mit der spanischen Regierung zu provozieren und dadurch der deutschen Regierung Gelegenheit zur AnncUion dieser Insel zu bieten, geben wird. Er besitzt zwar eine ansehnliche Dosis Un- verfrorenheit, aber das einfache Wleugnen dürfte nicht viel nützen.— Begriffsverwirrung. Auf dem konservativen Delegierten tag hat der Freiherr v. Manteuffel mit Nachdruck das preußische Drei- klaffen Wahlrecht verteüdigt. Dies veranlaßt das.Berl. Tageblatt" zu der Bemerkung: »Die Konservativen wissen eben nur zu gut, wo die Wurzeln ihrer eigentlichen Stärke liegen, und klammern sich an die Macht, ohne sich einen Deut darum zu kümmern, daß die Dreiklassen- wähl nur eine jämmerliche Karikatur des Volkswillens schaffen kann." Das soll doch wohl heißen, die Wurzeln der konservativen Stärke liegen im Dreiklassenwahlrecht. Eine kuriose Begriffs- Verwirrung. Das„B. T." scheint vergessen zu haben, daß das Dreiklassenwahlrecht ein G e l d s a ck s Wahlrecht, d. h. also ein liberales und kein konservatives Wahlrecht ist? Es kennt keine Vorrechte der Geburt, sondern nur solche des Besitzes. Würden die Liberalen nicht so jämmerliche Waschlappen, sondern Kämpfer sein, so könnten aus diesem Wahlrecht niemals die Konser- vativcn, sondern immer nur die Liberalen Kraft und Stärke saugen. Das Wahlrecht ist ihnen geradezu auf den Leib zu- geschnitten, es begünstigt s i e und nicht die Konservativen und hat seine liberale Wirksamkeit auch bewiesen, als die Liberalen noch nicht so verkommen waren wie heute. Im Jahre 1861 waren von den 352 Mitgliedern des preußischen Abgeordnetenhauses nur 59 konservativ, dagegen 216 liberal. Der Verfassungskonflikt be- gann, und bei der Reuwahl im November 1861 schrumpften die Konservativen auf 15 zusammen, während die Liberalen auf 256 anwuchsen. Das Abgeordnetenhaus wurde ausgelöst und im Mai 1862 kehrten nur 12 Konservative wieder gegen 285 Liberale! Selbst 1863 änderte sich dies Verhältnis nur wenig, nämlich 33 Konservative gegen 262 Liberale. Dann aber kam der Krieg 1866, und die am Tage von Königgrätz stattfindenden Wahlen brachten die Konservativen auf 142 und-reduzierten die Liberalen auf 174. Bald darauf erfolgte dann der völlige Umfall eines Teils der Liberalen und die Gründung der nationalliberalen Partei. Die Liberalen haben also in Preußen dank dem Dreiklassen, Wahlrecht tatsächlich die parlamentarische Macht in Händen gehabt, und es ist eines der traurigsten Kapitel in der preußischen Gc- schichte, daß sie es verstanden haben, trotz dieser erdrückenden Mehr- heit nichts auszurichten und ihrem politischen Gegner alle Macht in die Hände zu spielen.— Die Immunität der Volksvertreter. Die sozialdemokratische Reichstagsfraktion hat am Montag im Reichstage folgende Anträge eingebracht: 1. Dem Artikel 30 der Reichsversassung werden folgende Sätze hinzugefügt: Demgemäß sind die Mitglieder des Reichstages auch be- rechtigt. in Ansehung desjenigen, was ihnen in dieser Eigenschaft anvertraut ist. das Zeugnis zu verweigern. Gegenstände, die ein Mitglied des Reichstages in dieser Eigenschaft erhalten hat und die sich in seinem Besitz oder seiner tatsächlichen Gewalt be- finden, sind der Beschlagnahme entzogen. Dasselbe gilt von Aufzeichnungen, die Mit- glieder des Reichstages in dieser Eigenschaft gemacht haben. 2. Der Reichstag wolle beschließen: dem Absatz a(beS Hauptantrages) unter Ziffer 1 folgende Fassung zu geben: »4. Mitglieder des Reichstages, emes Landtages oder einer Kammer eines zum Reiche gehörigen Staates und Mitglieder eines kommunalen Vertretungskörpers in An- sehung desjenigen, was ihnen in dieser Eigenschaft anvertraut ist." Die durch Sperrdruck hervorgehobenen Worte sind Ziisätze zu dem Antrag de? Zentrums zu Art. 36 der Reichövermssung beziehentlich zu dem Antrag der Freisinnigen. Die Stellungnahme der Fraksion entspricht den wiederholt von unS dargelegten Rechts- anschauungen._ Der Bundesrat erteilte in seiner Montagssitzung seine Zu- stimmung dem Ausschußbericht betreffend den Entwurf einer deutschen Arznertaxe für 1907 sowie dem Entwurf eines Gesetzes betreffend die Feststellung des ReichShaus- haltSetats für daS Rechnungsjahr 1967 nebst dem Haupietat und der erläuternden Denkschrift.— Die Lande der Obotriten bewahren allen Kulturfortschritten zum Trotz ihre alten Erbeigentümlichkeiten. Dem gemeinsamen Landtag beider mecklenburgischen Länder liegt z. B. zurzeit ein Gesuch des Magistrats der Stadt Rostock vor, welches die Auf- Hebung des Verbots der Aufstellung von Aschenurnen und Bei- fetzung von Aschenresten verbrannter Leiber auf den mecklenburgischen evangelisch-lutherischen Friedhöfen verlangt. Dieser Verstoß aus dem Wege zu einer„heidnischen Sitte" hat den Vorfitzenden des Oberkirchenrats kürzlich veranlaßt� in einem Vortrage gegen die Leichenverbrennung zu Felde zu ziehen. Er äußerte Bedenken, ob nicht„der für die Auferstehung notwendige Lebenskeim" durch die Verbrennung vernichtet werde.— Die Entschädigung für die abgehackte Hand. Im Biewald- Prozeß gegen die Stadt B r e s l a u hat das Landgericht eine einstweilige Verfügung erlassen, wonach die Stadtgemeinde bis zur endgültigen Erledigung des Prozesses verpflichtet ist. cm Biewald vierteljährlich 175 M. Rente zu zahlen.— Die Sozialdemokratie im neuen wllrttembergifchen Landtag. Die„Ulmer Ztg." berechnet auf Grund der im ersten Wahl- gang abgegebenen Stimmen, auf welche Parteien die durch die Kreis-Proportionalwahlen zu vergebenden 17 Mandate sich ver- teilen werden. Sie gelangt zu folgendem Resultat: Im Neckar - und Jagstkreis, in dem 9 Abgeordnete zu wählen sind, wurden abgegeben für die Deutsche Partei rund 35 306. Volks- Partei 37 866, Konservative bezw. Bund der Landwirte 33 566, Zentrum 24 766, Sozialdemokratie 54 666 Stimmen. Es würden also erhalten die Sozialdemokraten 3, Volkspartei und Deutsche Partei je 2, Konservative und Zentrum je 1 Mandat. Im Schwarzwald - und Donaukrcis wurden ab- gegeben für die Deutsche Partei 22 866. Volkspartei 46 960. Konfer- vative bezw. Bund der Landwirte 17 966. Zentrum 57 766, Sozial- demokratie 31 900 Stimmen. Bon den 8 Mandaten, die auf diese beiden Kreise kommen, würden somit erhalten: Zentrum 3, Volks- Partei 2, Sozialdemokratie, Deutsche Partei und Konservative je 1. Im ganzen würden durch die Kreiswahlen erhalten: Volks- Partei, Zentrum und Sozialdemokratie je 4, Deutsche Partei 3 und Konservative 2 Mandate. In dem demnächst stattfindenden zweiten Wahlgang kann die Sozialdemokratie mit einiger Sicherheit auf die Eroberung von 5 oder 6 Sitzen rechnen. Danach ergibt sich folgende Gesamtzahl der sozialdemokratischen Mandate: erster Wahlgang 5. zweiter Wahlgang 5 oder 6, KreiS-Proportionalwahl 4. im Ganzen also 14 oder 15 Mandate, während in der letzten Zweiten Kammer die sozialdemokratische Partei nur 7 Vertreter hatte.— AuS dem Kolonialrtat für 1967. Die„Nordd. Sllgem. Ztg." fetzt ihre Suszüge aus dem Reichs- etat für das nächste Jahr fort. Besonders interessant sind die Ziffern deS KolonialetatS. Sie beweisen, daß die Regierung eine beträcht- liche Ausdehnung ihres bisherigen Kolonialsystems plant, denn fast für alle„Schutzgebiete" werden bedeutende Neuforderungen gestellt. Vomehmlich sollen die Schutztruppen verstärkt werden. Im Etat für das Ostafrikanische Schutzgebiet betragen die eigenen Einnahmen 5 658 936 M.(+ 461 649 M.), der Reichszuschuß 6 266 844 M.(+ 292 777 M.). Von der Gesamtausgabe in Höhe von 11319 774 M. entfallen bei einer Dotierung des Reservefonds mit 14 262 M. auf die fortdauernden Ausgaben 9 969 612 M.(+ 762 226 M.), auf die einmaligen Aus- gaben 1 396 566 M.(— 68 406 M.j. Bei den fortdauernden Aus- gaben ist hervorzuheben: Neu geschaffen sollen werden ein Bezirks- gericht in der westlichen Hälfte des Schutzgebietes, ein Bezirksamt in Udjidji mit Nebenstellen Bismarckburg und Usumbura. — Außer den in diesem Herbst entsandten 8 Kolonialanwärtern werden im Mai nächsten Jahres zwei weitere Anwärter die Ausreise nach Ostafrika antreten.— Bei der Schutztruppe ist, wie es in der„Norddeutschen Allgem. Ztg." heißt, eine Verminderung auf den Sollbestand des Jahres 1965 nicht möglich. Als Führer der Maschinen- gewehrabteilung wird ein Oberleutnant neu vorgesehen. Für das Rekrutendepot, für das bisher nur ein Feldwebel vorgesehen war, kommen, da es die Stärke einer Kompagnie hat, 1 Hauptmann, 2 Leutnants. 1 Sergeant und 1 Unteroffizier in Zugang. Da der Gouverneur nach Trennung der Zivil- und Militärverwaltung die Geschäfte des Kommandeurs der erheblich verstärkten Schutztruppe nicht mehr mit veriehen kann, kommt 1 Kommandeur in Zugang. Die Ge- schäfte der Intendantur der Schutztruppe wurden bisher vom Finanzdirektor im Rebenamt erledigt. Es wird jetzt die Stelle eines Vorstehers der Intendantur in Zugang ge- bracht. Beigegeben werden diesem 2Jntendantursekretäre, stir die bei der Zivilverwaltung 2 Sekretäre in Fortfall kommen. Bei den einmaligen Ausgaben sind die Kosten für notwendige Gebäude des Hauptzollamtes Muansa entsprechend dem Auffcknounge des Handels im nördlichen Seengebiet eingestellt. 5 0 6 66 6 M., von denen 266 666 M.»och aus dem Etat für 1904 zur Ver- fügung sind, sollen zur Erwerbung der von der Ostafrikanischen Eiienbahngesellschaft in Daressalam errichteten Kaianlagen so- wie zur Verbesserung der Lösch- und Ladeeinrichtungen im dorsigen Hafen verwandt werden; ferner werden ge- fordert: 180600 M. zur Beschaffung von Unter- kunftsräumen für die Truppe in Tabora : 120066 M. als erste Rate für derf Neubau eines Forts in Muansa; 44 060 M. für eine Expedition zur Festlegung der deutsch -portugiefischen Grenze am Nyasiasee. Der vorläufige Rechnungsabschluß für 1965 läßt einen Ueber- schuß von 1 571 837 M. erwarten, von denen 660666 M. unter den Einnahmen für 1967 eingestellt sind. Im Etat für Kamerun sind die eigenen Einnahmen auf 3653 760 M.(+ 180 000 M.), die Ausgaben auf 6 158 654 M.(+ 699 309 M.) veranschlagt, davon forldauernde Ausgaben 5 219 856 M., einmalige 923150 M., Reservefonds 16 654 M.; der Reichszuschuß beträgt 3 164 354 M. (+ 618 609 M.). Unter den Neuforderungen befindet sich der Be- darf für eine zehnte Kompagnie der Schutztruppe. Ferner werden 366 666 M. als erste Rate zur Durchführung eines m besonderer Denksckrift dargelegten Wegebauprogramms angesetzt. daS im ganzen 5 306 666 M. erfordern würde. Der vorläufige Rechnungsabschluß für 196ö läßt einen Fehlbetrag von 332 436 M. erwarten. Für Togo ist ein Reichszuschuß nicht erforderlich, die eigenen Einnahmen tn Höhe von 2 073 340 M.(+ 242 304 M.) decken die Ausgaben, von denen 1 827 540 M. fortdauernde, 284 666 M. einmalige sind. Für den Reservefonds verbleiben 11 866 M. Bei den Entnahmen ist der Betrieb der LandungSbrücke, der Küstenbahn und der Jnlandsbahn mit 187 006 M. angesetzt. Der vorläufige Rechnungsabschluß für 1905 läßt einen Fehlbetrag von 244 374 M. erwarten. Für Neu-Gumea betragen bei einer Ausgabe von 1 515 225 M.<+ 20 985 M.) die eigenen Einnahmen deS Schutzgebiets 361 306 M. (+ 26 023 M.). so daß unter Zuführung von 4060 M. zum Reservefonds ein Reichszuschuß von 1 153 925 M. (— 5038 M.) erforderlich ist. Bei den Einnahmen kommt der größere Teil des bisher aus dem Betriebe des Regierungsdampfers „Seestern" erzielten Gewinnes mit 3500 M. in Wegfall. Der vor- läufige Rechnungsabschluß für 1965 läßt einen Fehlbetrag von 321 187 M. erwarten. Für die Karolinen -, Polau-, Marianen- und Marschall-Jnseln wird ein Rcichszuschuß von 325 366 M.(— 182 250 M.) bei einer eigenen Einnahme von 137 141 M.(+ 4326 M.) und einer Ausgabe von 462 441 M.(— 177 924 M.) einschließlich des Reservefonds von 1351 M. erforderlich. Für Samoa sind die eigenen Einnahmen auf 555 753 M.(+ 69 804 M.) veranschlagt, die Ausgaben auf 735 594 M.(+ 16 914 M.), so daß ein Reichszuschuß von'179 841 M.(— 52 890 M.) erforderlich wird.— Der vorläufige Rechnungsabschluß für 1905 läßt einen Ueberschuß von 33 784,26 M. erhoffen, wovon 25 666 M. als Einnahme in den Etat für 1967 eingestellt worden sind. Der Etat für Kiautschou veranschlagt die eigenen Einnahmen des Schutzgebietes auf 1542766 M. (+ 494 700 M.). den Rcichszuschuß auf 11 735 506 M.(— 1 414 500 M.). Von den auf 13 278 206 M.<— 919 800 M.) bemessenen Ausgaben entfallen 7 612 567 M.(+ 247 248 M.) auf fortdauernde, 6 230 000 Mark(— 1 145 000 M.) auf einmalige Ausgaben, 35 693 M. auf den Reservefonds. Bei der Zivilverwaltung ist die neue Forde- rung für einen Bezirksamtmann zu bemerken. Die Gesamtausgaben der Zivilverwaltung betragen 1 246 872 M. (+ 65 244 M.). Bei der Militärverwaltung sind erhebliche Neuforderungen nicht zu verzeichnen. Die fortdauernden Ausgaben für ihre Zwecke be- laufen sich auf 3 339 241 M.(+ 132 316 M.). Bei den einmaligen Ausgaben sind für die Hafen- a n l a g e n 2 320 600 M.(1 090 000 M.) angesetzt. ES bleiben noch 2 876 666 M. zu fordern. Zu Hochbauten sind 1 685 666 M. (— 60 000 M.), zu Tiefbauten 1040 000 M.(+ 445 000 M.) an- gesetzt. Zur Beteiligung an der Beschaffung von Wohn- und Arbeiter- Häusern werden 56 666 M.(— 50 000 M), zur Regulierung der Wildbäche und zur Aufforstung, wie im Vorjahre. 36 666 M. ver- laugt. Kuslanä. Oesterreich. Ein Weihnachtsgeschenk. Wien , 9. Dezember. (B. H. ) Blättermeldungen zufolge soll der Kaiser gegenüber Herrenhausmitgliedern den Wunsch ausgesprochen haben, daß das Gesetz über die Wahlreform in der„Wiener Zeitung " am 1. Wcihnachtsfeiertag als ein Gc- schenk für die Nation veröffentlicht werden möge.— Die Postbeamten rührey sich wieder. Aus Unzufriedenheit mit ihrer Lage beabsichtigen sie noch vor Weihnachten in die passive Resistenz einzutreten und dieselbe auf alle Zweige des Postverkehrs auszudehnen!— Schweiz . Das RuhetagSgesetz im Kaiiton Zürich . Zürich , 5. Dezember. (Eig. Ber.) Der Züricher Kantonsrat hat in der fortgesetzten Beratung des neuen Ruhetagsgesetzes an der Kommissionsvorlage einige Aenderungen vorgenommen. Er strich den Artikel 16, der den Konditoreien, Verlaufsstellen für alkoholfreie Getränke und Obst an den Sonn- und Festtagen Ausnahmen im Sinne des längeren Offenhaltens einräumen sollte, mit 152 gegen 46 Stimmen.„Die Friseurgeschäfte müssen am Karfreitag und eidgenössischen Bettag, ebenso am Ostermontag, Pfingst- montag uiid zweiten Weihnachtstage gänzlich, an den übrigen öffentlichen Ruhetagen sowie am Ostersonntag, Pfingstsonntag und ersten Weihnachtstag von vormittags 11 Uhr an ge- schloffen bleiben", so hatte die Kommission vorgeschlagen; der Kantonsrat beschloß aber, daß an den letztgenannten Feiertagen schon um 9 Uhr zu schließen sei. Auch der 8 12, der den Photo- graphen, Zigarrengeschäften und Verkaufslokalen für Zeitungen und Änsichtskarten eine Ausnahmestellung gewähren wollte, wurde gestrichen; diese bleiben also den allgemeinen Bestimmungen unterstellt. Die Apotheker haben an den Orten, wo ihrer mehrere sind, an den öffentlichen Ruhetagen abwechselnd offen zu halten, wofür die Direktion des Gesundheitswesens die näheren Bestimmungen aufstellen wird. An Orten, wo nur eine Apotheke ist, soll diese während mehrerer aufeinanderfolgender Stunden geschlossen bleiben. Die Gemeinden erhalten die Kompetenz, mit Genehmigung der Regierung die Sonntagsarbeit für einzelne Berufsgruppen noch weiter, als das Gesetz es bestimmt, einzuschränken. Den Gehülfen, Angestellten und Arbettern, welche Sonntagsarbeit verrichten, ist in jedem Falle mindestens der dritte Sonntag ganz freizugeben, außerdem in den- jenigen Wochen, in die kein freier Sonntag fällt, ein Nachmittag. Das Nähere darüber wird noch durch eine Regierungsverordnung bestimmt werden. Die Friseurgehülfen haben Anspruch auf wöchentlich je eine» freien Nachmittag, spätestens von 2 Uhr ab.— Zürich , 10. Dezember. Nach heftigem Wahlkampfe wurde gestern hier als Bezirksrichter der Sozialdemokrat Dr. Enderli mit 11428 gegen 9225 Stimmen gewählt. Frankreich . Ministerstege und Niederlagen. Paris , 7. Dezember. (Eig. Ber.) Wenn man den Kurs der jetzt herrschenden bürgerlichen Politik erkennen will, so braucht man nur die zwei parlamentarischen Begebenheiten ins Auge zu fassen, die sich gleichzeitig am Dienstag in der Depittiertenkammer und im Senat ereignet haben. Jin Senat erlitt B i v i a n i eine empfindliche Niederlage. ES handelte sich um das Bleiweißverbot. Diese sozialhygienische Maßregel war schon längst fällig. Die Depuiiertenkammer hatte das betreffende Gesetz auch schon vor einigen Jahre» erledigt. Im Senat aber, wo die Sozialreaktionäre eine kompakte Masse bilden, ging die Sache nicht so leicht von statten. Man bekam da sogar einen würdigen Herrn zu hören, der die Verwendung des Gifte? mit einem feierlichen Appell an die„Freiheit des Menschen" bekämpfte! Da indes die Majorität doch nicht wagte, diesen Anschauungen Folge zu geben, entschloß sie sich, da« Bleiweißverbot wenigstens für die Kapitalisten so wenig empfindlich wie nur möglich zu machen. Darum wurde vorgeschlagen, den durch das Gesetz betroffenen Unternehmen! eine Eni- s ch ä d i g u n g zuzubilligen. Vergebens sprach Viviani namens der Regierung dagegen. Alle Hinweise auf Präzedenzfälle sowie auf die den Unternehmern bewilligte Uebergangsperiode von drei Jahre» und auf die Tatsache, daß das Bleiweißverbot schon lange zu er- warten war und die Fabrikanten sich danach einrichten konnten, blieben vergebens. Die Senatoren bewilligten die Entschädigimg mit erheblicher Mehrheit. Nach diesem edlen Prinzip, Nutznießer von volksvergistenden Unternehmungen schadlos zu hallen, werden künstig noch Bordellwirte Eni- sckiädigung fordern dürfen, wenn man ihre Häuser schließen sollte. Allerdings— die Liebe der Senatoren zur„individuellen Freiheit" schützt die Herren Bordellbesitzer wohl lange noch vor solchen Ge- fahren. Mußte der Arbeitsminister auS dem Senat als Geschlagener abziehen, so errang dafür Briand in der Deputiertenkammer einen großen Triumph. Er hatte auf eine sozialistische Interpellation zu antworten, die die Maßregelung eines republikanischen Lehrers betraf. Der Schulinspektor G u e r y hatte in einem Departement für den weltlichen Unterricht etwas kräftiger agitiert, als dem Präfekten und den Abgeordneten just vor den Wahlen angenehm war. Sie setzten seine strafweise Versetzung durch, und Briand hielt diese Versetzung auch aufrecht, als der Verband der Lehrerschaft und die Liga der Menschenrechte zu seinen Gunsten intervenierte. Vom Genossen B l a n c wegen seiner Haltung in diesem Falle zur Rede gestellt, erlviderte Briand. die Lehrer hätten die Jugend zu unter- richten, aber nicht Politik zu treiben, und wenn e r. Briand, sich in seinem Vorgehen gegen den Schulinspektor etwas zur Last zu legen hätte, so nur, daß er zu großmütig gewesen seil Die Mehrheit begrüßte diese famose Erklärung des „Sozialisten " Briand mit donnerndem Beifall, und die reaktionäre Presse, der„Temps" voran, ist ganz entzückt von einem solchen Unterrichtsminister. Die„Humanits" kritisiert Briand mit der gebührenden Schärfe, und Genosse R e v e l i n weist treffend darauf hin. daß die Unterweisung der Schüler im bürgerlichen Rechte künftig Leuten übertragen werde, denm selbst diese Rechte oft- zogen seien.—_ Kritische Tage. Die Antwort des Papstes aus die von mehreren Bischöfen in- folge des jüngsten ministeriellen Rundschreibens gestellte Anfrage lautet, wie die Blätter melden:„Den Gottesdienst in den Kirchen fortsetzen, sich jeder Erklärung enthalten!" Ministerpräsident Clemenceau erklärte einem Berichterstatter des„Matin" gegenüber:„Die Kirche will den Krieg, sie wird ihn haben! Das Versammlungsgesetz ist bisher von allen Franzosen befolgt worden. Der Papst befiehlt der Geistlichkeit: Dieses Gesetz werdet Ihr nicht anerkennen, Ihr werdet es verletzen! und alle diejenigen, die sich dem Gesetz bereits unterordnen wollten, beugen sich nunmehr vor den Befehlen Roms. Ist das nicht ein glänzenoer Beweis dafür, daß neben der regulären Regierung Frankreichs noch eine andere besteht? Da haben wir sie ja, die Agenten des Auslands. Das kann so nicht länger dauern." Die gesamte Presse erörtert eingehend die durch daS Vorgehen des Papstes geschaffene Lage. Die radikalen und die sozialistischen Blätter sagen, die Kirche habe den Religionskrieg erklärt, der Papst sei weit über seine eigene Enchclica hinausgegangen. Die Republik könne sich nicht verhöhnen lassen. Wenn die Geistlichkeit der auf« rührerischcn Weisung des Papstes gehorche, dann müßten die Ruhe- gehälier und die Unterstützungen für den KleruS sofort unterdrückt und die Kirchengebäude den Gemeinden zurückgegeben werden. Die Regierung habe genug gesprochen, genug nachgegeben. Jetzt müsse sie fordern! Die meisten konservativen und nationalistischen Blätter billigen die päpstliche Entscheidung. Die katholische Religion, der 46 Milli- onen Franzosen angehören, wolle nicht mit herablassender Duld- samkeit behandelt werden. Gewalttätigkeit und Religionskrieg sei der Unterwerfung unter das Joch der Freimaurer vorzuziehen!! Die einzige noch mögliche Lösung sei die. daß die Republik sich-nt- schließt, endlich in Verhandlungen mit dem Papste einzu- treten. Die Regierung ist entschlossen, angesichts der augenblicklichen Lage alle Vorschläge der Bischöfe zurückzuweisen, die bischöflichen PalaiS zu vermieten, und alle Gebäude, die dem Staate gehören und von der Geistlichkeit bewohnt werden, vom 11. Dezember, dem Tage des Inkrafttretens des Trennungsgesetzes, ab zu veräußern. Australien . Die Wahlen zum Bundesparlament finden am Mittwoch, den 12. Dezember in Australien statt.(Der endgültige Termin ist erst spät bekannt gemacht worden.) Die Arveiterpartei hat eine sehr rübriae Agitatioi entfaltet.„Kampf gegen den Sozialismus' war
Einzelbild herunterladen
verfügbare Breiten