Einzelbild herunterladen
 

einverstanden. Wenn wir in den Eingeborenen freie Arbeits« und Bundesgenossen sehen, so haben wir gegen eine derartige Kolonial- Politik nichts einzuwenden. Aber das ist ja mit Ihrer Kolonial- Politik nicht gemeint; Sie kommen als Eroberer, als Unterdrücker, als Ausbeuter.(Lebhafte Zustimmung bei den Sozialdemokraten.) Sie kommen als Eroberer, um mit brutaler Gewalt den Ein- geborenen ihr Eigentum zu rauben. Sic machen sie zu Heloten und zwingen sie, Sklaven zu fein; Sie nehmen ihnen das Eigen- tum, das Land, das Eigentum der Gesamtheit ist, und geben es Menschen, die kein Eigentumsrecht daran haben.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Die Eingeborenen in Südwestafrika haben die Stellung, die ihnen zugemutet worden ist. sehr deutlich empfunden. Das geht aus dem Buche des Landeshauptmanns und Gouverneurs Leutwein hervor. Danach hat Witboi dem Haupt- mmui Fran�ois gegenüber erklärt, daß, wenn man ihm zu Leibe gehen wolle, man ihm erst den Krieg erklären müßte. Das Eigen- tuni sei das Eigentum seines Stammes und er könne niemals als Haupt des Stammes ohne die Zustimmung des Stammes Land an einen Fremden abtreten. Er sagte:Ich kann gar nicht glauben. daß es Sünde ist, wenn einer sein Eigentum nicht hergeben will, wenn ein anderer es verlangt." Das ist eine durchaus richtige Auffassung. In dem Buche heißt es weiter, daß die HereroS ihr Land nicht einem Fremden abtreten wollten; anders sei es bei den Hottentotten gewesen, die jedem alles Land abtreten, das er wünsche, auch solches, das sie gar nicht besaßen.(Heiterkeit.) Der Abg. Erzberger hat gestern gesagt, daß die deutsche Kolinialgesellschaft lange Zeit nichts habe von sich hören lassen, daß sie aber im vorigen Jahre 20 Proz. Dividende gezahlt habe. Ich will dem, was der Abg. Erzberger sagte, noch einiges hinzufügen. Der Besitz der deutschen Kolonialgesellschaft stammt aus den Händen von Lüderitz . Lüderitz hatte früher ein ungeheures Terrain erworben für 17 400 Mark. Nach einer Reihe von Jahre hat die deutsche Kolonialgesell- schaft diesen Besitz für 300 000 M. übernommen. Die Gesellschaft ist nun begünstigt worden durch die Aufstände, so daß sie einen Gewinn von nahezu 3 Millionen gemacht hat, ohne auch nur etwas für die Kultur des Landes getan zu haben. Sie hat einen Besitz von 136 000 Quadratkilometer. Nun zerbrechen sich die Gelehrten des Kolonialamtes die Köpfe, wie die jetzigen Verhältnisse zu ändern sind. Es gibt einen ungeheuer einfachen Weg. Ich hoffe, daß in der Budgetkommission Herr Erzberger und seine Freunde mich unterstützen werden, wenn ich vorschlage, für die Kolonien ein ELproPriationsgesetz zu machen. Ich weiß, welche Schwierigkeiten einem Expropriations- gesetz im Deutschen Reiche entgegenstehen, aber in den Kolonien ist das sehr leicht zu machen. Die Grund- und Bodensrage in den Kolonien ist in diesem Sinne sehr rasch gelöst. Wir Sozialdemo- traten haben ja an der Grund- und Bodenfrage ein sehr lebhaftes Interesse. Der Abg. Erzberger nickt mir zu. Bei dem großen Einfluß, den er in seiner Fraktion besitzt, werden wir uns ja rasch darüber verständigen, und wir werden in der Budgetkommission ein recht schönes Expropriationsgesetz machen.(Heiterkeit bei den Sozialdemokraten.) Der Krieg, der Aufstand, ist in erster Linie eine Folge der ganz unglückseligen Landpolitik. Es handelt sich da für die Ein- geborenen um die Existenzfrage.(Hört! hört! rechts.) Jawohl. Herr Dr. Arendt I Die ganze Existenz der Eingeborenen ist vom Boden abhängig, und es ist notwendig, daß eine große Anzahl von Eigentümern den Boden durch rationelle Wirtschaft dort aus- nützt. Die Frage, der Gerechtigkeit hat in hohem Grade Anlaß zu den unglückseligen Aufständen gegeben. Ich rate Ihnen dringend, lesen Sie in dem Leutwcinschen Buche die Seiten 430 443, dort werden Sic die klarsten, durch Aktenstücke belegten Beweise dafür finden, wie der Aufstand zustande gekommen ist, für den wir so ungeheure Opfer an Menschen und Blut bringen mußten. Dort ist zu lesen, wie ein junger Leutnant durch sein tölpelhaftes Be- nehmen die Eingeborenen gereizt hat, er hat es nachher mit dem Leben büßen müssen. Der Aufstand der Bondelzwarts ist durch ungerechte Behandlung hervorgerufen worden: Ein betrunkener An- siedler ist eines Tages in die Wohnung eines Eingeborenen cinge- drungen und hat dort die Tochter eines Häuptlings ohne weiteres niedergeschossen. Als er angeklagt wird, wird er freigesprochen, in zweiter Instanz ist er dann mit 2 Jahren Gefängnis bestraft worden. Ein Eingeborener wäre in solchem Falle sofort mit dem Tode bestraft worden.(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Da haben die Eingeborenen empfunden, wie sie sich unterscheiden von denen, die im Namen des Christentums erklären, daß sie die Kultur in das Land bringen.(Sehr richtig! bei den Sozial?emo- kraten.) Der Abg. Ledcbour hat das Wortniedergehctzt" ge- braucht. Kommt denn aber die Proklamation des Generalleutnants von Trotha nicht auf die Niederhctzung, ja auf die Vernichtung aller Eingeborenen hinaus? In der Proklamation wird erklärt, daß die Hereros, die gemordet und gestohlen haben, nicht mehr deutsche Untertanen seien, und es werden darin Geldprämien für jeden gefangenen Herero ausgesetzt. Jeder Herero mit oder ohne Gewehr sollte nach der Proklamation erschossen werden.(Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Die Proklamation schließt mit den Worten: Das sind die Worte des großen Generals des Kaisers von Deutschland ".(Heiterkeit bei den Sozialdemokraten.) Nach- her sagte man sich freilich: Das geht nicht; was soll denn daraus werden, wenn dieser Erlaß in Deutschland bekannt wird, wenn man dort hört, daß auf Weiber und Kinder geschossen werden soll? Darauf ist der Erlaß gemildert worden, und es sollte über die Weiber und Kinder hinweggeschossen werden. Herr von Trotha sagte:Ich nehme mit Bestimmtheit an, daß der Erlaß dahin führt, daß keine Gefangenen mehr gemacht werden; denn die Weiber und Kinder werden schon fortlaufen, wenn über ihre Köpfe weggeschossen wird." Und in der Tat hat man sie zu Hunderten in die Sand- wüste getrieben, und zu Hunderten sind dort Frauen und kleine Kinder vor Hunger und Durst umgekommen.(Rufe: Empörend! bei den Sozialdemokraten.) Und trotz dieser barbarischen Kriegs- führung hat Herr v. Trotha nach seiner Rückkehr erklärt, er komme mit der weißen Weste zurück! Ja, machen wir diese weiße Weste nur zum offiziellen Symbol der Reiheit.(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Er hat leider den ungeheuren Mut gehabt, zu erklären: Ob ich grundlos ein grausamer Kriegsherr war, und ob dieser Krieg auf andere Weise beendigt worden wäre, wird die Geschichte beurteilen. Er sagt also selber, daß er ein grausamer Kriegsherr war.(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Aber er ist ein guter Christ und ein frommer Christ! Das sind diese Herren ja alle im Reiche der Gottesfurcht und frommen Sitte.(Sehr wahr! bei den Sozial- demokraten.) Vielleicht hatte Herr v, Trotha dieselbe Parole, die 1000 ausgegeben wurde:Benehmt Euch so, daß noch nach 1000 Jahren kein Chinese es wagt, einen Deutschen auch nur scheel anzusehen!"(Pfui!" bei den Sozialdemokraten.) Vielleicht hat er aus Deutschland die gleiche Parole, die man öffentlich nicht zum zweiten Male geben wollte, mitgenommen; denn sonst wäre eS ganz undenkbar, daß ein deutscher General eine solche Parole erließ, die jedem Christentum und jeder Kultur Hohn spricht. (Lebhafter Beifall bei den Sozialdemokraten.) Im vorigen Jahre hat Herr von Lindequist, oer Nachfolger Trothas, in einem Erlaß gesagt:Trothas Abreise bedeutet, daß der Krieg jetzt aufhören soll." Ezne schärfere Desavouierung eines Generals und seiner KriegSsührung kann gar nicht ausgesprochen werden.(Sehr wahr bei den Sozialdemokraten.) Man sah ein, daß man die Ein- geborenen zur Verzweiflung getrieben, ihnen den letzten Rest von Treu und Glauben an die christlichen Germanen geraubt hatte. Das Programm Leutweins war ein ganz anderes. Dieser Mann sagte: Das Ziel einer großzügigen Kolonialpolitit muß sein die Anglicderung der in den erworbenen Ländern vorgefundenen Bevölkerung, nicht Are Vernichtung. Das ist eben das Programm eines vernünftigen Mannes.(Sehr wahr! bei den Sozialdefho- kraten.) Ich behaupte: Wenn man aufrichtig den Frieden gewollt hätte, wenn man sich hätte überwinden können, das zurückzunehmen, waS man verkündet hatte, wenn man den Eingeborenen in groß. berziger Weise entgegengetreten wäre und ihnen gesagt hätte: Macht Frieden, Ihr seid gereizt worden, das geben wir zu, Ihr habt freilich die erlaubten Grenzen überschritten, aber Ihr seid ja keine Kulturmenschen, wir wollen Euch erst dazu machen, wir wollen Euch hinreichend Land geben, damit Ihr Euch eine Existenz gründen könnt" ich bin sicher, dann wäre kein Herero und kein Hottentotte im Felde geblieben.(Widerspruckfrechts, Zustimmung bei den Sozialdemokraten.) Damit beweisen Sie, wie schlecht Sie die menschliche Natur kennen. Es wäre schlecht bestellt um die mensch- liche Natur, wenn man kein Vertrauen zu den Menschen haben sollte. Ich habe stets gefunden: wenn man den Menschen mit Vertrauen entgegenkommt, dann haben sie auch Vertrauen. Das ljaben alle großen Kolonisatoren bestätigt. Vertrauen erweckt Vertrauen, und der Weiße, der nach Afrika kommt, gewinnt allein schon durch sein Auftreten und seine höhere Kultur großes Ansehen. Was für ungeheures Vertrauen hat nicht schon ein europäischer Arzt in fremden Ländern! Er muß schon ein sehr unvernünftiger Mensch sein, wenn er kein Vertrauen gewinnt.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Aber die Politik der Gewalt ist ja die, auf der der Staat beruht; das ist ja die Politik, die er Tag für Tag gegen seine eigenen Landsleute anwendet.(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Wie kartn man da von Ihnen erwarten, daß Sie sie gegen die Eingeborenen nicht üben sollten, gegen die Sie «ine souveräne Verwaltung haben, von denen Sie meinen, sie müßten von ihnen für eine Art höheres Wesen angesehen iverden. Wurde doch in einem Prozesse lbehauptet, daß mindestens 7 schwarze Zeugen notwendig seien, um das Zeugnis eines Weißen zu er- schüttern. Durch eine andere Politik hätten wir längst das Per- trauen der Eingeborenen erworben. So wenden wir bis zum allerletzten kämpfen müssen. Die Politik des großen General- stabs kommt ja auch in der Denkschrift zum Ausdruck. Da heißt es:Noch auf Jahre hinaus werden nn Süden der Kolonie immer TrusPen stehen bleiben müssen, um ein Aufflackern des Krieges im Keime zu ersticken. Selbst nach Beendigung des Aufstandes besteht die Gefahr, daß die jetzt auf englischem Gebiet internierten Gefangenen, darunter Morcnga. zurückkehren und aufs neue den Frieden der Kolonie gefährden." Was sind denn das für Aus- sichten? Muß ich diese Auffassung für durchaus richtig halten? Ich fürchte, daß das Zentrum, trotzdem es im Frühjahr sich gegen den neugeforderten Bahnbau gewandt, diesmal in den sauren Äpfel beißen wird, und die Herren sind ja in einer unangenehmen Situa­tion. Halb sind sie Oppositionspartei, halb Regierungspartei. Das verträgt sich auf die Dauer nicht. Sie müssen ihren eigenen Jntellöt vor der Wählerschaft bloßstellen, indem sie Forderungen, die sie eben als uncmnehnilbar erklärten, nachher bewilligen! Wenn wir eines Tages eine solche Dummheit machen würden, so würden wir in dieselbe unangenehme Lage kommen. Entweder muß man ganz die Regierung in der Hand haben oder gar nicht! (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Man sagt: Hätten wir hisher mehr Eisenbahnen und Soldaten gehabt, so hätten wir keinen Ausstand erlebt. Nein, hätten Sie die Eingeborenen mensch- lich und gerecht behandelt, so hätten Sie den Aufstand überhaupt nicht bekommen!(Lebhafte Zustimmung bei den Sozialdemokraten.) Sie werden Eisenbahnen und Sie werden Militär genug haben. und trotzdem wird es Ihnen an Aufständen in den Kolomen nicht fehlen. Die Kolonialpolitik aller Lander ist mit Blut geschrieben. Wer die Palme dabei davonträgt, seien es die Portugiesen, die Spanier, die Holländer, die Engländer, die Franzosen , die Belgier oder die Deutschen , das wollen wir unerörtert lassen. Ich sagte schon: Kolonisation bedeutet nichts weiter, als daß man ein gutes, ein recht gutes Geschäft machen will. Nun er- klären die Herren vom Zentrum, für sie sei die Hauptsache die Mission, die christliche Kulttirarbeit. Das sagen die anderen auch, aber die Missionen sind ihnen innerlich zuwider.(Hört, hört! links.)_ Es kann gar nicht bestritten werden, daß in Südwestafrika die evangelisch- rheinische Mission den Eingeborenen gegenüber sich große Verdienste erworben und bei Zeiten hingewiesen hat auf die Möglichkeit eines Aufstandes. Dafür sind die Missionare auch ungeheuer angegriffen worden. DieDeutsche koloniale Zeitschrift" schrieb im vorigen Jahr Da es darauf anzukommen scheint, daß man unseren Standpunkt betr. die Missionstätigkcit präzisiert haben will, so gestatten wir uns zu antworten: Malaria, Heuschrecken, Missionen, so unaus- rottbar die ersteren, so sind es leider auch die letzteren!"(Hört, hört! links.) Man läßt sich die Missionen gefallen, sobald sie die Aufgabe erfüllen, die Eingeborenen zu gehorsamen und fügsamen Arbeit?- dienen zu machen.- Wenn sie diesen Zweck nicht erfüllen, sind sie vom Uiebcl und müssen ausgerottet werden! Nicht nur Optimismus, sondern Utapismus allerschlimmster Art ist es, wenn'der Herr Kolonialdirekwr sagt, wir wollen Süd- Westafrika zu einem Neudeutschland" machen. Herr Oberst Leutwein. der jahrelang dort war und idaZ Land gründlich kennt, erklärt, daß nie etwas anderes als Vieh- zucht dort betrieben werden könne! Hunderttausende von Kilo- meiern sind Sand und Wüste. Hunderttausend Einwohner gibt es höchstens in der ganzen Kolonie, gegenüber den 60 bis 70 Millionen Deutschen , und da spricht man von einemNeudeutschland". Seine Denkschriften hat der Herr Kolonialdirektor ja selbst schon preisgegeben. Es sind nur nochBausteine", und auch die sind baufällig.(Sehr gut! bei den Sozialdemokraten.) Ebenso wie er die deutschen Kulturtoerte auf 167 Milliarden berechnet, könnte er tausend Milliarden herausreckmen. Seine Rechnungen stehen ungefähr auf derselben Stufe wie die Erzählung von dem Manne, der, wenn er zu Christi Zeit einen Pfennig auf die Sparkasse gelegt hätte, heute mit Zins und Zinseszinsen eine Summe erspart haben würde, die kein Mensch bezahlen kann. Herr Arendt meinte, die Möglichkeit wäre doch vorhanden, Südwcstafrika zu einer blühenden Kolonie zu machen.' Und auf diese Möglichkeit hin sollen Hunderte von Millionen anfgewandt iverden. So stellen Sie alle Volkswirt« scbaftlichcn Grundsätze auf den Kopf. Wenn Sie diese Art von Politik weiter treiben, so dauert eS keine fünf, sechs Jahre, so haben wir nach der vierten die fünfte Milliarde Schulden. Und wer hat daN verschuldet? Das Zentrum! 13 Jahre ist das Zentrum regierende Partei. Ohne seine Zustimmung können keine Beschlüsse gefaßt werden. Wenn das Zentrum also sich jetzt über die Finanzlage beklagt, so muß es sagen:dlea culpa, mea maxima culpa!"(Meine Schuld, meine allergrößte Schuld!")(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.! Wir sind auch Gegner der Kolonialpolitik, weil die Kolonien für Teutschland keine Stärkung, gndern eine Schwächung bedeuten.(Sehr richtig! bei den Sozial- mokraten.) Wenn ich mit einem Satze aus der letzten Rede des Fürsten Bülow einverstanden bin, so mit demjenigen, in welchem er zugab, daß unsere iniornationale Situation heute leichter sein würde, wenn wir nicht inzwischen die überseeische Politik inauguriert hätten. Da? ist ein Zugeständnis, wie ich es aus dem Munde des Herrn Reichskanzlers nie erwartet hätte. Jawobl, weil wir die überseeische Politik zum Angelpunkt unserer Politik gemacht haben, haben sich die Situationen ergeben, die Herr Bassermann am 14. November in so bewegten Ausdrücken geschildert bat. In direktem Gegensatz zu dieser Aeuße�ung des deutschen Reichskanzlers stehr die Erklärung des Herin Kolonialdirektors: Die Kolonien seien ein Zeichen von Deutschlands Macht. Nein, d i e Kolonien sind eine Kugel am Beine Deutschlands . lLebhafte Zustimmung bei den Sozialdemokraten.) Wenn der Weltkrieg ausbrechen würde, so ständen unsere Kolonien den Franzosen und Engländern zur Verfügung, und je reicher wir sie ausstatten, desto gierS�er wird das Auslano eines Tages nach ihnen langen. Wir sind ganz außerstande, unsere Kolonien zu verteidigen. Wenn der große Generalmarsch losgeht, dann steht auch Rußland gegen uns. Deshalb war es außerordentlich vernünftig, als Fürst Bismarck , wie aus den Hohonloheschen Memoiren hervorgeht, seiner­zeit meinte, wir könnten uns nur freuen, wenn sich Frankreich in Marokko engagiert und für die Erhaltung Marokkos ebensoviel finanzielle und militärische Kräfte aufwenden muß, wie für die Algiers . Fürst Bismarck sagte damals sehr richtig, daß Frankreich nicht daran denken könnte, jemals mit uns einen Krieg anzufangen, solange es in Marokko zu tun hätte! Jaurös hat die Situation in gleicher Weise erkannk. Das sind aber Gesichtspunkte, die unserer heutigen auswärtigen Politik vollständig fernbleiben; sie meint ja, sie müsse ihre Hand überall im Spiele haben. Wir haben heute eine Auswanderung von zirka 32 000 Menschen. In den achtziger Jahren war unsere Auswande- rung ungeheuer groß, sie ist aber allmählich zurückgegangen; wir haben durchaus keinen Ueberfluß an Menschen, sonst brauchten wir nicht Ausländer zu Hunderttausenden über die Grenze zu ziehen.(Sehr wahr? bei den Sozialdemokraten.) Wir sollten froh sein, daß die Deutschen so wenig auswandern, obgleich in diesem Jahre die Zahl wieder erheblich gestiegen ist. Wo aber gehen unsere Auswanderer hin? Etwa nach dem prächtigen, zukunftsreichen Südwestafrika? Sie gehen nach Nordamerika , sie gehen nach Südamerika , sie gehen nach Australien , sie gehen überall hin. nur nicht nach den deutschen Kolonieen, das überlassen sie Herrn Lattmann und Herrn Arendt. Die gehen ja allerdings auch nicht hin oder nur vorübergehend, die riechen nur'mal ins Land hinein. und wenn sie dann hineingerochen haben,(Zuruf: Die können sich ja gar nicht riechen! Große Heiterkeit) dann kommen sie her und erzählen Wunderdinge von dem Lande. Unsere Aus- Wanderer überlassen es Herrn Lattmann und Herrn Arendt, Arm in Arm in unseren Kolonieen herumzuspazieren.(Heiterkeit. Zu- ruf: Herr Lehmann war auch drüben!) Nun, der sollte auch drüben bleiben, wir können ihn hier sehr gut entbehren.(Große Heiterkeit.) Der Kolonialdirektor bittet um Vertrauen; er ist ein kluger Mann, und eben deswegen bin ich mißtrauisch.(Große Heiterkeit.) Auch die Herren Arendt und Genossen würden ganz anders denken, wenn man die Kosten für die Kolonieen in Form von direkten Steuern aufbrächte, zu denen sie selber herangezogen würden. Wenn man Herrn Arendt eine Einkommensteuer von 5 Proz. auferlegte, dann würde er auch sagen: Da ist kein Geschäft zu machen!(Große Heiterkeit.) Was wir für das Militär und die Beamten dort auf- zuwenden haben, ist alles unproduktiv. Es war ein Zu- geständnis von Herrn Arendt, als er sagte, Eisenbahnen sind pro- duktiv, Soldaten sind unproduktiv. Da stimme ich ihm bei. Unser Welthandel betrug im vorigen Jahre 13 300 Millionen Mark. Da- gegen ist der ganze Kolonialhandel gar nichts, noch nicht Pro­zentchen, und dafür die ungeheuren Opfer!(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Wenn unser Handel mit den Kolonieen auch in den nächsten Jahren auf 200, selbst 300 Millionen steigt, so wird inzwischen der Welthandel auf 16 000, 17 000 Millionen gestiegen sein. Was hat denn da der ganze Kolonialhandel zu bedeuten? Da heißt es wirklich: Die Speckseite nach der Wurst werfen. Herr Lattmann sagt freilich, wir müssen Kolonieen stiften, wir müssen einNeudeutschland" haben, ja wohl, aber mit dem vec- haßten England und seinen Kolonien haben wir im vorigen Jahre einen Handel von 2700 Millionen Mark gehabt, und dieser Welt- Handel kostet uns keinen Pfennig.(Widerspruch rechts.) Oder wollen Sie vielleicht behaupten, daß wir unsere Flotte brauchen, um unseren Handel mit England zu schützen?(Heiterkeit bei den Sozialdemokraten.) Die Kolonien kosten viel mehr, als der ganze Handel der Kolonien wert ist. Wenn wir heute durch ein Naturereignis oder durch einen Krieg unseren Handel mit dem kleinen Dänemark der- lieren würden, so wäre das unendlich viel empfindlicher für uns, als wenn die ganzen Kolonien zum Teufel gingen.(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Wenn wir die Wahl hätten, so könnten wir sagen: Wir lassen die ganzen Kolonien fahren und sagen: Her mit Dänemark I(Heiterkeit.) Diese ganze Kolonialpolitik ist einfach eine kostspielige Fata Morgans. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Leute wie Wehlan, Leist, Peters, Brandeis, Puttkamer und wie die Kolonialabenteurer alle heißen, sind nicht geeignet, Christentum und Kultur zu ver» breiten. Als es sich darum handelte, daß Herr von Puttkamer Gouverneur von Kamerun werden sollte, erhielt der damalige Kolonialdirektor Kayscr die Auskunft, es sei ein eigenes Ding mit von Puttkamer, der sei zwar der Sohn eines Ministers, sein Renommee sei aber das denkbar ungünstigste. Trotz alledem wurde er Gouverneur von Kamerun . Herr von Puttkamer hat das Glück, der Sohn eines Ministers zu sein, und er ist von vornherein ge- sichert, daß alles, was er tut. imguten Glauben" geschieht; er hatte das Glück, MitgNed einer altadligen Familie zu sein. Er hatte seine Maitresse veranlaßt, einen Meineid zu leisten, und Herr Erzberger hat ja hier im Januar erzählt, die Geschichte_ der Cousine" des Herrn von Puttkamer stehe hinter anderen Fällen weit zurück, eS sei festgestellt, daß die Offiziere dort hätten Kabinen für die Konkubsnen bauen lassen!(Heiterkeit.) DaS deutsche Geld» das für Wegbauten verwendet werden sollte, sei für daS wunder- schöne Schloß des Herrn von Puttkamer verwendet worden. Der Lokal-Anzeiger", kein sozialdemokratisches Blatt, meldete, Herr von Puttkamer solle im Besitze von Ehrenanteilscheinen von mehreren Kameruner Gesellschaften sein,(Hört! hört! links) und es wurde die Nachricht verbreitet, daß er am Tage seiner Eni» lassung eine hoch dotierte Stellung in einer dieser Gesellschaften erhalten werde. Aber natürlich, in Kamerun gibt es keine Cliquen, Wirtschaft, da herrscht die reine Wahrheit und Gerechtigkeit! Herr Semler hat sich ja sehr günstig über Herrn von Puttkamer ausgesprochen; er spricht in seinem Buche von dem unbewußten Zauber der persönlichen Liebenswürdigkeit des Herrn von Putt- kamer, und schildert ihn als einen Mann, der nachts um 2 Uhr, nach einer sogenanntenschweren Sitzung", die Kolonie noch glänzend zu vertreten imstande sei.(Große Heiterkeit.) Aber wenn derartige Urteile in Büchern und Broschüren veröffentlicht werden, so können wir damit ihre Verfasser noch nicht als hoch, verständige Leute betrachten. Nein, ich bin der Meinung, die ganze Kolonialvcrwaltung, bis zum Reichskanzler hinaus, gehört auf die Anklagebank, (Zustimmung bei den Sozialdemokraten) weil man nicht gegen die Mißstände, die seit Jahren bekannt geworden sind, vorgegangen ist. Wenn es sich um einen Mann aus dem Volke handelt, so ist man rasch bei der Hand; aber ein Mann wie Puttkamer, ein Ministersohn, kann frei ausgehen! Ich habe dann einige Fälle von Grausamkeiten zu erwähnen. Wie weit die mir angegebenen Tatsachen mit der Wahrheit übereinstimmen, wird hoffentlich eine sachgemäße strenge Prüfung ergeben. Der Leutnant Schaumann hielt sich als Stations lciter in Jaunde eine schwarze Frau. Ihm kam zu Ohren, daß dieses Weib mit Eingeborenen geHlcchilich verkehre. Da er aber die Täter nicht habe feststellen können, habe er dem schwarzen Sergeanten Tuara die Weisung gegeben. 3 Sckgvarze, die er im Verdacht der Täterschaft hatte, derart zu bestrasen, daß ihnen die Lust und die Möglichkeit vergehe, fernerhin mit dem Weibe eine? hohen Beamten zu verkehren.(Pfuirufe links.) Unglücklicher- weise marschierte der Sergeant nach einem verkehrten Dorf. In der Angst, daß, wenn er von da keine Beweise beibringen könne, er Schläge bekomme, verfiel er auf die Idee, die ersten besten Schwarzen, die ihm in den Weg kamen, zu bestrafen. Er griff drei Mann auf, ließ sie zu Boden reißen und ihnen bei lebendigem Leibe die Geschlechtsteile abschneiden.(Stürmische Pfuirufe.)' Die so verstümmelten Menschen überließ er ihrem Schicksale. Aus dem Rückwege passierts er die Niederlassungender Herren Jung und Lucht. Diesen fiel das Benehmen des Tuara auf und sie fanden in einem kleinen Korbe(Hört! hörtl) die Geschlechtsteile der drei Schwarzen. (Stürmische Pfuirufe.) Auf ihre Frage gestand Duara den Vor- gang ein. Nach seiner Meldung beim Leutnant beging er dann die Unklughcit, den Vorgang anderen Weißen zu erzählen. Einige Tage darauf war Duara verschwunden I Das war die größte Scheußlich» keit, die man sich denken kann,(Lebhafte Zustimmung bei den Sozialdemokraten) und ich bringe die Vorgänge öffentlich zur Sprache in der Erwartung, daß sie untersucht werden.(Sehr richtigl bei den Sozialdemokraten.) Ter Oberleutnant Dominik wurde beauftragt, gegen dl" Bahohos zu Felde zu ziehen, da sich diese dem deutschen Schutze mch"