Gerichtsverhandlung einen gewerbsmäßige Verleumder ge-nannt hatte und deshalb rektifiziert war. mit unter Beweiszu stellen.Die beiden Rechtsanwälte Dr. Drucker und Dr. H üblergaben über die staatsanwaltliche Praxis als objektive Behörde einenAufschluß, der den übrigen Juristen schwer auf die Nerven fiel. Sozeigte Rechtsanwalt Dr. Hübler, daß der OberstaatsanwaltBöhme in seinem Plaidoher am 9. Februar, in dem Aufreizungs-Prozeß gegen H e n n i g wenig auf die Sache einging, sondern seinepersönlichen Leiden vortrug, daß die„Volkszeitung" ihn persönlichso angreife. I u r i st i s ch— meinte Dr. H ü b I e r— habedas Plaidoher so gut wie gar nichts enthalten.Gegen diese Aussage machte Böhme fortgesetzt Einwürfe. Ferner zeigte Hübler an einem Beispiel— aufBefragen des Verteidigers Liebknecht— daß bei der Anklage-erhebung der Grad von Objektivität zu vermissen sei, der nach seinerAnsicht von einem Vertreter der Staatsbehörden verlangt werdenmüsse. So bekundete Hübler. daß auf die Anzeige eines Unter-nrhmers gegen einen Leipziger Gewerkschaftsleiter eine haltlose An-klage im öffentlichen Interesse wegen Beleidigung erhoben war—eS handelte sich um den erweislichen Vorwurf des„Kontrakt-Bruches"—, daß aber, als diese Anklage in der Verhandlung zuBoden fiel, dann der Oberstaatsanwalt Böhme die Klage-erhebung im öffentlichen Interesse gegen denUnternehmer zu übernehmen ablehnte, obgleichder den Gewerkschaftsleiter einen„Verleumder" genannt hatte.Derselbe Zeuge bekundete, daß der Amtsrichter Hänel seineAnimosität gegen Angeklagte aus dem Arbeiter-stände so unverhohlen zum Ausdruck bringe, daß viele Beschwerdenvon Angeklagten und von Rechtsanwälten gegen ihn erhoben sind.Da während der ganzen Verhandlung dieLegende des Sihredakteurwesenseine große Rolle spielte, wurde auf Antrag der Verteidigung der an-wesende Redakteur Hönisch als Zeuge darüber vernommen, daß, man in der sozialdemokratischen Presse, besonders aber in der„Leipziger Volkszeitung" das System des Sitzredakteurwesens über-Haupt nicht kenne. Hönisch führte nun aus, daß sämtliche inLeipzig ansässigen Redakteure der„Leipziger Volkszeitung" verant-wortlich zeichnen, und daß der verantwortliche Redakteur sowie jederandere Redakteur auch geistig zu arbeiten hat.Der Borsitzende hatte in, Laufe der Verhandlung erwähnt, ihmsei aus Wurtzen von der Sitzredakteurschaft vor 12 Jahren etwasbekannt. Der Vorsitzende irrt sich: vor 12 Jahren bestand inWurtzen überhaupt kein sozialdemokratisches Blatt. Schonaus diesem Grunde kann kein sozialdemokratischer„Sitzredakteur" sichdort befunden haben.Eine bezeichnende Episode bildete die Vernehmung des evangelischenJudensohnes Lim an, der neuerdings unter dem Namen„der armeUorik" als der typische Vertreter des Links- und Rechtsschreibensder bürgerlichen Journale bekannt geworden ist. Es handelte sichdarum, von Liman zu erfahren, ob Amtsrichter Hänel die Worte:„Es sei gerichtsnotorisch, daß die„Leipz. Volksztg." ihre Gegnerin wüster und roher Weise beschimpfe", in der Begründung des Urteilswörtlich so gesagt habe, wie sie in dem Artikel der„Neuesten Nach-richten"— der literarischen Abladestelle Limans— als Worte desUrteils angeführt seien. Liman erklärte zunächst, daß er denArtikel möglicherweise geschrieben, ihn aber jedenfalls vor der Druck-legung dürchgesehen und zwar unter dem frischen Eindruck der Ver-Handlung. Er bestätigte damit, daß Hänel diesen Ausdruck ge-braucht habe, nahm aber sofort seine bestimmte Aussage zurück, alser erfuhr, daß Hänel bestritt, diese Worte gebraucht zu haben.Das Gericht lehnte es durch Beschluß ab, den GenossenStadthagen darüber zu vernehmen, daß Böhme schon früherdie Gepflogenheit hatte, sozialdemokratische Redakteure und Partei-ungehörige zu beschimpfen, weil alles vor dem 9. Februar Liegendeunerheblich sei.Staatsanwalt Kunzeführte ungefähr folgendes aus: In ihrem Kampfe gegendie Leipziger Justiz habe die„Leipziger Volkszeitung' dieMethode verfolgt, die Justiz so darzustellen, als ob sie fort-während die„Leipziger Volkszeitung" angegriffen habe; abergerade umgekehrt sei dies der Fall. Sie habe ferner fortgesetztin ihren Artikeln und in ihrer Berichterstattung über Gerichts-Verhandlungen gegen die„Leipziger Volkszeitung" immer— trotz-dem die Richter ihr Urteil gesprochen hatten, mitgeteilt, daß ihreRedakteure wegen„angeblicher" Beleidigung usw. verurteilt wordenseien. Diese Artikel seien jahrelang erschienen, man habeimmer gehofft, die„Leipziger Volkszeitung" werde es selbermal über bekommen; aber da sie nicht damit aufhörte, habe manendlich beschlossen, die Anklage zu erheben. Lese man denunter Anklage stehenden Artikel unbefangen durch, dann erkennt man,daß durch ihn die Tendenz geht, die Leipziger Justiz und ihre Ver-treter in den Staub zu ziehen. Die vom„Korrespondent", derMannheimer„Volksstimme" und der„Sächsischen Arbeiterzeitung"an der„Volkszeitung" geübte Kritik wolle er auch anführen. Nach-dem der Staatsanwalt m längeren Ausführungen noch den Versuchgemacht hatte, die Amtstätigkeit der in dem Artikel„In eigenerSache" beleidigt sein sollenden vier Leipziger Justizbeamten als einekorrekte zu beweisen, beantragte er, den Angeklagten wegen Be-leidigung zu einer empfindlichen Gefängnisstrafe zu ver-urteilen. Er sei in der glücklichen Lage, seinen Antrag aus Z 186aufrechterhalten zu können. Aber selbst dann, wenn das Gerichtnicht darauf eingehe, bleibe die Anklage aus Z 185.Das Plaidoher Liebknechtszerzauste nicht nur die Ausführungen des Staatsanwalts, sondernging mit der Leipziger Justiz grausam ins Gericht, indem eS ungefähr folgendes ausführte: Der Staatsanwalt habe heute seinPlaidoher auf die Tendenz der„Leipziger Volkszeitung" zugespitzt,was energisch zurückgewiesen werden müsse. Der Artikel„In eigenerSache" sei nichts als eine Erwiderung auf die Beleidigungen, diedie vier Leipziger Justizbeamtcn gegen die„Volkszeitung" ausgestoßenhaben. Oberstaatsanwalt Böhme sei Vertreter derjenigen Behörde,die mal als„die objektivste Behörde der Welt bezeichnet sei.Von Objektivität könne bei ihm keine Rede sein. Er habe vonhämischen Beleidigungen, dem Schimpf- und Hetzhandwerk in einemPlaidoher gesprochen, das der„Leipziger Volkszeitung" gelegt werdenmüsse, daß die Redakteure„feige wären und Mangel an Verantwort-lichkeit litten". Wir haben es hier mit einem Herrn zu wn. der inaußergewöhnlich subjektiver Weise semes Amtes waltet. BeiBöhme liege der Gedanke nahe von der grundsätzlichen An-Wendung von zweierlei Maß gegen Angehörige verschiedenerParteien. Was Böhme heute als von ihm gesagt zugegeben habe,decke sich mit dem, was ihm in dem Artikel nachgesagtwerde. Die„Leipziger Volkszeitung' führe ebenso kräftigeTöne, wie ungefähr Herr Böhme. Sie habe ein sehr feines Empfindendafür, wenn einem Kämpfer ihrer Partei der Vorwurf der Feigheitgemacht werde. Die Sozialdemokratie kann politisch Feige nicht alsihrer wert betrachten. Endlich einmal sei auch in der Verhandlungdie Legende von den Sitzredakteuren zerstört worden und das, trotz-dem am Anfang der Verhandlung Vorsitzender und Staatsanwaltes noch als gerichtsnotorisch bezeichnet hätten. Der AssessorLangehabe zugegeben, daß er die Tendenz der„Leipz. Volksztg." inden Vordergrund gerückt habe. Ueber Amtsrichter Hänel habe dieBeweisaufnahme ergeben, daß er seine Funktionen nicht angemessenausfülle.Man habe hier das Gefühl, daß das nicht mehr die objektiveBehörde sei, sondern daß sie sich einem Feinde gegenüber sehe, densie auf den Boden niederringen will. Auch heute wieder habe derStaatsanwalt mit seiner Bemerkung:„Der Artikel sei vom Zaungebrochen", dieselbe Methode angewandt, von der die„Volks-zeitung" dem Assessor Franke gegenüber von einem Gerede insBlaue hinein mit Recht gesprochen habe. Die Justizbeamtenständen den Angeklagten gegenüber als Partei-g e g n e r. Die Prozesse seien dafür charakteristisch, daß die Angeklagtenvon den Beamten beschimpft und verdächtigt wurden, die zum Schutzeder Bürger verpflichtet seien. Damußted erAngeklagte denSchlag zur Abwehr führen. Wenn nach der Tendenzgeurteilt werde, dann werde daS Ansehen der Justiz untergrabenund das sei so wie so in Deutschland bedenklich ins Wanken geraten.Können Staatsanwalt und Richter nicht ihre persönliche Meinungzurückhalten, so stürzen sie um, was sie schützen sollen. Er beantrageden F r e i s p r u ch.Nach einer kurzen Replik und Duplik zwischen der Verteidigungund der Staatsanwaltschaft wurde die Urteilsverkündigung, wiebereits mitgeteilt, auf den 29. d. M. ausgesetzt.Eue der parte!*Ein sozialistischer Wahlsieg in Paris.Paris, 21. Oktober.(Eig. Ber.)Die geeinigte Partei hat heute im Montmartre» BezirkClignancourt einen glänzenden Erfolg davongetragen. Eswar ein Gemeinderat an Stelle des verstorbenen unabhängigenSozialisten Legrandais zu wählen. Die geeinigte Partei hatteden Sattler Genossen Dherbecourt aufgestellt, gegen den eineReihe von Kandidaten auftraten, die sich alle in irgend einer Zu-sammensetzung den Namen„Sozialist" beilegten. Der erste Wahl-gang vor acht Tagen ergab kein endgültiges Resultat. Unser Partei-kand'dat erhielt 4309, der unabhängige Sozialist Blond el 3999,ein Radikalsozialist 2599, ein weiterer„Sozialist" 599 und zweiandere Kandidaten ebenso unbestimmter radikaler Färbung gleich-falls 599 Stimmen. Etwa 1990 weiße Stimmzettel waren ab-gegeben worden, die dem Nationalisten zuzurechnen waren. Bei derheutigen Stichwahl kam es nun darauf an, zu zeigen, daß derEinigkeitsgedanke in der sozialistischen Arbeiterbevölkerungdes Bezirks den Sieg über die alten Rivalitäten der verschiedenenSchulen davongetragen hat. Der Wahlkampf war sehr erbittert.Für Blondel lief das ganze radikale Kleinbürgertum zur Wahl.Trotzdem siegte Genosse Dherbecourt mit 6199 Stimmen.Ja, Blondel kommt erst an dritter Stelle. Die Nationalisten habeneinen Ueberrumpelungsversuch unternommen und in der Nacht vorder Wahl unzählige Plakate für den Kandidaten Charles Bernardangeschlagen, der beim ersten Wahlgang gar nicht kandidiert hatte.Er erhielt gegen 4999 Stimmen, während Blondel es nur auf3869 brachte. Die geeinigte Partei hat also einen Bezirk erobert-Es ist kein Zweifel mehr, sie hat die organisierte Arbeiterschaft aufihrer Seite. Was sich heute„unabhängiger Sozialismus"nennt, ist außer dem republikanischen Spießbürgertum nur noch einloser Haufen von allerlei abgesplitterten Gruppen und Wirtshaus-freundschaften._Der mecklenburgische Parteitag nahm am zweiten Ver-bandlungstag ein K o m m u n a l p r o g r a m m an, das von einerKommission vorberaten war. Reichstagsabgeordneter Dr. Herz-seid- Berlin hielt ein Referat über die Lage der Landarbeiter.Im Anschluß hieran wurde ein Antrag aus Schwerin verhandelt,eine Landarbeiterzeitung allmonatlich herauszugeben. ImPrinzip erklärte sich der Parteitag dafür. Die Einzelheiten sollendurch die Genossen in Rostock erledigt werden. Ferner wurde be-schloffen, den Parteivorstand in Berlin zu ersuchen, ein Flug-b l a t t zur Massenverbreitung über den Lebensmittel-Wucher herauszugeben.Gemeindewahlsiege in Baden. Im Rathause zu Kirchheimbei Heidelberg sind nun 24 Sozialdemokraten eingezogen, deren eSbisher nur 3 waren. Die Opposition gegen die bisherige Rathans-Herrschaft hat in allen drei Klassen nahezu einen vollkommenen Er-folg zu verzeichnen. In der 2. und 3. Klasse— in letzterer mit39 Stimmen Mehrheit— siegte die Liste unserer Partei.— Auch inForst bei Bruchsal gewann die Arbeiterschaft im Kampfe um die3. Klasse gegen die Rathauspartei. In beiden Orten wurde für dieArbeiterschaft die Wahl auf eine so ungünstige Tageszeit verlegt,daß die Arbeiterschaft vielfach nur auf Kosten ihres Tagelohnes dasWahlrecht ausüben konnte.Die Organisationen zum Parteitage. Die Mainzer Genossenerklärten sich mit den Beschlüssen des Parteitages einverstanden.Von den Organisationen. In Mannheim macht die politischeOrganisasion gute Fortschritte. Der Ortsverein zählte anfangs 1992etwa 1290 Genossen; zu Beginn dieses Jahres waren eS deren 2164und heute ist die Zahl 3999 bereits überschritten. Eine bedeutendeZunahme(98) weist die erste Hälfte des Oktober auf, wobei jeden-falls der Parteitag von großem Einfluß gewesen ist.Zur Erklärung des Genoffen Heinrich Braun über sein Ver-halten in der Wahlvereinsversammlung zu Fürsten-walde und den Verlauf dieser Versammlung schreibt der Vor-st and des sozialdemokratischen WahlvereinsFürstenwalde der„Märkischen Volksstimme":„... Wenn Genosse Braun Zweifel darüber hegt, ob die Ver-sammlung mit den Ausführungen der Diskussionsredner über denStampferschen Artikel einverstanden gewesen sei, so irrt er sich. Derin der Wahlvereinsversammlung vom Juli d. I. einstimmig gefaßteund auf der Generalversammlung des KreiswahlvereinS in Platt-kow vom 12. August d. I. verhandelte Antrag betreffs anderweitigerRegelung der Reichstagskandidatur sollte dem Genossen BraunKlarheit über die Stimmung der Fürstenwalder Parteigenossen-schaft geschaffen haben. Wenn wir es in der letzten Versammlungvermieden haben, einen Beschluß über unsere Meinung zu demVerhalten in dieser strittigen Frage herbeizuführen, so ist dies nichtzum wenigsten im Interesse des Genossen Braun selbst geschehen..."Die Sicherung der„Humanite".Die„Humanite" veröffentlichte die beiden Briefe, die zwischender deutschen und der französischen Sozialdemokratie in Sachen der„Humanite" gewechselt wurden. Die Schreiben lauteten:„Berlin, 12. Oktober.Lieber Genosse JaurösiWir haben zu unserem großen Bedauern erfahren, daß die„Humanite" Gefahr läuft, zu verschwinden, wenn es der Parteinicht im letzten Augenblick gelingt, sich die nötigen Geldmittel zuverschaffen. Wir würden in dem Verschwinden der„Humanite"ein großes Unglück erblicken, da es nicht nur hie französische Partei,sondern auch die Internationale betreffen würde. Ich bin vonunserem leitenden Komitee beauftragt, Sie zu benachrichtigen, daßwir bereit sind, zur Verfügung unserer Bruderpartei Frankreichs25 999 Frank für die„Humanite" zur Verfügung zu stellen. Ichbitte Sie, dieses Anerbieten der Leitung der Partei mitzuteilenund mich davon zu benachrichtigen, ob unser Anerbieten an-genommen worden ist. Dann senden wir Ihnen unverzüglich einenScheck über 25 999 Frank an die Adresse, die Sie uns angebenwerden. Wir hoffen und wünschen, daß es� der Bruderpartei inFrankreich gelingen wird, die anderen Hülfsmittel aufzutreiben,die für die Sicherung des Bestandes der„Humanite" notwendig sind.Brüderliche GrützeIhr A. Bebel."Die Antwort lautete:„Paris, den 17. Oktober 1896.Lieber Genoffe Bebel!Genosse Jaures hat dem ständigen Verwaltungsausschusse dersozialistischen Partei(französische Sektion der Arbeiter-Jnter-nationale) den Brief mitgeteilt, durch den der leitende Ausschußder deutschen Sozialdemokratie der„Humanite" eine Summe von25 999 Frank zur Verfügung stellt. Ter Ausschuß ist tief gerührtvon diesem Schritt internationaler Solidarität, die über die Grenzehinweg einem Blatte zu Hülfe eilt, das, unter der politischen Kon-trolle der Partei stehend, kräftig an dem Emanzipierungskampfeder Arbeiterklasse gegen die Bourgeoisie teilgenommen hat. DieMletgrier Frankreichs werden sich dadurch um fp mehr ermutigtfühlen, selbst ihre Pflicht bis zum äußersten zu tun. Der Ausschußbittet Sie, in seinem Namen und in dem der ganze» Partei demleitenden Ausschusse unserer Bruderpartei Deutschlands seinen leb-haftesten Dank auszusprechen, und sendet Ihnen seinen brüder-lichen Gruß.' Für den Nationalrat:Das Sekretariat.Louis Dubreuilh, Bracke, Pierre Renaudel."Der Verband niederländischer sozialdemokratischcr Gemcinderats-Mitglieder hat am 14. Oktober zu Utrecht einen Kongreß abgehalten.Zur. Erteilung von Auskunft und Ratschlägen an die Gemeinde-Vertreter der Partei unterhält der Verband ein Jnformationsbureauin Amsterdam. In dieses Bureau wurden die VorstandsmitgliederTak, Loopuit und Vliegen gewählt. Der Kongreß erörterte danndie Frage der Regelung der im Dienste der Gemeinden täsigenArbeiter und Angestellten. An der Besprechung nahmen die Ver-treter des Gemeindearbeitcrverbandcs Van Hinte und König teil.Das Referat hielt Genosse Ter Laan. Es wurden als not-wendig erachtet: Festsetzung ausreichender Minimallöhne; Regelungund Verkürzung der Arbeitszeit mit dem Ziel des Achtstundentages,der in solchen Bettieben, wo Tag und Nacht gearbeitet wird, zetztschon einzuführen ist; allgemeine Regelung der AnstellungS- undPensionsverhältniffe.Dann wurde über die Wasserversorgung ländlicher Gemeindenberaten, und schließlich über die Arbeitslosenversicherung. Ueberdiesen Punkt hielt Genosse S p i e k m a n den einleitenden Vortrag.Er sprach sich im allgemeinen für Gemeindesubsidien nach demGenter System aus, jedoch so, daß nur den Gewerkschaften dieUnterstützung gewährt werde. Entsprechend der Zentralisasion derGewerkschaften, die man jetzt in Holland mehr und mehr durchzu-führen sucht, werde man später zu dem norwegischen System derStaatSunterstützung übergehen müssen.polizeilicbes, Oeriebtiiehes ulw.Der„nicht genehmigte", aber doch abgehaltene Lichtbilderavend.Die Parteigenossen von Kirchhain i. L. hatten für den letzten Sonn-tag einen Lichtbildervortrag des Genossen Grempe-Berlin über„DieFreiheitskämpfe in Rußland' arrangiert. Am Tage zuvor bekamnun der Anmelder auf einem Briefbogen der Polizeiverwaltungfolgendes Schreiben:„Der von Ihnen zum 21. d. M. angemeldeteöffentliche Lichtbilderabend wird nicht genehmigt." Darunter standeine unleserliche Unterschrift. Da zur Sicherheit eine öffentlicheVersammlung angemeldet worden war, so ließen sich aber unsereGenossen durch die merkwürdige Zuschrift nicht stören. Einer vonden beiden überlvachenden Beamten wies bei der Entgegennahmeder Anmeldebescheinigung auf das„Verbot" der Lichtbilder hin undwarnte vor„Unannehmlichkeiten". Genosse Grempe hielt nun zu-nächst ein Referat ohne Lichtbilder. Am Schlüsse desselbenging er auf die merkwürdige Zuschrift ein und führte aus:Die Zuschrift sei wohl auf einem Bogen der Polizeiverwalttmggeschrieben, es fehle aber der Amtsstempel und bei der(wohl vomBürgermeister herstammenden?) unleserlichen Unterschrift der Amts-charakter. Es handele sich also um eine Zuschrift rein privaterNatur. Aber selbst wenn man sie als amtlich betrachten wolle, sokönne dadurch der Lichtbilderabend nicht gehindert werden. DerVerfasser des merkwürdigen Schreibens habe ja nur den„Abend"„nicht genehmigt", er habe sich wohlweislich gehütet, den Licht-bildervorttag zu verbieten! Auf Grund des komisch amnutendenSchreibens könne man sich ja nicht einmal mit Aussicht auf Erfolgbeschweren bezw. klagen, da es ja immer heißen würde, es habeüberhaupt kein„B erbot" der Versammlung vorgelegen und derStaatsbürger müsse wissen, daß die Polizei in dieser Sache über-Haupt nichts„zu genehmigen" habe. Der Verfasser der Zuschrifthätte sich aber geirrt, wenn er glaubte, durch seine„Nichtgenehmi-gung" den Einberufer der öffentlichen Versanimlung und den Rednereinzuschüchtern. Der Briefschreiber hätte sich doch sagen müssen, daßer es hier mit Sozialdemokraten, welche die Gesetze genau kennen.zu tun habe— und nicht etwa mit dem ängstlichen Bürgermeistervon Köpenick. Wenn es nun die überwachenden Beamten wagenwürden, die ordnungsgemäß angemeldete öffentliche Versammlungaufzulösen beim Beginn der Lichtbilder, dann würde man gegendiese im Beschwerde- und Klagewege wegen einer solchen durchausungesetzlichen Maßregel vorgehen! Die Versammlung entspreche allenAnforderungen des Vereinsgesetzes. In demselben stehe nichts davon,daß man nicht zur Unterstützung seiner Ausführungen Bilder, Zeich-nungen, Lichtbilder oder ähnliche Objekte heranziehen dürfe. DieBehörden aber seien doch in erster Linie dazu da, die Gesetze zurespettteren, und daher warne er nochmals die überwachenden Be-amten vor ungesetzlichen Maßnahmen. In der dann eintretendenPause berieten die beiden Beamten eifrig miteinander. Als dannder Lichtbildervortrag begann, zeigte es sich, daß die Rechts-belehrungen doch gewirkt hatten, denn die beiden Beamten störtenden dann glatt zu Ende geführten,„nicht genehmigten" Lichtbilder-abend in keiner WeiselDie Theaterabtreibung. in Dortmund ist bereits im Unter-Haltungsblatt der vorgestrigen Nummer unseres BlatteS gemeldet.Unser Dortmunder Parteiblatt, die„Arbeiterzeitung", schreibt zuder Heldentat der Dortmunder Stadtväter:„Die Dortmunder Arbeiter sind von dem Magistrat, an dessenSpitze das Aufsichtsratsmitglied der Harpener Bergbaugesellschaft,Schmieding, steht, sowie von einem Stadtverordnetenkollegium, indem Zentrumsleute die erste Rolle spielen, allerhand gewohnt. Trotz-dem hat die unrühmliche Vereitelung der Arbeitervorstellung großeErregung hervorgerufen. Die Dortmunder Arbeiter wissen, daßdurch die Vorstellung keine Rechte verletzt, daß durch sie niemandgeschädigt worden wäre. Und deshalb erblickt man in den Kreisender Arbeiter in der Verweigerung der Theaters eine Schikaneseitens des Kollegiums und des Magistrats. Man ist sich klar, daßdas Verbot, da es in erster Linie auf das Treiben der Schwarzenzurückzuführen ist, vor allen Dingen auf politischen Beweggründenberuht."Ein angebliches Boykotwcrgehen. In Görlitz wurde vomSchöffengericht der Genosse Emil Lange zu 199 M. Geldsttafeeventuell 29 Tagen Haft verurteilt. Er ivar beschuldigt, beim Be-streichen einiger Häuser mit der Inschrift:„Das Lokal istboykottiert" Beihülfe geleistet zu haben.Blinder Eifer. Die Breslauer„Volkswacht" berichtet: Wegeneines Vortrages, den er in Oswitz in einer Bauarbeiterversammlunggehalten hatte, war gegen den Genossen Dachdecker N entwicheine Untersuchung wegen Aufreizung zu Gewalttätigkeiten ein-geleitet worden. Die Aufreizung wurde darin erblickt, daß Nentwichzur Stärkung der Kassen der Organisationen mit dem bekanntenBilde vom„Sammeln von Munition" aufgefordert hatte.Nun muß der Staatsanwalt unserem Genossen mitteilen, daß jenesVerfahren eingestellt worden ist.Strafkonto der Presse. Das Reichsgericht verwarf am Montagdie Revision des Genossen Adler von der„Schleswig-Holsteinischen Volkszeitung" gegen ein Urteil desLandgerichts zu Kiel vom 6. Februar, das ihn wegen Beleidigungder Marineverwaltung mit drei Monaten Gefängnis belegte.To�iales.Jahresversammlung des wisscnschaftlich-humanitären Komitees.Die Jahresversammlung des wissenschaftlich-humanitärenKomitees fand vor einigen Tagen statt. Dem Geschäftsbericht warzu entnehmen, daß die Ausdehnung des Komitees in steter Zu-nähme begriffen sei. Die Höhe der Beittäge betrug im letzten Jahre18 990 M. An periodischen Publikationen gibt daS Komitee dasJahrbuch für sexuelle Zwischenstufen und die Monatsberichte heraus.Im letzten Geschäftsjahre seien 329 Anfragen bezüglichBisexualität eingegangen Im Laufe der Verhandlungen wurde be-schloffen, sich, ivie bisher, auf ein rein wissenschaftliches Arbeitenund dessen Verbreitung zu beschränken, von allen radikalen und