des so Plötzlich und ohne sein Zutun kekannt gewordenen Formers Christoph Jung aus Duisburg vorbehalten. Welche Ironie des Schicksals, daß die Verfechter der Kandidatur des„schlichten Mannes aus der Werkstatt" ihren Christoph Jung gegen die Sozialdemokratie auch mit dem Argumente des Grafen von Arnim-Muskau verteidigen I Die nationalliberale„Rhein - und Ruhr zeitung", das freiwillige Organ für Schleifsteinpolitik im Duisburger Wahlkreise, schreibt in ihrer Montagsnummer: „Die Sozialdemokraten Heulmeiern über Nahrungsmangel. Der Hunger kann wohl Stammaast in den Familien fein, iv o der Bater alles vertrinkt oder wo er es der ewig hungrigen sozialdemokratischen Parteikassl z u w e n d e t I Der nüchterne sparsame Arbeiter, dem eine ordent liche Frau die Wirtschaft führt, hat sein anständiges Auskommen Es gehört die ganze Erbärmlichkeit eines Schmocks dazu, um der Arbeiterschaft angesichts des Hungertarifs mit solchem Zynismus zu begegnen. Und das geschieht in einem Wahlkreise, wo die so genannten„OrdnungSpartcien" einen Paradearbeiter als Köder aufl stellen, um durch diese„Arbeiter-Kandidatur" den verlorenen Wahl kreis nochmals zu retten l—_ Natiomilliberale Sozialpolitik. Wie die Nationalliberalen über die Sozialpolitik denken, und was die Arbeiter zu erwarten haben, wenn die Scharfmacher aus der Grohindustrie noch gröberen politischen Einflub gewinnen, zeigt eine Auslassung der Bochumer Handelskammer. In einer Festschrift aus Anlab des fünfzigjährigen Bestehens der Kammer läßt sie ihren Unmut über die Sozialpolitik folgendermaben aus: „Während von den 7<Zer Jahren an bis hinein in den Anfang der 90er Jahre die Kammer sich meist in Uebereinstimmung mit der Politik der Reichs- und Staatsregierung befunden hat, hat sie in den letzten 10— 15 Jahren oft eine Oppositionsstellung zu ihr und zu der von ihr und den parlamentarischen Körperschaften bewirkten Gesetzgebung eingenommen. Die Streit« punkte lagen vorzüglich auf dem Gebiete der Sozialpolitik, die nach dem Ausscheiden Bismarcks eine Richtung eingeschlagen hatte, welche die Kammer nicht mehr billigen konnte. Sie hatte gern ihre Stimme zugunsten einer umfassenden staatlichen Wohlfahrtspolitik erhoben. welche, vom Gedanken der Humanität getragen, von den führenden Klassen der Nation ausging und unterstutzt wurde, und welche. dem Grundsatze eines gemäbigtcn Individualismus huldigend, sich die Wicderversöhnung der Arbeitermassen mit dem Staate und der Gesellschaft zum Ziele setzte. Von der neueren Sozialpolitik aber, die von den Arbeitermassen ausgeht und sich in dauerndem, stetemZurück- weichen der Regierung und der bürgerlichen Parteien vor den immer mehr zunehmenden sozialen Forderungen vollzieht, sieht die Kammer nrcht nur für die Industrie, sondern auch für den gesamten Staat yrohe Gefahren. um so mehr, als der Einflub von Industrie und Handel in den gesetzgebenden Körperschaften in dauerndem Rückgang begriffen ist." Diese Aeuberung sagt deutlich genug, warum die National- liberalen so begierig sind, ihren politischen Einflub zu erweitern. Sie wollen die Sozialpolitik rückwärts reformieren, und um die Arbeiter in Schach zu halten, soll daZ KoalitionS-, Streik« und Wahlrecht beschnitten werden.—_ Die lieben Arbeitswilligen! Ueber ein unerhörtes Urteil, das obendrein noch von der Strafkammer bestätigt wurde, weiß der Hirschberger„Bote" zu be- richten: Zwei Bergarbeiterfrauen aus Rothenbach waren vom Schöffengericht Landeshut wegen sogenannter Beschimpfung von Arbeitswilligen zu je einer Woche Gefängnis verurteilt worden. Sie legten gegen das Urteil Berufung ein. Bei den: letzten Berg arbeiterstreik im niederschlesischen Kohlenrevier sollen die Berg mannsfrauen Josefine N. und Emilie Sch. in Rothenbach zwei arbeitswillige Bergleute, die von der Schicht kamen, verhöhnt und beschimpft haben, um sie auf diese Weise zum Anschlub an den Streik zu bewegen. Die beiden Angeklagten bestreiten entschieden die Aentzerungen, die sie nach den Aussagen der beiden Arbeits willigen getan haben sollen. Das Zeugnis dieser beiden Arbeits- willigen erscheint nicht unbedenklich. In einem wichtigen Punkte ist es zum mindesten wohl nicht der Wahrheit entsprechend. Durch einen einwandSfreien Zeugen, der absolut nicht am Streik beteiligt war. wird nämlich nachgewiesen, daß auch einer von den beiden Arbeitswilligen die Frauen in ganz roher Weise beschimpft hat. Dies stellen nun die Arbeitswilligen in Abrede oder suchen es wenigstens als ganz harmlos hinzustellen. Der unparteiische Zeuge meint sehr richtig, eS sei eine gegenseitige Schimpferei gewesen und er(der Zeuge) hätte darin durchaus keine Beeinflussung auf die Streikenden gesehen, sich dem Streik anzuschließen. Aber die Strafkammer ist ebenso wie das Schöffengericht der Ansicht, daß die beiden Frauen sich eines Ver- gehens gegen den jetzt so viel genannten ß 153 der Gewerbeordnung schuldig gemacht haben. Auch die erkannte Strafe hielt der Gerichts- Hof für angemessen und so lautete denn das Urteil auf Verwerfung der Berufung. Nach diesem Urteil find Streikende überhaupt als vogelfrei zu betrachten. Es ist weit gelommen in der preußisch-deutschen Rechts pflege. —_ Der Zirkus auf Wahlagitation. Die bürgerliche Wahlagitation fängt nachgerade an, die einzig angemessene Tonart anzuschlagen, sie wird zur Parodie, zur Selbst- Verspottung. Bon der Höhe einer klaren, bewußten, durch Prin- zipien festgelegten Politik aus betrachtet, erscheint sie in dem milderen Lichte vergnüglichen Humors. Oder ist es nicht in höchstem Maße belustigend, wenn man liest: „Ein Wahlvereiii alter Afrikaner hat sich in Berlin gebildet, der kolonialfreundlichen Reichstagskandidaten in gefährdeten oder aussichtsvollen Kreisen auf Wunsch k o st e n- los Herren aus der Kolonie, die zurzeit in Deutschland weilen, als Begleiter auf der Agitationstour stellt. Der Verein ist auch bereit, Flugblätter zur Verfügung zu stellen. Briefliche Anfragen sind zu richten an Herrn Adolf Steili, Berlin , Wilhelmstr. ö; für Telegramme genügt die Adresse„Telewelt Berlin". Vorsitzender des Vereins ist der zurzeit in Berlin wci- lcnde Farmer Karl Schlettwein in Putjo, der seinerzeit als Sach» verständiger in der Budgctkommission des Reichstages höchst in, � tcrejsante Mitteilungen über seine Wirtschaftserfolge in Südwest- afrika machte, und dessen Ausführungen auf den Zentrumsführer Ir. Spahn einen solchen Eindruck machten, daß dieser erklärte, man nlüsse nach diesen aufklärenden Darlegungen die Wirtschaft- liche Bedeutung des Schutzgebietes allerdings von anderen Ge- sichtspunkten betrachten." Herr Schlettwein wird, um die Leistungsfähigkeit unserer Kolonien zu beweisen, zweifellos eine größere Menagerie dort ae- füchtcrer Tiere mit sich führen. Einige Giraffen werden die iationälhymne tanze», Papageien rezitieren BülowS und andere Reden. Die jttnder reichstreuer Wähler dürfen auf den Zebras, und— nur für die die bereits schlvarz-weiß-rot gefleckt sind, reiten Kamele haben die Zuschauer selber zu sorgen. Zum Schluß der jedesmaligen Vorstellung werden Dr. Peters und der Puttkamcr im Original-Hererokostüm Feuer fressen und den„wilden Mann" «rimen, viel besser und echter, als es die aus den Panoptikums und von herrschaftlichen Kutschböcken besorgten echten Neger vermögen, »ie jetzt eine Mastkur durchmachen. Um die weitreichende„Wirt- verantw. Redakteur: Hans Weber, Berlin . Inseratenteil oerant».:' schaftliche Bedeutung" unserer Kolonien vollends jedermann un- l dieser unfreundlichen Methode können die Sendling « der Staats. widerleglich vorzudemonstrieren, werden außerdem Tippelskirch und I gemalt in den Bann der„aufrührerischen" Gedanken geraten. Pod ihre gerundeten Existenzen in den Versammlungen herum- führen. Wo solche Handgreiflichkeiten reden, bedarf es keiner er- läuternden Worte mehr. Der nationale Kolonialzirkus kann sogar ein wvhlbemesscnes Eintrittsgeld fordern und dadurch die schwindsüchtigen Kassen der bürgerlichen Parteien füllen helfen. Busch und Schumann aber mögen auf neue Sensationen sinnen..... Ein christlicher Seelsorger. In dem Orte BorchertSdorf wohnt in einem Hause de? Pfarrers Schwark ein ehrlicher Arbeiter, der sich und seine Familie redlich von seiner Hände Arbeit ernährt. Anfangs Januar kündigte ihm der Herr Pfarrer plötzlich die Wohnung. Der Arbeiter war darüber ganz erstaunt, er wies auf seinen Kontrakt hin, der eine halbjährige Kündigungsfrist vorsehe, und meinte, der Herr Pfarrer hätte ihm im Oktober kündigen müssen; jetzt habe er eS nicht nötig, die Kündigung anzmiehmen. Aber der Pfarrer bestand auf der Kündigung Nun fragte der Arbeiter »ach den Gründen zur plötzlichen Kündigung, woraus ihm der Pfarrer rundweg erklärte, daß er ihm kündige, weil er sozialdemokratisch gewählt habe. Der Arbeiter war einfach verblüfft über diese Antwort, doch der Pfarrer ließ sich nicht beirren, sondern sagte, der Arbeiter habe eine sozialdemokratische Gesinnung und deshalb müsse er aus seinem gottessürchtigen Hause. Nun war der Arbeiter nebst seinem erwachsenen Sohne im Walde des Grafen Dönhoff beschäftigt. Eines Tages, als die Beiden gerade bei ihrer Arbeit waren, trat der Förster auf sie zu und sagte ihnen, daß er sie sofort entlassen müsse. Aus die Frage des Arbeiters, was er und sein Sohn denn verbrochen hätten, erklärte ihm der Förster, daß der Herr Pfarrer Sänoark ihn als einen Arbeiter mit sozialdemokratischer Gesinnung geschildert habe, und er. nebst seinem Sohne deswegen entlassen werde» müsse. Das geschah auch, der Arbeiter wurde mitten im Winter mit seiner Familie dem Elend überliefert. Der Herr Pfarrer aber wird nach wie vor jeden Sonntag aus die Kanzel steigen und die Gläubigen eindringlich ermahnen, die Gebote des Christentums auch durch die Tat zu befolgen, denn nur solche Christen seien wahrhaft gläubig.— Ein vielseitiger„Volksvertreter". Im Verlag von Hermann Hilger jBerlin) ist ein„Wegweiser für die Reichstagswahl" erschienen, worin es bei der Auf Zählung der Mitglieder der Zentrumsfraktion noch ihren Berufen heißt:„Ein Abgeordneter— das ist charakteristisch für den nicht nur im Zentrum als Partei, sondern beim einzelnen möglichen Interessenausgleich— ist gleichzeitig Mitglied der Handels- k a m m e r, Ehrenmitglied des katholischen Arbeitervereins. Borstand eines katholischen Gesellen- Vereins, Mitglied de« Rheinischen Bauernvereins, Vorsitzender eines kleingewerblichen und gemein- nützigen Vereins und vertritt im Reichstage besonders Privatbeamten-Jntereffen." Der ultramontane.Volksfreund" in Aachen bemerkt hierzu, daß dieser Abgeordnete Herr Kaufmann Joseph Racken, bisheriger Vertreter für Aachen-Land-Eupen-Burtscheid ist. der außerdem noch beigeordneter Bürgermeister in Eschweiler . Mitglied des Kreistages und des Kreisausschusses, weiter noch-Oberleutnant der Reserve mit der Vormerkung als Kompagnieführer für eine etwaige Mobilmachung, endlich noch Ehrenvorsitzender eines KriegervereinS und Ehrenmitglied zweier anderer Kriegervereine ist. Abgesehen von der Menge und Bielseisigkeit der Berufe. Aemter und Würden des Herrn Nacken interessiert besonders die Fähigkeit dieses seltenen ManneS, zu gleicher Zeit die Interessen so verschiedener Berufsgruppen zu vertreten: Industrie und Kleingewerbe. Handel und Landwirtschaft, Privatbeamte. Handwerksgesellen und Fabrik- arbeiter— allem und allen weiht sich Herr Nacken mit gleicher Hin- gebung. Wobei er noch Zeit findet, einen Bürgermeisterposten, ein Neichstagsmandat, mehrere öffentliche Aemter auszufüllen und durch Pflege der Kriegervereinssache für die Ausbreitung patriotischer Ge- innung zu sorgen. Und einer Partei, die so verwendbare Männer hervorzubringen vermag, hat Bülow den Krieg angesagt I— Ein tragikomisches Schauspiel liefert die Zentrumspartei im Wahlkreise RegenSbura. Der bisherige Vertreter dieses Wahl- kreifes war der Freiherr v. P f e t t e n, ein Agrarier schlimm- ter Sorte. Vor kurzem'hat er in der Bayerischen ZentrumSrevue eine Abhandlung veröffentlicht, in der er seiner Partei Anweisung gibt, wie sie sich im Wahlkampfe zu verhalten habe, um möglichst gestärkt aus diesem hervorzugehen. Inzwischen aber wurde er von einer Partei als Kandidat abgesägt und an seiner Stelle der Chefredakteur Held von der Regensburger Zentrumspresse aufgestellt. Gegen diese Abhalfterung legten er und sein bäuer- liclicr Anhang entschieden Protest ein. Jetzt kommt die Nachricht, daß der edle Herr eine ihm vom Bund der Landwirte und vom bah. rischen Bauernbund angebotene Kandidatur angenommen hat. Der bisherige Zentrumsvertreter wird also gegen den offiziellen Zentrumskandidaten kan- vidieren. Der Wahlkampf verspricht sehr interessant zu werden. Feuerbestattung. Bon allen deutschen Bundesstaaten find es nur noch Preußen, Mecklenburg und Bayern , die sich gegen die Zulassung der Feuerbestattung sträuben. In Nürnberg wird schon seit Jahrzehnten eine Agitation zur Einführung der Feuerbestattung bettleben, dort entftand auch der erste Feuerbestattungsverein, der von unserem ver- 'torbeneil Genossen Heinrich Oehme mitbegründet und jahrelang gleitet wurde. Auch der dortig« Stadtmagistrat interessierte sich chon lange für die Sache, die Mittel zum Bau eine» Krematoriums ind längst gesichert, die Ausführung wurde nur durch die hindernde Ttelluiigilahme der bayerischen Staatsregierung unmöglich gemacht. Jetzt macht sich in Bayern wieder eine umfassendere Bewegung für die Zulassung der Feuerbestattung bemerkbar. Vor einigen Tagen hat der Sladtmagisttat München eine entsprechende Petition an die Regierung gerichtet und der Stadtmagistrat Nürnberg ist diesem Beispiel gefolgt. Den ganzen Unteroffizierstand sollte der Genosse Johannes Sanow bKeidigt haben, der gestern vor der Strafkammer in Halle land. Er hatte in einem im Haller„Volkeblatt" veröffentlichten Feuilleton feine Erlebnisse als Soldat des ersten preußischen Garde- Regiments zu Fuß in Potsdam geschildert und dadurch daS Miß- allen des KriegsniinisterS erregl, der Gtrafantrag gestellt hatte. Anfänglich war auch ein Verfahren gegen die Redakteure Genossen Molkenbuhr und Thiele eröffnet worden, das aber schließlich ein- gestellt worden ist. Genosse Sanow ttat den Wahrheitsbeweis stlr feine aufgestellten Behauptungen an— da aber nur Anklage auf§ 185 erhoben war, wie jetzt üblich ist, lehnte man den Wahrheitsbeweis ab; man nahm also als wahr an. daß der Angeklagte die Erfahrungen, die er ge« macht hatte, richtig geschildert hat. Der Angeklagte habe aber ver- allgememert, generalisiert usw. Der Staatsanwalt beantragte wegen der Blülenlese von Schmähungen gegen einen Erbpfeiler des Staates" sechs Monate Gefängnis. Das Gericht erkannte aus nur" drei Monate Gefängnis, weil der Angeklagte bisher noch ünbestraft ist.—« Huetand« Frankreich . Die„Internationale" in der Kaserne. Paris . Januar.(Eiz. Der.) Die Regierung hat dieser Tage die Erfahrung gemacht, daß die Uebung, streikende Arbeiter von Polizei und Militär über- fallen zu lassen, unangenehme Folgen haben kann; denn auch bei iHlGlocke, Berlin . Druck u. Verlag: Vorwärts Buchdr.u.verlagSanßalt Dies ist der„republikanischen Garde" passiert, einer Elitetruppc, die sich aus Unteroffizieren der Armee rekrutiert und zu„vor- n e h in e r e n" Polizeidiensten verwendet wird. Wer hätte ge- glaubt, daß die stattlich berittenen, mächtig helmumbuschten re- präsentativen Männer der bürgerlichen Ordnung dem Bazillus der Rebellion nicht genug Widerstand zu leisten vermochten? Am Neujahrstage erhielten die Soldaten der ersten und zweiten Kompagnie der Garde den Befehl, den Schnee im Kasernenhofe wegzuräumen. Diese unvermutete Feiertags- beschäftigung erregte den Unmut der ohnehin überbürdeten und auch schlecht besoldeten Leute. Es entstand zuerst ein unwilliges Gemurmel, und plötzlich stimmten einige Gardisten die„J n t c r- nationale" an, das Lied, das sie bei ihren Attacken auf Aus- ständige so manchmal gehört hatten. Bald stimmten ihre Kameraden mit ein, so daß auf einmal zwei Kompagnien Soldaten im Kasernenhofe das Kampflied der proletarischen Revolution sangen. Alle Bemühungen der Offiziere tvarcn vergeblich. Der Chor er- tönte volle vier Stunden. Die Begebenheit wurde von der Behörde geheimgehalten, doch brachte die„Humanite" sie an den Tag. Entgegen dem nach- folgenden schwächlichen offiziellen„Dementi" bestätigte sie auch der „Jntransigeant". Einem Redakteur der„Humanite" aber hat ein sozialistischer Polizist erklärt, daß viele seiner Kameraden es mit Bitternis empfinden, daß man sie so oft dazu verwendet, gegen die Arbeiter loszugehen, in denen sie nicht ihre Feinde, sondern ihre Brüder im Elend sehen! Was wird aus der Gesellschaft noch werden, wenn solche Dinge geschehen?— Perfien. Muzaffer-ed-Din , Schah von Persien, ist am Abend des 8. Januar gestorben, nachdem er schon Monate lang einen schweren Todes- kämpf gekämpft hat. Der„König der Könige" ist zu Teheran am 25. März 1853 geboren, hat also ein Alter von knapp 54 Jahren erreicht. Er regierte seit dem 1. Mai 1896 als Nachfolger seines Vaters Naffr-ed-Din. Von seinen sechs offiziellen Söhnen wird der Aelteste. Muhammed Ali Mirza, geboren am 21. Juni 1872, als mutmaßlicher Thronfolger bewachtet. Doch da man in Persien gewöhnt ist, daß auch die Brüder des Schahs— und der Verstorbene hatte deren sechs, von denen einer sogar drei Jahre älter ist als Mnzaffer ed-Din— Thronansprüche für sich, ihre Söhne oder prinzlichen Lieblinge erheben, so muß man darauf ge- faßt sein, daß vielleicht auch diesmal wieder eine ganze Horde von Prätendenten um den Thron raufen wird.— Amerika . Im Senat ist der Staat Kolorado vertreten durch Simon Guggenheim, der an der Spitze einer millionenreichcn Gesellschaft für Schmelzwerke steht. Sensation erregte kürzlich das Gc- ständnis Guggenheims, daß er die Wahlkosten von 64 Mitgliedern der Legislatur von Kolorado bezahlt habe und daß er auf diese 64 Stimmen rechnete, um als Bundcsscnator nach Washington gc- schickt zu werden! Seine Ausgaben beliefen sich auf 500 000 Dollar; er erklärte, daß er gegen die Vorschriften, welche die Gesetze den Wahlkandidaten machen, nicht verstoßen habe. So ist noch mancher Sitz im Senat, diesem„Klub der Millionäre", gekaust, aber nur selten wird der Kauf so offen zu» gestanden.---_ Versammlungen. Die Sektion der Putzer(Maurerverband) nahm in ihrer Mit- gliederversammlung an, Sonntag den Jahresbericht des Vorstandes entgegen. Aus demselben ist folgendes zu entnehmen: Die Kon- junktur im abgelaufenen Jahre war eine ziemlich gute. Sie setzte im März ein und stieg bald derart, daß anfangs April alle Kollegen in Arbeit standen. Anfang Juni ließ der Geschäftsgang wieder nach und sank von da an bis in den August. Dann besserte sich der Geschäftsgang wieder und im Oktober war fast keine ArbcitSIosig- keit mehr zu verzeichnen. Selbst in den Zeiten des ungünstigsten Geschäftsganges war die Zahl der Arbeitslosen nicht größer als 100 bis 140. Bei einer im Mai ausgeführten Baukonttolle wurden 3746 Kollegen ermittelt. Das Resultat ist nicht ganz vollständig, denn eS arbeiten in Groß-Berlin etwa 4000 Putzer. Von den bei der Kontrolle ermittelten Kollegen gehören 8119 dem Zentralverbande der Maurer an, 75 waren christlich, 550 gar nicht organisiert. Es sind also fünf Sechstel aller Putzer organi- siert, während ein Sechstel indifferent ist. Wenn auch die Arbeits- gelegenheit im verflossenen Jahre noch eine günfsige war. so zeigte sich doch unter dem Einfluß der ungünstigen Lage des Geld- Marktes insofern ein Rückgang, als viele Unternehmer nach Fertig- stellung der Putzarbeiten den vereinbarten Lohn nicht zahlen konnten und auch nach durchgefochtener Klage oft kein Geld zu bekommen war. Dieser Rückgang in geschäftlichen Verhältnissen kommt auch zum Ausdruck in ver Zahl der Klagen, welche von Putzem an, Gewerbcgericht anhängig gemacht wurden. Derartige Klagen gab es im Jahre 1905 1800, im Jahre 1906 aber 2100.— Der zweite Teil des Vorftandsberichts gab Auskunft über die abgehaltenen Bersammluitgei, und andere innere Vereinsangelegenheiten.— Ferner beschäftigte sich die Versammlung mit dem bevorstehenden VerbandStage und stellte eine Anzahl von Kandidaten für die Delegiertenwahl auf.— Bezüglich der ReichStagSwahl wurde der Wunsch ausgesprochen, daß die Kollegen den Wahltag ,u einem Feiertage machen und sich an den Wahlarbeiten der Partei beteiligen möchten._ Letzte j�aebnebten und Depefcben, Heilig ist das Eigentum! Frankfurt a. M., 9. Januar. Wie die„Frankfurter Zeitung " aus Orizaba in Mexiko meldet, haben dort ausständige Textil- arbeiter Eigentum im Werte von VA Millionen Dollar zerstört, das einem Franzosen Garcin gehörte. Truppen schritten ein und töteten 30 und verwundeten 80 Leute. Die Mehrzahl per AuS- ständigen ist in die Berge entflohen. Vom Schtihmacherftreik in Frankreich . Fougeres(Dep. Jlle-ct-Villaine). 9. Januar. (W. T. B.) Trotzdem der hier herrschende Ausstand in der Schuhfabrikation andauert, habet« heute früh 22 Schuhfabriken den Betrieb wieder aufgenommen. Die ausständigen Arbeiter haben, um den Streik leichter aushalten zu können, ihre Kinder zu Arbeitern in der Um- gegend geschickt, die mit ihnen gewerkschaftlich verbunden find. Es haben nur höchstens zehn Prozent der Arbeiter ihre Tätigkeit unter den früheren Bedingungen wieder allfgenommrn, ungeachtet de» LärmenS und der höhnenden Zurufe von etwa siebentausend Aus- ständigen, die von den Gendarmen in Schach gehalten wurden. Es kam zu leichten Zwischenfällen, bei denen eine Verhaftung vor- genommen wurde. General Rückwärts und feine Spießgesellen! Petersburg, 9. Januar. (B. H. ) Die Generale Gripenberg. KaulbarS und Sobolow haben den General Kuropatkin zum Duell gefordert, weil er in seinem Werk über den russisch-japanischen Krieg die Tätigkeit dieser Generale einer überaus scharfen Kritik unterzogen hat._ « Streiks der Berkehrsbeamten. Sofia , 9. Januar. (W. T. B.) Der Ausstand der Eisenbahn - angestellten dauert fort. Blättermeldungen zufolge sind heute nachmittag auch die Angestellten der Barnaer Tampfschiffahrts- Gesellschaft in den Ausstand getreten._______ faul Singer LcCo., Berlin SW. Hierzu 3 Beilagen u. Nnterhaltungsblatt
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