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denkt. Auch den Polen   will das Zentrum gegen liberale Kandi- daten seine Unterstützung leihen. Im einzelnen ist über diese Taktik der Klerikalen folgendes festzustellen: In sämtlichen niederschlesischen Wahlkreisen wird das Zentrum bereits im ersten Wahlgange seine Anhänger zur Stimmabgabe für den konservativen Kandidaten abkomman dieren, um, so weit es möglich ist, diesen und nicht den frei sinnigen Kandidaten in die Stichwahl mit dem Sozialdemokraten zu bringen. Wie sich der Freisinn dann in der Stichwahl ver hält, ist dem Zentrum gleichgültig; es erreicht seinen Zweck, ob nun der Reaktionär oder der Genosse schließlich gewählt wird In einzelnen Wahlkreisen, zum Beispiel in denen des Groß Herzogtums Hessen, wird das Zentrum überhaupt Wahl enthaltung   üben, um den Nationalliberalen zugunsten der Sozialdemokraten oder der Konservativen Abbruch zu tun. In Bayern   wird das schwarz-rote Wahlbündnis, das bei den LandtagSwahlen so schön funktioniert hat, auch für die Reichs- tagswahlen aufrecht erhalten werden.... Ganz besonders haben es die Zentrumskommandanten auf einzelne ihnen besonders mißliebige liberale Abgeordnete ah gesehen. So werden in Kreuznach-Simmern, wo Herr Paaschs kandidiert, mehrere tausend Zentrumsstimmen für den vom Bund der Landwirte und den Konservativen aufgestellten, früher nationalliberalen Herrn v. Klöden   abkommandiert werden, um Herrn Paaschs, sei es in der Hauptwahl oder in der Stichwahl, das Mandat abzujagen.... Auch die freisinnige Kandidatur Kämpf in Berlin   l gedenkt das Zentrum zu Fall zu bringen, indem es Wahl enthaltung   übt. Das würde bei der Stichwahl in der Tat den Sieg des Sozialdemokraten Arons sehr wahrscheinlich machen. Mit dem Wahlsieg Arons' will das Zentrum ausgesprochenermaß en der Regierung einen Tort antun: lieber der Rcichshauptstadt soll das rote Banner wehen, die Regierung soll inne werden, daß das Zentrum nicht mit sich spaßen läßt." Ein nüchtern rechnender Realpolitiker ist der Gcwährs tnann desBerl. Tagebl." kaum. Er hat, wie die Aus führungen über die Kandidatur Kämpf beweisen, reichlich viel Phantasie und sieht die politische Welt durch eine frei sinnig-konkav geschliffene Brille. Zieht man diesen Sehdefekt ab, dann ergibt sich lediglich die von uns schon mehrfach hervorgehobene Tatsache, daß das Zentrum dahin strebt, die bisher von ihm innegehabte maßgebende Stellung wieder- zuerlangen und zu diesem Zweck die Entstehung einer kon- servativ-liberalen Mehrheitskombination zu hintertreiben sucht. Es ist nicht besonderer Haß gegen den Liberalismus, der es dazu treibt, die liberalen Mandate zu vermindern, sondern lediglich die Erwägung, daß, wenn der konservativ- nationalliberal-freisinnige Block die Mehrheit im neuen Reichstag erlangt, es der Regierung einfallen könnte, ver- suchsweise liberal-konservativ zu regieren und das Zentrum, wenn auch nur zeitweilig, auszuschalten. Solche Kon- stellation will das Zentrum um jeden Preis verhüten. Die Regierung soll sich, wenn möglich noch mehr als bisher, auf das Zentrum angewiesen sehen. Das ist das klar erkennbare Ziel der Wahltaktik des Zentrums. Wenn das Mossesche Blatt das inimer noch nicht begriffen hat, und, um diese Taktik halb zu kapieren, erst der Erleuchtung durch allerlei Enthüllungen sogenannter zuverlässiger Gewährsmänner be- darf, dann beweist es nur, wie politisch kurzsichtig es ist. Was dahinter steckt! DieDeutsche Tagesztg.", die ja ihren Bülow ln Herz und Nieren kennt, verrät ein wenig unvorsichtig. weshalb man in Wüst-West auch nach Beendigung des Krieges eine starke Kolonialarmee zu behalten wünscht. Das Bündler- organ schreibt: Deshalb ist es eine Forderung der Selbsterhaltung und der Sparsamkeit, die Schutztruppe in Südwestafrika noch geraume Zeit in genügender Starke zu erhalten. Man sehe doch den Dingen und den Verhältnissen, wie sie tatsächlich sind, kühl, ruhig und scharf ins Auge I Wir haben in Südwestasrika nicht nur die Angelrgeuheiten des Schutzgebietes selbst im Aug« zu behalten, sondern müssen fortgesetzt unsere Austnerksamkeit den tSrenzverhältnissen zuwenden. Wir befinden uns dort, wie von keiner Seite bestritten werden kann, in einer sehr exponierten Stellung. Diese Stellung legt gewisse Verpflichtungen auf, deren Vernachlässigung sehr bedenklich, ja in hohem Grade gefährlich sein könnte. Gerode für solche Verhältnisse ist eine ausreichende, stets bereite Truppe die beste Sicherung deS Friedens." Also der englischen Nachbarschaft wegen sollen in Wüst- West 5 TOOO Mann ständig stehen bleiben l Ist es gleich Wahnsinn, so hat es doch Methode! Tiefgründige Weisheit. In dem Bemühen, der Sozialdemokratie Mandate abzujagen, leistet sich die reaktionäre Presse immer neue Entdeckungen. Erst vor wenigen Tagen las man in bürgerlichen Blättern, daß die Sozialdemokratie den weitaus größten Teil ihrer Mandate nicht eigener Kraft, sondern nur der Lässigkeit der bürgerlichen Wähler verdanke, denn alle Wähler, die nicht ihre Stimme abgäben, seien nicht etwa politisch indifferent, sondern liberal oder konservativ. Inzwischen hat ein anderer patriotischer Schlaukopf heraus- gefunden, daß noch ein anderer, viel wichtigerer Faktor die sozial- demokratischen Wahlsiege bewirkt nämlich die cholerische Ver- anlagung mancher deutscher Spießbürger und die in dieser Eigen- schaft begründete Manie, sich über die deutschen   Beamten zu ärgern. Die WochenschriftD e r D e u t s ch e" schreibt und nationalliberale Blätter drucken diese tiefgründige politische Weisheit nach: Noch wichtiger, als das Flottmachen der NichtWähler, ist das Festhalten der Mitläufer der Sozialdemokratie. Das ist das unabsehbare Heer der politisch Gedankenlosen, die sich über irgend einen Vertreter der Staatsallmacht geärgert haben. Man wird ihnen das Hirn nur sehr allmählich mit h i st o r i s ch e m Sinn und nationalem V e ra n t w o r t l i ch k e i t S- g e f ü h l wieder füllen können. Aber man kann, durch un- ermüdlichc, immer wieder erneute Agitation in Wort und Schrift und Beispiel, es wenigstens erreichen, daß einige Ursachen der 'Verärgerung wegfallen. Die wesentlichsten sind die Art der Behandlung des Publikums durch dic Herrgötter jedes Bureaus, jedes Schalters, jedes grünen Tisches. Wem von uns ist es noch nicht passiert, daß er in ganz überflüssig barschem Tone Bescheid erhielt bis der Beamte erfuhr, man sei Reserve- offizier oder habe mit dem Herrn Schulrat schon gesprochen oder erwarte Nachricht von dem Onkel Exzellenz.... Man hält es nachgerade für selbstverständlich, daß der Wachtmeister auf dem Revierbureau, umRespekt" zu erwecken, den Gruß des Ein- tretenden nicht erwidert und überhaupt erst nach fünf Minute n vom Pult aufblickt. Man hört es. wie ein- fache Leute mit unklarem Gedankengang als Zeugen von un- geduldigen Richtern angefahren werden, man erlebt es, wie jeder um eine Unfallrente Kämpfende vor dem Schiedsgericht als Simulant und Verbrecher sich verdächtigen lassen muß und da kommen die Mitläufer her. Die Beamten meinen es ja nicht I bös, sind gutmütige deutsche Spießbürger, wie die vor ihnen Stehenden auch, aber mit dem Mißverständlichen! fängt es an und mit den roten Stimmzetteln hört es auf." Es mag schon sein, daß einzelne Personen in ihrem Aerger über das Auftreten der deutschen   und speziell der preußischen Burcaukratie sozialdemokratische Stimmzettel abgeben; aber wir wissen einen Faktor, der noch viel mehr Wähler ins sozialdemo- kratischc Lager treibt! Das ist die Dummheit gewisser auchliberaler Zeitungsschreiber und Politiker. Aus Aerger über den ihnen von diesen tagtäglich aufgetischten Unsinn greifen die Leute nicht nur zum sozialdemokratischen Stimmzettel, sondern auch zur sozial- demokratischen Lektüre und sind dann auf immer für die Ein- fältigkeiten der nationalliberalen Presse verloren. Und das beste ist, dieser Faktor läßt sich nicht ändern, denn die Dummheit be- sagter Zeitungsschreiber läßt sich nicht ändern, da sie auf erblicher Anlage beruht und den davon Befallenen selbst nicht zum Bewußt- sein kommt. Sie öffnen das Visier! Wir lesen in derVossischen Zeitung": In allen Wahlaufrufen und Wahlartikeln der Sozial demokratie ist von ihren eigentlichen Zielen nicht die Rode, nichts vom Klassenkampf, nichts von der Beseitigung des Privateigentums an Grund und Boden, an Fabriken und Pro- duktionsmitteln. Die Bürgerschaft wird dessen gleichwohl nicht vergessen, sie wird eingedenk sein, wie die Sozial- demokratie in jede Werkstätte, in jedes Handelshaus, in jeden Betrieb Unfrieden und Streit trägt, wie sie nicht die soziale Versöhnung der Arbeitgeber und Arbeit- n e h m e r, sondern die Schärfung der sozialen Gegensätze als ihre Aufgabe betrachtet, und deshalb wird die liberale Wähler- schaft es als ihre Pflicht ansehen, die Sozialdemokratie in der Reichshauptstadt zurückzudrängen und die Mandate nach Möglichkeit freisinnigen Männern zu übergeben. In besonderem Maße wird, wer immer noch einen Funken Liberalismus in sich fühlt, diese Pflicht im ersten Wahlkreise empfinden." Das ist wenigstens Politik der Offenherzigkeit. Die Freisinns- tante beginnt mit deneigentlichen Zielen" der Sozialdemokratie und geht dann dem Unternehmertum nach dem Vorbild der Post" um den Bart! Sie will die Unternehmer gegen die Be- unruhigungen der Sozialdemokratie schützen, sie will den Kühne- männern und Konsorten Helfersdienste leisten! Auf die Sozial- demokratie schlägt sie, und jede ernste gewerkschaftliche Tätigkeit meint sie! Glückauf zu dieser freisinnigen Säuberung Berlins  ! Zur Fleischteuerung. Der soeben erschienene Jahresbericht der Hamburger Handelskammer für das Jahr 1906 enthält über die Fleischteuerung und ihren Einfluß auf die Lebenshaltung der ärmeren Volksschichten folgende Aeußerung: Die Fleischteuerung, die wir in unserem letzten Bericht zu erwähnen hatten, hat sich in diesem Jahr zum Teil unter der Wirkung der erhöhten Zölle weiter verschärft und hat, zumal bei der gleichzeitigen Preissteigerung vieler anderer Lebens- bedürfnisse, nicht nur den sozialdemokratischen Führern ein zug- kräftiges Agitationsmittel in die Hand gegeben, sondern sich tatsächlich im Haushalt, namentlich der minder- begüterten Klassen, aufs empfindlichste be- merkbar gemacht und bedeutende Lohnsteigerungen zur Folge gehabt.(?? d. Red. d.Vorw.") die bei einem Abflauen der Geschäftstätigkeit wegen der Erhöhung der Produktionskosten die Konkurrenzfähigkeit der deutschen   Industrie im Auslande ernstlich schwächen müssen. Für Hamburg   hat der Senat in der Mitteilung an die Bürgerschaft vom 12. dieses Monats auf Grund der EntWickelung der hiesigen Vieh- und Fleischpreise in den letzten Jahren die Uebcrzeugung ausgesprochen, daß es geboten erscheine, in jeder tunlichen Weise auf eine Ermäßigung derselben hinzuwirken. Wenn die diesbezüglichen Anregungen des Senats sowie vieler Stadtvertretungen und Handelskammern bei dem Herrn Reichskanzler bisher wirkungslos gewesen sind. bielmehr die Reichsregierung sich dieser Erscheinung gegenüber vollständig untätig verhielt, ja sogar durch ver- schärfende Ausführungsbestimmungen zum Fleischbeschaugesetz die Einführung aus- ländischen Fleisches noch weiter erschwerte, so zeigt das von neuem, bis zu welchem Grade gegen- wärtig alle anderen wirtschaftlichen Jnter- essen hinter den Wünschen und Forderungen der Landwirte zurückgestellt werden." Diese Lamentationen sind zwar an und für sich richtig; sie haben aber so lange nicht den geringsten Wert, als die Hamburger Kaufmannschaft und ihre Presse, aus Rücksicht auf die ihr aus der Weltpolitik zufließenden materiellen Vorteile sich immer wieder nach einigem Mäkeln in den Dienst der von der Regierung be- tricbcnen Wirtschaftspolitik stellt. Zentrum und Bülow. Zu dem Reichskanzler Fürsten Bülow habe ich volleSVer- trauen, er ist ein friedliebender und besonnener P o l i ti ke r!" So sprach der Abgeordnete Freiherr von Hertling   auf der Versammlung des Provinzialkcmmees der westfälischen Zentrumspartei   am 2. Oktober 1906. Es wäre interessant, zu wissen, wie jetzt das Zentrum über den Fürsten Bülow denkt. Herrenhäusler. In das Herrenhaus sind, berufen: Der erste Bürgermeister der Stadt Potsdam  , Vosbcrg, als Nachfolger des am 29. Oktober v. I. verstorbenen Oberbürgermeisters Jaehne und der Landgraf Chlodwig Alexis Ernst von Hessen-Philippsthal- Barchfeld als Haupt der jüngeren Philippsthaler Linie des hessischen Fürstenhauses und Nachfolger seines am 16. August 1905 ver- torbcnen Vaters, des Landgrafen Alexis von Hessen-Philippsthal- Barchfeld, Generals der Kavallerie ü l» suite der Armee. Das GcistcSniveau des Herrenhauses wird durch die Neu- ernannten schwerlich erhöht werden. Ein neuer Bischof. In Fulda   hat heute die Wahl eines neuen Bischofs für den durch den Tod des Bischofs Endert erledigten Fuldaer   Sitz stattgefunden. Aus der Wahl hervorgegangen ist der Domkapitular, Professor und Regens des Bischöflichen Priester- scminars, Dr. Damian Joseph Schmitt. Husland. Frankreich  . Gegen die Pfaffenherrschaft, Seinem großen Erfolge in der Deputiertenkammer konnte Kultusminister Briand   am Freitag einen nicht minder großen und glänzenden Erfolg im Senat anreihen. Zur Debatte stand die Ergänzungsnovelle zum Trennungs- gesetz, die von der Deputiertenkammer am 21. d. M. mit 388 gegen 146 Stimmen angenommen worden ist. Die Gegner des Gesetzes, die das Wort ergriffen, die beiden Advokaten Las-Cases   und Lamarzellc. boten Briand   so breite Angriffsflächen, daß es ihm nicht gerade schwer fiel, sie und die gesamte Gegnerschaft des Trennungsgesetzes in glänzendem Stile abzufertigen. Er wieder- holte, was er bereits vor den Deputierten gesagt hatte: Er habe zahlreiche Besuche von Priestern, Bischöfen und Erzbischöfeu erhalten, die sich einverstanden und bereit erklärten, unter den durch das Gesetz geschaffenen veränderten Zuständen im Dienste ihrer Kirche weiter zu fungieren. Daß alle diese sich nachher doch nicht unterwarfen, sei ausschließlich auf den Befehl des Papstes zurückzuführen. Man könne keine katholische Hierarchie zulassen. die besondere Rechte mit sich bringe, welche unter Aufsicht einer auswärtigen Macht ständen. Er werde sich mit Rom   in keine Be- sprechungen einlassen, denn das monarchische Papsttum und die demokratische Republik   seien mit einander unvereinbar. Ucbrigens würde auch jede Verhandlung überflüssig sein. Briands Rede fand so starken Anklang, daß(vom Senat!) der öffentliche Anschlag der Rede des Ministers mit 183 gegen 86 Stimmen beschlossen wurde. Damit war die Generaldiskussion beendigt. Die Spczialdebatte wurde auf Sonnabend vertagt. Bei Schluß der Redaktion liegt noch keine Meldung über die Sonnabend-Sitzung des Senats vor; es ist also nicht einmal sicher. ob es bereits zur Abstimmung kam. Soviel läßt sich indessen mit Gewißheit voraussagen, daß auch vom Senate die Ergänzungs- Novelle angenommen werden wird sonst wäre ja der mit so großer Majorität gefaßte Beschluß, Briands Rede zu plakatieren, geradezu unverständlich. »»* Derheilige Vater" hatte sich einen hübschen Trick ausgedacht: Er ließ allen beim Vatikan  akkreditierten" Regierungen einen Protest wegen Montagninis Ausweisung aus Paris   zugehen. Die Antwortnoten der Mächte sollten veröffentlicht werden. Nun haben ihm aber Rußland  , Oesterreich, ja sogar seine beiden Lieblinge Spanien   und Belgien   einen dicken, dicken Strich durch die schöne Rechnung gemacht: sie ließen einfach den Empfang der Protestnote bestätigen wie man etwa dem Schlächter den Empfang einer Sendung Wurst bestätigt nichts mehr, nichts weniger! Da dieses vortreffliche Beispiel bei den anderen Nationen Nachahmung finden dürfte, steht der gute lPio Deeimo als blamierter Mitteleuropäer da, und die geplanteVeröffentlichung der Antwortnoten" muß unterbleiben. Eine göttliche Komödie! Amerika  . Die Erbschaftssteuer. Unter den Mitteln, mit denen der Prä- sident gelegentlich droht, umdie großen Vermögen zu zerschlagen". figuriert auch die Erbschaftssteuer. Im Kongreß ist jetzt eine Vor- läge zur Einführung der Erbschaftssteuer eingebracht worden. Tie Rede, die der Abgeordnete Perkins zu ihrer Verteidigung hielt. wird in der Presse vielfach besprochen. Perkins bezeichnete dw  Erbschaftssteuer als die gerechteste aller Steuern: sie ver- hindere nicht, daß ein Bürger alles das genießt, was er besitze und erwerbe, denn sie trete erst nach seinem Tode ein. Das Erbrecht sei ein durchaus künstliches Recht; es bestehe nur. weil der Staat es schütze. Ueberhaupt gäbe es keinen Reichtum ohne den Schutz des Staates. Wenn Rockefeller   in Patagonicn geboren wäre, hätte er es nie zum Millionär gebracht; seinen Reichtum verdanke er nur der Gesellschaft und der Regierung der Vereinigten Staaten  . Eine Erbschaftssteuer sei nicht sozialistisch: sie bestehe in England. und man werde doch nicht den englischen Lordoberrichter Coleridge  als zu radikal verdächtigen wollen, wenn er sage:Das Erbschafts  - recht ist nur du künstliches Recht." In Betracht komme nur die Frage der Z w e ck m ä ß i g k e i t. Es sei natürlich und auch lobens- wert, wenn Eltern ihren Kindern etwas hinterlassen wollen, um ihnen den Vorteil guter Erziehung und einer vernünftigen Aktions- freiheit während ihres Lebens zu verschaffen. Etwas ganz anderes aber sei es. wenn ein Kind 50 oder 100 Millionen Dollar erben könne. Der Staat sei nicht verpflichtet, dies ruhig zuzulassen, ohne bohen Tribut zu erheben. Der Wunsch eines Mannes, daß seine Nachkommen zu den reichsten Leuten des Landes gehören, sei keiner Berücksichtigung wert. Sicherlich diene es den Töchtern amerika- nischer Millionäre nicht zum Vorteil, wenn sie durch ihren Reich- tum in die Versuchung geraten, wertlose europäische   Edelleute zu heiraten. Perkins verspricht sich von einer hohen Erbschaftssteuer noch manchen Nutzen insoweit, als viele reiche Leute mehr geneigt fein würden, mit ihrem Gelds schon bei Lebzeiten gemeinnützige Unter- nehmungen zu schaffen. Die Steuer werde sicher kommen, diel- leicht schon in naher Zeit, so erklärte der Redner. Sie werde dem Staate nützlich sein, ihm bei der Lösung der sozialen Probleme helfen, sie werde den Unternehmungsgeist und den Wunsch, große Vermögen zu erwerben, nicht lähmen, die bestehenden Uebelstände mildern, niemand schaden und allen nützen. Sind die Ausführungen Perkins auch weder neu noch ein- wandsfrei, noch aus hervorragend sozialer und ökonomischer Er- kenntnis geboren, so kommt ihnen doch wenigstens das eine Ver- dienst zu. die D i s k u s s i o n der Frage in Amerika   neu angeregt und so wenigstens der Agitation ini Sinne der Einführung der Erbschaftssteuer einen neuen Impuls verliehen zu haben. GewerKscKaftHöKes. (Siehe auch 1. Beilage). Die Aussperrung in Lodz.  's am Freitag wurden sämtliche dem Fabrikantcnverband ange- hörenden Fabriken geschlossen, da die Arbeiter der Fabrik Posznanski die ihnen gestellten Bedingungen nicht angenommen haben. Durch diese Maßnahme sind 40 090 Arbeiter beschäftigungS  - los geworden. Lodz  , 29. Dezember.  (W. T. B.) Nachdem die von dem Ver- band der Banmwollfabrikanten beschlossene Aussperrung durchgeführt worden ist, sollen die dadurch arbeitslos gewordenen hier nicht zu, ständigen Arbeiter ausgewiesen werden. Letzte JVachriebten und Depefchen. Die Kirche vor dem Senat. Paris  , 29. Dezeniber. Der Senat fährt in der Beratung des Gesetzentwurfs betreffend die Ausübung des Kultus fort. Gourju macht die Regierung für die gegenwärtigen Schwierigkeiten ver- antwortlich und verlangt die Verwerfung des Gesetzes, damit man mit Rom   in Verhandlungen treten könne. Der Berichterstatter Maxime Lecomte erwidert: Der Heilige Stuhl   hat den Bruch ver- schuldet. Die Katholiken leisten Widerstand, um dem Papst zu ge- horchen, sie haben nicht das Recht, von einer Beraubung zu sprechen. Guillier verlangt gleichfalls, daß die Regierung mit Rom   ver- handle; der Gehorsam der Priester gegenüber dem Heiligen Stuhl könne ihnen nicht zum Vorwurf gemacht werden, denn sie wollten nicht schismatisch werden. Briand   unterbricht den Redner mit der Bemerkung: Also um dem Papst zu gehorchen, können Priester den Gesetzen ungehorsam sein. Guillier fährt in seiner Rede fort und hebt hervor, Briand   habe anerkannt, daß der Klerus von dem Geist der Versöhnung beseelt wäre. Briand   unterbricht nochmals und erwidert: Ich habe nicht gesagt, der ganze Klerus, ich habe gc- sagt Priester. Ter erste Artikel des Gesetzentwurfs wird sodann angenommen. In Beaunvortung einer Anfrage erklärt Briand  , die Güter der geistlichen HülfSgcscllschaftcn werden den Wohltätigkeitsmstituten an- heimfallen, aber auch in Zukunft zur Zahlung der gegenwärtigen Pensionen an die Priester dienen. Artikel 2, 3 und 4 des Gesetz- cntwurfcö werden angenommen. Richter Lynch. New Jork  , 29. Dezenter.(B. H.) 40 vermummte Männer drangen vergangene Nacht in ein Gefängnis, fesselten die Gefängnis- Wärter und lynchten einen gewissen Lcbcrg, der wegen Mordes unter Anklage stand. KeiantS. Redakteur: Hgus Weber, Berlin  . Inseratenteil vcrantwu. Glocke, Berlin  . Drnck u. Verlag: Vorwärts Bllchdr.u.VrrlagsanWt Paul Singer ch Co., Berlin   S.W. Hierzu 3 Beilagu».