Naiionalliberalcr als Volksparteilcr ist. Selbst dieser Hai schließlich das Unheil einer nationalliberalen Gegenkandidatur nur von sich abwenden können, indem er eine Erklärung abgab, die ein nach- trägliches Bedauern über das bei den Landtagswahlen zwischen Volkspartei und Sozialdemokratie abgeschlossene Kartell enthielt. Wie verächtlich die Nationalliberalen mit ihrem demokratischen Bundesgenossen umgehen, zeigt auch ein überaus charakteristischer Vorgang auf dem Stuttgarter Rathaus. Der neugewählte B ü r g e r a u s s ch u ß, der sich zu konstituieren hatte, besteht aus 11 Nolksparteilern, 10 Nationalliberalen, 8 Sozialdemokraten und 8 Konservativen. Nach der bisher stets eingehaltenen Praxis hätte der Obmann(Vorsitzende) von der stärksten Partei, das ist die Aolkspartei, und der stellvertretende Obmann von der zweitstärksten, den Nationalliberalen, gestellt werden müssen. Die letzteren gönnten aber der Volkspartei, trotz der Bundesgenossenschaft bei der Reichs- tagswahl, den Obmann nicht. Die Nationalliberalen boten den Sozialdemokraten an, das sozialdemokratische Bürger- ausschutzmitglied Fischer unter Uebergehung der Volks Partei zum Obmann zu wählen, wenn die Sozialdemokraten bereit wären, einen Nationalliberalen zum stellvertretenden Ob- mann zu w ä h I e n. Die Volkspartei sollte auf diese Weise ganz von der Leitung des Bürgerausschusses ausgeschlossen werden. Das feine Plänchen fiel jedoch ins Wasser. Die Sozialdemokratie hat im Augenblick zwar wirklich kein Interesse daran, der Volkspartei einen Dienst zu leisten. Aber sie verschmäht grund- fätzlich die Politik der krummen Wege und wünscht, daß jede Partei die Posten eingeräumt erhält, die ihr nach ihrer Stärke zukommen. Da die Nationalliberalcn aber so intime Hasser der Volkspartei sind, daß sie hierauf absolut nicht eingehen wollten, so wurde der Vollsparteiler Dr. Erlanger mit 13 gegen 14 Stimmen zum Obmann und der Sozialdemokrat Fischer mit dem gleichen Stimmenverhältnis zum stellvertretenden Obmann gewählt; ebenso der Volksparteiler Schur zum ersten und der Sozialdemokrat Behr zum zweiten Schriftführer. Auf diese Weise haben sich also die Nationalliberalen zwischen zwei Stühle gesetzt und sind jetzt in die gleiche Position geraten, die sie der Volkspartei bereiten wollten. Das ganze nennt sich— liberale Einigung!— Aus dem Grohherzogtum Sachsen-Weimar . Im Wahlkreise Weimar-Apolda- Ilmenau entfaltet der„geeinte Liberalismus" eine immer skrupellosere Agitation. Der Schriftsteller Schöler aus Charlottenburg geht mit den bekannten Mätzchen gegen den Genossen Singer hausieren. Das Mugdansche Material gegen die Krankenkassen schlachtet er weidlich gegen die Sozialdemokratie aus. Im Allstedter Bezirk, der zum 1. weimarischcn Wahlkreise gehört, aber davon abgetrennt liegt, ist es ein ehemaliger Pfarrer, ein gewisser Pache, jetzt Direktor eines Pädagogiums, der aus dem Kapitel..Freie Liebe " u. a. erzählt, daß Stadthagen seine Konfektioneusen als H____ benutze. Man ist im Zweifel darüber, ob man mehr die Borniertheit oder Frechheit solcher„liberalen" Agitatoren verurteilen soll. Fuhrenweise lassen die Liberalen die Flugblätter des Reichsverbandes kommen und verbreiten. Saalverweigerungen und- Abtreibungen spielen diesmal eine große Rolle. In Weimar , der Hauptstadt des Landes, der größten Stadt des Kreises, steht uns diesmal kein Saal zu einer größeren Versamm- lung zur Verfügung.— Im Wahlkreise Eisenach -Dermbach , wo anfänglich sogar Beamte der Bezirksdirektion für den Antisemiten Schack Propaganda machten, treiben es diesmal die Antisemiten wieder so wie bei der Nachwahl 1305. Aus Hamburg geholte Kaufmanns - jünglinge sind zu Sprengkolonnen formiert, die die sozialde.mo- kratischcn Versammlungen stören und unmöglich machen sollen. Unter der Mitwirkung des Bürgermeisters wurde in einem Orte sogar durch allgemeinen Singsang eine Versammlung unmöglich gemacht.„Heil Dir im Siegerkranz " wechselte ab mit.Ach, welche Lust, an Sarahs Brust". Und diese Gesellschaft will noch von der Roheit der Arbeiter reden?!— Im Wahlkreise Jena-Neustadt sucht Tischendörfer mit den weitgehendsten Versprechungen den Wählern aller Kreise seine Kandidatur zu Empfehlen. Genau wie Schack,„kann schreiben rechts und kann schreiben links", spricht— wie es gerade sein muß— Tischendörfer rechts und links. Dabei ist es nun auch noch so weit gekommen, daß verschiedene Zeitungen die Aufnahme der für die Landbevölkerung berechneten sozialdemokratischen Inserate verweigern. So wurde das Inserat„Wählt Baudert" der— Fassung wegen nicht aufgenommen. Trotz der außergewöhnlichen Strapazen tun unsere Genossen tapfer ihre Schuldigkeit. poUtilchc CTcberficbt Berlin , den 23. Januar 1907. Die deutschen Kolonien als Auswanderungsgebiete. In vielen der Wahlflugblätter, die in den letzten Wochen in alle Gegenden des Deutschen Reiches hinausgeworfen worden sind, wird die Forderung neuer Geldmittel für die wertlosen deutschen Kolonien damit begründet, daß Deutsch - land deshalb seine Kolonien ausbauen müsse, um den Strom seiner Auswanderer dorthin leiten zu können. Der Gou- verneur von Lindequist hat sogar in der Dresdener Aus- stellungshalle am Sonntag unter anderen Gründen für die Erweiterung der Kolonialpolitik das große Wort gelassen ausgesprochen, es wäre doch höchst erfreulich, wenn künftig die deutschen Auswanderer(jetzt ungefähr 28 000 Menschen im Jahr) nach„unsere n" Kolonien gehen könnten, statt in fremde Länder, wo sie den Zusammenhang mit deni deutschen Vaterland verlören. Derartige Behauptungen sind nichts als Spekulationen auf die Einfalt derer, die nicht alle werden. Wie es tat- sächlich in den deutschen Kolonien aussieht, und wieweit sie sich zur Ansiedelung deutscher Auswanderer eignen, zeigt folgender Brief des Leiters der Zentralauskunftsstelle für Auswanderer: In Beantwortung Ihres an die Kolonialabteilung des Aus» wärtigen Amtes gerichteten und der Zentral-Auökunftsstelle für Auswanderer zur Erledigung überwiesenen Schreibens vom IS. d. M. übersende ich Ihnen ergebenst die einliegende Broschüre „Deutsch-Ostafrika ". aus welcher Sie sich über die dortigen Ver- hältnisse, Schiffsverkehr und Passagepreise usw. orientieren können. Wie Sie aus Seite 2 und 3 der beigefügten Druckschrift er- sehen werden, sind zur Ansiedelung in Deutsch-Ostafrika , woselbst seit kurzem das Gebiet von West-Usambara für Ansiedler er- öffnet worden ist. mindestens Ist AK» M. erforderlich. Wer den dortigen Kolonialbehörden ein Kapital in dieser Höhe nicht vorzuweisen vermag, wird als Ansiedler auch nicht zugelassen. Freie Reise, Fahrpreisermäßigung oder sonstige Unterstützung wird von keiner Seite gewährt. Personen, die im Zwischendeck(letzte Schiffsklasse) nach Deutsch-Ostafrika übersiedeln wollen, haben bei ihrer Ausreise auch gleich den Betrag für die Rückreise bei der Deutsch -Oftafrika-Liuie zu de- panieren, also im ganze« mindestens KR) M. zu entrichten. Das deponierte Geld wird den Betreffenden nur dann zurückerstattet, wenn dieselben in Deutsch-Ostafrika Be- schästigung gefunden haben. Wer innerhalb eines Zeitraumes von 14 Tagen keine Arbeit in der genannten Kolonie gefunden, MS meistens.der jjt, pprd guj feine eigenen Kosten(dazu Der„blutige Trssiftn im Zchnee" uud das Klatmkll im Wiistcasaad. In den blödsinnigen Flugblättern des Reichslügenverbandes spielt daS von den Eingeborenen in Südwestafrika verbrecherisch ver- gossrne Blut der Ansiedler eine große Rolle. Trotz der Trotha- Erlasse und der Trothaschen Ausrottungsstrategie soll die Schuld der„schwarzen Bestien' noch immer nicht gesühnt sein. Und eine Reihe von Blättern legte kürzlich eine fürchterlich schöne Schauerballade des Herrn- Joseph Lanff, des posta laureatus bei, in der ein„blutiger Tropfe« im Schnee" folgendermaßen besungen wurde: Ihr Gaue wacht auf!-» Ein Frevel geschah, Ein Frevel dreimal verflucht, Wie er keinem Lande ins Auge sah, Und wie ihn kein Volk noch gebucht. Ich klagean... und der Nordsturm fliegt Durch Winterleid und Weh; Die Flocken stieben, und einsam liegt Ei» blutiger Tropfen im Schnee. Dieser„Tropfen im Schnee" sollte da? in Wüst-West vergossene deutsche Blut symbolisieren. Daß im Kriege Blut fließt, ist ja eine bekannte Sache. Die Klage des Herrn Joseph Laufs muß also dem Blute der bei der Erhebung der Eingeborenen Erschlagenen gelten. Die Zahl der Ansiedler, die bei dem Herero-Aufstand erschlagen wurden, betrug nun nach der„Norddeutschen Allgemeinen Zeitung" (Nr. 3 vom 4. Januar 1907) 123. Diese 123 sind gerächt worden I Die Hereros zählten vor dem Aufstande mindestens 65 000 Köpfe. Am Waterberg hatten sich nach der Schätzung des Großen General st abes noch 50— 60 000 konzentriert, als sie Trotha angriff, schlug und in die Omaheke trieb, wo Unzählige von ihnen verschmachteten. Wer zurückkehrte, wurde, ob bewaffnet oder unbewaffnet, erschossen; selbst Frauen und Kinder wurden in die Wüste zurückgetrieben. Was ist nun von den 65 000 HereroS noch übrig geblieben? Die„Nordd. Allg. Ztg."(Nr. 13 vom 16. Januar 1907) bezifferte die Zahl der Gefangenen(worunter auch die gefangenen Hotten- totte» I) auf 16400. Dreitausend Hereros seien auf britisches Gebiet übergetreten; ein Teil fei zu den Ovambos geflüchtet, ein anderer Teil treibe sich noch im.Nordosten" umher. Da die Zahl dieser Flüchtigen wegen des Mangels an Vieh und folglich NahrungS- niitteln nicht mehr groß fein kann, ist die Schätzung sicher uoch zn i niedrig, wenn man annimmt, daß 40 000 HereroS bei dem Kriege umgekommen sind I DaS ist das Blutmeer im Wüsteusand! Und da wiminert Herr Joseph Laufs über den „blutigen Tropfe» im Schüre!" Sc i dient die deponierte Summe) zwangsweise in die Heimat zurückbefördert. Zum Schluß bemerke ich noch, daß dastropischeKlima Deutsch-Ostafrikas Weißen jede Beschäftigung im Freien verbietet und dann würden dieselben auch mit den dortigen Eingeborenen nicht konkur- rieren können, die jede vorkommende Arbeit zu den uiedrigsten Lohnsätzen verrichten. Vor einer Auswanderung nach Deutsch-Ostafrika ohne ge< nügende Geldmittel ist dringend zu warnen. Dies gilt auch für alle übrigen deutschen Schutzgebiete. Auch wenn Sie be mittelt sein sollten, so kann Ihnen die Zentral-Auskunftsstelle hinsichtlich des Erfolges trotz- dem keinerlei Garantie leisten. Das hängt von den verschiedensten Umständen ab und ist vielfach Glücks- fache. Hochachtungsvoll gez.: Der Leiter der Zentral-Auskunftsstelle K o f e r. Kaiserlicher Generalkonsul a. D. In Kürze zusammengefaßt, besagt die Auskunft: Weiße vermögen in den deutschen Kolonien nicht zu arbeite», die dortigen Löhne sind miserabel, und wer dorthin auswandert, verpulvert nutzlos sein Geld! Die Achlibt dkl SoDldemolttatle ist es nicht, der EntWickelung ihren Weg vorzuschreiben; sie hat nur die Hindernisse der Entwickelung zu beseitigen. Sie hat die Bahn frei zu machen für die Entwickelung der sozialistischen Gesellschaft; sie hat nicht diese künstlich zu fabrizieren. DaS Proletariat aber wird der Hebel fein, der die alte Gesell- schast aus den Angeln ebt und das mächtig st e Hindernis jeder weiteren gesellschaftlichen Entwickelung, die politische Macht der besitzenden Klassen aus dem Wege räumt. DaS Proletariat zu heben, eS in seinen Klassenkämpfen zu unterstützen, seine Kraft und Einficht zu vermehren, ebenso aber auch die ihm nahestehenden arbeitenden Klassen, Handwerker und Bauern, über ihre wahren Jntereffen aufzuklären, jeder Ausbeutung, jeder Unter- drückung, in welcher Form immer sie auftreten mögen, entschieden entgegenzutreten: DaS, und nicht daS Ausarbeiten von Plänen deS ZukunftsftaateS ist die Auf- gäbe der Sozialdemokratie. Die Sozialdemokratie ist die von dem Bewußtsein ihrer Aufgaben erfüllte Arbeiterpartei. Die Arbeiterpartei eines jeden Landes muß umfomehr sich mit sozialistischem Geist erfüllen, je weiter ihr Gesichtskreis wird, je mehr ihre Einsicht in den Gang der ökonomischen Entwicklung wächst. Die deutsche Arbeiterpartei ist von vornherein eine sozialdemokratische Partei gewesen, dank dem wisienschaftlichen Sinn der deutschen Arbeiter» klaffe und der wisienschaftlichen Bedeutung ihrer Lehrer. (Grundsätze und Forderungen der Sozialdemokratie. Erläuterungen zum Erfurter Programm.) J Wahlspitzel. Aus Kiel wird uns geschrieben: Im„Vorwärts" ist kürzlich die vom Direktor der hiesigen Howaldtswerke. Hauptmann a. D. Laves, angeregte Gründung von „Zuschußkassen für nicht gewerkschaftlich oder sozialdemokratisch organisierte Arbeiter" besprochen und der Vermutung Ausdruck ge- geben worden, daß es sich bei dem Plan, den der Hauptmann den industriellen Scharfmacherverbänden unterbreitete, um eine Zen- tralisierung regelrechter Streikbrccherorganisationen handle. Der „Vorwärts" hatte dann weiter in dem von ihm veröffentlichten Zirkular des Laves eine Bestätigung der bekannten Tatsache er- blicken zu sollen geglaubt, derzufolge die Unternehmer allemal, wenn sie dem Arbeiter mit„Wohltaten" kommen.� von diesem als Gegenleistung irgendeine Schurkerei an der Sache seiner Klaffen- genossen verlangen. Daß diese Bemerkung zumal bei der Grün- dung des Herrn Laves ins Schwarze traf, geht aus folgendem hervor: Auf den Howaldtswerken fand dieser Tage eine Mitglieder- Versammlung der dort seit einiger Zeit bestehenden.Zuschußkasse" statt. Die Verhandlungen drehten sich in der Hauptsache um die bevorstehenden Reichstagswahlen, und es stand von vornherein, ohne daß darüber ein Wort der Verständigung nötig gewesen wäre, fest, daß die„Kasse" sich für den Kandidaten deS Hottentottenblocks ins Zeug zu legen habe. Besonders aber wurde es den Mitgliedern ans Herz gelegt, während der Wahl zeit aus ihre Ar- beitskollegen ein wachsames Auge zu haben. Wenn man bemerke, daß ein Arbeiter als Sozialdemokrat sich hervortue, solle man eS unverzüglich zur Anzeige bringen. Die Mitglieder sollten aber„nicht alle zusammen nach vorne(ins DirektionSgebäude) laufen", sondern sie sollten„unauffällig" dem Meister Meldung erstatten, der werde dann schon„das nötige veranlassen." Man sieht, diese Zuschußhelden verdienen sich ihre Sporen zu- nächst nicht durch Streikbrecher-, sondern durch Wahlbrecher- und W a h l s p i tz e l dienste. Für die„Wohltaten", die die Firma Howaldt der Kasse durch Barunterstützung zu Teil werden läßt. revanchieren sie sich durch den verächtlichsten Verrat an ihren Klassengenossen und Arbeitsbrüdern. Wahrlich, ein System, das auf solcher Korruption ausgebaut ist, ist mehr als reif dafür, zer- trümmert zu werden. Aber die Seuche, die der Hauptmann Laves züchtet, scheint be- reitS die Grenzen der Privatbetriebe überschritten zu haben. Auf der Kaiserlichen Werft wurden in den letzten Tagen die Werkstattvorstände deS Ressorts IV zu dem Oberbaurat zitiert. Hier wurde ihnen eingeschärft, während der Wahlzeit aufs strengste die Durchführung jener Bestimmung der Arbeitsordnung zu be- achten, die jede sozialdemokratische Agitation mit sofortiger Eni- lassung bedroht. Unter Agitation sei besonders die Verbreitung von Flugschriften, daS Sammeln zum Wahlfonds usw. zu verstehen. Die Meister wurden verpflichtet, alle ihnen bekannt werdenden Fälle von Uebertretung dieser Bestimmung'sofort zu melden, es werde dann unverzüglich die Entlassung des Betreffen- den erfolgen. Für Ueberwachung und Beobachtung der Arbeiter sei Sorge getragen. Wer die Ueberwachung und Beobachtung der Arbeiter besorgt, wurde nicht gesagt. Die Meister können nicht ge- meint sein, denn ihnen wurde ja ausdrücklich mitgeteilt, daß eine Ueberwachung bereits existiere. Der Oberwerftdirektor, die Ressortchefs, Ingenieure und Baumeister werden sich auch wohl schwerlich zu solch sauberem Geschäft hergeben, ganz abgesehen da- von, daß sie naturgemäß nichts dabei ausrichten würden. Die Spitzel müssen also unter den Arbeitern selbst ge- düngen sein, und die Meister wußten denn auch Bescheid, ohne daß sie weiter fragten. Es existiert nämlich auf.der Werft seit einiger Zeit ein so- genannter„Nationaler Arbeiterverein", der gegründet wurde und gespeist wird vom ReichsverleuindungSverband wider die Sozialdemokratie. Diese traurige Kohorte, ein Bäckerdutzend unbe- kannter Biedermänner, sah bis jetzt ihren Daseinszweck darin, unter den Augen und zur besonderen Genugtuung der Werftleitung ein vom RcichSverband geliefertes Blättchen zu verbreiten, genannt „Der Reichstreue Arbeiter", in dem wie in einer Latrine die übelriechendsten Beschimpfungen der Sozialdemokratie und der Ge- werkschaften, hauptsächlich aber die Jahrzehnte alten, tausendfach zurückgewiesenen Verleumdungen wider die Führer der Arbeiter- bcwegung zusammenflössen. Jetzt, während der Wahlbewegung, scheinen diese Gesellen ihren wahren Beruf entdeckt zu haben. Die Werftarbeiter sind ohnehin aufs äußerte empört, daß sie, die staatlichen Arbeiter, die einzige Arbeiterkategorie hier am Orte sind, der es verwehrt ist, an irgend einer öffentlich bemerkbaren Wahlarbeit ihrer Partei teilzunehmen. Aus Grund der oben an- geführten Knebelparagraphen der Werftordnung sind bei früheren Wahlen oder sonstigen Parteiaktionen wiederholt„Kaiserliche" Ar- beiter, und wenn sie sich auch nur bei Flugblattverbreitungen in weit entfernten Landdistrikten beteiligten, kurzerhand entlassen worden. Jetzig wo die Spitzel organisiert und ettkettiert sind, wissen die Werftarbeiter wenigstens, wo die Denunzianten zu suchen sind. Die Wirkung dieser neuesten Entdeckung wird natürlich die sein, daß eS nunmehr auch der letzte„Kaiserliche", der eS bis- lang mit seinen Arbeiterpflichten noch nicht ernst genommen hat. geradezu für seine Ehrensache halten wird, von dem sozial- demokratischen Stimmzettel, der einzigen Waffe gegen diese schmäh- lichen Zustände, Gebrauch zu machen. Am 2b. Januar aber werden die Gönner der„Nationalen Arbeiter" und der«Zuschußkassen" ihr rotes Wunder erleben.— Deutfcbes Reich. Neue Kolonial-Enthnllungen. Nach einem Artikel der Frankfurter „V o l k s st i m m e" war Genosse Quarck in der Lage, in einer Volksversamm- lung höchst interessante Enthüllungen über neue Kriegs- zrttelnngen in Südwestasrika zu machen. Aus dem Briefe eines deutschen Kolonialfreibeuters aus Heidelberg (Transvaal), der am 29. März 1396 an das Kaiserlich- deutsche Gouvernement in Windhuk gerichtet war, teilte Genosse Quarck mit: In diesem Bericht rät R.. die deutsche Regierung solle sich mit den Barotsen(ein Stamm in Britisch . Südafrika , von dem Teile auch in Deutsch- Südwest-Afrika leben) ver- bänden, da diese jeden Beistand leisten würden, um die Ver« nichtung ihrer Todfeinde, der OvamboS, in» Werkzusetzen denn die OvamboS denen sie allein jetzt nicht? anhaben können, sind schlaue, tapfere Krieger und leben meistens auf den zahlreichen Sumpfinseln jener Gegend in Dör- fern, die mit 50 Zentimeter starken, hohen Pallisaoen umgeben sind, wo ihnen schwer anzukommen ist. Die Barotsen betrachte ich als faule Leute, aber sehr intelligent; die Männer tun nichts, und die Frauen müssen alle Arbeit verrichten und für alles sorgen. Durch großartige Geschenke zur Zeit der Krönung König Eduards hat die englische Regierung eS verstanden, den Barotsen-Groß- fürsten Lewanika vollständig auf ihre Seite zu bringen, und schwärmt er für seinen„weißen Bruder Eduard", wie er ihn nennt. Sein Sohn Lctia ist ebenfalls englisch gesinnt, denn er sagte mir, es sei unmöglich für seinen Vater, zuzugeben, daß ein kleiner Teil seines Stammes unter deutschem Protektorate sei. während die große Rasse seines Bolkxs enostsch fei. Letia ist
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