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Kraphm nicht nur aus Zweckmäßigkeitsgründen zu, sondern auch weil rch in ihnen einen Fortschritt sehe in den Anschauungen über Kunst. DaS, was William Morris seit Jahrzehnten vertreten hat, daß zwischen Kunst und Handwerk keine prinzipielle Scheidewand bestehen dürfe, kommt hier zum Ausdruck. Jeder ist ein Künstler, der es ver­steht, sein persönliches künstlerisches Empfinden in seine Arbeit hinein- zulegen, oder wie der berühmte englische Künstler Walter Crane sagt: Ob jemand den Meißel führt, den Hammer oder den Pinsel, ob er an derHobelbank oder auf dem Gerüst steht, wenn er in seiner Arbeit lebtund das Geschick besitzt, etwas Schönes hervorzubringen, dann ist er ein Künstler im wahren Sinne des Wortes." Da die>e Auffassung in dem Gesetzentwurf zum Ausdruck kommt, erklärt es sich, daß die All- gemeine Deutsche Kunstgenossenschaft, die auf dem alten zünftlerischen Standpunkt steht, in dem Gesetz eine Herabwürdigung der Kunst sieht, weil Photographien und auch das Kunstgewerbe darin auf- genommen find. Würde ihrer Anregung, statt dessenangewandte Kunst " zu sagen, stattgegeben, so würde der ganze Fortschritt dieses Gesetzes wieder aufgehoben, und die Scheidewand zwischen Kunst und Handiverk würde bestehen bleiben. Es ist nicht richtig, was die Kunstgenossenschast sagt, daß die Photographie auch in ihren besten Leistungen niemals eine original-geistige Schöpfung fei, sondern stets nur vorhandenes Kunstwerk reproduziere. Wer die Ausstellung von Photographien in der Wandelhalle des Reichstages seinerzeit gesehen hat, der mutz zugeben, daß es in der Tat Photographien gibt, die man als Kunst- werke bezeichnen kann. Auch der Photograph, der derartige Ausnahmen macht, muß künstlerisches Empfinden haben und es in seine Arbeit hineinlegen.(Sehr richtig I bei den Sozialdemokraten.) Der Wider« stand desKunstwart", der von dem Standpunkt derjenigen aus- geht, die die Kunstwerke unter dem Volke verbreiten wollen, richtete sich eigentlich gegen ettoaS ganz anderes, was mit dem Gesetz- entwurs gar nichts zu tun hat. DerKunstwart" meinte, daß jetzt eine Reihe von photographischen Gesellschaften in den Museen ein Monopol habe; andere Unternehmungen werden nicht zugelassen, wir w.ssen daher die Photographien teuer bezahlen. Dieser Protest hätte angebracht werden müssen bei den Direknonen der Museen oder bei dem Landtag, der die Aufficht über fie hat. Man kann aber unmöglich zulassen, daß jedes Kunstwerk ohne weiteres photographisch verbreitet werden darf, ebensowenig wie literarische Erzeugnisse wenn auch ihre Verbreitung zur Volks- aufklärung sehr erwünscht wäre; denn sonst würde jeder Urheber- schütz aufhören. Es gibt auch eine Reihe von Photographien, deren Aufnahme große Kosten verursacht, z. B. wissenschaftliche Photographien und Aufnahmen in entlegenen Ländern. Wir können nicht zulassen, daß solche Aufnahmen von jedem nachgemacht werden. Deswegen stimmen wir dem Z 1 zu. Ebenso ist es unangebracht, im§ 2 nach dem Wunsche der deutschen KünstlergenossenschaftKunst" stattKunst- gewerbe" zu setzen; deswegen werden wir auch für den§ 2 in der Fassung der Kommission stimmen.(Bravo I bei den Sozial- demokraten.) Abg. Dowe(frf. Bg.): Die deutsche Künstlergenossenschast vcr- wahrt sich dagegen, daß die Photographie mit der Kunst»n einem Gesetze behandelt wird. Wenn fie behauptet, dies sei der Kunst un- würdig, so stimme ich mit der Zurückweisung dieser Anschauung mit dem Vorredner ein. Abg. Lattmann(Wirtsch. Vg.): Auch wir halten die Zusammen- fassung der Werke der bildenden Künste und der Photographie für zweckmäßig und werden den§§ 1 und 2 zustimmen. Abg. Dr. Müller-Meiningen (frf- Vp.): Die Künstler behaupten mit Unrecht, daß es sich im Gesetz um eine Gleichstellung der Photo- graphie mit Werken der bildenden Kunst handelt; eS handelt sich vielmehr lediglich um die Verbindung zweier gesetzgeberischen Materien aus technischen Gründen. Geheimrat Robolski: Ich kann bestätigen, daß die Verbindung der Photographie mit den Werken der bildenden Künste nur auS praktischen Zwecken erfolgt ist. Die§Z 1, 2, 2s, werden angenommen. Es folgt§ 3. Abg. Dr. Müller-Meiningen (als Referent): Im§ 1 des Gesetzes betreffend das Urheberrecht an literarischen Werken werden Urheber von solchen Nachbildungen wissenschaftlicher oder technischer Art geschützt, welche nicht ihren Hauptzwecke nach Kunstwerke sind. Das deckt sich mit dem ß S des vorliegenden Gesetzes nicht völlig. Ich möchte den Regierungsvertreter um Auskunst bitten, ob ein Rückschluß von jenem Gesetz auf dieses zulässig ist. Das würde den K 2 illusorisch machen. Geheimrat Robolski: Ein solcher Rückschluß ist nicht zulässig. 8 3 wird angenommen. Die 8s 423(Abschnitt I und II des Gesetzentwurfs) werden, (fast sämtlich debattelos resp. nach unwesentlicher Debatte) an- genommen. Darauf vertagt sich das Haus. Nächste Sitzung Freilag t Uhr. Tagesordnung: Fortsetzung der Beratung. Erste Beratung des Gesetzentwurfs betr. die gewerblichen Bcrufsvereiue. Schluß G/z Uhr. _ Die russische Revolution. Das amerikanische Syndikat in Sibirien . Herr Loique de Lobelle ist ein edler Franzose von altem aristo- kratischem Geschlecht, vielleicht ein Nachkomme der Kreuzfahrer. Er will Rußland eine Eisenbahn in Ostsibirien schenken und der russischen Regierung eine große Summe in barem Gelde zahlen. Einen Test dieser Summe, etwa 200 Millionen Rubel, soll die russische Regierung von ihm jetzt bald pränumerando erhalten. Es ist dieS keine Anleihe, sondern ein KonzessionS- und Pachtvertrag, und Monsieur de Lobelle glaubt dessen sicher zu sein, daß seine auf diesen Vertrag gegründeten Rechte auch von einer neuen russischen Regierung nicht bezweifelt werden können. Lobclle verpflichtet sich, ohne eine Garantie seitens der russischen Regierung zu verlangen, eine Eisenbahn zu bauen, die an einer Station der jetzigen sibirischen Bahn, höchst wahrscheinlich von K a n s k(zwischen Krassnojarsk und Jrkutsk) ihren Anfang nehmen und über Jakutsk bis zum östlichen Ende Sibiriens , bis zur Beringstraße. geleitet werden soll: er ver- pflichtet sich, einen Tunnel unter der Beringstraße durchzuführen und seine Eisenbahnlinie mit den amerikanischen Eisenbahnen zu verbinden! Eine Eisenbahn durch die ostsibirischen Polareinöden, die ja hauptsächlich von verschickten Sozialdemokraten und Sozial« revolutionären bewohnt werden, durchzuführen und einen Tunnel unter der Beringstraße durchzustechen, das wird sehr viel Geld kosten.-- Welche Bedingungen stellt nun Monfieur de Lobelle seinerseits? Für dir Dauer der Konzession, d. h. für SO Jahre, wird ihm daS Territorium zu beiden Seiten der Bah» in einer Breite von je 12 Werst(über 12 Kilometer) auf jeder Seite zu seiner«erfügung abgetreten mit dem Recht der Exploitation der Oberfläche des Konzessionsgebietes sowie auch der im Schöße der Erde ruhenden Schätze!!! Lolqne de Lobelle ist selbstverständlich ein Strohmann. Er ver- tritt ein Syndikat amerikanischer Millionäre. Es ist festgestellt worden, daß das projektierte Konzessionsgcbiet unermeßliche Reich- tümer an Gold enthält! Als die russische Regierung verlangte, daß der Bau der Eisenbahn von ihrem westlichen Ende,' von der an der Sibirischen Bahn gelegenen Ausgangsstation an. beginnen solle, lehnte Monsieur de Lollelle dies ab. Das Syndikat wollte den Bau von der Bering st raße beginnen, und man kam endlich überein, daß der Bau von beiden Enden gleichzeitig in Angriff ge- nommen werden soll.». Wie weit das Syndikat in bezug auf den westlichen Teil der Eisenbahn seinen Verpflichtungen nachkommen wird,»st fraglich. Den Amerikanern kommt es nur auf die Goldschätze und die Kommunikation zu diesen an. Die amerikanischen Millionäre werden unermeßliche Reichtümer erbeuten, der rusfischen Re- gierung eine schöne Geldunterstützung gewähren und dem russischen Reiche eine für dieses ganz unnötige Eisenbahn geben. die nur für den Transport der Goldausbeute an ihre amerikanischen Eigentümer von Wichtigkeit sein wird.(Towarisch" vom IS. November.) In St. Petersburg wimmelt's jetzt von großen und kleinen de Lobelles. Der eine verlangt eine Eisenbabnkonzession(immer nebst Territorium), der andere Fischereien, der dritte staatliche Berg- werke....Wo Aas ist, da sammeln fich die Geier." Die klugen Herren machen ihre Rechnung ohne den Wirt! Sie vergessen, daß es dem russischen Volke wenn mit irgend einem, so mit dem Vorsatze bitter ernst ist, nach Niederzwingung des Zarismus alle von der jetzigen Regierung unter Ignorierung der Volksvertretung abgeschlossenen Konzessions-, Pacht-, Kaufverträge für null und nichtig zu erklären. Jene Pächter oder Käufer der Naturschätze Rußlands stecken also Geld in eine verfehlte Spekulation. Denn von ihrem Gelde werden diese Spekulanten dafür wird das erwachte russische Volk sorgen keinen Heller wiedersehen. StolypinS Wahlvorbereitungen. fu den unzähligen Maßregeln zur Fernhaltung der proletarischen äuerlichen Mafien von den Wahlurnen ist am 16. November eine neue hinzugekommen. Stolypin schreibt selbstverständlich geheim den Herren Gouverneuren vor: den Landschafts- Vorstehern(Semskie-Natschalniki) einzuschärfen, daß dieselben beileibe keine Abweichungen von denSenatserläuterungen" in den Dörfern zulassen dürfen. Was eine solcheEinschärsung"-für die ohnedies ichon schneidigen Kreispolizeihauptleute bedeutet, das wird man erst später genügend würdigen können. Vorläufig bringen die rusfischen Blätter Zahlen über die Wirkung des Wahlrechtsraubes in einzelnen Gouvernements: Im Kreise Tschernigow des gleichnamigen Gouvernements zum Beispiel ist die Zahl der wahlberechtigten Kleinbauern von 12 000 auf 6000 gefallen! Im Kreise M e l i t o p o l haben etwa 30 Prozent das Wahlrecht verloren, im Gouvernement Kowno etwa 20 Prozent. Im Kreise P o l t a w a hat nur ein Siebentel der ftüheren Wähler und Wahlmänner das Wahlrecht. Im Kreise U m a n sind von den ftüheren 4777 Kleinbauern nur 700 in die Wählerlisten eingettagen usw. Neue Gäruugen. Durch kaiserlichen Ukas wurde das Kubangcbiet im Kaukasus in den Kriegszustand erklärt. Keine Juden-Emanzipation! Petersburg, 22. November. (Von einem Privatkorrespondenten.) Der Agitation des Verbandes russischer Leute gegen die Erweiterung der Rechte der Juden schließt sich nun auch, wie heute aus Kiew ge- drahtet wird, der Verband der Rechtsordnung an. Sowohl dem Kaiser wie auch Stolypin gehen zahlreiche Telegramme von Mit- gliedern des Verbandes russischer Leute zu, welche nahelegen, die Rechte der Juden nicht zu erweitern. An Stolypin wurde gedrahtet, daß eine Erweiterung der Rechte der Juden die Mitglieder des letzt- genannten Verbandes zu Verbrechen treiben würde. Zur Gaponiade. lieber Gapon, der laut Nachrichten der reakttonären Prefie seiner- zeitauf Beschluß sozialdemokratischer Organisationen ermordet wurde", scheinen die Akten noch nicht abgeschlossen zu sein. Nach derSsewodnja" sollen in Bälde sensattonelle Enthüllungen in dieser Sache zu erwarten sein. Der Untersuchungsrichter Saizen soll bereits ein gewaltiges Material bezüglich der Ermordung und der politischen Rolle Gapons gesammelt haben. Außer dem Unter- suchungsrichter wäre nur noch eine Persönlichkeit in das Geheimnis derGaponiade" eingeweiht, und zwar der Anwalt Kwaschin- Samarin. Das obengenannte Blatt schreibt wörtlich:Dieser Mann könnte der russischen Gesellschaft schon jetzt die Augen über vieles öffnen, aber er ist durch das Gesetz zum Schweigen verpflichtet.Glauben Sie mir", so äußert er sich.Gapon hat in der russischen Geschichte eine Rolle gespielt, die tausendmal größer ist, als die. welche ihm die öffentliche Meinung zuschreibt. Diese Rolle ist tief geheimnisvoll. eng verknüpft mit Leuten, deren tönende Namen bisher noch nicht mit dem Namen deS sagenhaften Helden vom 9.�22. Januar in Zu- ämmenhang gebracht worden sind. Die ganze rufst, che Gesellschaft wird erstaunt sein, wenn sie hören wird, daß Gapon am Vorabend des 17./30. Ottober 1905, als man ihn für ermordet oder geflohen hielt, in Petersburg war und daß er damals eine komplizierte polittsche Rolle spielte, eine vielleicht noch kompliziertere als am 9./22. Januar. Durch die Untersuchung wird eine weiwerzweigte politische Intrige aufgedeckt werden." Herr Kwaschin-Samarin deutet ferner an, daß in diese Jntrigue auch auswärttge Mächte verwickelt seien! Also zu der Enthüllung UrussowS und LopuschinS über die Tätigkeit der Nebenregierung will auch Herr Kwaschin-Samarin etwas beitragen_ Die Hllmbnrger Polizei auf der Auklagebavit. Hamburg . 22. November. Dritter Berhandlungötag. (Telegraphischer Bericht.) AuS der Zeugenvernehmung am Abend des zweiten SitzungS. tages ist noch nachzutragen, daß noch eine ganze Reihe Schutzleute über die Borgänge vom Abend desroten Mitt» woch" vernommen wurden. Sic schildern übereinstimmend die Situation in dem berüchtigtenAbbruzzenvicrtel" Hamburgs, in der Niedernstraße, am Schopenstchl usw. als sehr bedrohlich. Die Beamten seien mit Steinen und anderen Wurfgeschossen bom- barbiert worden, vor dem Restaurant von Lunau an der Niedernstrahe sei eine ganze Masse von Tumultuantcn zusammengeballt gewesen. die eine bedrohliche Haltung annahmen. Aus dem Restaurant seien fortwährend Wurfgeschosse auf die Schutzleute geworfen worden. Auch als sie das Lokal schon gestürmt hatten, habe man von den hinteren Tischen her mit Gläsern, Untersätzen auf sie gc- warfen. Gastwirt Lunau tritt diesen Aussagen entschieden entgegen. Er sagt: Wenn das geschehen wäre, hätte ich es sehen müssen. ES hätten dann auch die Scherben nicht bloß um die Tische herum, sondern auch im Gange vor dem Schanktisch liegen müssen. Die B e a m t en halten ihre Aussagen aufrecht. Zeuge Zigarrenhändler Höhninger: Er liefere an Lunau Zigarren und sei an jenem Abend als Gast im Restaurant gc- wcsen. Er saß ganz in der Nähe der Tür und nahm nichts davon wahr, daß auS dem Lokal geworfen wurde. Als die Polizisten mit geschwungenem Säbel hineinstürmten, sprang er sofort auf, habe aber trotzdem 5 Hiebe über Kops und Hände erhalten. Ein Hieb sei so wuchtig gewesen, daß er einen Schlüssel, den Zeuge in der Seitentasche trug, durchgeschlagen habe,(Der Zeuge überreicht dem Gericht die Schlüsselstücke.) Eine Aufforde- rung, das Lokal zu verlassen, hat Zeuge nicht vernommen. Verteidiger Dr. G a e n ß l e r wünscht, daß die am Vormittag zum Fall des infolge eine» Säbelhiebes verstorbenen Arbeiters W i t t m a n n vernommene Frau R e i n d e l aus München auch noch über ihre Beobachtungen in der A p o t h e k e i n d e r Klosterstraße befragt werde, wohin man den blutuberfiromten Wittmann gebracht hatte. Frau R e i n d e l gibt an: In der Apotheke warteten schon mehrere Personen, die von emem Arzt verbunden wurden. Es wurde gesagt, daß 23 Personen in dieser Weise dort behandelt worden wären. Einem Ivjährigen Knaben waren 4 Finger an der rechten Hand fast ganz durchgeschlagen. Auch noch ein anderer Knabe war unter de» VcrlcUtcm Dann brachte man eine halb bewußtlose Dame an, die sagte, daß sie fremd und ahnungslos vom Klostertor hergekommen sei. Heute früh wurde die Zeugenvernehmung fortgesetzt. Es wird zunächst auf den Fall Lavy eingegangen. Kaufmann Paul Lavy, Sohn des Bürger« schaftsmitgliedes Lavy, kam etwa um%12 Uhr aus einem Cafe am Jungfernstieg und ging, da die Bergstraße ab- gesperrt war, durch das Alstertor nach dem Fischmar- Aus dem Fischmarkt standen 40 bis 50 Schutzleute in Reihen au, marschiert. Publikum war kaum zu sehen. Die Gesellschaft, in der sich der Zeuge befand, löste sich in kleinere Trupps auf, um nicht als Tumultuantcn angesehen zu werden. Der Zeuge fährt wörtlich fort: Ich ging mit einem Freunde durch die Reichstraße, in der wir etwa 7 bis 8 Leute gehen sahen. Plötzlich hörte ich, wie ein Mann, der hinter mir auf der anderen Straßenseite ging, von einem Schutzmann bedroht und geschlagen wurde. Gleich darauf war auch ein berittener Schutzmann neben mir und sagte: Du bist wohl auch so einer!" Damit schlug er gleich mit dem Säbel auf mich los. Vors.: Wohin? Zeuge: Uebcrall hin, auf de» Kopf, den Rücken und die Hände. Sofort stürzten 6 bis 8 Schutzleute zu Fuß auf mich los und alle schlugen auf mich ein, wohin sie trafen. Vors.: Haben Sie denn den Beamten keine Aufklärung geben können? Zeuge: Dazu kam ich gar nicht. Die Schutzleute liefen immer hinter mir her und ich rettete mich in eine Wirtschaft in der Reichstraße. E i n S ch u tz» mann verfolgte mich aber auch dahin und schlug weiter auf mich las, so daß ich wieder heraus muhte. Draußen wurde ich von Schutzleuten mit Schlägen traktiert, ein Schutzmann gab mir mehrere Faustschläge ins Gesicht. Vor s.: Waren im Lokal viel Gäste? Zeuge: Ich glaube zwei. Vors.: Wie ver­hielten sich diese? Zeuge: Sie blieben ganz ruhig. Ich mußte machen, daß ich herauskam. Ich lief nach dem Klostertor, ein berittener Schutzmann galoppierte hinter mir her und schlug weiter auf mich los. Erst am Ende der Straße ließ man von mir ab. Meine Freunde traf ich hier und ging mit ihnen nach der Raboisewache, wo ich mich verbinden ließ. Vors.: Wieviel Schläge mögen Sie erhalten haben? Zeuge: Es wurde un- unterbrochen auf mich losgeschlagen, wobei ich an den Händen und am Kopf Schnittwunden erhielt. Ich habe 6 bis 8 Pflaster auf den Kopf erhalten. Der Staatsanwalt glaubt, daß die jungen Leute sich wohl aus Neugierde dorthin begeben hätten. Zeuge gibt zögernd zu. daß er nach der Schützenstraße wollte.(Heiterkeit.) Die Schützen- straße ist eine Bordellstraße.) Staatsanwalt: Wieviel Wein und Schnaps hatten Sie wohl etwa getrunken? Zeuge: Sehr wenig Alkohol, ich war vollkommen nüchtern. Vertei­diger: Haben Sie nicht am Klostertor einen Schuhmann nach der Polizeiwache gefragt und von diesem eine merkwürdige Antwort erhalten? Zeuge: Ja. es stand ein einzelner Schutzmann da. den fragte ich nach der nächsten Polizeiwache. Er hatte eine Zigarre im Munde und gab zunächst leine Antwort; nachher rief er:Auf dem Monde!"(Heiterkeit.) Der Vater des Zeugen Lavy, Bürgerschaftsmitglicd Lavy ge- hört der rechten Seite der Hamburger Bürgerschaft an. Er hat für die Wahlrechtsänderung gestimmt. Er bekundet: Sein Sohn hatte am nächsten Morgen an beiden Händen und am Kopfe Pflaster. Ich sagte zuerst: Das ist Dir ganz recht geschehen, weshalb bist Du dahin gegangen.'Als er aber sagte, daß er mit seinen Freunden ruhig die Reichstraße entlang gegangen sei, ersuchte ich ihn. alle» niederzuschreiben und bei der Wahrheit zu bleiben. Den Bericht schickte ich mit einem Anschreiben an den zuständigen Senator. Der Verteidiger beantragt hierauf den im Zuhörerrau« befindlichen Freund des jungen Lavy, Kaufmann K o r d s. zu laden. Er wird sofort vernommen. Er bekundet, daß er mehrere Schläge mit der flachen Klinge über den Rücken bekommen und sich dann in die Straßenbahn gerettet habe. Ein Beisitzer: Ist et vielleicht auf der Straße laut gewesen oder haben Sie viellcich. gelärmt? Zeuge: Nein, wir gingen ganz ruhig unsere! Weges. Polizeihauptmann Niemann war auf der Wache als der junge Lavy zum Verbinden kam. Er war sehr aufgeregt und wurde von dem Wachtmeister verbunden. Die Verletzunger. waren nur geringfügig. Soweit ich mich erinnere, sagte einer feine» Freunde: Das geschieht Dir ganz recht, ich habe Dich doch gewarnt. hinzugehen. Zeuge Lavy erinnert sich der Aeußerung nicht. Polizeidirektor Roscher bekundet, daß ihm die Eingabe des Bürgerschaftsmitgliedes überreicht worden sei. Auf Per, anlassung der Verteidigung wird die Eingabe und der dazu ge- hörige Bericht zum Beweise dafür, daß fie in sehr ruhiger und fach- licher Form gehalten sind, verlesen. In dem Anschreiben schreibt Lavy sen.:Wenn die Polizei in solcher Weise vorgeht, darf man sich nicht wundern, daß in gut bürgerlich gesinnten Kreisen Erbitte- rung Platz greift." Polizeidirektor Roscher bekundet, er habe sich nicht ermitteln lassen, welcher Schutzmann den Lavy verletzt habe. Bert. Gaenhler wünscht zu wissen, in welcher Weise bi« Recherchen über die Beschwerde des alten Lavy angestellt wurden. Polizeimajor Diestfeldj ES wurde sämtlichen Beamten die Frage vorgelegt, wer sich er, innere, daß ein junger Manu mißhandelt worden sei. Die Ant- wort lautete verneinend. Bert.: Auf diese Weise kann wohl kaum etwas herauskommen. Zeuge Lavy jun. erklärt auf Befragen, daß er weder vorgeladen, noch einem Schutzmann gegen- übergestellt worden fei. Es wäre vielleicht möglich gewesen, daß er gleich damals wenigstens den Schutzmann, der ihm die Faust- schlüge versetzt hatte, wiedererkannt hätte. Heute sei das unmöglich. Verl. : Nachdem der Zeuge Polizeimajor Diestfeld erklärt hat, daß er daS Verhalten feiner Beamten für korrekt halte, möchte ich ihn fragen, ob sich das auch auf den Fall Lavy bezieht? Zeu ge. Ich bin der Anficht, daß Herr Lavy sehr unvorsichtig handelte, weil er auS Neugierde dorthin ging. V e r t.: Dos ist eine Kritik an dem Verhalten des Herrn Lavy; meine Frage bezweckt etwas anderes. Zeuge: Ich führe dies nur an, um nachzuweisen, daß meine Beamten richtig gehandelt haben. Herr Lavy hat sich in Gefahr begeben, meine Beamten waren beim Aufräumen und da wurde er mit ausgeräumt.(Heiter- keit.) Vert.: Halten Sie es denn für richtig, das beim Auf- räumen und Weitertreiben der Leute einzelne Passanten stnß- handelt werden? Gehört denn zu Aufräumen auch da« Austeilen von Faustschlägcn? Zeuge: Gewiß!(Lachen im Publikum.) Vert.: Tie glauben also, daß die Beamten beim Säubern der Straßen vollkommen korrekt vorgegangen sind? 8j-u9:. �aS habe ich nicht gesagt, ich habe nur sagen wollen, daß.Vi n' klären kann, daß Herr Lavy als Unschuldiger, ohne daß die Beamten unkorrekt gehandelt haben,, Prügel bekam. Polizeihauptmann Niemann erklärt eS für absolut un- möglich, daß auf dem Rathausmarkt von den Schutzleuten in die Massen hinein galoppiert worden sei. Man hal-e die Leute immer aufgefordert, wegzugehen und sie dann zurückgedrängt. Es wird dann ein Brief des Besitzers der Apotheke in der Klosterstratze verlesen, worin dieser erklärt, in seiner Apotheke sei ein Minderjähriger nicht verbunden worden. Assekuranzbeamter Witter, ein Freund des jungen Lavy. bekundet, daß er mit anderen jungen Leuten weggelaufen sei, als er die Schutzmannskavallkade anrücken sah. Ihnen sei nicht» passiert. Auf der Wache sagte der Leutnant: Weshalb gehen Sie dorthin? Er erinnere sich aber nicht, daß er oder einer seiner Freunde dem Lavy einen Vorwurf gemacht hätten. Einer der S ch n tz l e u t e auf der Wache will dagegen gehört haben, wie einer der Freunde Lavys zu diesem sagte: Beruhige Dich doch nur. Wärst Du nicht hingegangen, dann wäre Dir nicht» passiertt