Kulturidealen gereu>t zu werden versteht. Und ich frage nun jeden: Ist dieses Gesetz, das uns hier der heutige Staat vorlegt, ein Be- weis dafür, daß er diesem Kulturidcal der Gewerkschaften zu entsprechen versteht. Nein, der Entwurf muß geradezu ent- negcngeseht wirken. Er muß den Arbeitern beweisen, daß sie von diesem Staate nichts zu erwarten haben! Wen« durch irgend etwas, so wird die Regierung mit diesem Gesetz die Einheit von gewerkschaftlicher und politischer Bewegung, die sie beklagt, die sie lösen will, wie mit einem eisernen Hammer zusammenschmieden und im Feuer härten. lLebhaster Beifall bei den Sozialdemokraten.) Hierauf vertagt das Haus die Weiterberatung auf DienZtag I Uhr. (Vorher einige Rechnungssachen.) Schluß 7 Uhr.__ Hub der Partei. Parteiliteratur. Im Verlag von P a u l S i n g e r in S t u t t g a r t ist soeben erschienen: Für unsere Kinder. Weihnachtsbuch der„Gleichheit". Herausgegeben von Klara Zetkin (Zundel). Preis kartoniert 1 M. Vereine, die eine größere Anzahl Exemplare bestellen, erhalten einen Vorzugspreis. Der Verlag der.Gleichheit" gibt dem Werke folgendes Geleitwort: Das Weihnachtsbuch der„Gleichheit" besteht aus den beiden Jahrgängen IVOS und 1906 der Beilage der„Gleichheit"„Für unsere Kinder". Die Ausgabe ist erfolgt auf Grund vielfach geäußerter Wünsche anS den Reihen proletarischer Frauen. Wir sind überzeugt, daß der reiche Inhalt des Buches den Kindern unserer Proletarier eine nie versiegende Quelle der Unterhaltung und Belehrung bieten dürfte. Auch auf die Ausstattung, Papier. Druck usw. ist große Sorg- sali verwendet worden, ebenso auf einen guten dauerhaften Einband. Bei Feststellung des Preises wurde dagegen weiteste Rücksicht ge- nommen auf den Geldbeutel der Arbeiter und Arbeiterinnen. Wir machen hiermit wieder einen erneuten Versuch auf dem Gebiete der Jugendliteratur. Möge der Versuch das Interesse unserer Genossen und Genossinnen erregen. Ein Erfolg würde uns den Mut geben, auf diesem Gebiete immer Vollkommeneres zu erstreben. Damit mag das Weihnachtsbuch der„Gleichheit" in die Welt hinausgehen und groß und klein erfreuen. Zum Entwurf einer Landesorganisation für Preußen nahmen die Parteigenossen Rathenows in einer WahlvereinSversamm- lung Stellung. Gegen die Fassung des J 3, nach dessen Nummer 3 der Landeskonferenz die„Beratung und Beschlußfassung über alle das Parteileben Preußens berührende Fragen" obliegt, wurden von den Diskussionsrednern gewichtige Bedenken erhoben. Daß einer nebenamtlich tätigen Landeskommission beziehungsweise einem ebenso fungierenden geschästsführenden Ausschuß die Leitung der Landes- organifation übertragen werden soll, wurde in Rücksicht auf die wichtigen und umfassenden Aufgaben, deren Lösung von der Landes- organtsation erwartet wird, als völlig unzulänglich bezeichnet. Folgende Resolution gelangte nrit großer Mehrheit zur An- nähme: „Die heutige Versammlung nimmt von dem in der Parteipresse veröffentlichten Entwurf einer Landesorganisation Kenntnis. In bezug auf§ 3 Nummer 3 sowie§ 10 de§ EutwurfS hält die Versammlung die vom Genossen SlronS in Nr. 230 des„Vorwärts" erhobenen Einwände für berechtigt. Die Versammlung erwartet vom preußischen Parteitage, daß er die Aufgaben der Landeskonferenz so umgrenzt, daß die Kompetenzen des deutschen Parteitages, was die Regelung allgemeiner Parteiangelegen- Helten anbetrifft, ungeschmälert erhalten bleiben, daß ebenso die deiiÄreifen durch das Organisationsstatut auferlegte Pflicht der Berichterstattuiig an den deutschen Parteivorftand als notwendige Verbindung zwischen beiden bestehen bleibt, daß endlich als ausführendes Organ der Landes- organisatton ein Vorstund gewählt wird, dem zwei seiner Miiglieder als vollbesoldete Beamte und ferner ein Mitglied des Partei- Vorstandes mit Stimmberechtigung angehören. Die Landeskommission hat als ergänzendes Organ des Vor- standes zu gelten._ Gemeindewahlcu. In Tönning wurden am Freitag für zwei turnusgemäß ausscheidende Stadtverordnete zwei Genossen gewällt. Die Freude über diesen ersten sozialdemokratischen Stadtberordnetenwahlstg, der in SchleSwig-Holstein nördlich der Eider bis jetzt überhaupt zu ver- zeichnen war, ist groß. Wie eS oft auf eine einzige Stimme bei Wahlen ankommt, beweist das Resultat in der dritten Klasse beim Wahlkampf um die Rathaussitze zu Edingen in Baden . Dort siegte das Zentrum mit 92 Stimmen über unseren Vorschlag, der es auf 91 Stimmen brachte._ Ein Kannibale. Wie der„Volksfreund" erzählt, ist e* bei einem Streit zu Nöttingen (bei Wilferdingen im Amte Aurlachj so- weit gekommen, daß der Herr Vorstand eines Militärvereins seinem sozialdemokratischen Gegner ein Stück Fleisch aus der Oberlippe biß. WaS sonst noch über die unritterliche Tapfer- keit dieses liebenswürdigen Herrn berichtet wird, tft geeignet, ihn siner Oberguß-Kneippkur für bedürftig zu erklären. polfceilukes» Gerichtliches ufw. Auch eine Auslegung des Versammlungsrechtes und des§ 193 des Strafgesetzbuches. Wegen angeblicher Beleidigung eines Polizeiinspektors wurde der Parteisekretär Genosse Linde aus Königsberg von der Straf- kammer zu I n st e r b n r g in der Berufungsinstanz am 24. November zu 300 Mark Geldstrafe verurteilt. DaS Schöffengericht hatte wegen desselben Delitts am 21. September auf einen Monat Gefängnis erkannt. Am 1. Juli d. I. wollte Genosse Linde zu Jnsterburg in einer von ihm arrangierten öffentlichen Volksversammlung referieren Die Einladungszettel zu dieser Versammlung hatten auch eine Bemerkung enthalten, ans der hervorging, daß auch Frauen Zutritt hätten und Mitglieder zum sozialdemokrattschen Verein aufgenommen lverden würden. Es war denn auch eine größere Anzahl Frauen aus der Stadt und vom Lande erschienen. Noch bevor aber die Versammlung eröffnet war, forderte der über- wachende Polizeiinspektor die Entfernung der Frauen. Als das nicht sofort geschah, löste er die Versammlung auf, nachdem er eine Äelehrun. des Genossen Linde über seinen Irrtum zurückgewiesen hatte. Als der Saal etwa zur Hälfte geleert war, ging Linde auf den Polizeibeamten zu und sagte ihm, er kenne als Polizeibeamter die Gesetze nicht, wenn er zu einer öffentlichen Versammlung keine Frauen zulaffe. Der Beamte fühlte sich beleidigt und stellte Strafantrag. Vor Gericht motivierte er die Auflösung der Versamm- lung damit, daß in den Einladungen auch zum Ein- tritt in den politischen Kreisverein aufgefordert werde. Daraus habe er geschlossen, daß die Versammlung eine VereinSversammlung sei und man mit der Bezeichnung„öffentliche Volksversammlung" das BereinSgesetz umgehen wollte. Den Wortlaut der Lindeschen Aeußemng gibt der Polizeiinspektor also wieder: „ES ist einSkandal, baß ein preußischerPolizei- inspektor die Gesetze nicht kennt." Linde bestritt ent» tchied" daß er so gesagt habe. Der erste Richter, sowie der Staatsanwalt der Strafkammer stellten sich trotz der überzeugenden Ausführungen des Verteidigers Rechtsanwalt Haase, auf den Standpunkt, daß der Beamte die Ver- farnrnlung zu Recht aufgelöst habe. Aber selbst wenn das dahin gestellt bleibe, so hätte Linde kein Recht gehabt, dem Beamten Gesetzesunkenntnis vorzuwerfen. Ebenso wie der erste Richter billigte auch die Strafkammer dem Genossen Linde nicht den Schutz des§193 zu.„Denn", so lautete die sonderbare Begründung dafür,„das Interesse, das der Angeklagte zweifel- los an dem Zu st anbekommen der Versammlung hatte, hörte mit der Auflösung derselben auf. Nur das Strafmaß wurde geändert. Soziales. „Soziale" Rechtsprechung in Hamburg . TaS Hamburger Gewcrbegericht hat in letzter Zeit Sprüche gefällt, die die schärfste Kritik herausfordern. In dem bekannten Prozeß der Hamburg-Amerika-Linie gegen 127 Schauerleute hat es den geradezu ungeheuerlichen„Rechtsgrundsatz" aufgestellt, daß es gegen die guten Sitten verstoße, wenn Schauerleute nach 2Zstündiger Arbeit sich weigern, weiter zu arbeiten, da sie nach dem Lohntarif zu 36stündig-r Arbeit verpflichtet sind! Ob die Arbeiter unter der Last det Arbeit zusammenbrechen, ob sie körperlich und geistig zugrunde gehen oder ob die Betriebssicherheit darunter leidet, das kommt nach Ansicht des Gewerbegerichts nicht in Be- tracht und verstößt nicht gegen die guten Sitten, denn der famose Lohntarif läßt ja die 86stündige Arbeit zu. Dem Gewerbegericht scheint gar nicht der Gedanke gekommen zu sein, daß eine solche „Vereinbarung" gegen die guten Sitten verstößt und auf Grund der diesbezüglichen Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs nicht rechtsverbindlich ist. Außer dem Amtsrichter Bohsen hat an diesem Urteil der Oberscharfmacher(rnd Obermeister der Bau- innung Herr Bummert mitgewirkt, denn daß der Beisitzer aus der Arbeitnehmergruppe sich dieser„Rcchtsanschauung" angeschlossen hat, erscheint ausgeschlossen.— In schroffem Gegensatz hierzu steht die von uns mitgeteilte Entscheidung des Hanseatischen Oberlandes- gerichts, das das vom Hafeninspektor erlassene Verbot der Fort- j ßung der Arbeit durch ermüdete Arbeiter als gesetzlich gerecht- fe'igt erklärt,„weil die Arbeiter 14 Stunden hintereinander bei ein r schweren körperlichen Arbeit beschäftigt waren und mit der Mb ichkeit gerechnet werden mußte, daß sie bei der Weiteravbeit an hrer Gesundheit Schaden erleiden und sich auch gegenseitig gesr.,rden könnten". Das Gewerbegericht betrachtet eine Sbstündige Aroeitszeit als im Rahmen der menschlichen Leistungsfähigkeit liegend.„Wat schreewen iS. stecht schreewen."— Dieser Tage hat das Gewerbegericht einen Entscheid gefällt, daß Arbeiter zur Leistung von Ueberstunden unter allen Umständen verpflichtet seien.„Entscheide nun die Willkür oder das freie Ermessen der Arbeiter darüber, ob Ueberstunden gemacht werden sollen, nicht aber der eine Wille des Leiters des Unternehmens, so wäre die völlige Auflösung jeder Ordnung und jeder Stetigkeit im Betriebe die notwendige Folge. Aus diesen Gründen muß aber der Arbeiter die Ueberstunden ebensogut innehalten wie die übrige Arbeitszeit, soweit ihm nicht eine seine Kräfte übersteigende Leistung zugemutet wird." Gestern ist das Amtsgericht den antisozialen Spuren deS Gewerbegerichts gefolgt. Es hat auf Klage der Vereinigten Elb- schifsahrtsgesellschaften, Aktiengesellschaft, 13 Bootsleute zu je 18 M. verurteilt und die Widerklage der Bootsleute abgewiesen. Die Verurteilten hatten eine Nachtarbeit als widervertragliche und schikanös angcjetzte Ueberstundenarbeit abgelehnt und wurden darauf entlassen. Sie erhoben Widerklage aus Zahlung von je 26 M. wegen unberechtigter Entlassung. Ihrer Forderung stand § 618 und ß 226 B. G. B. zur Seite. Mag sein, daß es den Elb- schifsern in der Berufungsinstanz gelingt, zu ihrem Recht zu ge- langen— der Streik der Bootsleute wird durch das ergangene Urteil nicht beeinflußt werden�_ Sklavenrecht für Ausländer in Preußen. Recht sonderbare Erfahrungen über preußische Kultur haben eine Anzahl galizischer- Arbeiter machen müssen. In ihre Heimat drang ein sog. Seelenverkäufer ein, ging von Haus zu HauS und warb etwa 120 Arbeiter für die Hannoversche Portland - Zementfabrik in Misburg bei Hannover an. Er versprach ihnen, sie könnten in Misburg 3— 4 M. täglich neben freier Verpflegung verdienen und wußte sie auch an ihrer verwundbarsten Stelle zu treffen, indem er ihnen süßen Kaffee und zu Mittag Suppe, Fleisch und Zuspeise in Aussicht stellte. Die armen hungernden Galizier glaubten diesem Agenten, unterschrieben den Kontrakt und fuhren in das Kulturland Preußen hinein über Mhslowitz. Als sie in Misburg ankamen, zeigte ihnen der Agent die Fabrikräume und sagte, daß sie, wie versprochen war, dort im Warmen und Trockenen beschäftigt würden. Einen halben Tag ging die Sache gut, dann kamen sie in den Steinbruch, mußten dort entgegen ihren kontraktlichen Verpflichtungen Nachtschicht arbeiten und statt im Warmen und Trockenen in Wind und Wetter und in sumpfigem Wasser, das bis an die Knie reichte, stehen. Die an alles mögliche gewöhnten Leute fügten sich etwa 9 bis 11 Tage in diese Ungeheuerlichkeit. Nach der Fabrikordnung ist am 3. und 18. jeden Monats Lohntag. Am 19. November— der 18. war ein Sonntag— verlangten einige der— doch wohl freien gewerblichen— Arbeiter„Vorschuß"! wie sie den verdienten Lohn nannten, um sich Stiefel oder Kleidung anzuschaffen. Die Leute— darunter eine Frau— waren zum größten Teil völlig abgerissen, hatten die Stiefel teilweise mit Bindfaden zusammen- gebunden und konnten ohne Schädigung ihrer Gesundheit nicht weiterarbeiten. Trotzdem wurde ihnen am 19. und 20. der„Vor- schütz" verweigert, die Leute wurden bielmehr aus der Fabrik hinausgejagt! Um dieselbe Zeit langte ein neuer Transport Galizier an, der aus diesem Grunde gar nicht erst die Arbeit aufnahm. Wie man die Leute hinauswarf, verdient hervorgehoben zu werden. Alle mußten sich einer Revision ihres Gepäcks unter- ziehen. Allen wurde jedes— auch das kleinste Stückchen— Brot weggenommen und dann stießen die Werkmeister sie auf die Straße. Offenbar sollten sie nun ohne Arbeit verhungern. Alle Be. teucrungen, daß man arbeiten wolle, nur brauche man etwas Geld, halfen nichts. Wer Geld forderte, flog hinaus, wer sich fügte, konnte weiterarbeiten? Auf diese selbst im Schlachzizenurlande ungewöhnliche Weise kamen die Armen in die preußische Freiheit. Weinend und bittend erweichten sie das Herz eines polnischen Gastwirts, der an den österreichischen Konsul in Berlin , später an den in Bremen tele- phonierte und von letzterem den Bescheid erhielt, die Gemeinde Misburg habe die Leute zu versorgen. Der Gemeindevorsteher lehnte ab. Später, nachdem er sich mit dem Landrat verständigt. übernahm er die Fürsorge. Am Freitag kam plötzlich der Ge- meindediener in die. Wirtschaft und meldete: der Landrat habe befohlen, die Leute sollten in der Fabrik wieder arbeiten, er habe dafür gesorgt, daß sie alle wieder angenommen würden, oder sie müßten alle heraus aus Misburg! Die Galizier sandten eine Deputation an die Fabrik mit der Anfrage, ob der schuldige Lohn ausgezahlt werde. Im Kontor wurde ihnen die Antwort: Ihr könnt einen Hund im A.... lecken! Der Gemeindediener sagte dem Wirt, daß die Gemeinde— wenn die Leute nicht arbeiten wollten— deine Zahlung für Verpflegung mehr leiste. Kurz vor Anbruch der Dunkelheit zogen dcain die Leute die Landstraße ent» lang, ohne Ziel, ohne Geld, ohne jede Aussicht auf Hülfe. Eine entsetzliche Tragödie! In einigen Wochen tönt es von den Kanzeln der beiden neuerbauten Kirchen in Misburg herab: Friede auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen. Dann denkt man jedenfalls nicht mehr daran, daß zwei Tage nach dem Bußtage wider Recht und wider Christenpflicht ein halbes Hundert Menschen ins Verderben gejagt worden sind.— Wenn hülflose Tiere auf. gefunden wären, würde der Gemeindevorsteher jedenfalls nicht gesagt haben: Laßt sie lausen, wohin fie wollen. Inscr Mitarbeiter hat sich den Arbeitsvertrag der bcdauerns- werten Leute angesehen. Danach haben diese sich auf 6 Monate zu Tagesarbeit von 6— 6 Uhr verpflichtet. Von Nachtarbeit ist keine Rede. Gesetzwidrig ist, daß die Verpflichtung des Arbeit- geberS nicht auch dahin ging, 6 Monate die Arbeiter zu be- schäftigen. Der hatte sich noch 7 M. Vertragsstrafe, 26 M. TranS- portkosten und noch einige Mark für Nachtlager, Decken usw. aus- bedungen, falls die Arbeiter kontraktbrüchig würden und konnte nach dem Vertrage, der auch in diesem Falle gesetzwidrig, das Geld vom Lohne nach und nach einbehalten. Wer die Höllen- quälen in der Fabrik 6 Monate aushält, soll die abgezogenen Be- träge, dazu freie Reise 4. Klasse nach Mhslowitz zurückerhalten. An Lohn war vereinbart: Männer über 20 Jahre pro Stunde 15!! Pf., Ueberstunden 22 Pf. Burschen unter 20 Jahren 12!! Pf. pro Stunde, Ueberstunden 18 Pf. oder 20 M. pro Monat! Außer- dem sollte jeder erhalten:„Der Mann 12 Pfund Brot, Bursche oder Frau 10 Pfund Brot, 114 Pfund Fleisch, 1 Pfund Schmalz pro Woche, zweimal täglich süßen Kaffee, Mittagbrot, bestehend aus Hülsenfrüchten, abends Suppe, alles gut mit Fett zubereitet." Wie appetitlich das Mittagessen sein mutzte, erweist, daß an einem Mittag eine Maus im Essen gefunden wurde! Dieses herrliche Essen gab's nur am Tage, während der Nachtarbeit mutzten sich diese Arbeiter von Brot und Schmalz nähren. Zubrot gab's nicht und Geld zum kaufen hatten die armen Teufel auch nicht. Das Tollste aber ist die Art der Vcrmittelung dieser Arbeiter an die Fabrik. Den Leuten sind an der Grenze die LegitimationS- Papiere abgenommen worden. Dafür erhielten sie eine gelbe Legitimationskarte der Deutschen Feldarbeiter Zentralstelle Berlin, Bermittelnngsamt Mdslowitz. Der Agent sagte den Leuten— vorwiegend waren cs Polen —, sie müßten sich als Rnthenen aus- geben, und als griechisch-katholisch, da sie sonst am 1. Januar wieder aus Preußen heraus müßten. Alle Legitimationskarten legitimieren den Inhaber als Ruthencn und als griechisch- katholisch, obgleich darunter Polen , Galizier, Römisch-katholische und Evangelische vorhanden sind. Diesem offenbaren Schwindel setzt aber die Tatsache die Krone auf. daß alle Karten„geprüft und beglaubigt" sind von der Polizeivcrwaltung in MhSlowitz! Ist es denn schon sü weit gekommen, daß die Polizei alles, was agrarisch ist, ohne weiteres beglaubigt. Leider war es nicht möglich. eine solche Karte als Beweismittel zu erhalten, weil sonst dem legitimationslos Herumziehenden sehr arg mitgespielt werden könnte. Jedoch wenn der Polizei, dem Ministerium, dem Reichs- kanzler oder— dem Staatsanwalt an der Feststellung dieser skandalösen Ungeheuerlichkeit etwas liegt, so beschlagnahme man die Karten derer, die in Misburg noch arbeiten und die Karten derjenigen, von denen hier die Rede ist. Diese Letzteren sind noch nicht außer Landes. Ehe sie ausgewiesen und fortgebracht sind, vergeht noch einige Zeit. Wir wollen etwas entgegenkommen und hier das Wesentlichste aus der Karte Nr. 12 877— ein Verzeichnis hat wohl auch die Mhslowitzcr Polizeiverwaltung— abdrucken: Außenseite. Gültig für die Dauer der Arbeitszeit. Eingedruckter Stempel: Deutsche Feldarbeiter« Zentralstelle Berlin ." Nr. 12 677 Legitimationskarte. Vor- und Zuname: Thomas Jakob. Heimatland: Galizien , Ort: Dornfeld In Arbeit bei: Portland Zenientfabrik Wohnort der Arbeitgeber: Hannover Kreis Provinz: dto. Deutsche Feldarbeiter- Zentralstelle Vermittlungsamt MhSlowitz. Stempel der Polizeiverwaltung MpSlowitz" Geprüft und beglaubigt MhSlowitz, den S. November 1906 Die Polizeiverwaltung (Faksimilestempel) Häuser.(? " Die Stentpel sind rund. 2. Seite. Signalement des Inhaber?« Alter: 1877 Geschlecht: männlich Religion: griechisch-katholisch Staatsangehörigkeit: Oesterreich Nationalität: Ruthcuisch timilienstand: ledig tatur: mittel Geficht: länglich Augen: grau Haare: dunkel Dieser Mann ist auf jeden Fall Noch heute ist Deutschland . Die Polizei hat geprüft und beglaubigt, daß- er Ruthene und griechisch-katholisch ist. Dabei ist Thomas Jakob aber Galizier und evangelisch!! Auch der Inhaber der Karte Nr. 13002 ist beide? nicht, trotzdem dies auch polizeilich beglaubigt ist. Hätte man von der Polizei wirklich geprüft, dann durften diese Arbeiter jedenfalls nicht von jener Stelle vermittelt werden. Agrarisch ist aber bei uns Trumpf. Gcldvcrdienen das Metier. Daher wohl hat die vertrauensselige Polizei in MhSlowitz ganz und gar übersehen, daß die Fcldarbeiter-Zentralstelle ausländische Arbeiter nach gewerbliche Unternehmungen verschickt, in denen deutsche Arbeiter niemals zu solch erbarmungswürdigen Be- dingungen fronden würden. Vielleicht steht der Reichskanzler hier- über im Reichstage Rede und Antwort und bezeichnet diese An- gclegcnhcit nicht, wie den Fall Schöne— Brockhusen, als prcpßijche Angelegenheit.—* Versammlungen. AuSschu ssitzung des ArbcitersiingerbunoeS Berlins und Um» gcgend. Der Arbcitergesangvcrein„Mariendorf " und der Verein „Freiheitsklänge"-Jüterbog , wurden in den Bund aufgenommen.— Ein Dankschreiben aus San Francisco gelangte zur Verlesung.— Die Abrechnung vom Sängcrfcst gab der zweite Kassierer und wurde demselben auf Antrag der Revisoren Entlastung erteilt.— Die Angelegenheit Strausberg kontra„Typographia" wurde bei An» .Wesenheit des Strausberger Vertreters nach lebhafter Debatte, in welcher wiederholt getadelt wurde, daß Anschuldigungen gegen ein» zelne Vereine so Icichtsertig ohne Beweise erhoben werden, und speziell die Beschwerde der StrauSberger Genossen gegen„Thpo» graphia" als völlig unbegründet anzusehen sei, durch Annahme folgenden Antrages erledigt:„Der Ausschuß erklärt, daß der der „Typographia" gemachte Vorwurf, Bohkottbruch begangen zu haben, jeder Begründung entbehrt. Dieser Vorwurf ist nicht aufrecht zu erhalten und demzusolge die„Typographia" von diesem Vorwurf freizusprechen."— Zum Stiftungsfest des Bundes wurde bekannt gegeben, daß dasselbe am 8. Dezember in der Brauerei Friedrichs- Hain, unter Hinzuziehung von Uvei bedeutenden Sängerinnen usw.. gefeiert wird. Es wird ersucht, für regen Besuch zu agitieren. Die gemeinschaftliche Probe der ausgelosten Vereine für das Lied „Sturm" findet am 2. Dezember, vormittags%11 Uhr, in der Brauerei Friedrichöhain statt.— Mit Befriedigung nahm der Ausschutz Kenntnis von der Verschmelzung der beiden Vereine„Froh. sinn" und„Morgenrot" in Rummelsburg.— Sodann wurde beschlossen, die Generalversammlung am 13. Januar 1907, vormittags, abzuhalten; die Auswahl des Lokals bleibt dem Vorstand über- lassen. Anträge zur Generalversammlung sind bis 14 Tage vor dein Stattfinden derselben beim Vorstand einzureichen und sind die Vereint laut Statut berechtigt,«ruf je IL Mitglieder einen Ver, treter zu entsenden.
Einzelbild herunterladen
verfügbare Breiten