle Kniffe des Frei- sinns zuschanden werden._ Die Armenunterstiitznng für den— Hausbesitzer! Kenner der Berliner Armenpflege wissen allerlei zu erzählen über die Be- Ziehungen, die zwischen ihr und den Hausbesitzern bestehen. Sie weisen darauf hin, daß den Armenkommissionen so mancher Haus- besitzer angehört, der mit entscheidet, ob dieser oder jener eine Armenunterstützung kriegen soll oder nicht. Dabei kann ein Haus- besitzer es leicht erleben, daß seine Armenkommission über das Ge- such einer Person zu entscheiden hat, die just in seinem Hause wohnt. Hängt der Bittsteller noch mit einem Mietsrest, so ist zweifellos der Herr Hauswirt der geeignetste dazu, die Notlage zu bestätigen und eine Unterstützung zu empfehlen. Die Sache kann aber in solchem Fall auch ihr Ucbles haben. Es soll schon vor- gekommen sein, daß Hausbesitzer, die in Armenkommissionen saßen und an der Auszahlung von Unterstützungen beteiligt waren, mitder einen Hand ein Almosen hergaben und dann dieses auf den Tisch gezählte Geld mit der anderen Hand als rückständige Aticte einkassierten. Ein Vorkommnis, das nicht ganz so. aber doch ähnlich verlaufen ist, wird uns aus eiuer Armenkommission von Berlin -Ost gemeldet. Dort war eine Frau, die mit zwei Kindern allein dasteht und kränklich ist, um eine Unterstützung eingekommen. Es ging ihr er- bärmlich genug und sie war infolgedessen auch mit der Miete im Rückstand geblieben. Bewilligt wurden 10 M. als einmalige Unter- stützung, und die Bittstellerin wurde zu dem Armen- k o m m i s s i o n s m i t g l i e d Z i g a r r e n h ä n d l e r G o e tz e (Posenerstr. 1) bestellt, um das Geld in Empfang zu nehmen. Bei Herrn Goetze fand sich aber zu gleicher Zeit mit der Frau auch der Herr Hauswirt Schirmer ein, in dessen Haus Memeler- straße 22 sie wohnte. Die Frau quittierte, das Geld wurde auf- gezählt, und der dabeistehende Hauswirt— sackte e s ein. Er beanspruchte es für die rückständige Miete, und die Frau war töricht genug, das ihr zur Linderung ihrer Armut bewilligte Geld ihm zu überlassen. Zwar wies sie darauf hin, daß sie doch in Not sei und ihren Kindern Brot kaufen müsse, aber Herr Schirmer ließ sich nur so weit erweichen, daß er eine einzige Mark wieder herausgab und ihr als Geschenk überreichte. Der Herr Hauswirt ist nicht Mitglied der Armenkommission, die diese Unterstützung bewilligt hatte. Insofern unterscheidet sich das hier geschilderte Vorkommnis von den oben erwähnten anderen, wo Hauswirte als Armenkommissionsmitglieder die linke Hand sofort wissen ließen, was die rechte tat, und das von ihnen selber ausgezahlte Almosen sofort selber als Miete wieder einsteckten. Aber merkwürdig genug ist doch auch dieser Fall. Wie kam es wohl, daß Herr Schirmer ausgerechnet in dem- selben Augenblick bei Herrn Goetze verweilte, wo die Frau ihr Geld in Empfang nehmen sollte? Um Antwort wird gebeten. Der„Blihnhofs"-Briefkasten verführt viele Leute, ihm eilige Briefe in der Hoffnung anzuverttauen, daß diese dann schneller be- fördert werden, als»venu man sie in einen Straßen-Briefkasten gesteckt hätte. Man liest freilich am„Bahnhofs'-Briefkasten:„Wird fünf Minuten vor Abgang jedes Zuges mit Bahnpost geleert" und wohl jeder, der noch nicht in die Geheimnisse des Post- dienstcs eingedrungen ist, wird danach annehmen, daß jeder Zug mit Postbeförderung die in jenem Briefkasten steckenden Sendungen unverzüglich mitnimmt. Diese Annahme ist indes falsch; denn die erwähnte Inschrift bezieht sich nur auf solche Züge, welche einen Bahn- Postwagen führen, während der Schluß der Briefablieferung für alle die Züge, welche nur eine sogenannte(durch den Zugführer zu befördernde)„Briefbeutelpost" aufnehmen, meist schon 1ö bis 20 Minuten vor Abgang des betreffenden Zuges stattfindet. Da nun gerade die Schnellzüge vorwiegend für die„Brief- beutelpost" benutzt werden, so täuscht sich mancher in der schnelleren Beförderung seines Briefes, der da denkt:„Trägst Deinen eiligen Brief flugs zum Bahnsteig und steckst ihn in den„Bahnhofs- Brief- kästen";— der Schnellzug geht ab. der Brief bleibt aber noch ruhig im Kasten liegen. Die Zeitung des Vereins deutscher Eiienbahn- verwalttmgen empfiehlt daher eine andere Inschrift für die Bahnhofs- Briefkasten, etwa:„Leerung 15Mi nuten vor Abgang jedes ZugeS mit Briefbeförderung und fünf Minuten vor Abgang jedesZuges mit Bahnpostwagen"._ Im Kaiser Friedrich- Museum. Von einem Leser unseres Blattes erhalten wir folgende\ Vor einigen Tagen spielte sich im Kaiser Friedrich- folgender bemerkenswerte Vorgang ab. Fm Saale 20 hat! Kreis vornehmer Damen um einen von ihnen bezahlter" sammelt, der in eingehender Weise über ein Madonneiibj In der Nähe dieses Kreises standen zwei junge MchtztzM�,. von 17—18 Jahren. die ebenfalls den Erklärungen,, de» Führers lauschten. Da sah ich, wie ein Aufseher des SMil«SJ!9 auf die Mädchen, die offenbar ärmeren Standes waren rmdZtzicht das Geld hatten, sich einen eigenen Führer zu leisten, zuging, und sie wegwies. Empört wandte ich mich sofort an den Aufseher,-ittch: fragte, woher er das Recht zu seinem Vorgehen nehme. Er erwiderte nur, die Mädchen hätten nicht für den Führer gezahlt, hätten also auch kein Recht, zuzuhören. ES lväre nun interessant zu erfahren, ob die Auffeher zu der- gleichem Vorgehen von der Museumverwaltmig angewiesen sind. Jedenfalls machte der Vorfall auf alle, die ihn bemerkt hatten, einen sehr häßlichen Eindruck. Möge sich ein solcher Fall nicht wiederholen I__ Ein eigenartiges Kontrollsystcm ist im Interesse der Fern- sprechteilnehmer auf den Vermittelungsämtern VI und VII gleich- zeitig mit dem neuen Schaltsystem eingeführt worden. Eine große Anzahl der täglich bei der Aufsicht vorgebrachten Beschwerden be- zieht sich auf Verzögerungen in der Herstellung der Verbindungen und die Fernsprechabonnenten sind vielfach der Ansicht, daß diese Verzögerungen auf Nachlässigkeit der Beamtinnen zurückzuführen seien. Abgesehen von den in den Dienstsälen tätigen Aufsichts- damen ist nun noch eine besondere Kontrolle eingeführt, durch welche es ermöglicht wird, festzustellen, ob tatsächlich che Herstellung der Verbindungen in zu langsamer Weise erfolgt. einem be- sonderen Räume des Amtes ist ein kleiner Schaltappar�.güsgcstellt, welcher mit dem Schalttisch in Verbindung steht. Für.jehe Ab- teilung des Schalttisches ist an dem Apparat ein besondres Licht» feld angebracht, in welchem ein kleines Glühlämpchcn aufflammt, sobald in dem betreffenden Felde des Schalttisches eine Verbindung gefordert wird. Das Lämpchen glüht solange, wie die Verbindung besteht. Eine Dame ist nun ausschließlich dazu angestellt, dieson Apparat zu beobachten, um so jede etwaige Störung resp. zu lang- same Abfertigung der Fernsprechteilnehmer feststellen zu können. — Manchmal werden dadurch Verzögerungen in der Herstellung von Fernsprechverbindungen herbeigeführt, daß innerhalb eines Be- dienungsfeldes mehrere Teilnehmer gleichzeitig hintereinander 10, 15 und mehr Verbindungen sordern. Wenn dies nun in der Hauptsprechzeit geschieht, so muß naturgemäß der eine oder der andere Teilnehmer unter diesem Andrang leiden. Um nun Ver- zögerungen nach Möglichkeit abzukürzen, ist die Einrichtung ge- troffen worden, daß der Teilnehmer von seinem Anschluhfeld nach einem anderen Anschlußfeld hinübergeschaltet werden kann. Hier- durch wird es ermöglicht, daß eine bessere Verteilung der Arbeits- tätigkeit zwischen den verschiedenen Beamtinnen erfolgen kann und die Wartezeit für die Teilnehmer in der Herstellung der Ver- bindungen erheblich abgekürzt wird. Daß diese Neueinrichtung tat-' sächlich wirksam und von gutem Erfolge ist, beweist der Umstand. daß Beschwerden bei dem Vcrmittelungsgint VI über die Tätigkeit
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