freuen 1*) Nun, der Mann wird sicherlich nicht wieder Schweinenach Bayem hereinbringen.(Sehr richtig I iinls.) Daß die Fleischer,die unter den gegenwärtigen Preisen zu leiden haben und oft ohnejeden Nutzen arbeiten müsien, eine solche Gelegenheit, einen armenTeufel einmal über den Löffel barbieren zu können, benutzen, istnur natürlich. Aber das wäre nicht möglich, wenn die Bestimmungen, daß das Vieh nur nach den Grenzschlachthäusern ge-schafft werden darf, aufgehoben werden würden und das Vieh direktin die Großstädte käme, ijjn München wären solche Manöver nichtmöglich.(Sehr richtig l ber den Sozialdemokraten.)Weiter behaupten die agrarischen Zeitungen, eine Grenzsperrebestehe gar nicht: eS könnte ja alles Vieh aus Norden und Westenhereinkommen. Wie es mit der angeblich gestatteten Zufuhr in derPraxis steht, zeigt die Bestimmung, daß aus Dänemark Rindviehnicht über die Landesgrenze eingeführt werden darf, sondern nurauf dem Seewege, und daß es dann noch 10 Tage lang in staat-lichen Ouarantäneanstalten beobachtet werden muß. Das alleserhöht die Unkosten um nicht weniger als 18—22 Pf. pro Kilo;dazu kommt noch, daß auch der Wohlgeschmack des Fleische?dadurch verloren geht, so daß das Vieh dann nichtmehr als vollwertig angesehen wird. So wirkt das Fleischbeschau«gesetz, das uns vor krankem Vieh bewahren soll, darauf hin, durchdiese Behandlung das Vieh erst krank zu machen! Nach Düffel-dorf darf dänisches Vieh hingeführt werden. Aber die Seuchen-gefahr aus Holland ist durchaus nicht größer. Das dänischeVieh kommt nun zunächst auf dem Seewege, wo es von der See-krankheit befallen wird, nach Deutschland, nach Berlin. Dortbleiben die besten Stücke, und nur die minderguten gehen nach demWesten. Unmöglich kann das Fleisch dieses Viehes noch sehr gut sein.Dabei steht aber an der holländischen Grenze— nur wenige Stundenentfernt— das prächtigste Vieh in Hülle und Fülle, das denkurzen Weg nach Düffeldorf nicht machen darf, um eben die Vieh«preise nicht zu senken I DaS find doch geradezu blödsinnigeBestimmungen.(Sehr richtig! links.) Oeffnen Sie doch dieGrenzen und warten Sie ab, ob dann kein Vieh hereinkommt!Ist dies der Fall, so würden wir bekehrt sein. Daß auch dasAusland kein Vieh abgeben kann, geht nach Ihren Behauptungenaus den Preisen hervor, die im Auslande ebenso hoch seien wie beiuns. Das ist aber unwahr. Alle Angaben in den agrarischenBlättern hierüber sind falsch und ganz willkürlich. Sie hätten ebensogut die Preise in London einfach verdoppeln können. Die„Kölnische Zeitung" stellt fest, daß der Preis für Rindvieh in Ham-bürg 82, in Köln 86, in München 62, dagegen in Kopenhagen nur62, in Wien 69, in Rotterdam 63, in London 61. in Paris 61beträgt; wir haben also eine Spannung von 18 M. gegen dasAusland.In der«Freien Deutschen Presse" ist vor kurzem darauf hin-gewiesen worden, daß in den skandinavischen Ländern das PfundRindfleisch 46 Pf. kostet, in Nordamerika 42 Pf. und in Rußland38 Pf. Trotzdem sagt man, das Ausland habe ebenso hohe Preisewie wir, die Grenzen dürfen nicht geöffnet werden, weil die Seuchedann hereinkommt. Das ist ein Gebiet, auf dem am allertollstengeschwindelt worden ist.(Lebhafte Zustimmung bei den Sozial-demokraten.) Es gibt, abgesehen von Rußland und Italien,kem Land, das so verseucht ist wie das Deutsche Reich.(LebhafteZustimmung bei den Sozialdemokraten, Widerspruch rechts.)Das sind Tatsache«, die sich aus den statistischen Zusammen-stellungen ergeben.(Widerspruch rechts.) Wenn meine Annahmenfalsch sein sollten, dann könnte ich ja nur befriedigt darüber sein.Im Jahre 1899 war nach dem statistischen Jahrbuch ein Zehntelunseres gesamten Viehbestandes verseucht. Das hat sich in denletzten Jahren gebessert, aber die Zahl der Fälle von Klauen- undMaulseuche ist gestiegen von 749 im Jahre 1392 auf 2399 imJahre 1994. Ebenso sind die Fälle von Schafkraukheiten von14 249 auf 33 427 gestiegen.(Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.)Diese Verseuchung ist bedauerlich, aber sie macht es be-S reiflich, wenn sich das Ausland gegen uns absperrt; nicht aberaben w i r Ursache, uns gegen das Ausland abzusperren.Um Unterstellungen die Spitze abzubrechen, erNäre ich. daß es inmeiner Partei keinen Menschen gibt, der geneigt wäre, die Handdazu zu bieten, daß der deutsche Viehbestand verseucht werde. Wirwollen den deutschen Viehftand erhalten.(Sehr wahr! bei denSozialdemokraten.) Aber wir wollen aus dem Fleischbeschaugesetzund aus den Seuchenkonventioncn diejenigen Bestimmungen heraus-bringen, die lediglich gemacht sind, um die Einfuhr von den Grenzenfernzuhalten zu dem Zwecke, die Fleischpreise zu steigern. In amt-lichen Bekanntmachungen in Sachsen ist ausdrücklich daraus hin-gewiesen, daß aus Preußen Seuchen eingeschleppt werden.lHört! hört 1 bei den Sozialdemokraten.) Der OekonomieratPlehn hat die Landwirte darauf hingewiesen, daß inerster Linie die Landwirtschaft s e I b st für den nötigen Seuchen-schütz sorgen müsse. DaS„Leipziger Tageblatt" hat ebenfalls an-erkannt, daß im Auslande die Verseuchung nur teilweise so groß seiwie in Deutschland, daß wir aber gerade aus Rußland, wo dieVerseuchung größer ist, Schweine mit mangelhafter sanitärerKontrolle hereinlassen. Nur die joviale Naivität eines Podbielskikann behaupten, daß das Ausland mehr verseucht sei als Deutsch-land und daß uns durch die Oeffnung der Grenzen dieGefahr der Verseuchung drohe.(Zustimmung bei den Sozial«demotraten.) Die geflissentliche Herabsetzung der ausländischenProduktion hat sehr große Schattenseiten, das sollten Sie(nach rechts) zugeben. Sie sagen immer, das ausländische Fleischtauge nichts. Sobald man irgendwo ins Ausland kommt, mußman sich die tollsten Dinge sagen lassen über die Politik, die wir inDeutschland treiben. Es ist geradezu unverschämt zu nennen, wieeinzelne agrarische Kreise das Ausland behandeln. Das«DeutscheTageblatt" schimpft in ungeheuerlicher Weise über Dänemark, esspricht von einer Ueberschwemmung mit dänischem tuberkulösemVieh, es wird gesagt, die Dänen gingen in betrügerischer Weise vor.um die deutsche Tuberkulinprobe unwirksam zu machen. Was solldenn herauskommen, wenn in so blödsinniger Weise das dänischeFleisch herabgesetzt wird t Mit Holland niacht es die„DeutscheTageszeitung" ebenso; es heißt da. der deutsche Michel sei so dumm,das holländtsche Margarinefabrikat zu kaufen, statt sich an die reinedeutsche Butter zu halten. Ein Mensch, der ein kleines bißchenGefühl für Wahrheitsliebe hat, muß sich gegen solche skandalöseBeschimpfungen des Auslandes wenden. In der„FrankfurterZeitung" ist darauf hingewiesen worden, daß auch inder holländischen Butterfabrikation Fälschungen in schamloserWeise vorkommen, aber man müsse anerkennen, daß dieholländische Regierung alles tut, um den Spitzbübereien ein Ende zumachen. Man hat in Holland eine behördliche Butterkontrolle ein-gerichtet, der sich die meisten unterwerfen. Auch für das Vieh sind' scharke Kontrollinaßregeln getroffen worden. Nach meiner Ansichtbraucht sich niemand holländische Margarine statt Butter aufhängen zulassen. In welchem Lande kommen denn derartige Dinge nichtvor? Es kommt ja bei uns sogar vor, daß durchreinen Zufall Leuten Wasser in die Milch gelaufenist.(Heiterkeit.) Ich will keinen Namen nennen: ichglaube, Sie wissen ganz genau, was ich meine.(Zuruf: Podbielski!)Ich will nur sagen, daß auch in Deutschland nicht alles ganz sauberzuzugehen pflegt. In der antisemitischen„Hessischen Rundschau" istzu lesen, daß ein deutscher Reichstags- Abgeordneter gesagt hat:Meine Bauern sind treu wie die Hunde, aber dreckig wie dieSchweine.(Große Heiterkeit.) Ich bin diskret genug, den Namendes betreffenden Abgeordneten nicht zu nennen, wer sich dafür inter-esfiert, kann das ja nachlesen in der„Hessischen Rundschau"vom 19. August unter dem Titel:„Aus dem Leben eines deutsch-sozialen Parteiführers." Als Ueberschrift steht da:„Wie Herr vonLiebermann die Wähler einschätzt."(Große Heiterkeit.) Ich bin vieleJahre in kleinen Städten ansässig gewesen, und ich habe einiger-maßen Einblick in die Landwirtschaft bekommen. Wenn die deutscheLandwirtschaft sich die dänische und holländische zum Muster nähme,könnte sie glänzend dastehen!(Sehr richtig I bei den Sozialdemo-traten.)Es wird uns vorgeworfen, wir seien die greulichsten Menschen,weil wir die schlechten amerikanischen Produkte als eine geeignete Nahrungfür das Volk halten, und es wird dann aufmerksam gemacht ausdie bekannte Schilderung Upton Sinclairs über die Zustände m denChicagoer Schlachthäusern. Aber da ist doch der Präsident Rooseveltsofort eingeschritten und hat gezeigt, daß man gewillt ist, denDingen auf den Grund zu gehen. Bei den schlimm st en Sachen.die da vorgekommen sein sollen, wird jedenfalls die Phantasie desVerfassers etwas mitgespielt haben. ES wird Ihnen(nach rechts) vielleicht eine Freude bereiten, wenn ichnachher auf die größten Schweinereien in Deutschland eingehe.Kein vernünftiger Mensch wird glauben, daß man in Amerika nuraus Bosheit gegen die Verbraucher derartige Schweinereien vor-genommen hat. Aber nehmen wir an, eS fei alles wahr, wasSinclair erzählt; was beweist denn das? Es beweist einfach daSVerfahren des K a p i t a l i s m u S. der nicht nur den Arbeiterausbeutet, sondern auch den Konsumenten!(Lebhaste Zustimmung bei den Sozialdemokraten.) Wir haben doch gar keinenAnlaß, den Amerikanern zu sagen: Was sind wir Deutsche für.bessere Menschen! Ein Fleischer hat eine Zusammenstellung gemacht über die gerichtlich erfolgten Verurteilungen in denletzten zwei Jahren auf diesem Gebiete. Es wurden gerichtlich abgeurteilt 98 Fälle wegen Verkaufs verdorbenen, gesundheitsschädlichen,in einzelnen Fällen schon in Fäulnis übergegangenen Fleisches.23 Fälle wegen Berkaufs und Verarbeitung tuberkulösen Fleisches,19 Fälle wegen Verarbeitung stinkenden Fleisches und von Geschlechts-teilen, 9 Fälle wegen Verarbeitung von verfaultem Fleisch, auchvon solchem, das schon in der Mistgrube lag(Hört! hört! bei denSozialdemokraten). 6 Fälle, in denen krepierte Tiere zu Wurstverarbeitet wurden. 18 Fälle, in denen krankes Viehgeschlachtet und verarbeitet wurde. 4 Fälle wegen Verarbeitung finnischen Fleisches. 4 Fälle wegen Verarbeitungungeborener Kälber, 3 Fälle wegen Verkaufs von Hunde-fleisch als Kalbfleisch, 1 Fall, in dem das Fleisch einer vergrabengewesenen Ziege als Hammelfleisch verkaust wurde.(Hört! hört!links.) Es bandelt sich nach dieser Zusammenstellung im ganzen um696 Fälle, ow mit 39 Jahren 2 Monaten und 23 Tagen bestrastworden sind. Da kann es doch aar nichts Blödsinnigeres gebenals die unausgesetzten Hinweise auf die Schweinereien in Amerika.Es ist eine Heuchelei, die da getrieben wird.(Sehrrichtig I bei den Sozialdemokraten.) Wenn das ausländischeFleisch wirklich so schlecht wäre, wie es gemacht wird.so müßte England schon längst ausgestorben sein; denn nach Eng-land kommen ganz ungeheure Quantitäten ausländischen Fleisches.Aus Argentinien sind im vorigek» Jahre nahezu 3Vs MillionenHammel und nahezu 2 Millionen Rinderviertel in Englandeingeführt worden. Die Argumente, die hier gegen die Einsuhrvon ausländischem Fleische geltend gemacht werden, sindalso nicht stichhaltig. Professor Levh in Halle hat in der„National-Zeituug" eine Uebersicht veröffentlicht, aus der hervorgeht,daß in Deuffchland trotz hoher Zölle der Viehbestand gegenüber derBevölkerungszahl ein geringerer ist als im vereinigten englischenKönigreiche, und doch hat England eine ganz erhebliche höhere Vieh-einfuhr als wir, es hat im Jahre 1994 für 949 Mill. Mari Vieh undFleisch eingeführt. Aber wieviel Taufende von Deutschen essen fortgesetztdas Fleisch, von dem Sie(nach rechts) sagen, daß eS nichts taugt!Nach den AusführungSbestimmungen des Bundesrats von 1994 bleibtdas im Zollager liegende und von vornherein für die Wieder-ausfuhr bestimmte Fleisch von der Untersuchung befreit, und dieSchiffe werden mit diesem billigen, nicht untersuchten ausländischenFleisch verproviantiert.(Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.)Das Fleischbeschaugesetz ist zu einem Instrument gemacht, das dazubenutzt wird, den agrarischen Profit zu steigern. Die„HamburgischeKorrespondenz" hat mit Recht betont, daß das Fleischbeschaugesetzein Hohn auf unsere ganze Wirtschaftspolitik sei.Fürst Hohenlohe schildert in seinen Denkwürdigkeiten, wie er mitAgrariern über die Verteuerung des Fleisches durch das Fleisch-beschaugesetz sprach; er hob das Bedenkliche dieses Gesetzes hervorund wies namentlich darauf hin. daß man damit der Sozialdemo-kratie Waffen für die Wahlbewegung in die Hand gebe.Die Agrarier traten ihm entgegen, er aber bezeichnete die Auf-fassung der Agrarier als einen Irrtum und meinte, daß die Zahlder Leute, die durch das Fleischbeschaugesetz geschädigt wurden, größersei als die Zahl der Landwirte, die Nutzen davon haben. Trotzdemist es den Agrariern gelungen, die Reichsregierung zu diesem Gesetzzu veranlassen, obgleich Graf Posadowsky in den Kommissious«Verhandlungen die schwersten Bedenken dagegen hegte. GrafPoiadowsky mußte gerade die agrarischen Mitglieder der Kom-Mission immer wieder daran erinnern:„Meine Herren I Ver-gessen Sie nicht, daß es sich hier um ein Gesetz handelt zum Schutzeder Viehzucht und nicht um ein Gesetz zur Feruhaltung der aus«ländischen Konkurrenz." Da Sie die politische Macht haben undleider bisher über das Ministerium geradezu eigenmächtig verfügthaben(Lebhafter Widerspruch rechts), so ist eS Ihnen gelungen,das Volk jahrelang in unerhörter Weise auszubeuten.(Leb-haste Zustimmung links.) Dabei handelt es sich in Wirklichkeitnicht um eine Fleischteuerung, sondern um eineallgemeine Ledensmitteltcucrung,die durch die unsinnige Zollpolitik herbeigeführt worden ist. Ich binfest überzeugt davon, daß wir in absehbarer Zeit den Zusammen-bruch eineS derartigen Systems erleben werden.(Zustimmung beiden Soz.) Im Hinblick auf die kommenden Wahlen ist eine Reihevon Leuten der Rechten zur Besinnung gekommen— mit AuS<nähme des Abg. Stauffer, der in der Sitzung vom Donnerstag ingeradezu unsinniger Weise ausgeplaudert hat, was in seiner Fraktionvorgekommen ist. Er sagte, man habe den Reichskanzler inter-pellieren wollen, wie dem ständigen Sinken der Fleischpreise vorzu-beugen ist.(Heiterkeit links.) Dieser Wahlkreis scheint Pech zuhaben.(Heiterkeit.) Der Vorgänger des Herrn Stauffer, derNationalliberale Fritz, war auch sehr unvorsichtig. Er schrieb imJahre 1393 an den Vorsitzenden des Bundes der Landwirte, daß ergerne Abgeordneter werden wollte, schon mit Rücksicht auf das inAussicht stehende Kunstweingesetz, das sein Einkommen bedeutend er«höhen werde I(Hört l hört! links.)Die„Kreuzzeitung" hat den Versuch gemacht, die Regierunggewissermaßen als Sündenbock hinzustellen, und sie bedauert, daßdie Regierupg nicht schon längst eine eingehende Darlegung derGesichtspunkte, die Abhülfe bringen könnten, gegeben habe. Aufdiese Weise wollen sich die Agrarier wieder hinstellen als die un-schuldigen Engelein. Sogar der Abg. Gamp hat in einer Ver-sammlung zur Vernunft gemahnt.(Große Heiterkeit.) Auch Abg.Arendt hat die zeitweilige Aufhebung der Zölle angeraten(Hört!hört! links) und auch der Abg. Herold ist zu Konzessionen bereitgewesen. Kollege Trimborn hat in wirklich ehrlicher Entrüstungin der Kölner Stadtverordnetenversammlung mit der Faust aufden Tisch geschlagen.(Große Heiterkeit.) Ich will hoffen, daß erhier nicht die Faust in der Tasche ballen, sondern auch auf denTisch klopfen wird.(Große Heiterkeit.) Herr Trimborn sagte inKöln, dasz auch der Schutz der Landwirtschaft eine Grenze habe.(Hört! hört! links.) Der Antipode Trimborns. die„KölnischeZeitung", hat sogar geschrieben:„Die Regierung werde sich nochganz anderen Folgen gegcnübersehen als heute, wenn sie ihre ein-festige Jntercssenpolitik nicht aufgeben werde. Was tut die Re-gierung, um dieser Not zu steuern? Nichts! Der Landwirtschafts-minister, der bestrebt sein sollte, die Interessengegensätze auszugleichen. ist in der Fleischfrage selbst Interessent." Zum Schlußheißt es:„Immer wieder drangt sich die Frage auf: Wo ist dieRegierung? Werden wir überhaupt noch regiert? Negiert werdenwir; aber es ist danach!"(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.)Ich will ebenso wie mein Vorredner darauf verzichten, überHerrn von Podbielski herzufallen, nachdem Podbielski von derSpitze der Agrarier verschwunden ist und nunmehr nur noch als„Podagrarier" in Betracht kommt.(Stürmische, langanhaltendeHeiterkeit.) Es ist ein gewisses Unrecht, nun alle Schuld auf dasHaupt des früheren Landwirtschaftsministers abwälzen zu wollen.Herr von Podbielski war getragen von der agrarischen Reichstags-Mehrheit, und seine Sünden sind Ihre Sünden.(Sehr wahr! links.)Eines muß ihm nachgerühmt werden, so sehr ich auch gewünschthätte, daß er schon viel eher verschwunden wäre: das ist seineKonsequenz.(Bravo! recht».) Mir imponiert immer derM»nn. der den Mut der Konsequenz hat.(Hört! hört! rechts�Podbielski mag noch so einseitig und volksschädigend gewesen seiet;aber er war ein konsequenter Mann und unterschied sich vorteilhaftvon all den seiltanzenden Politikern(Große Heiterkeit), die dieseagrarische Politik mitgemacht haben und draußen vor den Wählerntun, als ob es ihnen unlieb wäre, daß die Teuerung gekommenist. Wenn Sie den Mut der Konsequenz hätten, würden die meistenvon Ihnen überhaupt kein Wort reden gegen die Fleischteuerung;denn damit ist ja das Ziel erreicht, das Sie verfolgt haben.(Sehrwahr! bei den Sozialdemokraten.) Es ist gar nicht wahr, daß Sieeine Berechtigung zur Entrüstung haben von den Nationalliberalenbis in die freisinnige Partei hinein.(Sehr richtig! bei den Sozial-demokraten. Unruhe bei den Freisinnigen.) Was glauben Siedenn, welches Gefühl uns beschleicht, wenn wir Ihre Interpellationlesen, wie plötzlich aus den schwarzen Zeilen Ihr warmes Herz fürdie Beamten hervorschaut. Warum haben die Freisinnigen nichtder Beamten gedacht und aller der Leute, die jetzt unter der Fleisch-teuerung schmachten, wenn es zu entscheiden galt bei denStichwahlen, ob noch ein neuer Agrarier in den Reichstag ein-ziehen sollte oder ein Sozialdemokrat.(Lebhafte Zustimmung beiden Sozialdemokraten.) Wie viel Agrarier sitzen in den deutschenParlamenten durch das Verschulden dieser Kreise! Das mutz manfeststellen, wie unangenehm es Ihnen auch sein mag.(Widerspruchbei den Freisinnigen.)Um die schlimmste Not zu beseitigen, ist eS notwendig, daß dieGrenzen geöffnet werden unter Beobachtung der unerläßlichensanitären Schutzmaßregeln. Ferner ist notwendig die Beseitigungder die Einfuhr erschwerenden Bestimmungen des Fleischbeschau-gesetzes, Ermäßigung der Untcrsuchungskosten für ausländischesFleisch, Erleichterung der Fleisch- und Viehtransporte durch Er-Mäßigung der Eisenbahntarife und Aufhebung der Zölle aufFuttermittel. Ich bitte die Regierung nicht alleruntertänijjst,sondern ich glaube hier fordern zu können, daß die Regierung ein-greift, der Not des deutschen Volkes zu steuern.(Lebhafte Zu-stimmung bei den Sozialdemokraten.) Die Mehrheit des deutschenVolkes steht in dieser Frage hinter mir.(Sehr richtig! bei denSozialdemokraten.) Darum fordere ich, daß energisch ein-gegriffen werde. Wie sich Herr Dernburg nicht unter daskaudinische Joch des Zentrums beugen wollte, so möchte ich denLandwirtschaftsminister dringend ersuchen, daß er sich nicht unterdas Junkerjoch beugt.(Lebhafter Beifall bei den Sozial-demokraten. Lachen rechts.) Möge der Landwirtschaftsministerkeinen Augenblick vergessen, daß er hier nicht sitzt als Vertreterder Agrarier, sondern daß er hier sitzt als Vertreter des deutschenVolkes.(Lebhafte Zustimmung bei den Sozialdemokraten.) MeineUebcrzeugung ist die: Auf die Dauer kann.es nicht so weitergehen; denn es hieße an einer glücklichen Zukunft unseres Volkesverzweifeln, wenn man annehmen wollte, daß sich ein Kulturvolkauf die Dauer eine solche volksschädigende Junkerpolitik gefallenlassen sollte.(Stürmischer Beifall bei den Sozialdemokraten.Zischen rechts.)Zur Beantwortung der Interpellation erhält das WortStaatssekretär Graf Posadowsky:Ich habe im Namen des Reichskanzlers folgende Erklärungabzugeben:„Die mit Unterbrechung von wenigen Monaten seitmehr als Jahresfrist zum Nachteil der Bevölkerung herrschendeFleischnot ist von den einzelnen Landesregierungen mit ernsterAufmerksamkeit verfolgt worden. Sie haben pflichtgemäß unterBerücksichtigung der zahlreichen Vorschläge von städtischen Be-Hörden, von Korporationen, von Vereinen und vielen Einzel-Personen erwogen, wie dieser Teuerung ohne Gefährdung anderergleichwertiger allgemeiner Interessen abzuhelfen sei. Was vorallem die von vielen Seiten als wirksamstes Mittel zur Beseitigungder Teuerung empfohlene Zulassung der Einfuhr lebenden Viehsund Fleisches angeht aus solchen Ländern, die jetzt ganz oder teil-weise davon ausgeschlossen sind, so ist eine eingehende Prüfung derveterinärpolizeilichen Grundlagen dieser Verbote vorgenommenworden, die zu folgendem Ergebnis geführt hat: Für die an derSüdgrenze des Reiche» gelegenen Bundesstaaten kommen in ersterReihe für die Einfuhr d»e angrenzenden Staaten Oesterreich-Ungarn und die Schweiz in Betracht. Aus beiden Staaten ist dieEinfuhr von Fleisch aller Art völlig unbeschränkt.(Hört! hört!rechts.) Die Ausfuhr von lebendem Vieh ist Oesterreich nachden wichtigeren, vorschriftsmäßig eingerichteten und Veterinär-polizeilich kontrollierten Schlachthöfen gestattet. Ferner ist ausOesterreich ein Kontingent von 39 999 Schlachtschweinen zur Ein-fuhr nach einigen bestimmten Schlachtorten an der bayrischen undsächsischen Grenze zugelassen.(Hört! hört! rechts.) Eine weiter-zehende Zulassung der Einfuhr aus Oesterreich koitimt nicht inBetracht, weil die Zufuhr von Rindvieh bereits erheblich nach-gelassen hat und die Entfuhr von Schweinen selbst um geringeMengen nicht mehr steigerungsfähig erscheint.(Hört! hört! rechts.)Ebensowenig ist aus der Schwerz ein Ueberschuß an Schlacht-schwetnen oder Schlachtvieh zu erwarten. Von anderen Staatenkämen für die südlichen Teile des Reiches noch Italien, Rumänien.Serbien und Bulgarien in Frage. Aus Italien kann frischesFleisch und zubereitetes Fleisch aller Art, aus den anderen Staatenzubereitetes Fleisch eingeführt werden. Eine weitere Abschwächungdes Grenzschutzes ist gerade diesen Staaten gegenüber aus Veterinär-polizeilichen Gründen nicht angängig.(Bravo! rechts.) NachWesten kommt für Elsaß-Lothringen hauptsächlich die französischeGrenze in Betracht. Für Einfuhr von Fleisch aller Art ausFrankreich besteht kein Verbot. Die Zulassung lebendenSchlachtviehs aus Frankreich ist Gegenstand ganz besonders sorg.amer Erwägungen gewesen, mußte aber abgelehnt werden, weildort— namentlich an der deutschen Grenze— die Maul- undKlauenseuche in gefahrdrohendem Umfange herrscht.(Lebhafte Zu»timmung rechts.) Für die übrigen Teile des Reiches kommt außerOesterreich-Ungarn zunächst Rußland in Betracht. Aus Ruß.l a nv darf zubereitetes Fleisch und außerdem ein Kontingent von2999 lebenden Schlachtschweinen wöchentlich nach Oberschlesien ein«geführt werden. Eine Ausdehnung der Einfuhr ist mit Rücksichtauf denjseuchenschutz nicht zulässig.(Lebhafte Zustimmung rechts.)Aus Dänemark, Schweden und Norwegen ist die Ein-fuhr von frischem Fleisch von Wiederkäuern und zubereitetemfleisch aller Art gestattet, aus den Niederlanden und Groß-r i t a n n i e n die Einfuhr von frischem Fleisch aller Art. DieEinfuhr von lebendem Vieh aus England kann bei dem dortherrschenden Mangel an Schlachtvieh nicht in Betracht kommen.Die Einfuhr von lebendem Vieh aus Ländern, welche nicht un-bedingt seuchcnfrei sind, bringt die unmittelbare und kaum zuvermeidende Gefahr mit sich, daß diese Seuchen durch den Handels-verkehr auch in das Inland verschleppt werden.(Sehr wahr!rechts.) Sie zuzulassen wäre nur möglich unter einer strengengesetzlichen Ueberwachung der Viehmärkte, die den Preis des Vieheswesentlich mehr steigern würde als der durch die Grenzssserrunghervorgerufene Mangel an Angebot, zumal da Deutschland nochnicht 6 Proz. seines Fleischbe?arfes vom Auslande bezieht.(Viel-faches Hört! hört! und Sehr gut! rechts.) Die Einfuhr lebendenRindviehs aus den Niederlanden unterlag daher wegen der inLuxemburg und Belgien herrschenden Viehseuchen, deren Ver-schleppung in die Grafschaft Limburg in der Nähe der preußischenGrenze bereits stattgefunden hat, erheblichen Bedenken. Wegender Einfuhr von Rindvieh aus Schweden sind die Verhand-lungen noch nicht abgeschlossen. Die Zulassung lebender Schweineaus diesen Ländern ist aus vcterinärpolizeilichen Gründen nichtangängig, dagegen bestehen hinsichtlich der Einfuhr frischenSchweinefleisches aus Schweden, Dänemark und Norwegen die bis-herigen vetcrinärpolizeilichen Bedenken nicht mehr. Die Auf-Hebung des Verbots wird daher alsbald erfolgen. Daneben ist zurEärderung der Einfuhr aus dem Auslande eine Revision desebührentarifs für die Auslandsfleischbeschau vorgesehen worden,die eine wesentliche Herabsetzung der Untersuchungsgebühren mitsich bringen wird. Neben diesen Maßnahmen gegenüber dem AuS-lande ist dem- Jnlande zunächst innerhalb der preutzisch-hessischenEisenbahngemeinschaft eine Ermäßigung der Frachttarife fürFleisch und Vieh zwecks Ausgleichs der örtlich sehr verschiedenenPreise innerhalb des Reiche? vorgesehen worden.(Sehr gut! links.)Auch Sachsen, Bayern und Oldenburg sind, einer solchen Revisionder Tariie arundsätzlich nickt abgeneigt