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Nr. 269.

Erfcheint täglich außer Montags. Preis pränumerando: Biertel­fährlich 3,30 Mart,

monatlich

1,10 mt, wöchentlich 28 Pfg. frei in's Haus. Einzelne Nummer 5 Pfg. Sonntags: Nummer mit Illuftr. Sonntags: Beilage Neue Seft" 10 Pfg. Poft- Abonnement: 8,30 Mt.pro Quartal. Unter Kreuz­ band  : Deutschland   u. Defterreich­Ungarn 2 Mt., für das übrige Ausland 3 Mt.pr.Monat. Eingetr. in der Poft- Seitungs- Preisliste für 1892 unter Nr. 6652.

Vorwärts

9. Jahrg.

Insertions- Gebühr beträgt für die fünfgespaltene Betitzeile oder deren Raum 40 Pfg., für Bereins: und Bersammlungs Anzeigen 20 Pfa Inserate für die nächste Nummer müssen bis 4 Uhr Nachmittags in ber Expedition abgegeben werden. Die Expedition ist an Wochen­tagen bis 7 Uhr Abends, an Gonn und gefttagen bis 9 Uhr Vor: mittags geöffnet.

Bernsprem- Anschlus Amt I, Nr. 4186.

Berliner   Bolksblatt.

Zentralorgan der sozialdemokratischen Partei Deutschlands  .

Redaktion: SW. 19, Beuth- Straße 2.

Die amerikanische  

Mittwoch, den 16. November 1892. Expedition: SW. 19, Benth- Straße 3.

Dräsidentenwahl. Induſtriekrisis kann Amerika   mur entgehen, indem es sich bewerb aufzunehmen mit der jugendkräftigften Nation der

martt.

-

Die deutsche Bourgeoisie hat vielleicht zum letzten Male die Gelegenheit, endlich eine große That zu thun. Hundert gegen eins, sie ist zu beschränkt und zu feig, sie zu etwas anderem zu benutzen, als zum Beweis, daß sie end­giltig ausgespielt hat. Friedrich Engels  .

Politische Uebersicht.

konsumirende Nation zur Ausbeutung zu überliefern. Dieser Deutschlands   durch neue, unerschwingliche Militärlasten zu durch den Schußzoll verursachten permanenten inneren erdrücken, wo es sich darum handelt, den industriellen Wett­den Weltmarkt öffnet, und dazu muß es sich vom Schutzzoll, Welt, die in wenig Jahren ihre kolossale Kriegsschuld Die alte Welt stand unter der Herrschaft des Fatums, wenigstens in seiner jetzigen widerfinnigen Form, emangipiren. spielend abgezahlt hat, und deren Regierung nicht weiß, der heimarmene, des unabwendbaren geheimnißvollen Daß es dies zu thun entschlossen, zeigt der in der Wahl zu was sie mit den Stenererträgen anfangen soll? Schicksals. So bezeichneten Griechen und Römer jene un- Tage tretende totale Umschwung der öffentlichen Meinung. faßbare Allgewalt, die alles menschliche Wollen und Streben zu Einmal auf dem Weltmarkt etablirt, wird Amerika  - wie aichte machte, alle menschliche That zu ganz anderen Resultaten England, und durch England unaufhaltsam auf der als den beabsichtigten führen ließ; jene unwiderstehliche Bahn des Freihandels weiter getrieben. Gewalt, die man seitdem Vorsehung, Gnadenwahl 2c. ge Und dann werden wir einen Industriekampf erleben, nannt hat. Diese mysteriöse Gewalt hat allmälig eine faß wie teinen bisher. Auf allen Märkten werden englische barere Form angenommen, und das verdanken wir der Produkte, namentlich Textil und Eisenwaaren mit ameri­Herrschaft der Bourgeoisie und des Kapitals, der ersten tanischen zu kämpfen haben und schließlich unterliegen. Klassenherrschaft, die sich über ihre eigenen Daseinsursachen Schon jetzt schlagen amerikanische   Baumwoll- und Leinen­und Bedingungen klar zu werden suchte, und damit auch gewebe die englischen aus dem Felde. Wollt ihr wissen, die Thür öffnete zur Erkenntniß der Unabwendbarkeit ihres wer das Wunder bewirkt hat, die Baumwollarbeiter von eigenen bevorstehenden Unterganges. Das Schicksal, die Lancashire   in einem furzen Jahr aus wüthenden Gegnern Berlin  , den 15. November. Vorsehung - das wissen wir jetzt sind die wirthschaft zu begeisterten Anhängern des geseßlichen Achtstundentages lichen Bedingungen, unter denen produzirt und ausgetauscht zu machen? Schlagt die Neue Zeit" nach, Nr. 2 vom Ok­Die preußische Vermögensstener bringt in der Die wird, und diese fassen sich heute zusammen im Welt- tober d. J. S. 56, wo ihr sehen könnt, wie die amerikani- Bourgeoisie die größten Beklemmungen hervor. schen Baumwoll- und Leinenzeuge die englischen Schritt für tonservativen Agrarier fühlen dieselben weniger; die Vor­Und darin liegt die Bedeutung der amerikanischen   Schritt aus dem heimischen Markt verdrängen, wie die theile, welche ihnen die Steuergeseze bringen, sind zu hand­Präsidentenwahl, daß sie ein Weltmarktsereigniß ersten englische   Einfuhr seit 1881 nie mehr die amerikanische   ergreiflich, als daß die geringe Vermögensstener und die Hanges ist. reicht hat und 1891 nur noch ungefähr ein Drittel der Konsequenzen, welche die Bourgeoisie fürchtet, sie schrecken Bor vier Jahren ließ ich in Boston   englisch  , und in letzteren betung. Und China   ist, neben Indien  , weitaus der follten. Sie fühlen sich zu sicher im Besitze der Regierung Stuttgart   deutsch einen Auffah über Schutzzoll und Frei- Hauptmarkt für diese Gewebe. und wissen, daß diese alles eher thun würde, als ihnen ins handel drucken. Ich wies darin nach, daß das industrielle Das ist wieder ein Beweis, wie mit der Wende des Fleisch schneiden. Die liberale Bourgeoispresse hat desto Monopol Englands mit der ökonomischen Entwickelung der Jahrhunderts alle Verhältnisse sich verschieben. Legt den größere Schen vor der Vermögenssteuer. So schreibt die Boffische Reitung": übrigen Kulturländer unverträglich sei: daß der feit dem Schwerpunkt der Terik and Siteuluduitrie nou Eneland Bürgerkrieg in Amerika   eingeführte Schutzzoll den Willen uach Amerika, und England wird entweder ein zweites Hol­Der Amerikaner bezeuge, das Joch dieses Monopols ab- land, ein Land, dessen Bourgeoisie vou vergangener Größe zehrt, zuschütteln; daß dank den ungeheuren natürlichen Hilfs- und dessen Proletariat eintrocknet, oder es reorganisirt quellen und der intellektuellen und moralischen Begabung der sich sozialistisch. Das erstere ist nicht möglich, das läßt sich amerikanischen Rasse dies Ziel jetzt schon erreicht, und der das englische Proletariat nicht gefallen, dazu ist es viel zu Bollschutz in Amerika   nicht minder als in Deutschland   eine zahlreich und zu entwickelt. Bleibt also nur das zweite. Feffel der Industrie geworden sei. Und dann sagte ich: Der Sturz des Schutzo113 in Amerika   be Wenn Amerika   Freihandel einführt, so schlägt es in zehn deutet den schließlichen Sieg des Sozialis­Jahren England auf dem Weltmarkt. mus in England. Nun gut. Die Präsidentenwahl vom 8. November 1892 Und Deutschland  ? Wird es, das schon 1878 sich eine hat die Bahn zum Freihandel eröffnet. Der Zollschutz in der Stellung auf dem Weltmarkt erobert, die es, dank seiner Mac Kinley'schen Form ist zur unerträglichen Fessel geworden; thörichten Schutzzollpolitik, jezt Schritt um Schritt verliert, die widersinnige Bertheuerung aller eingeführten Rohstoffe wird es dabei beharren, sich durch Besteuerung von Roh­und Lebensmittel, die auch auf den Preis vieler inländischen stoffen und Lebensmitteln den Weg zum Weltmarkt auch zurückwirkte, hat der amerikanischen   Juduſtrie den Welt- fernerhin halsstarrig selbst zu verschließen, auch gegenüber markt großentheils verschlossen, während der heimische Markt der amerikanischen   Konkurrenz, die noch ganz anders ins bereits an Ueberfüllung durch amerikanische   Industrieprodukte Beug gehen wird als bisher schon die englische? litt. Und in der That, in den letzten Jahren diente der wird die deutsche Bourgeoisie den Verstand und schon das freisinnige" Blatt. Hat man doch Jahre lang Schutzzoll nur noch dazu, die kleineren Produzenten zu den Muth haben, dem Doll Amerita gegebenen den Sozialdemokraten den unsinnigen Vorwurf gemacht, daß ruiniren durch den Druck der großen, zu Kartellen und Beispiel zu folgen, oder wird sie, schlapp wie bis sie" theilen" wollen, und nachzuweisen versucht, daß für Trusts vereinigten Großproduzenten, und diesen letzteren, her, abwarten, bis die übermächtig gewordene amerikanische den Einzelnen dabei verflucht wenig herauskäme. Den also dem organisirten Monopol, den Markt und damit die Industrie das Schutzzoll- Kartell zwischen Junker und Kleinbauer und Kleinbürger hat man besonders mit dem Großfabrikant gewaltsam sprengt? Und wird Regierung Gespenst des Theilens" in Schrecken versetzt. Nach der Neue Zeit, 1888, Juli: Schutzzoll und Freihandel" von und Bourgeoisie endlich einsehen, wie prachtvoll ungeschickt amtlichen Berechnung des Privatvermögens verliert der Fr. Engels. der Moment gewählt ist, gerade jetzt die ökonomischen Kräfte Gedanke des" Theilens", der geradezu im Gegen­

Feuillefont.

Mabrud verboten.)

Bel- Ami  

14

Roman von Guy de Maupassant  . Als großen hellgrünen Fleck sah man die Blätter der Bäume draußen im Freien schimmern. Aus den Zimmern des Restaurants strahlte helles Licht auf fie.

Duroy setzte sich auf einen niedrigen Divan von der selben rothen Farbe wie die Wandbehänge. Er hatte den Eindruck, als finke er in ein Loch, so gaben die abgesessenen Federn unter ihm nach. Ein unbestimmtes Brausen drang aus dem großen Hause zu ihm hinein, der verworrene Lärm eines Weltrestaurants: da flapperte Porzellan- und Silber­geschirr beim Zusammensetzen; das Geräusch eiliger Kellner schritte erstickten die Teppiche der Korridore; Thüren klappten und ließen, wenn sie einen Angenblick offen blieben, Stimmengewirr aus den kleinen Zimmern tönen, in denen Speisende Gäste eingeengt saßen.

Forestier trat ein und schüttelte ihm mit einer herz­lichen Vertraulichkeit, wie er sie in den Redaktionsräumen der Bie Française" niemals zeigte, die Hand.

Die beiden Damen kommen zusammen," sagte er. Die Diners hier sind immer sehr hübsch."

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ging es recht gut, aber seit einigen Tagen ist es wieder schlechter. Ich muß mich am Dienstag beim Verlassen des Theaters erfältet haben."

Die Thür öffnete sich und gefolgt von einem Oberkellner erschienen die beiden jungen Frauen. Sie waren dicht ver­schleiert und in ihrem ganzen Benehmen lag jene Zurück­haltung, jener Reiz des Geheimnißvollen, wie ihn Orte ver­leihen, wo Zusammensein und Begegnung Verdacht erregen

fönnen.

Man nahm Plat, und der Oberkellner bot Forestier die Weinkarte. Frau von Marelle aber rief:" Die Herren können wählen, was sie wollen; uns aber bringen Sie Champagner in Eis, vom besten, süßen natürlich und nichts anderes."

Als der Kellner verschwunden war, lachte sie über­müthig: Heut Abend wollen wir aber luftig sein; ich will mich' mal beschickern!"

"

Forestier schien nicht darauf zu hören und fragte: Würden Sie etwas dagegen haben, wenn wir den anderen Flügel auch noch schlössen? Seit ein paar Tagen ist meine Brust etwas angegriffen."

" Nicht im Geringsten."

Er stand auf, schloß den halbgeöffneten Flügel und fehrte mit beruhigter, zufriedener Miene auf seinen Platz zurück.

Seine Frau sagte nichts: sie hatte die Augen auf den Tisch geheftet und sah mit ihrem unbestimmten Lächeln, das stets etwas zu versprechen und nie zu halten schien, auf die Gläser.

Ostender Austern wurden gebracht. Klein und fett Tann   sah er den Tisch an, drehte eine dunkelbrennende Gasflamme sofort aus und schloß aus Angst vor Zug den saßen sie wie Dehrchen in ihren Schalen und schmolzen wie einen Fensterflügel. Er setzte sich in eine geschützte Ecke falzige Bonbons zwischen Gaumen und Zunge. und meinte:" Ich muß sehr aufpassen; einen Monat lang

Nach der Suppe famen Forellen, so zart und rosig,

Keine Partei ist über die Vermögensstener in ähnlichem Maße erfreut wie die Sozialdemokratie. Und sie hat Grund zu der Freude. Denn das ist Geist von ihrem Geist. Sie barf frohlocken, daß der Staat der Bourgeoiste" ihr durch Aufstellung des Vermögenskatasters vorarbeitet. Wenn in Zukunft Mehrforderungen an die Wolfsvertretung ergehen, so wird nichts natürlicher als das Verlangen sein, die nöthigen Summen durch Erhöhung Erhöhung der Vermögenssteuer aufzu bringen. Heute kann man leicht die Achsel zucken und meinen, von 6000 Mark Vermögen zwei Mart jährlich oder von 100 000 M. Vermögen 50 M. jährlich Vermögens­steuer zu zahlen, das sei nicht des Aufhebens werth. Aber, hätte ein Finanzminister nicht sowohl eine Vermögenssteuer von einem halben pro Mille, sondern vielleicht von 5 pro Mille oder auch von 1 pct. oder mehr im Auge, so müßte er ein schlechter Diplomat sein, wenn er eine solche Forderung alsbald stellte oder eine solche Absicht zugäbe. Nur der erste Schritt kostet Mühe; alles übrige folgt von selbst."

Die Aufstellung des Vermögenskatasters allein schreckt

wie die Haut eines jungen Mädchens, auf den Tisch. Nun begann die Gesellschaft zu plaudern.

Zuerst sprach man von einem Gerücht, das herumlief: eine Frau aus der feinen Gesellschaft war beim Souper mit cinem auswärtigen Prinzen in einem Kabinet von einem Freunde ihres Gatten überrascht worden.

Forestier lachte sehr über die Geschichte. Die beiden Frauen aber erklärten, daß der unbedachte Schwäter ein Trottel oder ein Feigling sein müsse. Duroy war ihrer Meinung und vertrat eifrig die Ansicht, daß ein Mann die Pflicht habe, bei solchen Geschichten gleichviel ob als Theilnehmer, Bertrauter oder einfacher Zeuge, wie das Grab verschwiegen zu sein. Er setzte hinzu: Wie würde das Leben voller Reiz sein, wenn wir auf völlige Verschwiegen­heit unter einander rechnen könnten. Oft, sehr oft, ja fast immer hält die Frauen nur die Angst vor der Entdeckung zurück."

Lächelnd fuhr er fort: Stimmt das nicht? Wie viele würden sich nicht einem rasch in ihnen erwachten Verlangen, der plöglichen, wilden Laune einer Stunde, einer Liebes­phantasie hingeben, wenn sie nicht fürchteten, ein kurzes, taum genossenes Glück mit der unrettbaren Vernichtung ihres Rufs und schmerzlichen Thränen bezahlen zu müssen!"

Er sprach mit so überzeugender Beredtsamkeit, als wenn er feine eigene Sache vertheidigen, als wenn er sagen wollte: Bei mir hätte man solche Gefahren nicht zu befürchten. Versuchen Sie es nur einmal!"

"

Die beiden Frauen sahen ihn an, und ihre Blicke sagten, daß sie feine Meinung billigten. Sie fanden seine Worte angemessen und richtig, und bewiesen durch ihr freundschaft­liches Schweigen, daß ihre biegsame Motal, die Moral der Pariserin, nicht lange Stand halten würde, wenn sie des Geheimnisses sicher wären.