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Mr. 275.
Gefcheint täglich außer Montags. Preis pränumerando: BiertelNibeltch 3,30 Mart, monatlich
1,10 mt, wöchentlich 28 Bfg fret in's Haus. Einzelne Nummer 5 Pfg. Sonntags- Nummer mit illuftr. Sonntags- Beilage Neue Welt" 10 Pig. Bost- Abonnement: 3,30 Mt.pro Quartal. Unter Kreuz band : Deutschland u. DesterreichUngarn 2 wt., für das übrige Ausland 3 mt. pr.Monat. Eingetr. in der Boft- geitungs- Preistifte für 1892 unter Nr. 6652.
Vorwärts
9. Jahrg:
Infertions- Gebühr beträgt für die fünfgespaltene Petitzeile oder deren Raum 40 Pfg., für Bereins- und Bersammlungs Anzeigen 20 Pfa Inferate für die nächste Mummter mrüffen bis 4 Uhr Nachmittags in der Expedition abgegeben werden. Die Expedition ift an Wochens tagen bis 7 1hr Abends, an Sonnund Festtagen bis 9 Uhr Ror: mittags geöffnet.
Sernfred- Aufchlug amt 1, Mr. 4186.
Redaktion: SW. 19, Beuth- Straße 2.
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Bum Parteikag.
I.
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Mittwoch, den 23. November 1892. Expedition: SW. 19, Beuth- Straße 3.
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Bartei. Scharfe, rücksichtslose Kritik nach außen, scharfe, und kein Groll entstehen kann und die Feinde, die wir rücksichtslose Kritik nach innen. in alle Falten, in das innerste Wesen und Treiben der Die Sozialdemokratie hat die Kritik nicht zu fürchten, Partei hineinblicken lassen, und unter deren Augen unser Der Parteitag ist gestern, Montag, den 21. November, wie alle unsere Gegner, welche für eine verlierende, für Arbeiterparlament tagt, sie werden sich überzeugen, daß die geschlossen worden, nachdem er Montag, den 14. November, eine verlorene Sache kämpfen und zu Mitteln gezwungen Partei keine Geheimnisse hat, und nichts zu verhüllen oder zufammengetreten war. Er hat also volle acht Tage ge- sind, welche das Licht der Deffentlichkeit zu scheuen haben. zu beschönigen. Nein, wir haben keine Geheimnisse, dauert so lang wie der längste, und länger als die wir haben nichts zu verbergen. Frei und und gerade das ist das Geheimniß unseres Erfolgs. Wir meiften aller früheren Kongresse unserer Partei. Charakter war ein wesentlich praktischer Sein fühn lassen wir unsere Fahnen fliegen im Licht Sozialdemokraten verkünden was wir wollen, verschleiern es war der Sonne; frei und kühn bekennen und verfechten nichts und geben uns wie wir sind. Wo ist die an ein Geschäftskongreß - so weit man von einem poli- wir gegen jedermann, was wir sind und was wir bere Partei, die Gleiches von sich sagen tischen Kongreß diesen Ausdruck gebrauchen tann. wollen als einzige Partei, die das gemeine Beste, das kann? Wo die andere Partet, die wie Nachdem die Partei sich in Halle ihre neue Drga- Gemeinwohl erstrebt und den Widerspruch zwischen Handeln wir es thun- im Angesicht ihrer Gegner nisation, in in Erfurt unter Abstoßung der faulen und Ideal, wie er durch die verlogene, heuchlerische, bis ins ta gen, ihre gesammte Parteithätigteit in Glemente, ihr neues Programm gegeben hatte, fiel dem Mark faule Welt des Kapitalismus sich klaffend hindurch das Tageslicht ziehen und der freiesten, Parteitag in Berlin naturgemäß die Aufgabe zu, das zieht, als unsittlich verdammt. Unser Handeln soll unserer rückhaltlosesten Kritik überliefern tann?" praktische Wirken der neuen Organisation uno des neuen Lehre entsprechen. Jeder Sozialist hat den Sozialismus zu Ja, wo ist die andere Partei, die all' ihre Verhältnisse Programms zu prüfen, Besserungsbedürftiges zu beffern Leben, durch sein Leben zu beweisen, daß er anders und all' ihre Angelegenheiten so öffentlich, unter den Augen und nach allen Seiten hin Regelung und Klarheit zu bringen als jene Brediger des Christenthums, die nach dem Sprich- aller anderen Parteien, die ihr allesammt feindlich sind, bein die Angelegenheiten der Partei. Auf der Tagesordnung wort, gleich den Straßenwegweisern den Weg zwar zeigen sprechen und verhandeln könnte? Angesichts dieser einen standen deshalb mit Fug und Recht nur praktische Fragen, die aber nicht gehn den Sozialismus nicht blos im Mund Thatsache: der unbeschränkten Deffentlichkeit unseres Parteijedoch selbst die Berwaltungsfragen mit eingeschlossen hat, sondern auch im Herzen, und daß er das erhabene tages, erscheint das Mäkeln und Spötteln der Gegner gar sämmtlich auch der prinzipiellen Bedeutung nicht ermangelten. Es Menschheitsideal des Sozialismus in seiner Person nach jammervoll kleinlich. Mit dem boshaften Behagen von war eine ungewöhnlich reiche Tagesordnung, und mit alleiniger Möglichkeit zu verwirklichen strebt. Propaganda ist unsere Hämmlingen weisen sie höhnend auf die Fehler und Mängel Ausnahme der Referate über die wirthschaftliche Lage und den Haupt waffe. Und die Propaganda des Beispiels ist so hin, die wir selber gezeigt. In ihrer Impotenz be Antisemitismus ist die Tagesordnung vollständig erschöpft, nothwendig wie die Propaganda des Wortes und der greifen sie nicht, daß nur die Stärke und das Bewußtsein und überdies noch ein weiterer Puntt:" Die Stellung der Schrift- ja sie ist noch unentbehrlicher, da ohne sie der Stärke solche rückhaltlose, ja solche rücksichtslose Kritik Bartei zum Staatssozialismus" erledigt worden. Die jede andere ihre Wirkung verliert. Eine Partei, deren und Selbstkritik üben und vertragen können, wie wir ste Nichtung, in der die beiden abgesetzten Referate sich bewegt Mitglieder das Gegentheil deffen thun, was sie befürworten, allezeit geübt haben, und wie sie im ausgedehntesten hätten, ist in ausführlichen Resolutionen angezeigt, denen schlägt durch die Praris ihre Theorie todt und begeht Maße auf dem letzten Parteitag geübt worden ist. der Kongreß seine einhellige Zustimmung gegeben hat. Die Selbstmord.
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Daß eine junge, so wunderbar schnell wachsende Partei Debatten find in eingehendster Weise und fast durchweg Scharfe, rückhaltlose Kritik übt Ihr; wie die unsrige nicht über Nacht fir und fertig sein fann fachlich geführt, und teine Frage ist übers Knie gebrochen scharfe Worte fliegen hinüber und herüber scharfe mit ihren Einrichtungen, das liegt in der Natur der Menschen worden. Der bethlehemitische Kindermord", der sonst den Worte und spitz wie Pfeile aber nicht vergiftet und Dinge. Wie einer der Delegirten sagte: Schlußatt der Tagung von Kongressen( wie von gesetzgebenden liche Kritik, Freundeskritik. Unsere Partei ist so rasch gewachsen und so groß geBarlamenten) zu bilden pflegt, blieb uns diesmal erspart. Die scharfe Kritif, die wir Sozialdemokraten unter worden, daß wir für sie noch nicht die erforderliche Summe Kein Delegirter ist nach Hause zurückgekehrt mit dem uns," an einander und gegen uns selbst üben, ist unseren von geschulten Kräften haben. Wir sind in ähnlicher Lage, bitteren Gefühl, daß irgend ein Antrag, der ihm und Feinden etwas ganz Unverständliches; in ihrer Beschränkt wie das Volk der Vereinigten Staaten die neue Welt seinen Wählern wichtig erschien, vom Parteitage nicht heit schieben sie ihr eigenes Wesen uns unter, und können ist so groß, daß die Bewohner sie noch nicht ausfüllen, und mit genügender Achtung oder Aufmerksamkeit behandelt sich aus ihrer stickigen Atmosphäre der Uuwahrheit, des für die Kultur nur das Nothwendigste thun können. So worden sei. Trugs und des falschen Scheins nicht herausversehen in die müssen wir, weil es uns noch an geschulten Kräften fehlt, Die Debatten waren mitunter lebhaft, ja leidenschaft frische kräftige Luft der Natur, der Wahrheit und der, jede vieles ungethan lassen und auf die Hauptsache unser Augenlich verschiedene Wolken und Wölfchen standen am Schminke verachtenden Manneskraft. Wenn wir im Aus- mert und unsere Thätigkeit richten." Rongreßhimmel oder zogen im Laufe der Verhandlungen tausch der Gedanken und Gefühle frei heraussprechen aus Die neue Welt jenseits des Atlantischen Ozeans ist trog auf, aber als der Rongreß auseinander ging, waren alle voller Brust, die Worte nicht auf der Goldwaage wägend alle dem und alledem größer und mächtiger, als die alte Welt, Wolken und Wölkchen zerstreutes herrschte Eintracht im Widerstreit der Meinungen, und die Klingen aufein- die überlegen die Nase rümpft, weil sie chinesisch aus und Harmonie unter den Delegirten, und die Geschäfte der ander sausen lassen, daß die Funken sprühen, dann jubeln gearbeiteter ist im Einzelnen. Partei waren wohlgeordnet. diese Eunuchen:" Seht, sie zerfleischen sich unter sich Und so steckt in der neuen Welt der Sozialdemokratie In der Fest- Zeitung" für den Kommers, der am selbst, wie die Saat des Kadmus, sie sind ge- tausendmal mehr gesunde moralische, geistige und materielle borigen Mittwoch die Delegirten des Parteitages mit spalten", die Partei löst sich auf!" Und wir, wir lachen Kraft, als in der greisenhaften, übertünchten und ge den Berliner Cenoffen vereinigte, heißt es in dem Will- wir erfreuen uns an diesen Kampfspielen, an diesen Tur- schminkten alten, abgelebten Welt der kapitalistischen tommgruß( Willkommen in Berlin "): nieren des Geistes, wir stählen unsern Arm, üben unsere Parteien mit ihrer glatten Hohlheit und ihrer byzantinischScharfe, rücksichtslose Kritik habt Ihr zu üben. Das Kraftstärken uns und die Partei. raffinirten, äußerlich gleißenden, innerlich verrotteten Kultur. eid Ihr der Partei schuldig. Denn die Kritik ist unser So ist es auch auf diesem Parteitage. Jeder sagt, Lebenselement, ohne Kritik die Bersumpfung, der Tod der was er auf dem Herzen hat, so daß kein Groll zurückbleibt
Feuilleton.
Nagbrua verboten.)
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Roman von Guy de Maupassant . Eine große Brünettte beobachtet uns fortwährend",
fagte sie plöglich zu Duroy. Eben dachte ich schon, Sie wollte uns anreden. Ist sie Dir nicht aufgefallen?"
" Nein," erwiderte er, Du mußt Dich täuschen." Er hatte sie aber schon lange bemerkt. Rachel war es, die mit zornigen Augen und heftigen Worten auf den Lippen um fie herumftrich.
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Er drehte sich nicht um.
" Nun, bist Du denn seit Donnerstag taub geworden?" fuhr sie fort.
Er erwiderte nichts und machte ein Gesicht, als hindere ihn seine Verachtung, mit einem solchen Geschöpf auch nur ein Wort zu wechseln.
Sie begann zu lachen, wüthend zu lachen und sagte: " Du bist also wirklich ganz stumm? Madame erlaubt Dir wohl das Reden nicht?"
Er machte eine zornige Bewegung und rief auf gebracht:
Was fällt Ihnen eigentlich ein? Wie kommen Sie dazu mich anzureden? Scheeren Sie sich, oder ich laffe Sie verhaften."
zuhalten. Doch Duroy, der sie endlich erreicht hatte, entriß fie ihnen gewaltsam und zog sie auf die Straße.
Sie sprang in eine leere Droschke, die vor dem Theater hielt. Er sprang ihr nach, und als der Kutscher fragte: " Wohin soll es gehen, Herr?" rief er:" Fahren Sie nur zu. Ganz gleich wohin!"
Der Wagen setzte sich langsam in Bewegung und rumpelte über das Pflaster. Clotilde war die Beute einer Art von Nervenanfall, hatte die Hände vor das Gesicht gepreßt und schluchzte und rang nach Athem. Duroy wußte nicht, was er thun und sagen sollte.
Als er sie weinen hörte, stammelte er schließlich:„ Clo, geliebte Glo, so hör' doch, so laß Dir doch erklären! Ich bin ja nicht Schuld daran. Früher... vor langer Zeit hab' ich das Frauenzimmer kennen gelernt."
,, Was!" heulte sie mit flammenden Augen und zorngeschwellter Brust, so willst Du mir kommen. Lass' Dich Sie wies ihm plöglich das Gesicht, und mit der Wuth Duroy war dicht an ihr vorübergekommen, als er sich doch begraben, Du Affe! Grüßen kannst Du mich wenigstens eines liebenden und verrathenen Weibes, einer wilden durch die Menge wand, und sie hatte mit einem Augen Weil Du mit einer andern da bist, brauchst Du noch lange Wuth, die ihr Worte verlieh, stammelte sie in athemlosen, winkern, das so viel wie: ich verstehe schon" hieß, nicht so zu thun, als kenntest Du mich nicht. Hättest Du abgebrochenen, fliegenden Säßen: Oh!.. Du Wicht... ganz leise Guten Tag" zu ihm gesagt. Doch er mir blos ein Zeichen gemacht, als ich eben bei Dir vorbei- Du Schuft, der Du bist.. Ist es möglich?.. Die batte aus Furcht, seine Geliebte könnte es bemerken, tam, so hätte ich Tich in Ruh' gelassen. Du wolltest aber Schande!... Oh mein Gott!.. Oh mein Gott!... Die Schande... Du thren höflichen Gruß unerwidert gelaffen und war stolz und den Stolzen herausbeißen, das will ich Dir anstreichen! Schuft... Du Schuft!... frostig mit verächtlich gekräufelten Lippen an ihr vorüber- Du sollst mich noch kennen lernen! Was! Nicht einmal Sie fand kein anderes Wort und wiederholte fortgeschritten. Von unbewußter Eifersucht angeftachelt, war Guten Tag" willst Du zu mich sagen, wenn ich Dich während: Schuft!... Schuft!..." das Mädchen noch einmal an ihm vorübergeglitten und treffe hatte wieder, diesmal aber lauter Guten Tag, Georges" Sie hätte noch lange fortgeschrieen, doch Fran von Jut ihm gesagt. Marelle hatte die Logenthüre geöffnet, floh durch die Menge und suchte verwirrt nach dem Ausgang.
Wieder hatte er nicht geantwortet. Nun legte sie es erst recht darauf an, von ihm erkannt und gegrüßt zu werden, tam unaufhörlich an ihre Loge heran und spähte hach einem günstigen Augenblid.
Als sie fah, daß Frau von Marelle sie mustere, berührte e Duroy's Schulter mit der Fingerspize. Guten Tag," lagte fie, wie geht's denn?"
Duroy stürzte ihr nach und suchte sie einzuholen. Als Rachel fie fliehen sah, stieß sie ein Triumphgeheul aus: ,, haltet sie! Haltet sie! Sie hat mir meinen Liebsten gestohlen!"
Das Publikum lachte. Zwei Herren faßten aus Spaß die Fliehende an den Schultern und suchten sie zurück
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Plötzlich bog fie sich zum Wagen heraus, zog den Kutscher am Aermel und rief:„ Halten Sie!" Danu öffnete sie den Schlag und sprang auf die Straße. Georges wollte ihr folgen, sie aber schrie so laut, daß sich Leute um sie herum sammelten: Du bleibst im Wagen!" Aus Furcht vor Skandal blieb Duroy unbeweglich sitzen.
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