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Berlin   III wird am 25. Januar diesem Mann zu zeigen haben, wie sie ihn samt dem ganzen Freisinn einschätzt. Wählerversammlungen im Kreise Teltow  . Eine Wählorversammlung in Groß-Lichterfelde   aufgelöst. Von den beiden am Sonnabend einberufenen stark besuchten Wähler- Versammlungen wurde die imKaiserhof" tagende während der Rede des Genossen Eisner durch den überwachenden Gendarmen Wflchlin ohne Angabe des Grundes aufgelöst, trotz des energischen Protestes des Vorsitzenden Genossen Wenzel, der die Versammlungs- räume gemietet hatte. Ob der Mann der Ordnung die Kritik unserer gesamten politischen Zustände durch den Referenten nicht mehr aushalten konnte, oder ob die Polizeistunde ihn zu dem heroischen Entschluß der Auflösung trieb, ist nicht mit Sicherheit zu erkennen. Jedenfalls war die Erregung der Versammlung eine außerordentliche, und nur nach der Aufforderung des Vorsitzenden den Saal ruhig zu verlassen und am 25. Januar einmütig zur Sozialdemokratie zu stehen, entfernten sich die Teilnehmer unter brausender Zustimmung und Hochrufen auf die Sozialdemokratie. Die Fortsetzung der Versammlung findet am Donnerstag, den 3. Januar 1907, abends 8�- Uhr, imKaiserhof" statt. Im R eisen schen Etablissement sprach Genosse K a I i s k i vor überfüllter Versammlung unter stürmischem Beifall. Die Gegner, von derest Geistesgrößen eine namhafte Zahl in Groß-Lichterfelde   ihren Wohnsitz hat, haben sich ferngehalten und überlassen den Kamps gegen die Sozialdemokratie lieber unter- geordneten Beamten des Polizeistaatcs, die einfach im Telegramm- stildie ganze Bande nach Hause jagen". Die Früchte dieser zwar einfachen aber etwas geistlosen Bekämpfung der Sozialdemokratie werden bis zum 25. Januar in zweifellos vorzüglicher Qualität und Quantität heranreifen. Auch in Steglitz   ist der Reichstagswahlkampf nunmehr von den Genossen begonnen worden. Zu der er st e n Flugblatt- Verbreitung am Morgen des zweiten WeihnachtSfeiertages hatten sich die Parteigenossen in erfreulicher Anzahl eingefunden. Der Einladung zur ersten Versammlung am Freitagabend imBirkenwäldchen" waren ca. 550 Personen gefolgt, die der zweistündigen Rede deS Genossen P a g e l s- Rixdorf rauschenden Beifall spendeten. Wie der Vorsitzende den Versammelten mit- teilte, wird am 17. I a n u a r in demselben Saale   der Kandidat des Kreises, Genosse Zubeil, zu seinen Wählern sprechen. Auf der gegnerischen Seite ist noch alles ruhig; nur derReichsverband" bettelt durch die Lokalblätter um milde Gaben und bläst zum Sammeln der bürgerlichen Parteien. Schöncbcrg. Die erste Wählerversammlung hatte das Wahl- komitee zum Freitag, den 23. Dezember im Obstschen Lokal ein- berufen. Genosse Kurt E i s n e r betonte in seinem Vortrage, daß durch die Auflösung des Reichstages dem deutschen   Volke eine sehr willkommene Weihnachtsbescherung gegeben sei. Weiter kennzeichnete er unsere Kolonialpolitik und deren Mißwirtschaft. Au der Hand von Berichten wies er auf die unerhörten und unmenschlichen Taten unserer Kulturträger in Afrika   hin. Das Zentrum, welches von den Vorgängen unterrichtet, trotzdem die Politik der Regierung mitmachte, kam in den Ausführungen nicht zu kurz dabei weg. Stürmischer Beifall lohnte dem Referenten am Schlüsse seiner Rede. Gegner meldete» sich nicht zum Worte, trotzdem ihnen vom Vorsitzenden volle Redefreiheit gewährleistet wurde. Die Genossin Bäumler richtete einige Worte an die Frauen, sie zur Mitarbeit an den Wahlen auf- fordentd. Genosse K ü t e r ersuchte die Anwesenden, die Wählerlisten einzusehen. Nach einigen anfeuernden Worten des Vorsitzenden zu tatkräftiger Arbeit wurde die Versammlung geschlossen. Eine gut besuchte Wählerversammlung tagte am Freitag in Mariendorf  , woselbst Genosse Kurt Heinig   das Referat hielt. Den mit lebhaftem Beifall aufgenommenen Ausführungen folgte eine Diskussion, an welcher sich die Genossen Greulich-Marienfekde und Lehmann-Mariendorf beteiligten. Kurz vor Schluß betrat Genosse Zubeil, von den Versammelten lebhaft begrüßt, das Lokal. Er nahm in Kürze Veranlassung seine Stellung wie die Stellung der Sozialdemokratie zu der deutschen   Mißwirtschaft zu präzisieren. Für die Sozialdemokratie müsse jeder am 25. Januar seine Stimme abgeben. Den Ausführungen Zubeils wurde lebhafter Beifall ge- spendet. Mit einem Appell an die Frauen, in dem Wahlkampf eifrig mitzuwirken, erfolgte Schluß der Versammlung. Adlershof  . In überaus stark besuchter Wählerversammlung referierte am Freitag im Lokale von Baher Genosse Albert Horlitz. Redner machte sich zur Aufgabe, den Anwesenden ein klares Bild der Regierungspolitik zu entwerfen, um diese dann einer schneidenden Kritik zu unterziehen. Auch der unverblümten Aufforderung zum Staatsstreich, welche von konservativer Seite erging, für den Fall, daß der neue Reichstag keine gefügige Mehrheit erhält, tat der Redner Erwähnung, und gab der Meinung Ausdruck, daß die deutsche Arbeiterklasse durch die bereits erfolgte sozialdemokratische Aufklärungsarbeit stark genug sei, auch die schärfsten Angriffe siegreich abzuschlagen. Zum Schluß forderte Redner auf, mit allen Kräften dahin zu wirken, daß der bisherige Kandidat des Kreises, Genosse Zubeil, mit erdrückender Majorität wiedergewählt würde. Eine im Sinne deS Referats abgefaßte Resolution gelangte zur einstimmigen Annahme. In der Diskussion stellte der freisinnig« Lehrer Herr Schmalz unter allgemeiner Heiterkeit die Frage: Warum die Sozialdemokratie den Freisinn so scharf bekämpfe?" Da inzwischen die Polizeistunde eingetreten war, welche noch ganz im Oppenschen Geiste seeligen Angedenkens auf 10 Uhr festgesetzt ist, konnte dem Herrn Schmalz eine Antwort nicht erteilt werden. CS wurde ihm mitgeteilt, daß er in der nächsten Wählerversammlung am 8. Januar eine gründliche Antwort erhalten werde. Rieder-Schöncmeidr. In öffentlicher Wählersammlung referierte Genosse Zubeil in Haffelwerder. Auch hier beleuchtete der Redner unsere herrliche Kolonialpolitik, die dem deutschen   Volle bisher nichts anderes als ungeheure Opfer verursacht hat. Die Lebensmittel- Verteuerung, wie das ständige Bestreben der herrschenden Klassen, das Volk zu entrechten, kennzeichnete der Referent mit gebührender Schärfe. Seine fesselnden Ausführungen wurden von den Ver- sammelten mit stürmischem Beifall aufgenommen. Zum Schluß ge- langte eine Resolution zur einstimmigen Annahme, m welcher die Versammelten ihr Einverständnis mit der Haltung der sozial» demokratischen Fraktion im allgemeinen und oeS bisherigen Ver­treters des Kreises im besonderen ausdrücken. Außerdem wird die Wiederaufstellung Zubejls begrüßt. Zum Schluß geloben die Ver- sammelten, alles daransetzen zu wollen, um am Tage der Wahl dem Genossen Zubeil zu einem glänzenden Siege zu verhelfen. Der Borsitzende forderte hierauf zum Eintritt in den Wohtverein und zum Abonnement auf den.Vorwärts' auf. Stankow. In diesem kleinen an der äußersten Grenze des Kreises Teltow   in der Nähe der Bahnstation Brand gelegenen Dorschen fand am S o n n t a g. den 30. Dezember zum erste» Male eine Volksversammlung statt. Dem Gemeindevorsteher scheint dieses für Staakow ganz neue Ereignis recht unangenehm gewesen zu sein. Als die Anmeldung zn der Versammlung, die vom Vorsitzenden des Charlottenburger   Wahlvereins, Genossen Paul Schmidt, ausging, mit der höflichen Bitte um Zu- sendung der Bescheinigung über« die erfolgte«ninelduna bei ihm einging, sandte er sie zurück mit dem Bescheid: .Urschriftlich zurückgesandt zur Angabe, welche Angelegenheiten in dieser Versammlung erörtert oder beraten werden sollen." Darauf aufmerksam gemacht, daß irgend eine Verpflichtung, seiner Auf­forderung Folge zu leisten, nicht bestehe, daß er dagegen die gesetz- liche Verpflichtung habe, eine Bescheinigung über die Anmeldung zu geben, sandte er eine solche zwar, fügte ihr aber die amtliche Be- merkung hinzu:.daß p. Jäkel die Abhaltuiig der Versammlung in seinem Lokale nicht duldet". Gleichzeitig mit dieser Bescheinigung traf ber dem Genossen Schmidt ein Brief des Gastwirts Jäkel ein. worin er ihm mit« teilte, daß er fich genötigt sehe, von dem Kontrakt, durch welchen U dem Genossen Schmidt seinen Saal zu einer Versammlung am 30. Dezember vermietet hatte, zurückzutreten. Genosse S ch m i d t ließ sich jedoch nicht hindern, von seinem guten Recht Gebrauch zu machen. er nahm den von ihm gemieteten Raum in Besitz und wies den Wirt nachdrücklich aus die flnanziellen Folgen hin. die ein Kontrakt- bruch für ihn haben würde, da er für die entstandenen Unkosten auf- kommen müßte. Somit konnte die Versammlung ungestört unter dem üblichen Schutz des Staates, zu dessen Vertretung ein Gendarm erschienen war, stattfinden. Der Besuch der Versammlung war nach städtischen Begriffen sehr gering: Es waren 36 Männer und 4 Frauen erschienen. Für Staakow aber ist ein solcher Besuch nicht unbedeutend, er umfaßt beinahe zwei Drittel aller Wähler. Staakow hatte im Jahre 1903 62 eingeichriebene Wähler, von denen 50 ihr Wahlrecht ausübten; in diesem Jahre soll oie Wählerzahl auf 60 herabgegangen sein. Das Wahlresultat im Jahre 1903 war ein schlechtes, nur 17 Wähler gaben damals ihre Slinune für unseren Genossen Fritz Zubeil  ab. während 33 sich für den konservativen Kandidaten einfangen ließen. Der Referent der Versammlung, Genosse Dr. Borchardt, wies, von dem unmittelbare» Anlaß der Reichstagsauflösung aus- gehend, eindringlich auf den grundsätzlichen Gegensatz in den Be- strebungen der sozialdemokratischen Arbeiterpartei zu denen aller anderen Parteien hin: Verwirklichung des Grundsatzes des gleichen politischen und wirtschaftlichen Rechts für alle Staatsbürger. In der Versammlung herrschte ein trefflicher Geist und ein« vorzügliche Stimmung, so daß wir aus eine Verdoppelung unserer Stimmenzahl am 25. Januar rechnen dürfen. Die Versammlung wurde erst um 7 Uhr geschlossen. Kreis Teltow. Die Reichstagswählerlisten können eingeseven werden für Johannisthal   im Gemeindebureau während der Dienststunden. Eine Abschrist derselben liegt beim Genossen G o b i n, Roonstr. 12, aus. Steglitz  . Die Listen liegen heute von 11»/, 12'/, Uhr im Rathaus, Zimmer 1 aus. Wählerversammlungen im Kreise Rieder-Barnim. Friedrichsfelde  . Am Sonntag nahm die Sozialdemokratie Fricdrichsfeldes in erster öffentlicher Wählerversammlung Stellung zu den bevorstehenden Wahlen. DaS Referat hielt Genosse Kurt Rosenfeld  , der die Stellung der bürgerlichen Parteien zur Kolonial- Politik eingehend präzisierte. Mit einem wuchtigen Appell an die Anwesenden, den Sieg am 25. Januar durch fortgesetzte AufklärungS- arbeit vorzubereiten, schloß er unter lebhaftem Beifall seine Aus- stihrungen. Der Vorsitzende forderte alsdann zu reger Einsicht» nähme in die Wählerlisten auf. Das Wahlkomitee besteht au? den Genossen Gronwald, Pinseler, Schwäbisch  , Boche und Bruck; samt- liche Zuschriften und Anstagen die Wahl betreffend sind au den Genossen Karl Gronwald, Luisenstr. 15, zu richten. In Weißensee haben dieOrdnungsparteien" noch gar keine offizielle Stellung zur ReichstagSwahl genommen. Nur die Orts» presse bringt hin und wieder eine Nachricht über die Kandidaten- frage, so unter anderem, daß Bürgermeister Ziethen-Lichtenberg von den vereinigten bürgerlichen Parteien als Kandidat normiert worden ist. In der arbeitenden Bevölkerung ist bereits ein anderes Leben vorhanden. Die bevorstehenden Reichstagswahlen bilden hier das Tagesgespräch. Lebhaft ist bereits in die Wähler- liste Einsicht genommen worden, und daß dies auch unbedingt notwendig ist, beweisen die zahlreichen Mängel, die sich bei der Einsichtnahme herausgestellt haben. Leute, die längst verstorben oder verzogen sind, stehen in der Liste, während Einwohner, die erst vor kurzem noch ihr Kommunalwahlrecht ausgeübt haben, nicht verzeichnet sind. Wer von Ken Arbeitern keine Zeit hat, die Liste während der Bureaustunden im Gemeindeamte einzusehen, kann dies beim Genossen Schmutz, KönigS-Chaussee 88, tun, woselbst auch Proteste gegen die Richtigkeit entgegengenommen werden. Nieder-Barnim  . Friedrichsfelde  . Abschriften der Wählerlisten liegen aus für Bezirk I, umfassend Berlinerstraße westlich der Schloßstraße, bei Franzke, Berlinerstr. 103. Bezirk II, alles östlich der Schloßstraße und Wilhelmsiraße, bei Schulz, Wilhelmstr. 11. Bezirk m. Friedrich- ktraße westlich der Schloßstraße, Luisenstraße, Prinzen-Allee, Walder- seestraße, RummelSburgerstrahe, Caprivi-Allee bei Lasse, Luisen- straße 21. Tegel  . Die Wählerliste liegt au« im Gemeindeamt, Baitstraße, außerdem beim Genossen Gehlhaar. Berlinerstr. 92. Partei- Angelegenheiten. Zweiter Wahlkreis. Am Donnerstag, den 3. Januar, abends 8'/z Uhr, bei Kliems. Hoseicheide 13/15, Freitag, den 4. Januar, abends 8'/, Uhr, im Königshof, Bülowstr. 37, finden VolkSversamm- limgen statt, in der Genosse R. Fischer über die bevorstehende Reichstagswahl sprechen wird. Zahlreichen Besuch erwartet Der Bor st and. Reinickcndorf-West. Parteigenossen! Am Freitag, den 4. Januar, abends S'/j Uhr, findet im Lokale von Otto, Berlinerstr. 113/114, ein kombinierter Zahlabend statt. ES wird jedem Genossen zur Pflicht-gemacht, pünktlich zu erscheinen. Der Vorstand. Reinickendorf  -sOstj-Schönholz. Zu der am Sonnabend, den 5. Januar, abends 8 Uhr, bei Ramlow, Schönholz 14. statt- findenden öffentlichen Wählerversammlung findet am Donnerstag, den 3. Januar, abends 7 Uhr, Flugblatt- Verbreitung von den bekannten Lokalen aus statt. Jeder Ge- nosse hat die Pflicht, sich daran zu beteiligen. Nieder-Schönhausen. In der am 3. Januar 1907, SV. Uhr stattfindenden öffentlichen Versammlung spricht Genosse A. K o h n über die ReichstagSwahl. Sine überfüllte Ver­sammlung erwartet der Borstand. Steglitz  . Die Versammlung des WohlvereinS am 2. Januar 1907 fällt aus. Sonntag, den 6. Januar, Flugblattverbreitung in allen Bezirken. Lerlmer J�admcbten. Prosit Neujahr! rufen sich in der Nacht vom 31. Dezember bis 1. Januar alle diejenigen zu.>die beisammen sind, um mit dem Schlage 12 den Anbruch des neuen Jahres zu begrüßen. Man wünscht sich Glück und hofft, daß das neue Jahr besser werden möge als das verflossene. Auch wir möchten unter den Gratulanten nicht fehlen. Wir haben zwar keinen Anlaß über das ab­gelaufene Jahr zu klagen; hat es uns doch eine Anzahl Kämpfe gebracht, unserer Partei zahlreiche Anhänger und unserem Blatte 23 000 neue Abonnenten. Das Jahr schließt mit einem frtsch-fröhlichen Wahlkampfe und in den nächsten Wochen des neuen Jahres soll dieser Kampf seinen Höhe- Punkt und am 25. Januar seinen Ausgangspunkt erreichen. In diesem Sinne, daß das. neue Jahr für unsere Partei und zugleich auch für unser Blatt ein recht erfolgreiches werde. begrüßen auch wir das neue Jahr und rufen unseren Partei- freunden und Lesern unseres Blattes ein fröhlichesProfit Neujahr  " zu. Unser historischer Kalender für daS Jahr 1907 wird mit der heutigen Nummer unsere« BlatteS ausgegeben. In seinem Format ist er derselbe geblieben wie bisher, sein Inhalt dagegen ist durch die wichtigsten politischen Ereignisse des verflossenen JahreS aktueller gestaltet. Wir hoffen, daß der Kalender den Parteigenossen und Lesern unseres Blattes eine will- kommen« Gabe sein, unsern Gegnern aber, wie schon bisher, recht vielen Verdruß bereiten wird. Vom besten Kinderschutz. Jetzt nach dem Weihnachtsfest beklagt in einem bürgerlichen Blatt einer da« Kinderelend, daS er in den Wochen vor Weih- nachten wieder in den Straßen Berlins   gesehen hat. Bewegten Herzens schildert er in demTag" des Herrn Scherl die Leiden der ach! so vielen Kinder, die z. B. in der Leipzigerstraße selbst bei grimmem Frostwetter umherstanden und die Vorübereilenden an- flehten, ihnen etwas von ihiem Weihnackitskram abzukaufen.Es ist ein Winterabend," erzählt er,»zehn Uhr schon und mehr; das Thermometer zeigt 8 Grad Kälte. Der Erwachsene eilt, so rasch er kann, um aus einem geheizten Zimmer ins andere zu kommen. Und da stehen Kinderchen, zum Teil höchstens vier Jahre alt, trippelnd auf demselben Fleck, starr vor Kälte, haben ein Zigarrenkistchen um- gehängt und piepsen:.Wachsstreichhölzer 10 Pf.",»Christbaum- schmuck 10 Pf.', mit Stimmchen, die kaum daS Reden gelernt I" Ist das würdig?" fragt entrüstet der gute Mann. Doch hinter- her beruhigt und tröstet er fich und sein Publikum:Gewiß mag es eine Not geben, die es auch begreiflich erscheinen läßt, wenn kleine Kinder deS Abends nach Brot auf die Straße geschickt werden. Aber für solche wahre Not, dächte ich, sei auch Abhülfe da. Haben wir nicht das Unterstützungswohnfitzgesetz? Haben wir nicht WohltätigkeitSeinrichtungen mannigfaltigster Art? Eine Kontrolle ist schwer; aber ich glaube nicht, daß eS wirk- liche Rot ist, die da ihren Verzweiflungskampf kämpft l" Er meint, daSsehe viel eher nach Gewerbsmäßigkeit auS," und er ruft gegen den Mißbrauch, der da mit den Kindern getrieben werde, die Gesetzgebung auf. Der Ahnungslose I Er weiß offenbar nicht, wie unerbittlich die Organe unserer Armenverwallung sein können, wenn bittere Not Hülse von ihnen heischt. Er bat wohl auch keine Kenntnis von der Ohnmacht all' der Vereine und Vereinchen, die den Hülflosen beistehen wollen und doch auS Mangel an Mitteln selber so gänzlich hülfloS sind. Aber sein Ruf nach schärferen Ge- s e tz e s b e st i m m u n g e n, die den Straßenhandel der Kinder noch weiter einschränken sollen, weist allerdings auf ein radikales Mittel zur Abhülfe hin. Warum versucht man'S nicht mal mit diesem Mittel? Warum müssen wir's alljährlich aufs neue erleben, daß in den Wochen vor Weihnachten sogar Kinder, die noch nicht mal daS schulpflichtige Alter haben, auf die Straße hinausgestoßen werden, um dort ihr bißchen Brot zuverdienen? Weil selbst daS radikalste Mittel Wirkung?- loS bleiben muß. wenn die Bedingungen fehlen, unter denen allein eS wirken kann I Wir fordern sogar ein vollständiges Verbot der erwerbenden Kinderarbeit, also auch-de» Stratzenhandels der Kinder und zwar auch für die Wochen vor Weihnachten  . Indes. wer den Eltern verbieten will, ihre Kinder mitverdienen zu lassen, der muß natürlich auch dafür eintteten, daß allen Eltern die Mög- lichkeit geschaffen wird, auf den Verdienst ihrer Kinder zu verzichten. Warum haben wir denn kein lückenloses Kinderschutzgesetz? Weil ein solches Gesetz der bürgerlichen Klasse unbequem wäre und sich überhaupt nicht durchführen läßt, so lange noch Eltern ge- nötigt sind, mit den paar von ihren Kindern verdienten Groschen zu rechnen. Den besten Kinderschutz bildet der Elternschutz; am wirksamsten Hilst man den Kindern, wenn man ihren Eltern Hilst; das sicherste Mittel zur Beseitigung der Kinderarbeit ist die Be­seitigung des Elendes der Eltern. Aber eben das will die besitzende Klaffe nicht. Wenn sie eS ruhig geschehen ließe. daß daS arbeitende Volk sich bessere Existenzbedingungen schafft ei. da sägte sie ja selber den Ast ab. auf dem sie sitzt und sich so be- haglich fühlt I Der heuchlerische Trost, mit dem die bürgerlichen Kinder« steunde sich beruhigen die Versicherung, daß es nicht wirk- liche Not sei. die die Eltern zwingt, an ihrem VerzweiflungS- kämpf die Kinder teilnehmen zu lassen wird durch entsetzensvolle Tatsachen widerlegt. Just zu Weihnachten ist dem Berliner   Magisttat von einem Berein, der an der Beseitigung der Kindernot mitarbeiten will, eine Eingabe überreicht worden, die auf Grund einwandsfreier Feststellungen die in Berlin   herrschende Not der Kinder schildert. DerVerein für Kinder-Bolksküchen" bittet um eine Erhöhung der Beihülfe, die ihm bisher von der Stadt gewährt worden ist. Gegenwärtig ist er nicht in der Lage, die an ihn heran- ttetenden Anforderungen zu erfüllen. Durch Vermittelung der Schule läßt er feststellen, wo wirkliche Not vorhanden ist. Bei den Recherchen, die von Lehrern und Lehrerinnen in den Wohnungen der Schulkinder vorgenommen'wurden, find ziemlich 3000 Familien gefunden worden, in denen nach- weislich kein Mittagessen gekocht wird. 9000 Kinder ge- hören diesen notleidenden Familien an, aber nur etwa 3000 davon können durch den Verein mit Mittagessen unterstützt werden. ES bleiben als» noch 6000, die kein Mittagessen erhalten. Und dabei sind wir jetzt erst im Beginn des Winteröl Die Petition dieses Vereins spricht von der Not, die auf diesen Familien und ihren Kindern lastet, und weist hin auf die Schäden, die der Bolksgesundheit aus solchen Zuständen erwachsen. Aber es versteht fich von selber, daß auch diese Herrschaften im übrigen zu den treue st en und eifrig st enSchützern unserer Herr- lichen Gesellschaftsordnung gehören, die ,olche Zustände verschuldet. Alles was in bürgerlichen Blättern über Kindernot ge- schrieben wird, alles auch, was inwohltäiigen" Vereinen bürger- sicher Kreise für Kinderschutz getan wird, bleibt hohler Schwatz und arniseliges Stückwerk, solange die bürgerliche Klasse den B e- mühungen derArbeiterklasse, ihre wirts�aftliche Lage zu bessern, mit der blinden Wut des in semer Macht- pellung gefährdeten Bedrückers entgegenttitt. Wir wiederholen eS: der beste Kinderschutz ist der Elternschutz! Dieken hat aber die Arbeiterflasse niemals von der bürgerlichen Gesellschaft zu erwarten, mir sie selber kann ihn sich ichaffen. Und nur im zielbewußten Kampf gegen die bürgerliche Gesellschaft, wie die Sozialdemokratie ihn führt, kann sie ihn erringen. Ergebnis des WeihnachtSpaketverkebrs. Der WeihnachtLpaket- Verkehr hat in diesem Jahre überall eine erhebliche Zunahme ge- zeigt. Wenigstens ergeben die bis'jetzt aus dem Berliner   Bezirk vorliegenden Zahlen ohne Ausnahme einen weit größeren Zuwachs als im Vorjahre. Die Statistik hat vor manchen anderen den Vorzug, bis aufs letzte Stück genau zu sein, wie ein Kassen- abschlutz. Gezählt wird der Postpäckercivcrkehr in den 14 Tagen vom 12. bis zum 25. Dezember in den Städten mit mehr als 50 000 Einwohnern. Die Gesamtstiickzahl der aufgegebenen und eingegangenen Pakete betrug i» diesem Jahre in Berlin   2 453 015, in Charlottenburg   116 851, in Schüneberg 64 430, in Rixd'-'f 37 259, Dazu kommen in diesem Jahre zum ersten Male Wilmei-e'-orf mit 20 718 und Lichtenberg.mit 8 517. Tic Zunahme beträgt in Berlin  97 395, in Charlottenburg   1V 576, Schöneberg   2 034, Rixdorf 10 017, Wilmersdorf   5 423, Lichtenberg   1 933. In Berlin   ist die Auf-