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Nr. 298. 23. Jahrgang.

2. Beilage des Vorwärts  " Berliner Volksblatt. Sonnabend, 22. Desember 1906.

Deutsche   Rechtspflege.

Januar.

für die Wablagitation.

2. Wegen Teilnahme an den Wahlrechts- Straßendemonftra­tionen zu Dresden   am 16. Dezember wird am 31. Dezember 1905 bom dortigen Landgericht der 21jährige bisher unbestrafte Metall­drücker Schreiber zu 3 Jahren Gefängnis und 2 Wochen Haft ber­urteilt. Sch. hatte keine Protestversammlung besucht, behauptete

auch, mit der Sozialdemokratie nicht in Verbindung zu stehen, und nur zufällig in den Menschenstrom geraten zu sein. Einen in seiner Tasche gefundenen Dolch behauptet er, zum Zwecke des Bertaufs mitgenommen zu haben.

Von demselben Gericht wird der 45jährige Bauarbeiter Steuer aus dem gleichen Grunde zu 2 Jahren 6 Monaten Gefängnis ver­urteilt. St., der ebenfalls kein Sozialdemokrat ist, hat trakeelt,

war aber total betrunken.

8. Weitere Urteile wegen der Demonstrationen in Dresden  : Buchhalter Bomsdorf 1 Jahr 3 Monate Gefängnis und eine Woche Haft; Mechaniker Bennemann 3 Monate Gefängnis; Arbeiter Böhmer 2 Jahre Gefängnis; Arbeiter( ehemaliger Schuhmann) Pauli 3 Monate Gefängnis und 1 Woche Haft; Arbeiter Rieback 1 Jahr 4 Monate Gefängnis.

11. Genosse Löbe, Redakteur der Volkswacht" zu Breslau  , wird wegen angeblicher Aufreizung zu Gewalttätigkeiten, begangen in dem Aufruf zur Erringung des allgemeinen gleichen Wahlrechts zum preußischen Landtag, zu einem Jahr Gefängnis und sofortiger Berhaftung verurteilt. Gegen eine Kaution von 10 000 m. wird er borläufig auf freien Fuß gesetzt. Genosse Quint, Redakteur der Volksstimme" zu Frankfurt  a. M. wird zu 6 Monaten Gefängnis verurteilt wegen angeblicher Beleidigung des Kolonialdirektors Stübel und des Ministers Podbielski. Die Beleidigung wurde gefunden in einem aus dem ,, Vorwärts" übernommenen Artikel über die Beteiligung der Ge­nannten an der Firma Tippelskirch. Der Vorwärts" selbst war wegen desselben Artikels nur zu 1000 M. Geldstrafe berurteilt

worden.

13. Die Dresdener   Gerichte fahren fort in den Verurteilungen wegen der Straßendemonstrationen. Es werden verhängt: einmal 5 Monate, einmal 3 Monate und zweimal ein Jahr Gefängnis. 17. Wegen 25 Artikel, darunter eine Notiz im Tageskalender und eine Buchhandlungsannonce, wird gegen die Leipziger Bolts­zeitung" Anklage erhoben.

19. Gesamtergebnis der Dresdener   Demonstrationsprozeffe: Von 26 Angeklagten ist einer freigesprochen, die übrigen erhielten insgesamt 20 Jahre Gefängnis.

22. Genosse Crispien, Redakteur der Königsberger Volks­zeitung", wird wegen Abdrucks des Berichts über die Gerichts­verhandlung gegen Löbe- Breslau   verhaftet. Es stellt sich heraus, daß die angesehenften bürgerlichen Blätter die inkriminierten Aeuße­rungen im Gerichtsbericht genau ebenso gebracht haben, wie die " Königsberger Volkszeitung". Nach ein paar Tagen wird Genosse Crispien gegen 6000 M. Kaution aus der Haft entlassen.

24. In Forst wird Genosse Berner, Redakteur der Bolts­stimme", wegen eines Aufrufs gegen das preußische Dreiflassen­wahlrecht verhaftet. Seiner Frau wird nicht gestattet, ihn im Ge­fängnis zu besuchen.

30. Die Ziviltammer des Düsseldorfer   Landgerichts untersagt der dortigen sozialdemokratischen Volkszeitung" auf Grund des § 824 des Bürgerlichen Gesetzbuchs   Veröffentlichungen über die Zu­stände in dem Betriebe eines Unternehmers, weil solche Veröffent­lichungen eine Störung des Geschäftsbetriebes seien.

Februar.

zu 2 Wochen Gefängnis und die beiden Boten, welche mit Kenntnis und nur gegen zwei Anklage wegen Aufreizung erhoben. Auch des Inhalts die Briefe überbracht hatten, zu je einer Woche Ge- gegen diese beiden wird nunmehr auf Beschluß des Landgerichts fängnis verurteilt. Ihre Revision wird vom Kammergericht ver- das Verfahren mangels ausreichender tatsächlicher Belastung" eingestellt. 4. Aus Anlaß des zehnjährigen Bestehens des Dreiklaffen­wahlrechts in Sachsen   finden überall im Lande Demonstrations­bersammlungen statt.

worfen.

27. Die zur Silberhochzeit des Kaisers allgemeine erwartete Amnestie bleibt aus.

März.

1. In Leipzig   wird Genosse Kressin, Redakteur der Leipz.

Wolfsztg.", wegen angeblicher Majestätsbeleidigung zu 6 Monaten Gefängnis verurteilt, trotzdem der unter Anklage gestellte Artikel Albertinische Profile" den gegenwärtigen König von Sachsen   gar

nicht erwähnt.

4. In Forst werden die vier Sezer aus der Zeugniszwangs haft entlassen. In Bielefeld   dagegen fißt Genosse Schumann nur schon 9 Wochen in Zeugniszwangshaft, weil er als Stadtverordneter sich weigert, einen Gewährsmann anzugeben.

7. Ein Maurermeister in Goldap   hatte einem Maurer wegen sozialdemokratischer Agitation gedroht: er werde ihm mit dem Spaten den Schädel spalten. Vom Schöffengericht wegen Bes drohung zu 3 Mark Geldstrafe verurteilt, ging er bis ans Ober­landesgericht, das das Urteil aufhob. Die Etraftammer zu Inster­ burg   erkannte alsdann auf Freisprechung.

12. In einem Prozeß vor dem Kriegsgericht zu Ulm   bekundet ein Oberstabsarzt: Die Ernährung im Festungsgefängnis fei un genügend, fie enthalte um die Hälfte zu wenig Fett; ferner sei sie unpassend zusammengestellt, da sie fast ausschließlich aus Hülsen­früchten besteht. Dafür sei sie aber billig, 23 Pfennig pro Kopf und Tag. 13. Jn Berlin   wird Genosse Preczang von der Anklage der Aufreizung zu Gewalttätigkeiten, begangen durch die Broschüre Gegen Volksverdummung usw.", freigesprochen. Die intrimi­nierten Wendungen waren einem Artikel der Leipziger Volts 3citung" vom 6. Dezember 1905 entnommen, der Hauptsächlich vom Leipziger   Gericht zur Begründung der über Genossen Heinig ver­hängten Strafe von 1% Jahren Gefängnis herangezogen war. Ums Wahlrecht. Januar.

"

( Vergl. auch Deutsche Rechtspflege".)'

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3. Die Hamburger   Arbeiterschaft beginnt den Kampf gegen die dortige Wahlrechtsverschlechterung. Nach dem Gesetzentwurf sollen von den 160 Sihen der dortigen Bürgerschaft 80 durch Notabeln- und Grundeigentümerwahlen besetzt werden, weitere 18 sollen den Erstklassigen", 8 dem Landgebiet vorbehalten bleiben, so daß den Besißenden insgesamt 136 Size gesichert sind, während die arme Bevölkerung d. h. bis zu 2500 m. jährlichem Einkommen alles in allem nicht mehr als 24 Abgeordnete wählen tann. 12. In Voraussicht der für den 21. Jannar   geplanten Wahl­rechtsdemonstrationen tritt die Polizei in ganz Deutschland   in Aktion. Als ersten Streich beschlagnahmt sie in Görlig 25 000 Flugblätter. 13. Beschlagnahme von Flugblättern in Danzig  . 15. Weitere Beschlagnahmen in allen Gegenden Deutschlands  , an der Unterweser  , am Niederrhein  , in Westfalen  , in der Provinz Posen  , in Westpreußen   usw. usw.

wahlrechts.

17. Neue Nachrichten über Beschlagnahme von Flugblättern treffen aus den verschiedensten Gegenden Deutschlands   ein. Im preußischen Abgeordnetenhaus reden die konservativen Scharfmacher gegen die Einführung des allgemeinen und geheimen Wahlrechts zum Landtage und für Beseitigung des Reichstags­In Hamburg   gibt es am Nachmittag einen partiellen Wahl­2. Zu Markranstädt  , wo wegen eigenmächtiger Lohnherab- rechts- Demonstrationsstreit. Fast alle Betriebe ruhen völlig; im segung eines Unternehmers die Kürschner streikten und es am Hafen stockt die Arbeit. Um 4 Uhr finden 8 große überfüllte Brotest: 11. Oftober 1905 zu einem unbedeutenden Zusammenstoß mit versammlungen statt. Im Anschluß daran Straßendemonstrationen; Arbeitswilligen gekommen war, werden drei Streikende wegen an­geblichen Landfriedensbruchs zu je 1 Jahr 3 Monaten Gefängnis und 5 Jahren Ehrverlust verurteilt. Sechs Angeklagte werden frei gesprochen. Unter den Verurteilten befindet sich der Bevollmächtigte des Kürschnerverbandes, Genosse Stemnit, den sogar der Bürger­meister als einen ruhigen, sachlichen Mann schilderte und von dem nachgewiesen wurde, daß er im Tumult einen verkrüppelten Arbeits­willigen beschützt hatte.

6. Jm Trakehner Schulprozeß, der 6 Jahre lang die Deffent lichkeit beschäftigte und vor insgesamt 7 Instanzen verhandelt wurde, wird Lehrer Nidel, welcher der Beleidigung des Landstall­meisters v. Dettingen angeklagt war, im Wiederaufnahmeverfahren freigesprochen.

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9. Die Regierungsverordnung in den östlichen Probingen, laut welcher russische Auswanderer nur dann in preußisches Gebiet hineingelassen werden, wenn sie außer einem ordnungsmäßigen Baß und den nötigen Barmitteln eine Fahrkarte der Hamburg­Amerita- Linie oder des Bremer Lloyd haben, wird vom Kammer: gericht für gültig erklärt.

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12. Jn Leipzig   wird Genosse Heinig, Redakteur der Leipz. Volkszeitung", der wegen 25 Artikel angeklagt war, wegen 20 Ar­tikel freigesprochen, wegen der übrigen 5 jedoch, weil darin Auf­reizungen zu Gewalttätigkeiten enthalten seien, und wegen Be­leidigung der zweiten sächsischen Kammer zu 1 Jahr 9 Monaten Gefängnis verurteilt.

5. In Straßburg   war wegen des Flugblattes vom 21. Januar

gegen mehrere Genossen ein Verfahren wegen Landesverrats und Aufreizung eröffnet worden. Das Verfahren wird eingestellt. 23. Das preußische Abgeordnetenhaus berät, eine Wahl­rechtsvorlage" der Regierung, die, wie der Minister v. Bethmann­Holweg erklärt, notwendig sei, um sozialdemokratischer Obstruktion, wie sie 1903 vorgekommen, die Handhabe zu nehmen. Das Zentrum beteiligt sich an der Debatte nur durch eine Erklärung, daß es der Vorlage zustimmen und im übrigen außerhalb des Hauses auf eine Reform des preußischen Wahlrechts dringen werde. Seer und Flotte.

Januar.

12. Das Kriegsgericht zu Koblenz   verurteilte einen Pionier. Unteroffizier, der einen Soldaten mit dem Knie gegen den Leib ge­stoßen hat, so daß er gegen einen Tisch fiel, zu 9 Tagen gelindem Arrest.

14. Weil er sich vor seinen Kameraden offen als Sozialdemo­frat bekannte, wird der Grenadier Gyron vom Infanterie- Regiment Nr. 6 zu 2 Jahr 1 Monat Gefängnis verurteilt.

15. Während rings in ganz Deutschland   Sozialdemokraten und Arbeiter wegen Aufreizung zu Gewalttätigkeiten und zum Un­gehorsam gegen die Gesetze zu harten Gefängnisstrafen verurteilt werden, gibt im Reichstage der preußische Kriegsminister v. Einem im Auftrage des Reichskanzlers die Erklärung ab:" So lange der 8weikampf in weiten Kreisen noch als ein anerkanntes Mittel zur Wiederherstellung der verletzten Ehre gilt, kann auch das Offizier­forps in feinen Reihen kein Mitglied dulden, welches nicht bereit ift, gegebenenfalls mit der Waffe für seine Ehre einzutreten".

Aus der hohen Politik.

Januar.

16. In Algeciras   tritt die Maroffo- Konferenz zufammen. 17. Beim Ordensfest wird der durch den Poker- Prozeß bekannt gewordene Justizminister Ruhstrat zu Oldenburg   zum Kapitular­komtur des Haus- und Verdienstordens ernannt.

Februar.

13. Die Verhandlungen in Algeciras   beginnen sich zuzuspißen, weil Frankreich   die Aufsicht über die marokkanische Polizei begehrt, was Deutschland   nicht zugestehen will.

15. In der Zweiten badischen Kammer richtete auf Grund privater Mitteilungen der sozialdemokratische Abgeordnete Lehmann an den Minister des Innern Dr. Schenkel die Anfrage, ob es wahr fei, daß auch in Baden wie im Elsaß   eine Lifte von Personen geführt wird, die beim Ausbruch eines Krieges in Gewahrsam ge­nommen werden sollen. Der Minister meinte, auf diese Naivetät verweigere er die Auskunft.

März.

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2. In den Bergwerken des Ruhrbezirks ist die Freizügigkeit der Arbeiter aufgehoben durch eine Verabredung der Unter­nehmer, keinen ohne Grund von einer anderen Beche abgekehrten Bergmann einzustellen. Eine Art, mißliebige Arbeiter zu kenn­zeichnen, besteht darin, daß man auf den Entlassungsscheinen das wort ordnungsgemäß" fehlen läßt, selbst dann, wenn die Arbeiter burg  , wo chriftliche Verbändler als Arbeitervertreter Recht sprechen, mit guter Führung" entlassen sind. Das Gewerbegericht in Duis­erklärte das System der Ueberweisungsscheine für einwandfrei.

Unsere Kolonien. Januar.

die Polizei fäubert" in bekannter Weise die Straßen von ver einzelten Passanten. Am Abend beginnt im Rathaus die Ver handlung über die Wahlrechtsraub- Borlage. Infolge der Ente blößung des Kaschemmenviertels von Polizeimannschaft, die gegen die Versammlungsteilnehmer und friedliche Demonstranten auf­geboten ist, kommt es zu Krawallen des Rowdy- und Verbrecher- die noch umherstreifenden Hereros zur Ergebung auf und sichert 16. Eine Proklamation des Gouverneurs Lindequist fordert tums und radauluftiger Straßenjugend am Schopen steht. 18. Aus vielen Gegenden Deutschlands   treffen Nachrichten ihnen gerechte Behandlung zu. ein, daß zum 21. Januar die Soldaten in den Kafernen bereit ge= halten und die Schuhleute mit Revolvern und scharf geschliffenen Säbeln ausgerüstet werden.

19. Bereits jetzt müffen an einigen Orten die Flugblatt­Konfiskationen als unbegründet erklärt und aufgehoben, die Flug­blätter zurüdgebracht werden.

In Sachsen   werden an vielen Orten die für den 21. Januar angesagten Wahlrechtsversammlungen verboten.

Die Zweite Kammer des sächsischen Landtags beschließt mit 59 gegen 4 Stimmen, Strafantrag gegen die Leipziger Bolts­zeitung" wegen Beleidigung zu stellen. Die Nationalliberalen stimmen geschlossen für den Strafantrag.

In Altona   verbietet die Polizei die Bekanntmachung der Demonstrationsversammlungen an den Anschlagfaulen. 21. Die Demonstrationsversammlungen im ganzen Reich nehmen einen imposanten Verlauf. 24. Fortsehung der Wahlrechtsdebatte in der Bürgerschaft zu 16. In der Untersuchung gegen Genossen Verner zu Forst i. L. Hamburg. werden 4 Schriftfeher in Zeugniszwangshaft genommen, um sie zur 28. An den verschiedensten Orten wird die Konfiskation der Bekanntgabe des Verfassers des von Perner verantwortlich ge- Flugblätter von den Gerichten aufgehoben, so daß die Flugblätter zeichneten Artikels zu zwingen. zurückgebracht werden müssen. Bu 5 Monaten Gefängnis verurteilte die Straffammer zu 31. In der Hamburger Bürgerschaft, welche unter dem Schutz Elberfeld   einen Arbeiter, der beschuldigt war, einem Streifbrecher von 150 Polizisten tagt, wird die Wahlrechtsvorlage mit 120 gegen einen Stockhieb bersekt zu haben. Seine Schuld war so wenig er 35 Stimmen angenommen. wiesen, daß sogar der Staatsanwalt die Freisprechung beantragt hatte.

Februar.

17. Jn Erfurt   hatte die Polizei die Demonstrationsversamm 3. In Elberfeld   war wegen des Wahlrechtsflugblattes ein lung am 21. Januar nur unter der Bedingung gestattet, daß Verfahren gegen nicht weniger als 10 Genossen eröffnet worden. Frauen und Mädchen nicht zugelassen würden. Das widerstreitet Nunmehr wird gegen 9 von ihnen das Verfahren eingestellt, nur in doppelter Hinsicht dem preußischen Vereinsgesetz. Trotzdem er- der Genosse Ullenbaum wird angeklagt. widerte auf eine Beschwerde der Regierungspräsident: er lehne es 7. Jm Reichstag beantragen die Sozialdemokraten, den Ar­ab, jezt noch der Frage näher zu treten, ob die polizeiliche An- tikel 3 der Reichsverfassung dahin zu erweitern, daß in allen ordnung aufzuheben war oder nicht. Bundesstaaten das allgemeine, gleiche, direkte und geheime Wahl­In Königsberg   verbietet der Polizeipräsident eine öffentliche recht für Männer und Frauen von 20 Jahren an eingeführt wird. Bersammlung, zu welcher Lehrlinge eingeladen sind, trotzdem das Regierung, Zentrum und Konservative erklären, daß diese Frage preußische Vereinsgesetz Lehrlingen die Teilnahme an öffentlichen nicht zur Kompetenz des Reiches gehöre; die Freisinnigen erklären Versammlungen nicht verwehrt und überdies der Polizei überhaupt sich für, die Nationalliberalen gegen den Antrag. Die Verhandlung nicht das Recht gibt, Versammlungen vorher zu verbieten, sondern wird nicht zu Ende geführt. nur sie aufzulösen; und auch dies nur in ganz bestimmten, im Ge. setz angegebenen Fällen. Eine Beschwerde wird vom Regierungs­präsidenten abgewiesen.

Wegen Hochverrats, begangen durch Verbreitung des Wahl­rechtsflugblattes, war gegen 3 Hamburger   Genossen in Altona   ein Berfahren eröffnet worden. Das Verfahren wird eingestellt, die 21. Jn Nürnberg   wird ein 14 jähriges Schulmädchen, das auf beschlagnahmten Flugblätter werden freigegeben. der Straße einem 6 jährigen Knaben ein Zweimarkstück aus dec 19. In Elberfeld   wird Genosse lillenbaum freigesprochen. Der Hand gerissen hatte, wegen schweren Raubes zu 3 Monaten Ge- Staatsanwalt hatte wegen angeblicher Aufreizung 1 Jahr Ge­fängnis verurteilt. Ihr Lehrer hatte sie als sehr gute Schülerin fängnis beantragt. bezeichnet, nur habe ihre Erziehung gelitten, weil Vater und 28. In der Hamburger Bürgerschaft wird jede weitere Debatte Mutter in die Fabrit gehen und das Kind sich selbst überlassen über die Wahlrechtsraub- Vorlage abgeschnitten, indem sie en bloc müssen. mit Zweidrittel- Majorität angenommen wird. In Neuruppin   hatte aus Anlaß eines Streits der Steinbruder der Vorstand des Senefelder- Bundes an zwei Oberdrucker ein Schreiben gerichtet, in welchem ihnen mitgeteilt war, daß eventuel 3. In Koblenz   hatte die Staatsanwaltschaft gegen 36 Genoffen hr Ausschluß beantragt werden müsse. Dafür wurden auf ein Verfahren wegen des Wahlrechtsflugblattes eröffnet. Gegen Grund des§ 153 der Gewerbeordnung der Verfasser des Briefes 34 von ihnen hatte sie es bereits felbst am 19. Februar eingestellt

März.

Februar.

7. Wie die Frantf. 3tg." mitteilt, soll in Kamerun   viel Er­regung entstanden sein, weil zwei eingeborene Mädchen, die mit eingeborenen Männern verlobt waren und für welche schon die Hälfte des landesüblichen Preises bezahlt gewesen, von hohen Be­amten den Eltern abgekauft worden seien. Zugleich erhebt die Frantf. 3tg." noch weitere Anklagen gegen die dortige Verwaltung. Für Südwestafrita fordert eine amtliche Denkschrift den Bau einer Bahn von Kubub bis Keetmannshoop und neue Truppen, obgleich die Hottentotten nur noch etwa 400 Mann zählen und bereits 15 000 deutsche   Soldaten gegen sie im Felde stehen.

18. Die Frankf. 3tg." beschuldigt den Gouverneur von Kamerun  , Jesko von Buttkamer, er habe eine ihm bekannte Halb­weltsdame mit nach Kamerun   genommen, fie dort für seine Cousine ausgegeben und ihr einen falschen Paß auf den Namen Freiin  von Editein ausgestellt.

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März.

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in Kamerun  

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In der Budgetkommission des Reichstages kommt die Petition der Akwaleute( Dualaneger in Kamerun  ) zur Verhand­lung. Die Petition enthält unter anderem 24 detaillierte An­lagen gegen das System des Gouverneurs Jesko von Buttkamer. Der Gouverneur hatte deswegen Strafantrag gestellt und das Gericht in Kamerun   hatte daraufhin 22 Häuptlinge als Petenten verhaftet und am 6. Dezember 1905 zut insgesamt 27 Jahren und 6 Monaten Gefängnis mit Zwangsarbeit berurteilt. Davon erhielten der Oberhäuptling Dita Atwa 9 Jahre Gefängnis, ein anderer Häuptling 7 Jahre, ein dritter Jahre, die übrigen je 3 Monate. Da das Urteil bekannt wurde und all­gemeine Empörung hervorrief, wurde es von der Kolonialverwaltung oufgehoben, die mit 3 Monat Bestraften wurden aus der Haft ent­lassen und die Angelegenheit einem anderen Gerichtshof übergeben. Der Gouverneur wurde nach Deutschland   berufen. In einer Recht­fertigungsschrift sagt er: es erscheine ihm nicht zweckmäßig", das Urteil umzustoßen, das würde die Stellung des Bezirksrichters er­schüttern und die Rechtsbegriffe der Bevölkerung berwirren". Er schlägt vor, einfach die Strafen herabzusehen.

Der Referent, Zentrumsabgeordneter Kalkhof, führt aus: Das Urteil sei um so befremdender, weil der Gerichtshof die Mehrzahl der Beschwerdepunkte in der Petition gar nicht bestreite. Wenn der Gouverneur richtig verfahren wollte, mußte er gegen sich und bie mitangeklagten Beamten ein Disziplinarverfahren beantragen, statt Strafantrag zu stellen.

4. Die Budgetfommission beschließt auf Antrag des Zentrum3, Sen Reichskanzler zu ersuchen, durch einen unabhängigen Beamten die Beschwerden der Akwaleute untersuchen zu laffen. Ein sozia demokratischer Antrag, die Verhafteten sofort freizulassen, wird abgelehnt.

15. Eine an den Reichstag gerichtete Eingabe von Fabrikanten für Militärausstattungen stellt fest, daß die Firma Tippelskirch Lieferungen von vielen Millionen ohne jede Ausschreibung frei händig übertragen erhält, und zwar auf Grund eines zehnjährigen Bertrages, der um die Mitte der neunziger Jahre abgeschlossen