Nr. 258.
23. Jahrgang.
Sorges Briefwechfel.
Literarische Rundfchau.
Briefe und Auszüge aus Briefen von Joh. Phil. Becker, Jos. Dichgen, Friedrich Engels , Karl Marx und anderen an F. A. Sorge und andere. Stuttgart 1906. Verlag von J. H. W. Dietz Nachf. Preis broschiert 4 M., geb. 5 M.
-
-
Am 6. Januar 1892 schreibt er( Brief Nr. 197 S. 376):
"
Der Boden ist die Basis der Spekulation( in Amerika ) und die amerikanische Spekulationswut und möglichkeit ist der Haupthebel, der die eingeborenen Arbeiter im Banne der Bourgeoisie hält. Erst wenn ein Geschlecht eingeborener Arbeiter da ist, das bon der Spekulatiou nichts mehr erwarten darf, erst dann haben wir festen Boden in Amerika ."
Und am 30. März 1892( Brief Nr. 199. 380):
Wir verweilen absichtlich so lange bei diesen an sich ja herzlich unbedeutenden Irrtümern, um von vornherein dem läppischen Einwand zu begegnen, daß wir auf der Meister Worte schwören. Nichts weniger als das. Wenn wir auf die Meinung von Marg und Engels biel geben, so deshalb, weil wir wissen, daß sie trotz aller menschlichen Die bom Genoffen Sorge noch kurz vor seinem Tode ver- Irrtümer doch sehr viel mehr als mancher andere zur richtigen Ve öffentlichten Briefe von Marr, Engels, Joh. Ph. Becker urteilung der Dinge beigetragen haben. Hier gleich ein Beispiel und Diezgen nebst ein paar anderen sind nach ver- dafür. Wir erwähnten soeben, daß Engels sich über das Tempo der schiedener Richtung hin höchst wertvoll. Zunächst und haupt- amerikanischen Arbeiterbewegung verschiedentlich schwer getäuscht hat. fächlich als historische Quelle. Nicht etwa in dem Sinne, Trotz alledem gibt er darüber auf wenigen Seiten flarere und eindaß wir jeden Schnupfen und Husten unserer Meister für eine leuchtendere Darlegungen als z. B. Herr Combart in seinem historisch wichtige Tatsache hielten und es als ein großes Glück diesem Thema gewidmeten Buche. Wir haben dieses Buch anfähen, daß ihr körperliches Wohlbefinden an dem und jenem Tage( Warum gibt es in den Vereinigten Staaten feinen nunmehr unzweifelhaft nach ihren eigenen Angaben festgestellt werden Sozialismus?") fürzlich in Nr. 235 bom 9. Oktober kann. Unsere Auffassung von der Rolle der großen Männer in der einer Besprechung unterzogen, aus welcher unsere Lefer Geschichte ist bekannt, und sie gilt natürlich für unsere eigenen Großen ersehen haben, daß Herrn Sombart trog umfangreicher nicht minder als für die von der offiziellen Geschichtsschreibung Untersuchungen, deren sonstiger Wert nicht bestritten werden soll, die für groß" erklärten Persönlichkeiten. Wenn wir aus den Briefen Beantwortung seiner Frage nicht geglückt ist. Damit vergleiche man erfahren, wie sehr und wie oft Marg durch Krankheit am Arbeiten folgende kurz hingeworfene Zeilen von Engels. gehindert war, wenn wir hören, wie seine Gattin von einem unheilbaren Leiden befallen wurde und Jahre lang, langfam aber ficher, dem Tode entgegen ging, wenn wir zwischen den Zeilen die düstere Stimmung herauslesen, in welche Mary hierdurch versetzt wurde, wenn wir dann weiter den Auflösungsprozeß verfolgen, dem er selbst nun anheimfiel, so daß er der Gefährtin nach wenigen Jahren im Tode nachfolgte so ist das alles für jeden, der mit dem innersten Herzen an unferer Sache hängt, menschlich ergreifend und ein Gegenstand wachsenden Interesses; aber Weltgeschichte ist es nicht. Dagegen finden sich in den Briefen viele tatsächliche Angaben über zwei Vorgänge, die zu den ersten und wichtigsten Ereignissen der Weltgeschichte gezählt werden müssen: Die Entstehung und das Wachstum der modernen Arbeiterbewegung und das Werden der Marrschen Theorie. Hierfür sind die Briefe eine historische Quelle ersten Ranges, die sicherlich unsere Kenntnisse sehr zu vermehren geeignet sind. Selbstverständlich wollen wir auch hiermit nicht sagen, daß der Historiker, der sie benußen will, jedes ihrer Worte unbesehen hinnehmen soll. Vielmehr muß er sie be= nugen, wie man eben vernünftigerweise historische Quellen benutzt; er darf z. B. niemals vergessen, daß auch unsere Größten nur Menschen waren, und daß der Mensch sich irren kann, selbst dann irren kann, wenn er ein Erlebnis der letzten Tage brieflich einem Freunde mitteilt, wie denn in der Tat der Herausgeber Sorge an verschiedenen Stellen durch Anmerfungen solche Irrtümer berichtigt. Vielmehr muß das, was die Briefe mitteilen oder bestätigen beziv. bestreiten, nach der Methode exakter historischer Forschung behandelt werden, mit anderen Quellen verglichen, nach den sonst genau bekannten Zeitumständen bewertet werden usw. Alsdann wird diese neue Quelle nicht verfehlen, unsere bisherige Kenntnis von der Ges schichte unserer Bewegung und unserer Theorie an mancher Stelle zu ergänzen, zu berichtigen und in ein neues Licht zu setzen. Da aber die Geschichte der Bergangenheit stets die große Lehrmeisterin der Gegenwart sein muß, so läßt sich leicht ermessen, wie sehr hierdurch unsere praktische Tätigkeit befruchtet werden kann.
-
-
Ein weiterer Wert der Briefe wurde oben schon mit erwähnt. Wer nicht nur mit dem fühlen Verstande, sondern mit vollem, warmem Herzen Sozialdemokrat ist, der interessiert sich auch für die äußeren Umstände, welche die Geburt und den Werdegang unferer großen Sache begleitet haben. Und hier spielen dann allerdings die Personen eine Hauptrolle. So streng aus der eigentLichen Geschichte aller Personentultus verbannt bleiben muß, so sehr man sich hüten muß, den persönlichen Einfluß auch der Größten auf das Werden der Ideen und Bewegungen zu überschätzen, so sehr sind diese Größten doch ein Gegenstand warmer persönlicher Anteilnahme gerade für die Besten unter uns. Wie mancher ist unter uns, für den z. B. das Studium von Mary' Schriften einen Wendepunkt in feinem Leben, gewissermaßen eine geistige Wiedergeburt bedeutet! Was vielleicht vorher schon halb unbewußt in Kopf und Herzen schlummerie, das fand er hier in flare Worte gekleidet, das erhielt jetzt Leben, das flößte ihm selbst ein neues Leben ein. Alle diese mit Mary in persönlicher Beziehung. Obschon fie ihn vielleicht nie gesehen, obschon er vielleicht lange tot war, als fie zum erstenmal ein Buch von ihm in die Hand nahmen, so war er es doch, der ihr Leben in der nach drücklichsten Weise beeinflußte, dem sie ihr geistiges Erwachen und damit alles verdanken, was dem Leben seine Bedeutung gibt. Endlich aber und das dünft uns das wertvollste ist das Buch auch eine neue Quelle rein theoretischer Erkenntnis. Das Urteil, das Mary und Engels von Zeit zu Zeit abgaben, sei es über ein Buch, sei es über diese oder jene Person, sei es endlich über das Verhalten der Parteien in dem einen oder anderen Lande bietet des öfteren interessante Aufschlüsse darüber, wie sie selbst ihre Theorie aufgefaßt wissen wollten. Freilich tommt hier Engels mehr in Betracht als Marg. Die meisten, wenngleich nicht alle Briefe dieser Art ſtammen aus der Zeit nach Mary' Tode. Wären ste beröffentlicht worden, als bei uns in Deutschland noch der Kampf um den Revisionismus tobte, so hätten sie zweifellos in diesen Kampf nachhaltig eingegriffen. Trotzdem wird man Sorge recht geben müssen, daß er sie nicht damals veröffentlicht hat, sondern erst heute, nachdem dieser Kampf im wesentlichen beendet ist. Bon praktischem Wert und dauerndem Nutzen ist dem Menschen nur die Erkenntnis, die er sich selbst erworben, zu der er sich selbst durchgeringen hat. Jede von irgend einer Autorität ihm aufgedrungene Meinung ist und bleibt etwas Fremdes, das gerade dann versagt, wenn er es am nötigsten braucht- auch wenn die Autorität eine freiwillig anerkannte ist. Deshalb war es richtig, die Ansichten von Marg und Engels nicht direkt in den Kampf eingreifen zu lassen. Andererseits ist unbestreitbar der Kampf um den Rebisionismus ein wesentliches Stück der deutschen Parteigeschichte. Somit ist es wohl von Wichtigkeit, die Meinung der Meister über jene Streitfragen jetzt nachträglich fennen zu lernen.
Selbstverständlich zeigt sich auch hierbei, daß Marr und Engels Menschen waren wie wir alle, irrende sterbliche Menschen. Auch sie taren dem Irrtum ausgesetzt und nichts weniger als unfehlbar. So glaubte z. B. Marg am 1. September 1870, daß der damalige Krieg notwendig einen sofortigen Krieg zwischen Preußen nnd Rußland nach sich ziehen müsse. Und um nur einen Irrtum hervorzuheben, der gerade heute eine gewisse Attualität Sefigt, so schrieb Engels am 10. November 1894( S. 416):
"
Geht's aber in Rußland los, dann werden wir in Deutsch land auch etwas Neues gewahr werden. Dann weht in ganz Europa ein liberaler Wind, der uns nur nützlich sein kann."
Bis
und schießen, und suchen jeden Vorwand auf, dem jungen Kaiser zu beweisen, daß er nicht rasch genug schießen lassen kann. Das würde aber unser ganzes Spiel verderben. Erst müssen wir das Sozialistengesez los fein, das heißt den 30. september über standen haben. Und dann machen sich die Dinge in Deutschlane gar zu prächtig für uns, als daß wir sie uns durch pure Renommage verderben sollten. Im übrigen ist die Proklamation der Fraktion schlecht und der Blödsinn vom allgemeinen Strei! ganz überflüssig. Aber einerlei wie, die Leute sind durch den 20. Februar( Tag der Neichstagswahl 1890) so gehoben, daß fie einer gewissen Zügelung bedürfen, um feine Dummheiten zu machen."
"
( Engels am 9. August 1890, S. 343.) Jr Deutschland präpariert sich ein kleiner Strafeel für den Kongreß, Herr Schippel und andere Literaten wollen der Parteileitung auf den Leib und eine Opposition bilden. Das wäre nun nach Abschluß des Sozialistengesetzes gar nicht zu verbieten. Die Partei ist so groß, daß absolute Freiheit der Debatte innerhalb ihrer eine Notwendigkeit ist. Anders find die vielen neuen Elemente, die ihr in den letzten drei Jahren zugekommen und die stellenweise noch recht grün und roh, gar nicht zu assimilieren und auszubilden." ( Engels am 11. Februar 1891, S. 356.) Die Franzosen sind ganz zornig, daß die Deutschen diesmal am 3. Mai und nicht am 1. Mai feiern werden. Das ist alles dummes Zeug, die Feier des 1. Mai hat den Hamburgern, die an dem Tage die Arbeit einstellten, eine Aussperrung eingebracht( die auftraglosen Fabrikanten lechzten nach einer solchen), die den Arbeitern dort 100 000 Mark kostete ohne die Beiträge von außen die Kraft ihrer bestorganisierten Gewerkschaften brach und sie auf lange lahm legte. Heute ist die Ueberproduktion in Deutschland in allen Zweigen der Industrie chronisch, und da eine allgemeine, nur durch Kontraktbruch mögliche Feier in ganz Deutschland am 1. Mai eine allgemeine Ausiperrung herbeiführen, alle unsere Kassen entleeren, alle unsere Gewerkschaften sprengen, und statt Begeisterung Entmutigung hervorrufen würde, so wäre fie Blödsinn."
-
-
( Engels am 8. April 1891, S. 362) Der Pariser Bergarbeiterkongreß wäre beinahe am belgischen Blödsinn des Generalstreits gescheitert.... Ich wollte fast, die wallonischen Kohlenarbeiter, die den ganzen Generalstreikunsinn diesmal an=- gestiftet, trieben es in Belgien zum Generalstreit wegen allgemeinem Stimmrecht*), sie würden heillos gehauen und der Unfinn wäre begraben. Aber die anderen in Deutschland und Frankreich würden die Folgen auszufreffen haben."
„ Was Euer großes Hindernis in Amerika ist, scheint mir, besteht in der Ausnahmestellung der eingeborenen Arbeiter. 1848 tann man von einer eingeborenen, ständigen Arbeiterklasse nur als Ausnahme sprechen. Die wenigen Anfänge davon im Osten in den Städten konnten immer noch hoffen, Bauern oder Bourgeois zu werden. Jetzt hat sich eine solche Selasse entwickelt und hat sich auch großenteils trade- unionistisch organisiert. Aber sie nimmt immer noch eine aristokratische Stellung ein und überläßt, was sie auch kann, die ordinären, schlechtbezahlten Beschäftigungen den Eingewanderten, von denen nur ein geringer Teil in die aristokratischen Trade Unions eintritt. Diese Eingewanderten find aber in Nationalitäten geteilt, die sich untereinander und meistenteils auch die Landessprache nicht bers stehen. Und Eure Bourgeoisie versteht es noch biel besser als die österreichische Regierung, eine Natio nalität gegen die andere auszuspielen, Juden, Italiener , Damit genug, obwohl sich die Reihe dieser Zitate noch sehr Böhmen usw. gegen Deutsche und Irländer und jeden gegen den verlängern ließe. Darf man mun hieraus, wie es sicher geschehen anderen, so daß, glaube ich, in New York Unterschiede der Lebens- wird, schließen, daß die Begründer der Marristischen Theorie jenen haltung zwischen Arbeitern bestehen, wie sie sonstwo unerhört sind. flachen Opportunismus befürwortet haben, der ohne Bedenken das Und dazu kommt die Gleichgültigkeit einer ohne allen gemütlichen Prinzip in den Glasschrank stellt, um Augenblickserfolgen nachFeudalhintergrund, auf rein kapitalistischer Basis erwachsenen Ge- zujagen? Dem widerspricht zunächst die außerordentlich scharfe Absellschaft gegen die dem Konkurrenzfampf erliegenden Menschen- fage, die Marg und Engels aller Kompromisselei, aller Bertuschung leben: es gibt immer noch genug und mehr, als wir brauchen des Prinzips und der Theorie erteilt haben. Haben sie doch sogar von diesen verdammten Deutschen , Irländern, Italienern, Juden Männer wie Lassalle und Liebknecht mit harten Vorwürfen hierüber und Ungarn "*), und obendrein steht im Hintergrund John nicht verschont! Um ein flares Bild zu gewinnen, ist es nötig, auch Chinaman, der sie alle weit übertrifft in der Fähigkeit, von Dreck von diesen Aeußerungen einige hier zu zitieren: zu leben."
Was nun die theoretische Erkenntnis betrifft, die aus den Briefen gewonnen werden kann, so findet sich an verschiedenen Stellen die eindringliche Mahnung, aus unserer Theorie fein Dogma zu machen:
„ Unsere Theorie( schreibt Engels am 28. Dezember 1886, S. 245) ist ein Dogma, sondern die Darstellung eines Evolutionsprozesses, und dieser Prozeß umfaßt aufeinander folgende Phafen."
Und wieder am 27. Januar 1887( S. 249):
Unsere Theorie ist eine Evolutionstheorie, fein Dogma, das man auswendig lernt und mechanisch hersagt. Je weniger sie den Amerikanern von außen eingepauft wird und je mehr sie sie durch eigene Erfahrung unter dem Beistand der Deutschen **) erproben, desto tiefer geht sie ihnen in Fleisch und Blut über."
-
Selbstverständlich wird hiermit nichts Neues gesagt. Dennoch werden zweifellos Stimmen laut werden, welche auf Grund dieser Aeußerungen zum mindesten Engels, wahrscheinlich aber auch gleich Marg selbst als„ Anti- Marristen" reklamieren werden. Womit denn freilich nur ein neues Zeugnis jener unglaublichen theoretischen Konfusion abgelegt wird, die sich von vornherein dokumentierte durch den Vorwurf, die Anhänger der Theorie seien Dogmatiker". Ja es wird sogar vermutlich nicht an Stimmen fehlen, welche bereit sein werden, Marg und Engels zur Verteidigung des allerplattesten Opportunismus zu benutzen. Und zwar auf Grund von Aeußerungen wie die folgenden.( Engels am 3. Mai 1873, S. 105):
Seine Mitarbeiterschaft an Bourgeois blättern geschah unter Mitwissen und Billigung der Partei und direkt für Parteizwecke. Wenn mir morgen die„ Times" zur Verfügung gestellt wird, darin zu schreiben, wie ich will, und gegen Bezahlung, so nehme ich's unbedenklich an. Dem Eccarius hat dies niemand übel genommen, bis er die Sache umkehrte, die Internationale in seinem Geldinteresse exploitierte und nicht mehr in ihrem Interesse, sondern im seinigen und dem der„ Times" schrieb. Daß Oberwinder in Desterreich, wo der Feudalismus erst teilweise überwunden und die Massen noch unbegreiflich dumm sind, und wo die Verhältnisse ungefähr noch die von Deutschland vor 1848 find daß er da nicht gleich das Aeußerste mit radikal weitgehendstem Gepolter verlangt, sondern die Politik verfolgt, die wir am Schluß des Kommunistischen Manifestes für das damalige Deutschland empfahlen, nehmen wir ihm sicher nicht übel."
-
Aehnliche Aeußerungen finden sich mehrfach. Wir zitieren nur noch die folgenden, welche für die in Deutschland während der letzten Jahre aufgeworfenen Streitfragen eine mehr oder minder direkte Bedeutung zu haben scheinen:
( Engels am 28. Dezember 1886, S. 246)... Eine oder zwei Millionen Arbeiterstimmen im nächsten November für eine echte Arbeiterpartei sind augenblicklich unendlich mehr wert als ein Hunderttausend Stimmen für ein theoretisch vollkommenes Programm." Hätten wir bon 1864 bis 1873 darauf bestanden, nur mit denen zusammenzuwirken, die unser Programm offen annahmen- wo würden wir heute stehen?"
( Engels am 27. Januar 1887, S. 249)
( Engels am 12. April 1890, S. 334)... ... Wenn unsere Partei in Deutschland in nächster Zeit und auch mit Beziehung auf den 1. Mai scheinbar etwas abwiegelt, so weißt Du die Gründe. Wir wissen, daß die Generale den 1. Mai gern zum Schießen verwerten möchten. Diefelbe Absicht besteht in Wien und Paris ."
Inzwischen ist es bekanntlich in Rußland losgegangen, aber von bem liberalen Wind in Europa ist nicht viel zu spüren. Engels zu mal gab sich gern einem rosigen Optimismus hin, der ihn des öfteren, inbesondere über das Tempo der Bewegung, täuschte. Obgleich er 3 B. wiederholt darlegt, daß in Amerika die Arbeiterbewegung nur sehr langsam und unter ständigen Rückschlägen Boden fassen könne, veranlaßt ihn doch jeder Wahlerfolg der nach feinen eigenen Darlegungen wenig zu bedeuten hatte und von einem Rückschlage abgelöst werden mußte zu der frohen Hoffnung: mun sind die Massen in Fluß gekommen, num wird's unaufhaltsam vorwärts hört. gehen. So schon Mitte der achtziger Jahre, so auch wieder Anfang
-
( Engels am 19. April 1890, G. 337)... Auf den 1. Mai bin ich begierig. In Deutschland war es Pflicht der Reichstagsfraktion, den übertriebenen Gelüsten entgegenzutreten. Die Bourgeois, die politische Polizei, bei der es jest um's Brot geht", die Herren Offiziere, fie alle möchten gern dreinschlagen *) Eine Redensart, die man oft in den Vereinigten Staaten
**) Gemeint sind die infolge des Sozialistengesetzes nach Amerika
( Mary am 4. April 1874, S. 137.),... Du wirst bemerkt haben, daß sich im„ Voltsstaat" von Zeit zu Zeit halbgelehrte Philisterphantasien geltend machen. Das Zeug kommt von Schulmeistern, Doktoren, Studenten. Engels hat dem Liebknecht den Kopf gewaschen, was ihm von Zeit zu Zeit nötig zu sein scheint." ( Mary am 19. September 1879, S. 165.) Höchberg
fiel wie aus den Wolken, als Engels ihm reinen Wein einschenkte; erist ein, friedlicher" Entwickelungsmann und erwartet die proletarische Emanzipation eigentlich nur von„ gebildeten Bourgeois", d. h. feinesgleichen. Liebknecht hat in der Tat, nachdem er den großen Bock in den Transaktionen mit den Lassalleanern geschossen, allen diesen Halbmenschen Tür und Tor geöffnet und malgré lui ( ohne es zu wollen) eine Demoralisation in der Partei vorbereitet, die nur durch das Sozialistengesetz beseitigt werden konnte. Sollte nun das„ Wochenblatt" das Parteiorgan in der Tat
-
-
-
in der von Höchbergs Jahrbuch" initiierten( begonnenen) Weise vorgehen, so wären wir gezwungen, öffentlich gegen solche Verluderung der Partei und der Theorie aufzutreten. ( Engels am 20. Juni 1882, S. 183) In Deutschland gehen die Sachen im ganzen vortrefflich. Zwar haben die Herren Literaten der Partei versucht, eine reaktionär bürgerlichzahm gebildete Schwenkung durchzuführen, aber sie ist glänzend gescheitert. Diese Leute möchten um jeden Preis das Sozialistengesetz durch Milde und Sanftmut, Kriechen und Zahmheit wegbetteln. Sobald das Gefeß beseitigt wird die Spaltung wahrscheinlich offen werden und die Vierecks, Höchbergs einen separaten rechten Flügel bilden, wo man dann von Fall zu Fall mit ihnen verhandeln kann, bis sie endlich definitiv auf den Arsch fallen. Wir haben das schon gleich nach Erlaß des Sozialistengesetzes erklärt, als Höchberg und Schramm im Jahr buch"... ein mehr jebildetes, wohlanständiges, salonfähiges Betragen der Partei berlangten."
Ueber Liebknecht läßt sich Engels sogar im lumut zu folgenden Aeußerungen hinreißen( 3. März 1887, S. 256):
.
fein Drang, alles in Ordnung zu bringen und alle Gegensäge durch Auflösung in Phrasen zu vertuschen, seine Sucht, äußere momentane Erfolge zu erreichen, selbst auf Stosten dauernder Verluste
Dem Andenken unseres Alten können diese Zornesworte nichts schaden. Aber sie zeigen, wie rücksichtslos Engels zu Felde zog, wenn er irgendwo Kompromisfelei zu finden glaubte.
"
"
Auch die Zitate dieser Reihe ließen sich beliebig vermehren, insbesondere mit Engels Urteilen über die englischen Fabier", welche die Durchtränkung der liberalen Partei mit sozialistischen Brinzipien für die einzige Lebensaufgabe der Sozialisten ausgeben" und sich in Gnaden herbeilassen wollen, das Proletariat von oben herab zu befreien, wenn es nur so einsichtig sein will zu begreifen, daß so eine robe ungebildete Masse sich nicht selbst befreien fann und zu nichts kommt außer durch die Gnade dieser gescheidten Advokaten, Literaten und sentimentalen Weibsleute".( S. 401.) Indessen denken wir, es wird für das, was wir zeigen wollen, genügen, wenn wir noch kurz eine Stelle anführen, die sich auf Deutschland bezieht:
( Engels am 10. November 1894, S. 415):.. Erst erklären die Franzosen in Nantes durch Lafargue nicht nur( was ich ihnen geschrieben), daß wir keinen Beruf haben, den Ruin der Kleinbauern, den der Kapitalismus für uns besorgt, durch direktes Eingreifen unsererseits zu beschleunigen, sondern auch: man müsse den Kleinbauer gegen Fistus, Mucher und Großgrundbesiger direkt schützen. Das Bönnen wie aber nicht mitmachen, weil es erstens dumm und zweitens unmöglich ist. Nun aber kommit Vollmar in Frankfurt und will der: Bauer überhaupt bestechen, und zwar ist der Bauer, mit dem er in Oberbayern zu tun hat, nicht der verschuldete rheinische Kleinbauer, sondern der Mittel- und selbständige Großbauer, der Knechte und Mägde exploitiert( ausbeutet) und Vieh und Getreide verkauft. Und das geht nicht ohne Aufgeben des ganzen Prinzips. Wir können den Alpenbauer, den niedersächsischen und schleswigholsteinischen Großbauer nur bekommen, wenn wir ihm die Ackerfnechte und Tagelöhner preisgeben...
"
*) Was 1903 bekanntlich wirklich geschah.