Mandat(n Memel-Heydckrug, Tilsit-Niederung, Mariendurg-Elbing, Ruppin-Templin, Potsdam-Osthavelland, Westprignitz,Oberbarnim, Landsberg-Soldin, Kalau-Luckau, Zauch-Belzig,Kottbus-Spremberg, Striegau- Schweidnitz, Lüben-Bunzlau,Querfurt-Merseburg, Bitterfeld-Delitzsch, Liebenwerda-Torgau,Minden-Lübbecke, Hagenow-Grevesmühlen, Güstrow-Ribiiitz,Mecklenburg-Strelitz, Czarmkau-Kolmar; insgesamt 21 Ma»-d«te.—_Eine freisinnige Wahlrede.Im Jahre 1861 kandidierte Hermann Becker, genannt„der Rote", in D o r t m u n d für den preußischen Landtag.In seinem Wahlprogramm schilderte er die Gefahren des Militär-staats, des allen Nationen gemeinsamen Feindes, der in Paris,in Napoleon seinen einflußreichsten Vertreter habe.„Ueberall, wo die Völker in krampfhaften Anstrengungenum eine zuträgliche Gestaltung ihres Staatswesens ringen, kannman sagen, daß das Menschentum mit diesem fürchterlichenSysteme kämpft, das die Fähigkeit, die Strebsamkeit, dieTätigkeit und das Arbeitserzeugnis des Individuums und derVölker rechenschastslos dem Ungeheuer opfern zu dürfenglaubt, das der M i l i t ä r st a a t genannt wird. Der Menschist sich Selbstzweck, das Staatswesen soll ihm dienen. Will diesen,menschlichen Staate gegenüber der Militärstaat sich selbst zumZweck der Menschheit machen, so ist das eine Heraus-forderung an die bürgerliche Gesellschaft aufLeben und Tod. Die Not dieses Kampfes ist es, die ganzEuropa empfindet und überall die freisinnigen Fraktionen ver-einigen mutz. Die europäische Gesellschaft kann in diesem Kampfenur dann siegreich bleiben, wenn sie allerorts den Feind da auf-sucht, wo sie ihn am nächsten hat. Sie tut das, indem sie ihrebürgerlichen Forderungen, soweit sie zur Sicherung des Be-stehenden unentbehrlich sind, ohne irgend einen Verzicht scharfabgrenzt und dem Militärstaat sagt: wir sind nichtdeinetwegen da, sondern du bist unseretwegend a und nur so weit es uns nützt zdiebürgerlicheFreiheitsollst du schützen, aber nicht unterdrücken, den b ü r g e r-tichen Wohl st and sollst du sichern aber nicht aufheben."Die politischen Nachkommen des„roten" Becker tun heute vonalledem das Gegenteil. An der Seite des Junkertums fechten siefür Militarismus und Marinismus, für Flotten- und Weltpolitik.und verschachern ihre bürgerlichen Forderungen an den säbel-rasselnden Absolutismus.—_Die Verhaftung unterm Weihnachtsbaumoder:Der preußische Polizeikommifsar als Christ-k i n d l e i n.Durch die Straßen von Königsberg(Ostpr.) marschieren all-jährlich am„Heiligenabcnd" viele Musiker und blasen den Choral:„Vom Himmel hoch da komm ich her..." Als diesefeierlichen Töne letzten„Heiligabend" erklangen, als überall inden Wohnungen die Tannenbäume in ihrem Lichterglanz er-strahlten, als in den meisten Familien Freude herrschte, schritt einPolizeikommissar zu den Eltern des Genossen Franz Krüger,um diesen vom Weihnachtsbaum weg zu verhaften, da er eineStrafe von vier Monaten und zwei Wochen zu verbüßen hat.—Wenige Tage vor dem Weihnachtsfest erhielt Krüger die Auf-forderung am 22. Dezember seine Strafe anzutreten. Er kam umStrafaufschub ein, weil er an Lungentuberkulose leidet.(Er war erst im vergangenen Jahre in der Lungenheilstätte Hohen-stein.) Krüger erhielt keinen Bescheid, sondern am„Heiligabend",als er gerade dabei war, für seinen jüngeren Bruder den Weih-nachtsbaum zu schmücken und seine schwerkranke Mutterdurch ein Zeichen der Liebe zu erfreuen, trat der„Besuch" in Ge-stalt des Polizcikommissars ein. der im Auftrage der Staats-anwaltschaft kam. um den„Verbrecher" m den Kerker zu führen.lind ohne daß er von seinen Freunden und Bekannten Abschiednehmen konnte, verschwand er hinter den düsteren Mauern. Obsie ihn lebend wiedergeben werden? Wer weiß es! Jedenfallswird die Tortur der Gefängnishaft auf seine hart angegriffeneGesundheit geradezu vernichtend wirken. Und warum das alles?—Hat Genosse Krüger etwa im Duell einen Menschen ermordetoder den Staat um Hunderttausende geprellt? Nichts von alledem.Drei Monate Gefängnis erhielt er als völlig unbestrafter Menschwegen Beleidigung des Polizeipräsidenten von Königsberg! Ineinem Handzettel hatte er zwei Worte gebraucht, die nach der An-ficht des Gerichts für die Polizei so schwer beleidigend waren, daßsie pro Wort mit anderthalb Monaten Gefängnis geahndet werdenmutzten. Der Polizeipräsident, der sich beleidigt fühlte, tratselber für eine bedingte Begnadigung Krügers ein. Ererteilte auf die Anfrage des Staatsanwalts die Auskunft, daßKrüger leine Neigung zum Verbrechertum besitzt und die„Straftat"nur„aus Unbesonnenheit und Unerfahrenheit" begangen und sichstets gut geführt habe. Das Gericht machte von dem Rechte derbedingten Begnadigung keinen Gebrauch.—Weiter hat Krüger sechs Wochen zu verbüßen, weil er einenLehrlingsverein gegründet hat, der durch recht sonderbare Aus-legungen zu einem politischen gestempelt wurde. Aber damit istdie Anzahl der Strafen noch nicht erschöpft. Krüger erhielt nochwegen Verstoßes gegen 8 110 des Strafgesetzbuches(öffentliche Auf-forderung zum Ungehorsam gegen Gesetze) einen Monat Ge-fängnis; diese Strafe wird allerdings erst im Februar rechts-kräftig, falls nicht das Urteil in der letzten Instanz aufgehobenwird.Durch Krügers Verhaftung unterm Weihnachtsbaum ist wiedereinmal die ganze Barbarei unseres„christlichen" Klassenstaates invollster Nacktheit enthüllt. Nur gut, daß durch solche„Kultur.taten" unseren Parteigenossen ihre schwierige Agitation im Wahl-kämpfe erleichtert wird.—DaS„nationale" Rindvieh vor dem Kriegsgericht.Ein schwunghafter Viehhandel, der drastisch zum Ausdruckbrachte, in wie trauter Gemeinschaft Viehhändler und Agrariereinander Hand in Hand arbeiten, wenn es sich darum handelt,anrüchiges Vieh an den Mann zu bringen, beschäftigte in Halledas Kriegsgericht der 8. Division in der Sache des überzähligenVizefeldwebels, jetzigen Postanwärters Otto Schulz von Eisleben.Der Angeklagte, der früher bei dem Viehhändler Moses wohnte,hat bei der Halleschen Staatsanwaltschaft eine Anzeige erstattetund zugleich Moses einen Brief geschrieben, wonach er Moses be-schuldigte, dieser habe„von Landwirten krankes Vieh gekauft unddieses in betrügerischer Absicht wieder verkauft. Dadurch sollte sichSchulz der Beleidigung, der wissentlich falschen Anschuldigung undder versuchten Erpressung schuldig gemacht haben.Der Angeklagte trat den Wahrheitsbeweis an und brachte durchdie Vernehmung des Stallschweizers Werunszky, der lange Zeit beiMoses tätig gewesen war, geradezu haarsträubende, ekelerregendeDinge über den Viehhandel mit den Agrariern an den Tag. Sobekundete Zeuge, daß er von den Bauern in der Umgebung vonEisleben bei Moses in Stallung gebrachte kranke, mit Geschwülstenbehaftete Kühe, die manchmal knapp ausstehen konnten, abgeholtund an Fleischermeister weiter geschafft habe. Nachts vier Uhrhabe er von den Bauern zuweilen das Vieh weggeholt. Bei einemAmtsvorsteher habe er eine Kuh aus dem Stall geholt, wo es der-artig gestunken habe, daß er sich habe die Nasenlöcher zuhaltenmüssen. Bei einer schwarzen zerschundcnen Kuh habe er vordem Verlaus die Blut- und Schandflecke mitschwarzer Wichse überschmieren müssen. Für dieangeblich durch den Angeklagten verletzten Zeugen. Landwirte usw..war ein Rechtsanwalt als Nebenkläger erschienen, der keineNeigung hatte, für die seinem Schutze anvertrauten auch nur einWort zu sagen. Als die vielen vor der Tür stehenden„Eni-lastungszeugen" vernommen werden sollten, wurde plötzlich mit-geteilt, Viehhändler Moses habe seinen Strafantrag wegenBeleidigung zurückgezogen. Des Angeklagten Ver-teidigcr, Rechtsanwalt C z a r n i k o w bedauerte dies und meinte,es wäre ganz gut gewesen, wenn die ekelerregenden Ge-schichten, die sich bei Nacht und Nebel im Fleisch-Handel abgespielt haben, durch die„weitere Beweis-aufnähme noch näher beleuchtet worden wären. Der Ange-klagte habe zum Wohle der Menschheit gehandeltund dafür eine Anklage erhalten.Der Angeklagte wurde antragsgemäß von der wissentlichfalschen Anschuldigung und der versuchten Erpressung frei-gesprochen._Patriotische Studenten!Die Kieler Studenten offerieren sich den„nationalen" Parteienals Wahlschlepper. Der Studentenverband der Kieler Studenten hat,begeistert durch den Anblick der Kieler Kriegsschiffe, einen schwülstigen,von nationalen Phrasen triefenden Aufruf erlassen, worin diedeutschen Studenten ermahnt werden, für das„große" weltpolitischeWerk zu arbeiten.„Stellt Euch— heißt eS in dieser Kundgebung— in denDienst der nationalen Parteien am Wahltage undvorher zu aller Kleinarbeit, die man Euch zuweisen wirdund die besser und wirkungsvoller geleistet wird- von Euchals von bezahlten Kräften. die nur mit halbem Herzenbei der Arbeit sind. Deutsche Studenten, zwar wird es unterEuch viele Lässige und Gleichgültige geben, die all das Ge-schehene nicht aus ihrer Trägheit herausgebracht hat. Dieseinüssen aufgerüttelt werden. Von allen nationalen Verbänden aufdeutschen Hochschulen und Akademien erwarten wir, daß sie sichmit allen Kräften der großen Sache widmen werden.Wenn so alle Kräfte sich regen, kann das große Werk nichtscheitern. Dieser Aufgabe Dich anzunehmm, ist, deutsche Studenten-schuft. Deine heilige Pflicht!"—Das alte Rezept.Im Herzogtum Sachsen-Altenburg wird der Kampf gegen dieSozialdemokratie immer noch mit den bekannten Hausmittelnbetrieben. Nachdem der sozialdemokratische Verein in Eisen-b e r g beschlossen hatte, an den Gemeinderat in Tautenhainnochmals ein Gesuch um Ueberlassung des Gemeindegasthofs zuöffentlichen Versammlungen zu richten, erhielt der Vorsitzende aufseine Eingabe folgende Antwort:Tautenhain, den IS. Dezember 1906.Antwortlich Ihrer Mitteilung vom 29. November 1906müssen wir Ihnen erklären, daß der Gemeinderat zu Tautenhainauf Grund Landratsamtlicher Verfügung vom 3. Juni 1904u. 7. Juli 1906 u. Ministeriellen Erlasses vom 24. August 1906(Ick. J. III, 5046, 4625, 4166) gezwungen ist, ein für alle Maleden Gemeindegasthof sozialdemokratischen Versammlungen zuverschließen.Sollten Sie darauf bestehen, für Ihre Zwecke den Tauten-hainer Gemeindegasthof zu bekommen, so müßten Sie sich andas Herzog!. Landratsamt zu Roda oder an das Herzog!.Ministerium, Abt. des Innern, wenden. Nur wenn eine Ober-behördliche Genehmigung auf Grund Ihres Antrages, den Sienatürlich selbst einreichen müßten, vorliegt, sind wir in der Lage,Ihren Wünschen zu entsprechen, sofern Ihr ganzes Programmkeine staatsfeindlichen Zwecke verfolgt.Der Gemeindevorsteher.Eichhorn.Das Programm der sozialdemokratischen Partei scheint dembiederen Gemeindevorsteher eine terra incogniu zu sein, sonstwürde er nicht solch naive Vorbehalte machen. Vielleicht machen esihm die Genossen zugänglich und dann kann er über den„staats-feindlichen Charakter" desselben urteilen.—Bier Mann in Südwestafrika ertrunken!Berlin, 28. Dezember.(Amtliche Meldung.) Am 25. De-zcmber 1906 im Außenhafen von Lüderitzbucht bei der Ueberfahrtnach Griffitsbay infolge Kentern des Segelbootes ertrunken:Unteroffizier Felix Lemmen. geboren am 22. Mai 1883 zuKöln; Unteroffizier Robert Schmidt, geboren am 12. Mai1879 zu Breisach; Unteroffizier Fritz Goldmann, geboren am11. Januar 1882 zu Schweidnitz: Reiter Richard Glaubke,geboren am 14. Oktober 1883 zu Darsow.Frachttarif für Fleisch. Die„Norddeutsche Allgemeine Zeitung"dementiert die Meldung der Vossischen Zeitung", daß für Schweine-fleisch die Herabsetzung des Eilguttarifs nicht gilt. Das Regierungs-blatt schreibt:„Durch verschiedene Blätter läuft die angeblich aufamtlicher Mitteilung beruhende Notiz, wonach der zum 15. d. M.eingeführte ermäßigte Eisenbahnausnahmetarif für Fleisch von frischgeschlachtetem Vieh, der zum 1. Januar nächsten Jahres noch eineiveitere Ermäßigung erfährt, nur für frisches Fleisch von Zwei-hufern, nicht aber für frisches Schweinefleisch gelte. Diese Notiz istunrichtig. Der Tarif gilt nach dem Wortlaut der amtlichen Be-kanntmachung für Rindvieh, Schweine, Schafe, Ziegen, auch Kälber,Ferkel, Lämmer, Zicklein. Für frisches Fleisch Von Einhufern gilt erallerdings nicht."Kluslaud.Frankreich.Eine Ziviltaufe.Aus Paris wird uns geschrieben:Die während der großen Revolution oft zutage getreteneTendenz, die bis dahin von der Kirche ausgeübten Funktionen derweltlichen Gewalt zu übertragen, scheint sich jetzt unter dervon der Kurie selbst verschuldeten antiklerikalen Bewegung anmanchen Orten zu erneuern. So wird aus dem DorfeMecringes im Departement Marne berichtet, daß der dortigeBürgermeister eine Ziviltaufe vorgenommen hat. Ueber ihrenäheren Umstände gibt der von ihm bei diesem Anlaß verleseneAkt Aufschluß. Es heißt darin:„Vor uns, dem Maire vonMecringes, sind Herr und Fräulein X erschienen, die uns das KindB l a n ch e t, geboren am 10. April 1906, vorwiesen, mit der Bitte,ihr Patenkind bürgerlich zu taufen.... Wir erklärendas Kind Blanchet(Paul) für bürgerlich getauft und wünschen,daß es sich im Leben als ein freier und republikanischer Bürgerbewähren möge, der seiner Familie, seinem Paten und seiner PatinEhre niacht...."»Paris, 28. Dezember. Einer im Ministerium des Innern auf-gestellten Statistik zufolge sind bis jetzt 71 erzbischöfliche und bischöf-liehe Palais, 73 große und 83 kleine Seminare geräumt worden.Rom, 28. Dezember. Wie verlautet, soll sofort nach amtlicherBekanntgabe des neuen französischen Kultusgesetzes ein Schreibendes Papstes an den Kardinal-Erzbischof Richard erscheinen, in demerklärt wird, daß das Gesetz für die Katholiken unannehmbar seiund von ihnen als nicht bestehend betrachtet werden müsse!Dieser Trotz wird nicht lange vorhalten.—Marokko.Gegen Raisuli soll jetzt Ernst gemacht werden. Der Sultanhat ihn„abgesetzt", und seine Anhänger fallen— wie es in eineroptimistischen Darstellung lautet— von ihm ab. Ueber Cadixkommt nun folgendes Telegramm vom 28. Dezember:Wie es heißt, lehnt es Raisuli ab, auf seine Amtsbefugnisseals Gouverneur zu verzichten und rüstet sich zum Widerständein Zinat. Er sandte seinen Harem unter dem Schutze derKabylen vom Stamme der Beniarios in die Berge. Die Marine-Verwaltung sichert sich durch Kontrakt die Verprobiantierung desspanischen Geschwaders im Hafen von Larrache und in der Buchtvon Tetuan, wo nach und Nach Polizeimatznahmen eingeführtwerden sollen.—Amerika.Aus Uruguay(Südamerika). Die Regierung von Uruguayhat eine Botschaft awden Kongreß gesandt, um eine Vorlage zumSchutze der Arbeiter dringend zu empfehlen. Uruguay will sich alsein junges Land die durch Arbeiterkämpfe in anderen Ländern ver»ursachten wirtschaftlichen Schäden zur Lehre dienen lassen. DerAchtstundentag soll eingeführt werden, nachdem ein Jahr lang derNeunskundentag in Geltung war. Die Sonntagsruhe wird ge-fordert; die Kinderarbeit soll verboten sein; Schutzbestimmungenfür schwangere Frauen sollen erlassen werden und hohe Strafedie Unternehmer und Arbeiter treffen, die die Gesetze übertreten.---Huö der Partei.Zum Parteitag der tschechischen Sozialdemokratiewird uns noch geschrieben:Die Verhandlungen standen unter dem Eindrucke der durch dieWahlreform geschaffenen neuen Situation. In einem Referat überdie Wahlreformbewegung wies Genosse N e m e c daraufhin, daß die Wahlreform nicht unser Ziel, sondern nur ein Mittelsei, um den Staat zu demokratisieren und sozialisieren. Die Parteimüffe aber vorerst trachten, auch den Frauen das Wahlrecht, dennichtdeutschen Nationen volle Gleichberechtigungin i t den Deutschen und die Abschaffung der ein-jährigen Seßhaftigkeit zu erkämpfen.Genosse Dr. S o u k u p entwarf ein Bild des nächsten Wahl-kampfes und gab den Delegierten die nötigen Weisungen für ihn.In der Debatte wurden von den Wiener Delegierten und denDelegierten aus den nordböhmischen gemischtsprachigen BezirkenKlagen laut, daß die deutschen Genossen nicht immer die nationaleGleichberechttgung zu wahren wissen, und daß sie den Fortschrittund die Entfaltung der tschechischen Organisationen hemmen. DieKlagen wurden dem Parteivorstande überwiesen, der sich hierübermit dem deutschen Parieivorstande ins Einvernehmen zu setzen hat.Für die Wahlen wurde die Parole ausgegeben:„Gegendie schwarze Gefahr!" Bei den ersten Wahlen sind überallKandidaten aufzustellen. Im übrigen wurde der Parteivorstandermächttgt, die Stellung der Partei bei Stichwahlen zu regeln ent-sprechend den gegebenen Verhältnissen.— Nach den Wahlen wirdein neuer Parteitag einberufen werden, der der Partei eine neue,dem neuen Wahlgesetze entsprechende Organisatton zu schaffenberufen ist.—_Löo» Defuisscaux tBrüssel. 25. Dezember.(Eig. Bei.)Am Freitag ist hier nach langer Krankheit der ehemalige sozia-listische Abgeordnete Leon Defuisseaux im Alter von 65 Jahrengestorben. Die Geschichte der belgischen Arbeiterbewegung nenntihn unter den Besten. Er war einer großbürgerlichen Demokraten-familie entsprossen, die im B o r i n a g e von altersher wegenihrer arbeiterfreundlichen Haltung ein außerordentliches An-sehen genoß. Defuisseaux vollendete seine Rechtssttidien inParis, wo er auch eine Zeitlang Sekretär Jules Favreswar. 1870 wurde er, nach seiner Rückkehr in die Heimat, in dieKammer gewählt, wo er alsbald in die aufreibenden Kämpfe mitden Klerikalen und Liberalen geriet. Nach 11 Jahren legte er, nacheinem vergeblichen Versuch, eine Erweiterung des Wahlrechtes durch-zusetzen, sein Mandat mit der auffehenerregenden Erklärung nieder,daß daS allgemeine Wahlrecht binnen kurzem in der Kammer alsSieger einziehen werde. Als der Kampf um das allgemeine Wahl-recht gegen Ende der achtziger Jahre begann, war eine FlugschristDefuisseaux', betitelt:„Die Schande des ZenfuSshstemS"einer der ersten Trompetenstöße. Ein originelles Argument für dieWahlreform lieferte Defuisseaux, indem er vor den Wahlen für diekonstituierende Versammlung seine Kandidatur im WahlkreiseMöns einer VolkSabstinunung unterwarf, die ihm 40 000 Stimmenbrachte, wogegen die folgende legale Wahl nur einige Hundertauf seinen Namen ergab. Nach der Wahlreform von 1894 wurdeDefuisseaux als sozialistischer Kandidat in den Wahlkreisen Lütttchund Möns gewählt. Er optierte für letzteren und vertrat ihn bis1900, in welchem Jahre er eine neue Kandidatur ablehnte, weil erunter der Geltung des von ihm heftig bekämpften Proporttonal-systemS nicht Abgeordneter fein wollte. Seither lebte er zurück-gezogen vom öffentlichen Leben, doch in freundschaftlichen Beziehungenmit den Parteigenossen, insbesondere mit den Bergarbeitern desBorinage, die ihn ebenso verehrten wie seinen vor einigen Jahrenverstorbenen Bruder Alfted.Heute wurde die Leiche Defuisseaux' von den ParteigenossenBrüssels und den Delegierten der Provinzorganisationen zum Süd-bahnhof geleitet, von wo sie nach Paris übergeführt wurde, umdort nach dem letzten Willen des Verstorbenen verbrannt und aufdem Pöre Lachaise beigesetzt zu werden. An der Pariser Leichen»feier wird sich die ftanzösische sozialistische Partei beteiligen.Eingegangene Druckschriften.„The Soclallett Annaul 1007"(Sozialistisches Jahrbuch für1907), herausgegeben von Th. Rothstein, Verlag der.XX. Century Preß»-London, 67 Seiten, 0,50 M.Jesus Christus vom Standpunkte des Psychiaters. Von Dr. deLoostcn(Dr. Georg Lomcr). SM.— Der schwarze Dod von Dr. M.Wittich. 64 Seiten.— Darf das Rrichstagswahlrecht geändertwerden? Dr. jur. Th. Frank. 84 Seiten. Verlag: HandelsdruckereiBamberg._Letzte J�achnchten und DcpefcheaGemaßregelte Schiffsoffiziere.Hamburg, 23. Dezember. W. T.-B. Nach einer Mitteilungdes Vereins deutscher Kapitäne und Offiziere der Handelsmarinesind bis gestern wegen Verweigerung der von hiesigen Reedereienverlangten Unterschrift des bekannten Reverses 71 Kapitäne undOffiziere gemaßregelt worden.Schweres Eisenbahnunglück in England.London, 23. Dezember. W. T.-B. Ein Eisenbahn-zusammenstoß fand nahe Dundee statt; 13 Personen sind ge»tötet._Schneestürme in England.London, 23. Dezember.(W. T. B.) Andauernde schwere Schnee-stürme stören in allen Teilen des Landes den Verkehr; die Landstraßen und Schienenwege sind au vielen Orten unpassierbar; dieTelegraphcndrähtc find zerrissen. Der Bahnverkehr zwischen Englandund Schottland ist zerstört. Mehrere Todesfälle durch Erfrierenwerden gemeldet; schwere Stürme wehen an der ganzen Küste. Un-Wetter ist schlimmer als seit vielen Jahren.Ein Förderer der Progrome.Odessa, 28. Dezember. W. T.-B. Der Kommandierende derTruppen des Militärbezirks Odessa General Baron Kaulbars istin einen andern Bezirk versetzt worden. Der Grund hierfür liegt,wie verlautet, in seinen engen Beziehungen zu dem Verbände desrussischen Volkes und darin, daß er es nicht verstanden habe, denAusstand der Hafenarbeiter zu verhindern.Leiantw. Redakteur: Hau» Web», Berlin. Inseratenteil verantw.i kt» Blicke, Berlin. Druck wLerlo»: VarwärttBuchdr.u.Lerlagsaztjtelk UaulS'ngerLiCo.,BerlinSW. Hierzu 2 Beilagen«.UnftrhaltunaShlM