Für den Wahllreis Bayreuth wurde in einer Seltions-Versammlung der bisherige Kandidat, Genosse Karl Hügel,wiederum einstimmig als solcher nominiert.Als Kandidat für den Wahlkreis Nordhau sen-GrafschaftHohenstein ist der Genosse Theodor Glocke Expedient des„Vorwärts", wieder aufgestellt worden.Im Wahlkreise Glauchau- Meerane wurde am Sonntag-nachmittag zu Glauchau in der Kreis- Generalversammlung fürden 17. sachsischen Kreis der Genosse Jgnaz Auer unter leb-haster Zustimmung einstimmig wieder als Kandidat aufgestellt.In äußerst stark besuchten Parteiversammlungen wurden imIS. und 1k>. sächsischen Reichstagswahlkreise diebisherigen Reichstagsabgeordneten, Genosse N o s k e- Chemnitz fürden 16. tChemnitz), Genosse Stückten- Dresden für den 1ä. Kreis(Rochlitz-Flöha), einstimmig wieder als Kandidaten aufgestellt. Esherrschte frohe Kampfesstimmung.Aus Ba d en wird uns berichtet: DieWa h lkr eisk o nferenzdes 16. Kreises zu Karlsruhe, die begeisterte Stimmung zeigte.stellte am Sonntag einstimmig den bisherigen Abgeordneten AdolfGeck wieder als Kandidaten auf. Der Landtagsabgeordnete Frühauf(freisinnig) soll die ihm angetragene Blockkandidatur abgelehnt haben:Lorschlag sei der Landgerichtsrat Wiehl, ein zum Zenttumneigender„Liberaler".— Die Jungliberalen haben bis jetzt nochkeine Kandidatur in Baden.-> Gen. Bebel spricht am Mittwochin Karlsruhe(Festhalle).«Von der Wahlbewegung in der Provinz Brandenburg.Aus dem Kreise Ruppin-Templin wird uns berichtet:Die ersten 40 WO Flugblätter find verbreitet worden. Ein er-freuliches Zeichen vom Wachstum der Organisatton ist es,daß der Wahlkreis. der früher stets Hülfe von auswärtsgebrauchte. diesmal die Aufgabe aus eigener Kraft be-wältigen konnte. Der Wahlverein Zeh den ick, der erst kürzlichzwei Stadtverorduetenmandate eroberte, konnte nicht nur seineneigenen Bezirk völlig selbständig belegen, sondern noch 50 Mann anandere Bezirke abgeben. Unter den widrigsten Umständen— mehrereGenossen haben die Nacht durchwachen»iüsien, da sie in den infolgelokaler Ereignisse Lberftillten ländlichen Gastwirtschaften keine Unter-kunft fanden— haben die Braven ihre Pflicht erfüllt. Möge beider nächsten Verbreitung der Eifer derselbe sein.Die Versammlungs'agitatton hat nrit zwei stark besuchten Ver-sammlungen zu Zehdenick und Curtschlag, in denen der Kandidatdes Kreises, Genosse Kiesel sprach, begonnen.In Sorau-Forst wurde am Sonntag auf der Wahlkreis-konferenz einstimmig der Genosse Max Maurenbrecher zumKandidaten gewählt._LIMIiche Beglückung der armenHeiden.Da ja die ReichstagSauflösung im Zeichen der Kolonialpolitikund der„nationalen Ehtc" erfolgt ist, ist eS am Platze, wieder ein-mal einige Tatsachen aus unserem südwcstasrikanischen Kriege aus-zugraben.Die Ursache» der Eingeborenenerhebungwerden durch folgendes klar erfichttich:Amtliche Prügelstrafen.Wie ausgiebig unter den Hereros geprügelt wurde, buchte ge-wissermaßen die amtliche Denkschrift für das Jahr 1302. Danachwurde nicht weniger als iu 473 Fällen die Prügelstrafe vollzogen.Namentlich im Hererogebiet wurde besonders oft geprügelt, nämlichin Swakopmund 128 mal. in K a r i b i b 87 mal und urW i n d h u l 99 mal.Ein Herer» über das Prügelsystem.Die„Tägliche Rundschau" veröffentlichte folgenden Briefeines nach Britisch-Südafrika ausgewanderten HereroS:„Ich teile Dir mit. das Land der Engländer ist wahrscheinlichein gutes Land, da sind keine Mißhandlungen; Weißer undSchwarzer stehen auf gleicher Stufe.... Es ist viel Arbeit undviel Geld und wenn auch Dein Vorgesetzter da ist, so schlägt erDich nicht, aber wenn er Dich schlägt und hat das Gesetz über-treten, so wird er auch bestraft."Amtliche Statistik dcS Viehraubes.In welchem Maße die Eingeborenen ihres teuersten Besitzes,ihres Biehstandes» beraubt wurden, auch darüber gibt die Denkschriftfür das Jahr 1902 Auskunft. In diesem Jahre wurde nämlich derViehstand sämtlicher Eingeborenen in Südwestafrika aus 45 895 StückRindvieh, 1675 Pferde und 136 557 Stück Kleinvieh ge-schätzt. Dieser Viehbestand entfiel auf eine Gesamtbevölkerung vonzweünalhunderttauiend Köpfen. Die weiße Bevölkerung betrug umdiese Zeit zirka 4000 Köpfe, also den 50. Teil der Bevölkerungs-ziffer der Eingeborenen. Dieser 50. Teil besaß jedoch" 44 487 StückRindvieh, 3590 Pferde und 210 803 Stück Kleinvieh. Wenige Jahrezuvor wurde, gleichfalls amtlich, der Viehbestand der Eingeborenenauf 3 bis 4mal hunderttausend Köpfe geschätzt.Wer verübte die meisten Verbrechen?Nach der amtlichen Denkschrift weist die Krüuuml-statisttk für das Jahr 1302 folgendes auf: In der ganzen Koloniewurden wegen Eigentumsvergehens Raub, Erpressung. Brand-stiftuno usw. insgesamt 516 Eingeborene bestraft, das sind0,25 Proz. Wegen der gleichen Vergehen wurden 28 Weiße be-st r a f r, das macht bei einer weißen Bevölkerung von 4635 Köpfen0,60 Pro,. Unter den Weißen war also die Zahl der Diebe uiw.prozeutua! mehr als doppelt so groß als unter den Eingeborenen.Noch viel schlechter schneiden die Weißen ab. wenn man die Ver-brechen und Vergehen wider die Person in Bettacht zieht.Solcher Vergehen wegen wurden 1302 ganze 17 Eiugevorenc ver-urteilt, also auf je 11 764 Personen einer. Die Zahl der wegendieser Delikte verurteilten Weißen beträgt dagegen 10, das macht aufje 463 Personen eine Verurteilung.Wie die Händler vorgingen.In einem Vortrage machte Missionar Meyer nach der„Osnabrücker Zeitung" folgende Ausführungen:„Die Händler ließen so viel zusammenkommen, bis cS ihnengenug war und dann nahmen sie den HereroS ein Stück Land ab,denselben Leuten, die oft vier- bis fünfmal bezahlen mußten, dasie sich keine Ouittungen geben ließen, außerdem wurden ihnenviele hundert Prozent abgenommen.... Nahm man nun denHereros ein Stück Land nach dem anderen ab— arnie ins Landgekommene Händler brachten es in kurzer Zeit zu einer Farm—,so dackre man doch seitens der Regierung nicht an die Errichtungvon Reservaten."Die. K r e u z- Z e i t u n g" schrieb:„Man hat es gewissenlosen Händlern gestattet, die Unerfahren-heit und den Leichtsinn der Hereros auszubeuten.... Die Ver-schuldung bei den iveitzen Händlern war in dem letzten Jahre insungeheure gewachsen, ganze Dörfer waren mit allem ihrem Viehund ihrem ganze» Grundbesitz bei ihren Gläubigern verschuldet.Wenn da? so weiter gebt, müßte das ganze Volk in kürzesterFrist zu einem besitzlosen Proletariat herabsinken...."In der Zeitschrift„Die deutsche Kolonie" heißt eS ineinem Briefe a»S Ontja vom 27. Januar 1904:„Die meisten Händler sollen ermordet sein und kann manhierin nur einen nicht unberechtigten Racheakt der Eingeborenensehen, die sich den unerhörten Vergewaltigungen und Brand-schatznugen der Händler widersetzten. Die Händler... meisttief verschuldetes, banterottes Gesindel...plünderten die Eingeborenen systematisch aus... Jeder Händlerhat genommen, was er hat fassen können, so hat z. B. ein Händlerim November von einer Werst für 23 000 M. an Vieh weg«gettieben."Der Präses der Rheinischen Missionsgesellschaft MissionarThiel I schrieb im„Reichsboten":„Das ihnen(den Hereros) als Reservat zugedachte Landist so klein und ungelegen gewesen, eine fast wertlose Wüste in denAugen der Hereros. Dazu kam der Verdacht, sie sollten dort ein-gepfercht werden und ihres übrigen Landes fürimmer verluftig gehen."Missionar Dassel erklärte über die Ursache des Herero-ausstaudes das Folgende:„Bierfünftel ihres Landes habe mau den HereroS abgenommen.Es fehle den dortigen Weißen vielfach an Selbstzucht, man seigleich bereit, seine sittliche Laxheit mit der sogenannten Tropen-krankheit zu entschuldigen. Die Missionare wüßtennichts von jener Tropenkrankheit. Es gäbe aberschwache Naturen, bei denen sich die sogenannte Tropenkraukhettauch am Nordpol einstellen würde."Das„christliche" Strafgericht.Nach der Darstellung des Generalstabes betrug die Zahl der amWaterberg konzentrierten Hereros 50 000 bis 60 000 Köpfe, darunter6000 mit modernen Gewehren Bewaffnete. Diese Massen wurden,ttotzdem ihnen nur 1500 Mann mit 30 Geschützen und 12 Maschinen-gewehren gegenüberstanden, geworfen und zur Flucht in die Wasser-lose Sandwüste der Omaheke abgedrängt. Die deutschen Verlustebettugen 26 Tote und 60 Verwundete. lieber die Verluste derHcrcros berichtet die„Kreuzzeitung":„Die Widerstandskrall der Hereros war völlig gebrochen, wiedie am 13. beginnende Verfolgung zeigte. Die Szenen, die sichhierbei den verfolgenden Trilppen boten, spotteten jeder Be-schreibung. Das Sttafgericht, das über die HereroS verhängt war,hatte seinen Anfang genommen und sollte in den Sandwüsten derOmaheke, wohin sich ihre Flucht wandte, sein Ende finden. Einemonatelnnge eiserne Absperrung vollendete es. Die Berichte derdeutschen Pattouillcnführer geben erschütternde Bilder davon. Soberichtet Oberleumant Graf Schweinitz von seinem Ritte:„Von Oudown ab bezeichnete eine im Omuvamba anS-getretene Fußspur, neben welcher Menschenschädel und Gerippeund Tausende gefallenen Viehes, besonders Großviehes, lagen,den Weg, den anscheinend die nach Nordosten enttvichenen HereroSgenommen haben. Besonders in den dichten Gebüschen am Wege,wo die verdurstenden Tiere wohl Schutz vor den versengendenSttahlen der Sonne gesucht hatten, lagen die Kadaver zuHunderten dicht neben- und übereinander. An vielen Stellen warin 15 bis 20 Meter tiefen, aufgewühlten Löchern vergeblich nachWasser gegraben... Alles läßt darauf schließen, daß der Rück-zug ein Zug des Todes war..."In den: Berichte eines anderen Mitkämpfers heißt es:„Die mit eiserner Sttenge monatelang durchgeführte Ab-sperrung des Sandfeldes vollendete das Werk der Vernichtung.Die Kriegsberichte des Generals v. Trotha aus jener Zeit ent-hielten keine Aufsehen erregenden Meldungen. DaS Drama spieltesich auf der dunklen Bühne deS Sandfeldes ab. Aber als dieRegenzeit kam, als sich die Bühne allmählich erhellte, und unserePatrouillen bis zur Grenze des Beffchuanalandes vorstießen, daenthüllte sich ihrem Auge das grauenhafte Bild verdursteterHeercszüge. Das Röcheln der Sterbenden und das Wutgeschreides Wahnsinns... sie verhallten iu der erhabenen Stille derUnendlichkeit!"Das Strafgericht hat sein Ende gefunden. DieHcreros haben aufgehört, ein selbständiger Volksstamm zu sein."Zehntausende haben damals im Fieberwahnsinn des Verdurstensihr Leben in der Omaheke ausgehaucht I Sie konnten nicht zurückinfolge der„monatelang durchgeführten eisernen Umklammerung".Trotha, der„große General", harte ja den Befehl gegeben, jedenHerero, ob bewaffnet oder unbewaffnet, niederzuschietzen, auch Frauenund Kinder sollten durch Flintenschüsse über die Köpfe weg wiederin den Tod des Verschmachtens zurückgetrieben werden Ipdftifcke Qeberficbt.Berlin, den 24. Dezember.Bülowfche Mehrheitskombinationen.Als der Reichstag aufgelöst wurde, überschlug sich die frei-sinnige Presse in patriotischen Phrasen. In naiver Verkennung derBeweggründe, welche die. Regierung zur Auslösung des Parlamentsund zur plötzlichen Auflehnung gegen die jahrzehntelang willig er-tragene„Nebenregierung" des Zentrums bestimmten, sahsie das Morgenrot der liberalen Aera aufflammen und glaubtetatsächlich in ihrer kindlichen Herzenseinfalt, die jetzige Regierung,die spezifische Interessenvertretung der Großagrarier, gedenke dem„liberalen Gedanken" Konzessionen zu machen. Selbst einMinisterium Bülow-Posadowsky-Schrader erschien ihr in das Be-reich der Möglichkeit gerückt. Soweit noch politische Urteilsfähigkeitim heutigen Freisinn steckt und die kleinen Tages- und Fraktions-fragen das Verständnis für die politischen und wirtschaftlichen Zu-sammenhänge noch nicht völlig erstickt haben, tritt jedoch allmählichin einem Teil der freifinnigen Kreise eine gewisse Ernüchterungein. Nachdem schon alsbald nach der Reichstagsauflösung HerrBarth vor optimistischen Hoffnungen auf eine„liberale Aera" ge-warnt hatte, schreibt heute auch das„Verl. Tagebl.":„Was war denn die Veranlassung der Auslösung des Reichs-tages? Doch nichts anderes als der Uebermut desZentrums, das bei den Kolonialforderungen eine Kraft-probe machen wollte. Die Reichsregierung sah ein, daß sie allenKredit verloren hätte, wenn sie sich auch in diesem Falle unterdas Zentrumsjoch ducken würde, und zog es vor, den Reichstagnach Hause zu schicken. Sie konnte das um so eher wagen, alssie in dem entscheidenden Augenblicke die liberale Linke, diegleichfalls nicht mehr nach der Zentrumspfeife tanzen wollte,auf ihrer Seite sah. Das Zentrum hatte es trotzdem mit Hülfeder Polen und Sozialdemokraten auf eine Mehrheit gebracht,aber diese Mehrheit war so gering, daß die Hoffnung nicht aus-geicklossen erschien, sie durch einen übrigens völlig verfassungs-mäßigen Appell an das Volt in eine Minderheit zu verwandeln.Deshalb kann es sich für den bevorstehenden Wahlkampf auchum keine andere Aufgabe handeln, als dasZentrum aus seiner Stellung als herrschendePartei herauszuwerfen. Alles andere, was cS auch� sei. müßte diesem obersten Zwecke untergeordnet werden."Das Mossesche Blatt führt dann aus, wie in Konsequenz dieserAufgabe die Regierung und die nationalliberale Partei vor allemeine Verminderung der Zentrumsmandate erstreben müßten, undfährt dann fort:„Aber das will offenbar die Regierung gar nicht. Alles, waSsie erstrebt, ist offenbar die„Möglichkeit einer zweitenM c h r h e i t s k o m b i n a t i o n", die sich aus den liberalen undden konservativen Parteien zusammensetzen soll. Einer zweitenMehrheitskombination, wohlgemerkt! Die erste Mehrhcits-kombination. die aus dem Zentrum und den konservativenParteien bestehen würde, soll nicht angetastet werden. Das isteine schwächliche Halbheit, ja, das ist fast schon die Verleugnungder ursprünglichen Wahlparole. Denn das Zentrum würde jadann doch unentbehrlich sein, es wäre nur nicht mehr nötig, wennes sich um die Forderungen für die Kolonien handelte, da dieliberalen Parteien hier helfend einspringen würden.Sonst bliebe alles beim alten.Glaubt die Regierung ernstlich, daß sich die Liberalen mitdieser Aschenbrödelrolle, die ihnen nur die Aufgabeläßt, die nationalen Erbsen aus der heißen Asche zusammeln, zufrieden geben würden? Wenn man sie haben will.dann müssen sie auch etwas zu sagen haben, nicht bloß in densogenannten nationalen Fragen, sondern auch in Fragender Kultur und der WirtschaftSsidlikir. Derganze Kurs muß ins liberale Fahrwasser geleitet werden. Mankann nicht nach rechts und nach links zugleich hinken."Auch diese Ausfassung schwebt noch immer in der Luft undrechnet mit Absichten der Regierung, die diese niemals gehabt hat;aber sie bekundet wenigstens insofern einen Fortschritt, als sie an-erkennt, daß das Ministerium Posadowsky-Schrader eine Illusionist. und die Regierung lediglich den Zweck verfolgt, eine„zweiteMehrheitskombination" zu erhalten. Allerdings überden Charakter dieser Mehrheitskombination täuscht sich das„Berk.Tagebl." noch immer, da es von ganz unrichtigen Boraussetzungenausgeht. Die Annahme z. B.. daß die Regierung nicht mehr nachder„Zentrumspfeife" tanzen und sich dieser Nebenregierung ent»ziehen will, ist ganz falsch. Die Bülowsche Regierung hat nieetwas gegen„Nebenregierungen" an sich einzuwenden gehabt.Ebenso wenig wie gegen die„Nebenregierung"der A r end t- Ka rdo rff- C l i q u e in der Peters»Affäre hat sie sich jemals gegen die Neben»regierung der Junker gewendet; obgleich diese sichnicht nur auf eine Beeinflussung einzelner Reichsämtcr beschränkte.sondern stets im stärksten Maße mit höfischen In-tri gen, z. B. noch jüngst beim Konflikt Bülow-Podbielski, ge-arbeitet und sich niemals gescheut hat, in Fällen, wo sie ihrenWillen durchsetzen wollte, sogar den ihrer Fahnefolgenden Teil der preußischen Bureaukratiegegen die Regierung mobil zu machen« wie in derFrage des Mittelland-Kanals.In allen solchen Fällen hat Bülow nie gegen die agrar-konservative..Nebenregierung", selbst wenn diese, wie beim Kampfum den Rhein-Elbe-Kanal, offen zur Rebellion aufrief, ernstlichFront gemacht, sondern sich willig unter das„kaudinischeJoch" der Agrar-Konservativen gebeugt, und zwar trotzdem derKaiser fein Ehrenwort für die Erbauung de? Kanals verpfändethatte. Ja, die Regierung hat ihre sklavische Unterordnung unterdie„Nebenregierung" der Konservativen sogar soweit getrieben,daß sie die aufsässigen Beamten die Treppe zu höheren Würdenhinaufbeförderte. Und ebensowenig hat jemals Bülow gegen diereakttonäre Beeinflussung der Regierung durch das Zentrum beiden Zollkämpfcn der Jahre 1901/02. noch gegen die Verneigungdes Kultusministeriums vor der klerikalen Hierarchie und dieKaiserfahrten nach deutschen Abteien und Bischofssitzen etwas ein-zuwenden gehabt. Diese Arten der„Nebenregierung" des Zentrumsdünkte ihm vielmehr ganz legitim. Sein vaterländisches Herz geriete r st dann in patriotischen Zorn, als das Zentrum sich aus Rück-ficht auf einen Teil seiner Wählerschaft, der aus Arbeitern, Klein-bürgern und Bauern besteht, nicht völlig den weltpolitischen Redender Regierung resp. des Kaisers fügte.Deshalb erstrebt die Regierung auch nicht für das Gesamt-gebiet der Politik eine zweite Mehrheitskombinatton, sondernnur für ihre Weltpolitik. Für die Wirtschafts- undSteuerpolitik will sie keine andere Kombination als die bisherige,und hält sie auch keine andere für möglich, denn jedes, auch dasgeringste Zugeständnis an den Liberalismus auf diesem Gebietwürde sofort die Agrar-Konservativen in dieselbe Rebellion treiben,die sie sich in der Kanalvorlage geleistet haben. Eine konservativ-liberale Mehrhcitskombination kann nur solange dauern, als derLiberalismus auf jede liberale Forderung verzichtet und sich be-dingungslos den Ansprüchen der Agrar-Konscrvattven unterwirft.Sobald die liberalen Parteien auch nur die kleinste liberale Kon-zesston verlangen würden, hätte auch schon die konservativ-libcraleKombination zu bestehen aufgehört.Aus diesen Gründen existiert die Möglichkeit eines liberalen Re-giments auch nur in den Köpfen liberaler Phantasten. Die Regierungweiß, daß eine liberal-konservative Kombination, soweit die innerePolitik in Betracht kommt, nicht existenzfähig ist; sie will deshalbin Betracht kommt, nicht existenzfähig ist; sie will deshalbauch diese Kombination nur für ein ganz be-stimmtes politisches Gebiet: für die Welt- undKolonialpolitik. Die Wirtschaftspolitik soll wie bisher mitHülfe des Zentrums nach agrarischem Rezept betrieben werden;nur dann, wen» das Zentrum bei den Kolonial- und weltpolitischenForderungen die Gefolgschaft versagt, möchte die Regierung dieMöglichkeit haben, die Freisinnigen aushülfSweiseheranzuziehen, um ihre imperialistischen Pläne durch-zusetzen.Tatsächlich dient also der Freisinn damit, daß er sich in dieihm von der Regierung angewiesene Rolle schickt und den Kon-servativen und Nationalliberalen bei den Wahlen Schleppdienstezu leisten gedenkt, nur der Reaktion. Es ist deshalbgeradezu lächerlich, wenn freisinnig-volksparteiliche Blätter für einZusammengehen der nationalen Parteien plädieren und zugleichüber.ihre Befeindung durch � die sozialistische Presse klagen. Fürdie sozialdemokratische Arbeiterpartei ergibt sich aus der gegebenenSituation die Aufgabe, soweit ihre Kräfte reichen, sowohl dieBildung einer neuen konservativ-klerikalenMehrheitskoalition für die Fortsetzung derbisherigen reaktionären Wirtschaftspolitik.als auch die Bildung einer liberal-konser»vativen Koalition zur Durchführung der weit-politischen Projekte der Regierung zu ver-hindern.—_Absolutismus.Die„Norddeutsche A llgemeine Zeitung" kommtaus dem„Dementieren" gar nicht mehr heraus. Bald muß sieKai sc rw orte kommenttercn, bald dem biederen Freisinn diegewünschte Versicherung geben, daß die Regierung nicht im TraumeStaats st reichgedanken hege, bald wieder muß sie erklären,daß so etwas wie Absolutismus in Deutschland nicht vor-Händen sei. So schreibt sie in ihrer Sonntagsnummer:„Die„Kölnische Volkszeitung" und sozialistische Blätterwiederholen in den verschiedensten Wendungen die Agitattons-Phrase vom Kampfe gegen den„Absolutismus". ES handelt sichhier um ein Schlagwort ohne jeden tatsächlichenGehalt, mit dem man auf den Wähler nur dann Eindruckzu machen vermag, wenn man ihn über das Wesen des ver-fassungsmäßigen Lebens im Deutschen Reiche im Dunkeln läßt.In Wahrheit ist im Bundesstaate Deutschland bei der Verteilungder Gewalten, wie die Versaffung sie vorsieht, für eine Be-tätigung des AbsolutiismuS kein Raum ge-lassen; ebensowenig Raum allerdings für d!ieEinrichtungeinerparlamentaris ch en F r ak tionS-Herrschaft. Nicht ans Anschauungen, die dem„fürst.tichen Absolutismus vergangener Jahr»hunderte" angehörten, ergab sich der einstimmige Beschlußdes Bundesrats über die Notwendigkeit der Auflösung de? Reichs.tags, sondern aus der patriotischen U eb e r z e ug u n g.daß Fragen der Wafsenehre und deS nationalenAnsehens nichtzum Spielball von Parterinter-essen werden dürfen."Dies Dementi wird allenthalben gebührende Heiterkeit erwecken.Es ist Mnz in dem Stile B ü l o w s gehalten, der ungefähr das-selbe bereits in der ReichStagssitzung vom 20. Januar 1903 sagte.Nur daß er damals noch einen seiner Trümpfe mit den Wortenausspielte'