Ein Erlaß gegen Wahlfälschungen. Fn einem Erlaß, den der preußische Minister des �nneril, um Wahlfälschungen vorzubeugen, an die Kreis- und Kommunalbehörden gerichtet hat. heißt es wörtlich: Nach den Reichstagswahlen von ISlIJ haben zahlreiche'(?) Strafverfolgungen wegen Wahlfälschung gegen Personen durch- geführt werden müssen, die auf einen falschen Namen oder mehrfach in verschiedenen Wahlbezirken gewählt hatten. Die Wahlvorsteher sind berechtigt, von den zur Wahl erscheinenden Personen bei Zweifel über ihre Identität eine Legitimation zu verlangen, und erscheinende Wähler. die neu zugezogen sind oder von denen sonst anzunehmen ist, daß sie auch anderwärts in die Wählerliste eingetragen sind, in ge- eigneter Weise darauf aufmerksam zu machen, daß jedermann nur in einem Wahlbezirk und bei der Haupt- und Stichwahl je nur einmal wählen darf. Jede Zuwiderhandlung ist zur Bestrafung anzuzeigen. Die Wähler werden aber gut tun, sich mit ausreichender Legitimation— Militärpapiere, polizeilicher Anmeldezettel, Jnvalidenversicherungskarte und dergleichen mehr— zu der- sehen, damit sie der Zweifel eines Wahlvorstehers wegen nicht das Wahlrecht einbüßen. Denn wer bis 7 Uhr seinen Stimmzettel nicht abgegeben hat, darf nicht mehr wählen, selbst wenn er schon längere Zeit im Wnhlokal anwesend gewesen wäre! Gehe duher niemand ohne Legitimation zum Wahl lokal i Ob übrigens Herr Bethmann-Hollweg auch die Wahl- fälschungen gewisser Wahlvorsteher erwähnt hat, die bei den Wahlen von 1903 festgestellt wurden, und hat er die Wahl- Vorsteher auch angewiesen, ordentliche Jsolier-Vor- r i ch t u n g e n und Wahlurnen zu beschaffen? Und hat er ihnen die Pflicht zur strengen Achtung des Wahlgeheim- nisseS in Erinnerung gebracht? Nötig wär's schon! Eisenbahnrückfahrten und Reichstagswahl. Die Eisenbahndirektion Berlin hat folgende Bestimmung über die Benutzung der Eisenbahnrückfahrten am Wahltag erlassen: Am 25. Januar ds. Js. finden die Neichstagswahlcn statt. Aus diesemAnlaß dürfen die Arbeiterrückfahrt- karten am 25. Januar zur Rückfahrt nach dem Wohnort benutzt werden. Ebenso dürfen n e u e Arbeiter- rückfahrkarten ausgegeben werden: a) am 25. Januar zur Fahrt vom Arbeitsort nach dem Wohnort; b) am 25. oder 26. Januar zur Fahrt vom Wohnort nach dem Arbeitsort. Die unter a genannten Arbeitcrrückfahrtkarten berechtigen zur Rückfahrt nach dem Arbeitsorte am 25. oder 26. Januar. Aus gleichem Anlaß dürfen Arbeiterwochenkarten am 2b. Januar zur zweimaligen Hin» und Rückfahrt benutzt werden. Der Freisinn beschämt durch einen Max Lorenz. Der Freifiun ist bekanntlich ganz auf den ReichSlügenverband gekommen. In vielen seiner Flugblätter war in Reichsverbands- manier zu lesen:.Unsere vor dem Feinde stehenden Jungen lassen wir nicht im Stichst Ueber ein Flugblatt des Reichsverbandes, das in ähnlicher iRanier abgefaßt war, schrieb Max Lorenz, der erbitterte Sozialistenvcrnichter, in seiner„Antisozialdemokratischeu Kor respondenz: .Wenn es z. B. in ihrem Flugblatt heißt:»Noch stehen Tausende deutsche Soldaten fern von der Heimat im Kampfe gegen einen Feind, der an Grausamkeiten seinesgleichen in der Weltgeschichte nicht aufzuweisen hat! Sollen wir sie schutzlos sich selbst überlassen? Deutschlands Ehre, Deutschlands Größe, Deutschlands Ruhm, errungen durch die glorreichen Siege von 1870/71, stehen auf dem Spiele"— so ist das eine höchst schäd- liche und abgeschmackte, von Unwahrhafligkeit strotzende Ueber« treibung, aus die der biedere und immerhin realpolitisch genug empfindende deutsche Wähler nicht anders als mit dem Worte „Stuß" reagiert." Ganz richtig I Was aber sagt der Freisinn zu dieser Kenn Zeichnung? Die Verkommenheit des Freisinns tritt besonders grell bei der Wahlagitation im Wahlkreise N ü r n- b e r g zutage. In den letzten Tagen wurde ein großes Unternehmen inS Werk gesetzt, um die Arbeiter der Sozialdemokratie Der Freisinn verteilte cm........ abspenstig die Arbeiterwähler ein be fu machen. W anderes Flugblatt, in dem versucht wird, die Arbeiter gegen ihre Führer aufzuhetzen durch die Beschuldigung gegen die letzteren, daß sie die Polizeischlächtereien in der Regensburger- straße veranlaßt hätten. Der Freisinn traut den Nünt- berger Arbeitern ein kurzes Gedächtnis zu, wenn er ihnen solches zu bieten wagt. Seit Jahrzehnten hat er die Arbeiter mit den schäbigsten Mitteln von der Vertretung in der Gemeinde ausgeschlossen, ihnen die allgemeine Ortskrankenkasse vorenthalten, sie auf jede Weise unterdrückt. An die Borgänge des letzten JahreS hätte er am besten gar nicht erinnert, denn da war eS die freisinnige Presse, die fortgesetzt gegen die streikenden Arbeiter hetzte, die Polizei gegen sie scharf machte, die in der Stadtverwaltung sitzenden freisinnigen Parteihäuptlinge waren eZ, die den Arbeitern das Koalitionsrecht durch das Streikpostenverbot raubten. In dem letzten Anfrnhrprozeß mußte der Staats- anwalt selbst anerkennen, daß sich die organisierte Arbeiterschaft den Radauszenen in der Regensburgerstraße ferngehalten, aber trotzdem wagt man es jetzt, diese Vorgänge gegen die Sozialdemokratie aus- zuschlachten. Gegnerisches Zeugnis für die Sozialdemokratie! Im nationalliberalen»Leipziger Tageblatt ' vom 2S. Mai 1904 erschien eine Besprechung der vom Genossen Göhre herausgegebenen.Denkwürdigkeiten und Er- innerungen eines Arbeiters, von Karl Fischer. Verfaßt ist sie von Eduard Goldbeck fBerlin). Es heißt barin; ..... Auf Dutzenden von Seiten erzählt uns Fischer von seinem Dienst als Erdarbeiter, von seinem Kampf mit dem lehmigen, quelligen, bresigen Boden, für den er immer neue Adjektive findet, von der Arbeit in der Steinfabrik. Wir sehen. wie völlig rechttos und ohnmächtig dazumal, vor einem Menschen- alter, der Arbeiter war, wie die Kameraden mit vierzig Jahren als «ndraiichbare, morscheLcute gelten, deren der Unternehmer sich skrupellos entledigt, wie keine Forderung der Humanität geachtet wird, kurz, wir erkciMn, wir notwendig, wie segensreich die sozialdemokratische BcwcgnnUipar. Ohne sie hätte die industrielle Entwickelung zu der entsetzlichsten Berelendung de? Lölkes geführt, mit der tn letzter Linie auch der Industrie schlecht gcdv-ut gewesen wäre. Die revoluttonären Zuckungen wären nicht ausgeblieben, und wir ständen da, wo heute Rußlanv steht. Karl Fiicher irrt jahrelang als Erdarbeiten von Arbeitsstätte »u Arbeitsstätte. Einmal erkrankt er schwer und kann trotz allen FlehenS keine Aufnahme im Spital finden. Ein utttteidiger(Den- von der Hand, er verdient sein Existenzminimum nicht mehr. Da muckt er auf— so heißt es im disziplinaren llitternehrner- Jargon—»„.Sentimentaler würde sagen: dem Gequälten entringt sich ein Schrei der Verzweiflung, und er wird entlassen. Unter der Hlgafsungsschein.sieht der Na:- ein»»-.05•atmen, den er gesehen Die Dertellung des Dationalvermögetts. Herr Dernburg und mit ihm die kapitalistischen Klopf- fechter weisen stets auf die Sparkasseneinlagen hin, die beweisen sollen, daß auch die nichtbesitzende Klasse am Nationalvermögen stark beteiligt sei. Ende des Jahres 1904 befand sich(vergl. die amtliche Zeitschrift des Königlich Preußischen Statistischen Landesamts 1906, IV S. 247 ss.) in sämtlichen preußischen Sparkassen eine Einlage von 7763 Millionen Mark. Davon entfielen, sofern man alle Spareinlagen bis zu 600 M. und die Hälfte aller Spareinlagen von 600—3000 M. als proletarische Spareinlagen rechnet, auf die uichtbcsitzende Klasse 3963 Millionen Einlagen besitzende Klasse.. 4800„„! t Auf jede der 8 300 000 proletarischen Spareinlagen entfiel also iin Durchschnitt die Summe von 356 Mark! Das ist das„Vermögen" der arbeitenden Klasse! Dagegen besaßen 384 000 preußische Zensiten(vergl. das amtliche Statistische Jahrbuch für den preußischen Staat 1903, S. 287) ein Bcrmögcu von 38 786 Millionen Mark. Jeder dieser Besitzenden besaß also im Durchschnitt ein Vermögen von loZOW» Mark! Fürwahr, eine göttliche Weltordnung! hat. Seine wirren, kindischen Versuche, mit den Arbeitgebern Ab- rechnung zu halten, schließen den ersten Band mit possenhafter Tragik ab. Ich empfehle die Lektüre allen Scharfmachern; die Aufrichtigen unter ihnen werden sich, wenn sie ihn gelesen haben, vielleicht noch die Frage stellen: Wo soll, wenn Familie, Schule und Kirche nur knechtet, wenn die Fabrik nur ausbeutet, der Staat nur drillt, wo, beim Teufel, soll da der Patriotismus her« kommen?..." So Herr Goldbeck unter dem Eindruck der erschütternden Schilderungen der Fischerschen Erinnerungen. Und das national- liberale»Leipziger Tageblatt ", das jetzt um alles in der Welt nicht zugeben würde, daß die Sozialdemokratie Verdienste um die Ar- beiterschaft habe, nahm damals im Gefühle, daß Herr Goldbeck recht habe, die Besprechung mit dieser Stelle auf. Wenn die Gegner ehrlich sind. können sie eben nicht anders als die Tätigkeit der Sozialdemokratie für die Arbeiterschaft anerkennen. Geschäftsreisende, wählt Sozialdemokraten! Von einem Geschäftsreisenden wird uns geschrieben: Die bürgerlichen Blätter fordern die Firmen-Chefs, die Reisende beschäftigen, auf, ihren Angestellten am Wahltag durch Urlaubs- gelvähruug Gelegenheit zu geben, ihrer Wahlpflicht zu genügen; hoffentlich leisten die Ges ch. ä ftsinhaber dieser Aufforderung zahlreich Fo Ige.— Wir Geschäftsreisenden werden mit Freuden die Ge l e g e n h e i t ergreifen, für die uns durch Regierung und Mehr- heitSparteien auferlegte Separatabgabe in Form der Fahrkarten« st e u e r und der noch bevorstehenden Fahrtverteuerung, die .Personentarif-Reform", durch Abgabe entsprechender S ti m m z e tt e l zu.q u i tt i er e n. Diese Verteuerung beträgt für uns Reisende, die wir nahezu das ganze Jahr unterwegs sind, allein durch die bisherige Steuer mindestens 80 bis 100 Mark pro Jahr.— Dagegen wurden weder unsere Diäten noch unsere Provisionssätze erhöhl, so daß wir diese Steuer aus unserer eigenen Tasche bezahlen.— Ich bitte Sie gefl. um Veröffentlichung dieser Zuschrift, damit den Herren Kollegen, die s. Z. bei Einführung der Steuer sich nicht genug über die- selbe entrüsten konnten, ein bißchen das Gedächtnis aufgefrischt wird. Auch seien die Geschäftsreisenden an das Verbot des Detailreis enS und an die geltenden demütigenden und beleidigenden Bestimmungen— die Leipziger Polizei z. B. verlangt die ärztliche Untersuchung— erinnert, denen sie unterworfen sind I— Geschäftsreisende, wählt sozialdemokratisch! Die Schicht der Aüsgebtlltktkll. Immer größere Schichten der Kleinbürger und Bauern kommen zur Erkenntnis, baß sie zu den Ausgebeuteten gehören; ihre Lage wird immer ähnlicher der der Proletarier, und das einzige, was sie vom Proletariat noch trennt, ihr bißchen Besitz, schwindet dahin wie der Schnee vor der Sonne. Und selbst wo es ihnen gelingt, ihren Besitz noch notdürfsig zu erhalten, verliert er immer mehr die Fähigkeit, ihnen ein Dasein zu gewähren, da«, nach dem Maßstäbe unserer Kultur gemessen, ein menschenwürdiges genannt werden könnte. Ebenso sinken die Arbeiter der Intelligenz immer mehr und mehr auf die Stufe eines proletarierhaften Daseins herab. Nur vereinzelten Glücksvögeln unter ihnen gelingt«3 noch, sich zu einer behaglichen Stellung emporzuschwingen. Den Meisten winkt nur Not und Elend, die gerade in diesen Kreisen am drückendsten empfunden werden, wo eine höhere, bürger- liche Lebenshaltung zu den Lebensbedingungen gehört. Gleich den Proletariern sehen Bauern. Kleinbürger und besitz- lose.Gebildete" sich ausgeschlossen von all den glänzendenErrungenschaftendermodernenPro- d u k t i o n, die einzig und allein den Kapitalisten und Großgnrnd- besitzern, den Monopolisten der große« gesellschaftlichen ProdukttonS- mittel zugnte kommen und die nur durch die Verwandlung dieses Privateigentums in Gemeineigentum allen zugänglich gemacht werden können. Die Vorteile, die dem Bauern und Kleinbürger sein Privateigentum bietet, verschwindenimmermehrgegen- über den Vorteilen, die ihm die Aufhebung des Privat- eigentumS an den großen Monopolen in Aussicht stellt. (Grundsätze und Forderungen der Sozialdemokratie. Erläuterungen zum Erfurter Programm.) Stimmzettel für die Beamten! Ein Beamter schreibt uns: „Von größter Wichtigkeit ist es, daß jedem Wähler ein Stimm- zetiel brieflich oder sonstwie in die Wohnung gebracht wird; die Beamten sind sonst gar nicht in der Lage, nach ihrem Willen zu wählen. Von den vor dem Wahllokal postierten Zettelverteilern dürfen die Beamten keine Stimmzettel entgegennehmen wegen der Gefahr, von den Vorgesetzten beobachtet und gcmaßregclt zu werden. Selbst wenn die Beamten von allen Zettelverteilern Stimmzettel in Empfang nehmen wollten, würden sie sich schon „verdächtig" machen. Eine geheime Wahl für Beamte ist nur möglich, wenn ihnen Stimmzettel in die Behausung gebracht werden, die sie dann in die Tasche stecken und am Wahltage in der Klosettzclle(Jsolierraum) kuvertieren und abgeben. Rote Stimm- zettcl können sich in kleinen Nestern die Beamten nicht selbst aus- schreiben, weil die Handschrift von den Wahlkommissaricn(meistens Landräte, Junker usw.) leicht kontrolliert werden können. Also versorgt die Beamten mit Stimmzetteln!" Die Berliner Buchdrucker und die Sozialdemokratie. In einer gestern stattgehabten Versammlung der Berliner Buch- drucker gelangte eine Resolution zur Annahme, die dem Redakteur Rexhäuser resp. dem„Korrespondent" für seine Schreib- weise die tiefste Mißbilligung aussprach. Besonders wird in der Resolution die höhnische Abfassung der Briefkastcnuotizen zur NcichStagswahl bedauert. Tie Bersammclten erklärten in Ueber- eulsttmmung mit der gesamten Arbeiterschaft die Kandidaten der Sozialdemokratie als die allein von ihnen zu wählende» Ber- treter. Einer Berufsgenossenschaft geringe Achtung vor dem Wahlrecht des Arbeiters zeigt die Mitteilung eines llnfallrentners, die uns heute zugeht. Der Mann, der jetzt in Berlin wohnt, ist von der Magdeburger Bauberufsgenosseuschaft zum 25. Januar, lO'/z Uhr geladen, sich zu erneuter Untersuchuiig in der Charit« einzufinden. Der Geladene ist mit Recht über diese Ladung am Wahltage empört und stellt die Frage, ob etiva solche Ladungen kür diesen Tag in größerer Anzahl ergangen sind? Wir können das zurzeit nicht feststellen. Sicherlich darf aber eine solche Ladung, so unbequem sie sein mag, keinen Arbeiterinvaliden von der Ausübung des Wahlrechts ab- halten Z Eine Wahl-Jndianergefchichte hat am Sonntag das berüchtigte Leipziger Liman-Blatt in die Welt gesetzt. Die«Leipz. Neuest. Nachr." brachten folgende Meldung: R e i b o l d s g r ü n i. V., 19. Januar. (Privaitelegramm.) Gestern nachmittag drangen der bekannte Zehngebote- Hoffmann mit zwei.Genoffen" trotz verbotenen Zutritts in die Heilstätte Albertsberg und beunruhigten durch ihr rücksichtS- loses Agitieren die Pfleglinge. Die nüchternen Tatsachen sind die folgenden: AlS der Kandidat der Sozialdemokratie, Genoffe Hoffmann, vor drei Wochen nach Reichenbach kam, um nun bis zur Wahl dort zu bleiben, wurde ihm eine Beschwerde der Pfleglinge der Heil- anstaUen Albertsberg und Reiboldsgrün unterbreitet, in der sie mitteilen, daß der Ortsvorstand von Vogelsgrün sich weigere, sie in die Wählerliste einzutragen. Auch die Amtshaupt- Mannschaft trat der Abweisung bei. Genosse Hoffmann veranlaßte nun die Pfleglinge der beiden Anstalten, sich an den Minister des Innern in Dresden telegraphisch zu wenden. Dieser gab die Be- schwerde an die Kreishauptmanuschaft und die letztere an den Bezirksausschuß zurück. Da inzwischen viel Zeit verfloß und die Bewohner der Anstalten fürchteten, um ihr Wahlrecht zu kommen, baten sie den Genossen Hoffmann wiederholt dringend, sie doch zu besuchen und ihnen bei den weiteren schnellen Schritten zur Seite zu stehen. Am 10. d. M., als sich Hoffmann in Falkenstein befand, erhielt er sogar einen Eilbrief mit der Aufforderung, am selben Tage unbedingt nach den Anstalten zu kommen. Er konnte aber erst am 18. Januar sich hinbegeben. An den Liegehallen wurde Hoffmann freudig begrüßt; allseitig wurde ihm die frohe Botschaft verkündigt, die Pfleglinge seien durch Entscheidung dcS Bezirksausschusses infolge ihrer Beschwerde in die Wählerliste eingetragen. Genosse Hoffmann unterhielt sich nun natürlich mit den Pfleg- lingen eine kurze Weile. Einer aber von den Pflegkkngen hatte nichts Eiligeres zu tun, als dem Herrn stellvertretenden Chefarzt der Anstalt das furchtbare Ereignis zu melden. Nun kam die „Beunruhigung" der Pfleglinge. Der betreffende Arzt etablierte sich als Untersuchungsrichter(!). vernahm die Patienten (10 Mann an einem Abend), immer einen nach dem anderen. Jeder, der vernommen war, mußte in das verschlossene Neben- ztmmer und durfte nicht eher heraus, als bis alle vernommen waren. Solch ein Verfahren, soll das wohl keine Beunruhigung sein? Es scheint, als wenn eS sehr verschnupft hat, daß die Patienten ihr Wahlrecht behalten haben. Verraten wollen wir noch, daß Genosse Hoffmann auch in der Heilanstalt R e i b o l d s-. grün sich nach der Eintragung der Patienten in die Wählerliste erkundigt hat und dort auch freundlich aufgenommen wurde. Das mag den sächsischen„Nationalen" unangenehm sein, aber_vorläufig sind die Pfleglinge noch keine Gefangenen und ist der Besuch de« Pfleglinge noch kein Hausfriedensbruch l Aus Württemberg . Im Zentrum.gärt" es. Wenn man die maßlos ü>.<» triebcnen Schilderungen der liberalen Blätter liest, sollte man glauben, daß auch in Württemberg das Zentrum vor der Ge- fahr einer Spaltung stünde. Das wäre aber eine völlig irrige Annahme. Zwei Fürsten — so verkündet die liberal-demo- krattsche Presse in ihrem bekannten Bürgerstolz—, zwei veritable Standesherren, Fürst Waldburg-Zeil und Fürst Quadt» Wykradt-JSny. haben in öffentlich abgegebenen Erklärungen das Zentrum wegen seiner RcichStagSabstimmung vom 13. Dezember getadelt. Die Volkspartei, die sich in letzter Zeit an Selbstv entmannung nicht genug leisten kann, sprach daraufhin sofort den Wunsch aus, den Fürsten Waldburg-Zeil gegen Herrn Erzbergcr in Biberach als.national-katholischen" Gegenkandidaten auf- zustellen. Aber der Fürst hat abgewunken, er verzichtet auf den todsicheren Durchfall, den er dabei erleben würde. I Das Zentrum hatte schon bei der Abstimmung über die württcmbergische Verfassungsreform keinen Ein» fluß auf die katholischen Standcsherren mehr, wofür sich Herr Gröber damals dadurch revanchierte, daß er sie den.Mancrfraß" im Zentrumswrm nannte. Nun, nachdem die Herren überhaupt nicht mehr in der Lage sind, in der Ersten Kammer eine Mehrheit zu bilden, verzichtet das Zentrum gern darauf, um ihre Gunst zu werben. Das Zentrum kann sich jetzt noch viel ungenierter in die demokratische Toga hüllen als bisher, und eS kann auch ganz un- besorgt einer Rebellion weiterer ZeittrumSadeliger en:gcgcn;chen. Abtrünnige Adelige werden dem Zentrum im Volke ganz gewiß leinen Boden entziehen. Das wird nur dort geschehen, wo sich katholische A r b e t t e r vom Zentrum abwenden. So hat denn auch das hiesige Zentrumsorgan ganz recht, wenn eS schreibt, man solle ihm mit.national-katholischen" Gegenkandidaten nur kommen. Das werde höchstens dazu beitragen, die Zentrumsstimmen zu ver- mehren infolge der intensiveren Anstrengungen, welche die ZcntrumSorganisation, das heißt natürlich der KlcruS und�die Geistlichkeit in den einzelnen Gemeinden, alsdann machen würden. Die»liberale Einigung", oder besser gesagt, die Liebe- dienerei, deren sich plötzlich die Volkspartei gegenüber den Nationalliberalen zu befleißigen für gut hält, hat in- zwischen auch emige eigentümliche Erscheinungen gezeitigt. Die Volkspartei muß es sich, nur um die beiden Mandate PaverS und HaußmannS zu retten, gefallen lassen, daß die Nationalliberalen
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