x|i. 300. 28. ZahtMg.1. ßtitat drs Jotiüärts" Knlim WsMDieustag, 25. Dezember 1906.Mitten im Kampfbegehen wir dies Jahr das Weihnachtsfest, beenden wir dasalte Jahr und treten wir in das neue ein. In solchen Zeitenprüft wohl mancher, ob das Zutrauen, das er seiner bisherigenpolitischen Vertretung entgegenbrachte, gerechtfertigt war. oderob er nicht Anlaß hätte, in dieser Beziehung eine Aenderungeintreten zu lassen. Im Wahlkampf wird das Resultat dieserPrüfung zweifellos s o ausfallen, daß die Zahl derer, die dereinzig zuverlässigen politischen Partei, derSozialdemokratieihre Stimme geben, in erfreulichem Maße steigt.Bietet aber das Parlament, bietet die Tribüne desReichstages allein Gelegenheit, für die Rechte des Volkes ein-zutreten?Mitten im Wahlkampf, bei aller Konzentration darauf,der Sozialdemokratie neue Anhänger zuzuführen, darf dochder wahre Parteigenosse nicht vergessen, daß es nicht nur gilt,Stimmen zu erwerben undMandate zu erobern, sondern auch, beiden Neugewonnenen die Einsicht in die sozialistischen Ideen zu ver-tiefen und den Vertretern des Volkes außerhalb des Parlamenteseinen Resonanzboden zu schaffen, der ihren Ruf an die Massenwicdertönt, der ihre Anklage gegen dies Regierungssystemunterstützt!Ein solcher Resonanzboden ist die sozialdemokratischePresse, ist vor allen Dingen das Zentralorgan der Partei, der„Vorwärts".Aber mehr als das! Die freie Presse, die einzig freie, diesozialistische Presse führt auch direkt denpolitischen Kampf!Was für die Wahl der Abgeordneten gilt, gilt auch fürdie Wahl der Zeitung!In solchen Kampfzeiten wie in den jetzigen begreift dasso mancher, der sonst in bezug auf die Auswahl seiner Lektürenachlässig und fahrlässig war. In Kriegszeiten vertraut maneinem zuverlässige« Kämpfer die Wahrnehmung seiner Jnter-essen an, nicht einem seichten Plauderer! Darum hat die Zahlder Abonnenten, über die der„Vorwärts" verfügt, auch ständigzugenommen(im letzten Jahre allein um etwa 30 000!) undbeträgt jetztissoo«:Kein Wunder! Hat doch gerade der„Vorwärts" imKampfe gegen den Brot- und Fleischwucher, im Kampfe gegendie Kolonialgreuel, gegen die Klassenjustiz, für ein frcicSWahlrecht, ein freies Koalitionsrecht immerdar seinen Manngestanden.— Und doch sind ihm noch unzählige Abonnentenzu gewinnen, stehen ihm noch Tausende und Abertausendederer als Leser fern. deren Interessen er so unentwegtvertritt!Genossen! Leser deS„Vorwärts"! Ist das nicht auchnoch in Eurem Bekanntenkreise der Fall? Und meint Ihrnicht, daß gerade jetzt, mitten in dieser Kampfesstimmung,mitten in dieser Kampfesfreude der rechte Augenblick sei, denFreund, den Arbeitskollegen, den lauen Parteigenossen aufseine Pflicht der sozialdemokrattschen Parteipresse gegenüberaufmerksam zu machen, auf seine Pflicht zum Abonnement?Sagt demPolitiker,daß kein Blatt die Kolonialmißwirtschaft, dieKolonial-Greuelso scharf und treffend geißelte, als der„Vorwärts"!Sagt demGewerkschaftler,daß kein Blatt ihm in seinen Kämpfen mit dem Unternehmer-tum so zur Seite steht, daß keins so rasch und treffend undschlagfertig den Kampf gegen dasGewerkschastsknebel-Gesetzaufnahm, als der„Vorwärts"!Sagt deminvaliden und kranken Arbeiter,ocr die Schönheiten unserer sozialen Gesetzgebung am eigenenLeibe ausprobieren muß, daß kein anderes Blatt die Unzu-länglichkeit derSozialgesetzgebungso an den Pranger gestellt hat. als der„Vorwärts"!Und derHausfrau,die über teure Zeiten klagt, teilt mit, daß kein Blatt denKampf gegen die brotverteuernden Lebensmittelzölle, gegen denBrot- und Fleischwuchermit der Verve führte, als derSDie russische Revolution.12 Millionen Frank Bestechungsgeld.DaS französische Journal.Revue' veröffentlicht interessanteEnthüllungen über stanzöfisch-nlssische Bestechungsmanipulationen.Der Berfaffer des Artikels schildert unter dem Pseudonym„Lizisse"(hinter dem sich einer der Minister deS früheren Kabinetts Rouvierverbirgt) all die Machenschaften der großen Bankhäuser, welche dieVorherrschast auf dem französichen Geldmarkt an sich gerissen haben;er berührt im Vorübergehen auch die Bedingungen, unter denen dieletzte russische Anleihe zustande gekommen ist. Er weist darauf hin,daß. während der Emissionspreis 88 Frank betrug und noch vor derEmission der Anleihe durch geschickte Börsenmanöver bis auf 95 Frankhochgeschraubt wurde, dem Bankenkonsorttum die Anleihe viel billigerzu stehen kam— nämlich bloß 82 Frank.„Folgendes sind die ge-nauen Bedingungen der Anleihe. Sie wurde zu dem Preise von83 Frank abgeschlossen, aber diese Ziffer enthielt zugleich die Siom-misfionsgebühr in der Höhe von 1 Proz., welche an Herrn T., denVermittler der Banken, gezahlt worden ist. Außerdem mutzte dierussische Regierung noch die stanzösische Steuer bezahlen. Somithat sie tatsächlich noch weniger als 82 Frank bekommen. Es wäreinteressant zu erfahren, wer dieser Herr 2i. ist, dieser Vermittlerder Banken, dem die 12 Millionen Frank„Kommissionsgebühr"in den Schoß gefallen sind.... Wir wollen hoffen, daß dieseSache recht bald im Parlament zur Sprache kommen wird. Eshandelt sich um 12 Millionen, eine respektable Summe, die diesergeheimnisvolle Herr 3£. zum Schaden der französischen Ersparnissesich angeeignet hat. Die französische Regierung, welche diese Anleihegenehmigt, und die russische, die sie benutzt hat, haben beide ingleichem Maße ein Interesse daran, daß diese mystische Persönlichkeitdemaskiert werde. Frankreich und sein Parlament haben das Rechtund die Pflicht, sich Gewißheit darüber zu verschaffen, wer diesGenie ist. dem wir die Segnungen der letzten Anleihe zu verdankenhaben."Der Korrespondent der„Rjetsch" stellt diese Auslassungen mitJaurös' Notiz in der.Humanits" zusammen, in welcher zum ersten-mal in der französischen Presse ein Politiker und Finanzist mitNamen genannt wurde, der im gegenwärtigen Augenblick so eistigbeschäftigt ist, neue Kombinationen mit Pariser Banken zugunstender russischen Regierung auszuarbeiten. Es ist der ehemaligeMinisterpräsident und jetzige Senator Rouvier, mit dem Graf Witteund Herr Kokoffzew beim Abschluß der April- Anleiheso trefflich harntoniert haben. Jaurös schreibt aus diesem~:s genügt noch nicht. daß die Regierung eineEmission der russischen Anleihe verbietet— sie mußmaskierten Anleihe vorbeugen... Die Bank-operation des Herr» Rouvier fällt mit den Finanzoperationen, diein Berlin zugunsten der russischen Regierung betrieben iverden, zu-sammen. Sie ist in Wirklichkeit der französische Anteil an der all-gemeinen Anleiheoperation, die sich gleichzeitig auf Frankreich undDeutschland erstreckt. Und das ist eine Verletzung des französchenGesetzes. Aber das republikanische Frankreich wird nicht zulassen.daß die Finanzisten seine Gesetze mit Füßen treten und auf dieseWeise die Knechtung der russischen Freiheit fördern."—Adelsgarde.Den unausgesetzten Bitten des balttschen Adels entsprechend hatder Generalgouverneur Baron Möller-Sakomelskij soeben erwirkt.daß das Leibgarde-Grenadierregiment, welches als Straferpeditionin den Ostseeprovinzen tätig ist. seinen Aufenthalt dort bis MitteJuni 1907 verlängert.Die Sieders, Sivers usw. scheinen die Stimmung der Volks-massen also nicht als sehr adelsfreundlich einzuschätzen.Anlasse;neue offeneauch einerHiiö der Partei.Da? Handbuch für sozialdemokratische ReichstagSwähler, das vomParteivorstand herausgegeben wird, erscheint Ende d e SMonats und wird sofort den Zentralkomitees zugehen. Be-stellungen der Kreise sind an die ZenttalwahlkomiteeS zu richten.„Vorwärts"!Leser des„Vorwärts"! Parteigenoffen! Rüttelt dieLauen, die Schlaffen, die Gleichgültigen, die Nachlässigen auf,macht sie zu Lesern des„Vorwärts" I Der„Vorwärts" wirdEuch danken, indem er versuchen wird, sie zu wackeren,tättgen Parteigenossen und Mitkämpfern zu erziehen IAus der Petersburger Arbeiter-bewegung der 70 er Jahre.ii.In zwei geheimen Versammlungen im Dezember 1878 wurdeder Nordrussische Arbeiterverband, dem nur Arbeiter angehörendurften, gegründet. Bereits in der ersten Woche belief sich seineMitgliederzahl auf 299(ebenso viele standen ihm nahe, ohne ihmformell anzugehören), was in Anbetracht der damaligen Existenz-Verhältnisse der geheimen Organisationen als gewaltiger Erfolgbezeichnet werden muß. In den meisten Arbeitervierteln besaß derVerband Zwcigvereine, von denen jeder seine konspirative(geheime)Wohnung hatte, in der die Dokumente aufbewahrt wurden und dieVersammlungen des gewählten Lokalkomitees stattfanden. TieGesamtheit der Lokaltomitees bildete das Zentralkomitee, welchesdie Kasse und die große Bibliothek, den Stolz des Verbandes, ver-waltete und über die wichtigsten Angelegenheiten des Verbandesentschied. Die Mittel des Verbandes flössen aus Mitglieder-beitragen und wurden hauptsächlich zu Streikunterstützungen ver.wendet, da die praktische Tätigkeit der Organisation in bedeutendemMaße in der Teilnahme an Streiks und in deren Leitung bestand.Der ganzen Organisation präsidierte der Tischler StephanC h a l t u r i n, einer der hervorragendsten Revolutionäre jenerZeit, der schon mehrere Jahre in der revolutionären Bewegungtätig war. Unermüdliche Energie, grenzenlose Hingabe an seineschwere, gefahrvolle Arbeit swie viele Revolutionäre war Chalturin„illegal", d. h. er mußte sich durch einen falschen Paß den Ver-folgungen der Polizei entziehen), eine durch eifriges Selbststudiumerworbene Bildung in sozialen Fragen, die Fähigkeit, mit wenigenWorten die Stimmung der Massen getreu wiederzugeben— dasalles sicherte Chalturin einen tiefen Einfluß auf alle, mit denener in Berührung kam, und krait dem Zauber seiner Persönlichkeitübte er auf die Arbeiter eine Art Diktatur aus, der diese sich frei-willig unterwarfen. Ihm zur Seite stand der Schlosser ViktorObnorsky, einer der ältesten sozialistischen Arbeiter Peters-burgs, ein Schüler der„Tschaikowzy". Der Lieblingsgedanke dieserbeiden Führer des Verbandes war die Herausgabe einer speziellden Interessen der Arbeiter gewidmeten Zeitung, und es gelangihnen auch mit ausschließlicher Hülfe der Arbeiter, eine geheimeDruckerei aufzustellen und die erste Nummer ihrer Zeitung„SarjaRadotschawo"(„Das Erwachen des Arbeiters") zu drucken. Abernoch ehe sie zur Verbreitung gelangte, wurde die Druckerei entdecktund die Nummer beschlagnahmt. Kurz darauf fanden infolge derProvokatorischen Tätigkeit des RcgierungSagenten Reinstein zahl-reiche Verhaftungen der tätigsten Mitglieder des Verbandes statt.gerade in dem Augenblick, wo mit Arbeitcrgruppen in der ProvinzVerhandlungen über ihren Beitritt zum Verband angeknüpftwaren. Ende des Jahres 1879 hörte der Verband auf zu existieren.Ein kurzes Leben, das aber dem Geschichtsschreiber derrussischen Revolution vieles sagt; denn die Bedeutung des Nord-russischen Arbeiterverbandcs liegt nicht in dem, was er vollbracht,Soziales*Lange Arbeitszeit wirkt erfrischend!DaS scheint die Ansicht der Ansbacher Bäckermeister zu sein.Die Regierung hat bei den Stadtverwaltungen angefragt, ob sicheine weitere'Ausdehnung der Ruhezeit der Bäckergehülfen an dengroßen Festen empfehle. Der Magisttat der Stadt Ansbach ersuchte diedortige Bäckerinnung um ein Gutachten. Die Herren erklärten sichnatürlich gegen die Ausdehnung der Arbeitsruhe, sie möchten viel-mehr am liebsten die derzeitige Ruhezeit abgeschafft wissen. Inihrem Gutachttn führten sie an, nach Einführung der Ruhezeitkomme jetzt das Personal bedeutend abgespannter zur Arbeit als esstüher der Fall gewesen sei I Nach den Prinzipien der AnsbacherBäckermeister müßten wohl die Bäckergehülsen, wenn sie nicht anErschöpfung zu Grunde gehen sollen, den 24 stündigen Arbeitstaghaben._Ein Jahr Gefängnis gegen ein Kind!Ein jugendlicher„Brandstifter" stand am Sonnabend in derPerson des 14jährigen Schulknaben Sch. aus Lachendorf bei Cellevor der Strafkammer in Celle. Er hat am 19. Juni d. I. das Hansdes Abbauers Lindmüller in Ahnsbeck— bei dem er als Hütejungebedienftet war— dadurch in Brand gesteckt, daß er das auf deinBoden liegende Heu mit einem Streichholz anzündete. Er erhieltein Jahr Gefängnis!Wer auch nur einigerniaßen die Verhältnisse des wirklichenLebens kennt und auch nur ein klein wenig Psychologieund Entwickelungslehre gelernt hat, muß wissen, daßJnbrandstecken von Dingen kindliche Freude und Spielenmit Feuer gar häufig bei Kindern während ihrerPubertätszeit anzutreffen tst. ES ist ein fast unwiderstehlicher Drang,der viele Kinder in dieser Periode zu meist unschuldigen, aber auchrecht häufig gefährlichen Spielereien mit der flackernden, leuchtenden,zu- und abnehmenden Flamme veranlaßt. Hiergegen anztikämpfenist Sache der Erziehung, kann nie und nimmer eine Ausgabe desStrafrichters sein. Es ist eine Versündigung der Gesellschaft deinKinde gegenüber, daß es zu harter Fron um des Leibes Notdurftgezwungen wird. Es ist ein doppeltes Unrecht, das arine Kindfür etwas zu strafen, wofür es nicht verantwortlich ist. BittersteUngerechtigkeit, ein Kind auf ein Jahr in ein Gefängnis zu stecken,statt seine geistigen und körperlichen Fähigkeiten durch Erziehungzur EntWickelung, Blüte und Reife zu bringen. Klagt die an, die esverschulden, daß das in der Entwickesimg befindliche Kind ausgebeutetwird, verurteilt dis»virtschastlichen, sozialen und politischen Verhältnisse,die eine solche Ausbeutung und Verkümmerung der Kräfte des Kindesverschulden. Aber verurteilt nicht das unschuldige Opfer der Ver-Hältnisse, das schuldlose Kind. DaS sollten Richter, die daS Lebenkennen und in jedem Menschen ein gleichberechtigtesWesen anerkennen, sich selbst sagen. Vergeblich istes, jene zur Uebung der Gerechtigkeit aufzurufen, die indem Arbeiter und seinem Kinde das verstockte, böswilligeArbeitstter und �nicht den besonderen Schutzes bedürftigenMitmenschen erkennen. Achtung vor dem Rechte des Kindes fehltder Gesetzgebung, fehlt noch mehr der bürgerlichen Rechtspflege, dieda glaubt Gerechtigkeit zu üben, während sie das bitterste Unrechtdem Kinde zusiigt. Die Unfähigkeit der bürgerlichen Organe derRechtspflege zur Betätigung wahren Rechtes zeigt sich in der er-schreckenden Zunahme harter und ungerechter Urteile gegen Arbeiterkinder. Hiergegen helfen nicht kleine Pflästerchen, wie Jugend-gerichlshöfe, sondern nur eine völlige Umgestaltung der Organisationder Rechtspflege und der sie leitenden Grundsätze.Hus Industrie und Kandel.LebenSmittrlwuchcr.Die Bündlerpresse, der es natürlich vor den Wahlen durchausnicht festtäglich zu Mute ist, versucht gern, eS so hinzustellen, als obder augenblickliche Warenpreisstand eine internationale Erscheinungsei. Auch möchte man glauben machen, die Teuerung beschränktesich aus Vieh und Fleisch. Speziell Getreide soll von der Preis-wucheret verschont worden sein. Daß solche zöllnerische DarstellungSchwindel ist, zeigt sich im Lichte der Statisttk. AuS den Zusammen-stellungen des Kaiserlich Statistischen Amtes in den„Vierteljahrs-heften zur Statisttk des Deutschen Reiches"(Viertes Heft 1996)sondern in dem Programm, das er aufgestellt, in den Zielen, dieer sich gesteckt hat, die aber erst einige Jahrzehnte später von derrussischen Sozialdemokratie in Taten umgesetzt werden konnten.Wodurch unterscheiden sich nun die Anschauungen deS Ver-bandes, wie sie in dem fast einzigen Dokument, welches die Ge-schichte der russischen revolutionären Bewegung von dieser merk-würdigen Organisation besitzt, in dem„Aufruf an die ArbeiterRußlands", dargelegt sind, von den Anschauungen seiner zeit-genössischen Organisation der sozialistischen Narodniki„Scmlja iWolja"? Als wir diese eingangs charakterisierten, sagten wir,daß die Narodniki all' ihre Hoffnungen auf das Bauerntumsetzten und von ihm die Vollbringung der s o z i a l e n Revolution in nächster Zeit erwarteten. Anders der Verband: Er setzteseine Hoffnungen auf die Arbeiterschaft, und sein nächstes Zielwar die Eroberung der politischen Freiheit, die er als un-erläßliche Vorbedingung der sozialen Revolution betrachtete. DieNarodniki haben sich in ihren Schriften stets gegen die polltischeFreiheit ausgesprochen; sie hielten sie für schädlich, der sozialenRevolution gefährlich. Die politische Freiheit, sagten sie, wird nurden bürgerlichen Klassen zugute kommen, die Bauern aber sindzu schwach, sind von ihnen ökonomisch zu sehr abhängig, um diepolitische Freiheit zu ihren Gunsten auszunutzen. Auf diese Weisewird die politische Freiheit zur Befestigung der Herrschaft derbürgerlichen Klassen, zur Entioickelung des Kapitalismus fuhren,der die Bauern ihres Bodens berauben und sie in Proletarierverwandeln wird;' so kommen die Bauern ans dem Regen unterdie Traufe— sie wechseln ihren Herrn, die Ausbeutung wird abereher eine noch schlimmere, wie das Beispiel Wcst-Europas zeigt.Daher waren jene bestrebt, sofort die soziale Revolution herbei-zuführen, die jeder Ausbeutung ein Ende macht.Es ist nicht schwer zu bemerken, daß dieser ganze Gedanken-gang vom Standpunkt des Bauerntums ausgeht und die Arbeiterganz außer Acht läßt. Der Nordrussische Arbeiterbcrband aberging vom Standpunkt der Arbeiterklasse aus, und dasKlassenbewußtsein oder vielmehr damals erst der Klassen-Jnstinkrder Petersburger Arbeiter wies ihnen den richtigen Weg zur Er-kcnntniö der großen Wichtigkeit der politischen Freiheit für dieEmanzipation des Proletariats. Sic ahnten dunkel, daß diepolitische Freiheit ihnen ein neues, ein mächtiges Kampfmittelin die Hand geben würde, welches unter der Herrschaft desZarismus nur schwer zugänglich ist:— die Organisation.In seiner Polemik gegen die„Semlja i Wolja" schrieb der Ver-band:„Wir müssen uns gewisse Rechte erringen, um die zursozialen Revolution strebenden Organisationen zu sichern." Unddiese klare und unumwundene Anerkennung der politischen Freiheitals einer notwendigen Vorstufe zum Sozialismus ist es, die denVerband zu einem Borläufer der Sozialdemokratie Rußlandsmacht, die 29 Jahre später den Kampf für diese Forderungen auf-genommen hat.Der Verband selbst fiel den eigentümlichen russischen Ver-Hältnissen zum Opfer; die äußeren Ursachen seines Verfalls habeneinen tiefen inneren Grund. Die Resultatlosigkeit der Propagandader sozialen Revolution in der Bauernschaft unter dem Regime