Nr. 20. 24. ZshWltg. 1. Sdlnjr des.FmSrls" Iniinn lolbM. Do«uerstag, 24. lanttat 1907. Brief eines deutschen Volksschullehrers zur Reichstagswahl. Ein Volksschullehrer schreibt uns: Als jüngst in Berlin der Profitheiland und Geldsackethiker Dernburg in die Arena für Wahlagitatoren herabstieg, da wurde er rudelweise von Hochschulprofessoren umschwärmt, die ihm Beifall zuwieherten, weil er ihnen so schöne afrikanische Märchen zu er- zählen wu�te. Tattelkistenpalmenhaine marschierten auf, über die sogar ein halbwegS geweckter zwölfjähriger Schuljunge, der nur ein einziges gutes Buch über Afrika gelesen hat, in ein homerisches Gelächter ausbrechen müßte! Und nach dem derzeitigen Abgott aller Gewinnhungrigen traten sie nun der Reihe nach an. diese Großfabrikanten der nationalen Phrase, und warfen sich für den Aufschwung des Sandwüsten-Neudeutschland ganz gewaltig in die Brust. Jedem, der das Denken noch nicht ganz verlernt hat, mußte sich hierbei mit aller Gewalt die Frage aufdrängen: Wo waren den» diese Berliner Großgeister, als es galt, gegen eines der reaktionärsten Tchulgcsctze aller Zeiten, mit dem Preußen-Deutsch - land für Volksverdummung und Pfaffenherrschaft gesorgt hat, mannhaften Einspruch zu erheben, wo war jenes Pro- fessorentum, dem jetzt seine nationale Beredsamkeit so autzerordent- lich gut zu Gesichte steht? Stumm wie Fische waren damals diese Herren, diese nationalen Gesinnungshelden! Ja so ein Berliner Hochschulprofessor? In Dernburgs Dattelpalmenhain tritt er mit frommem Schauder ein. Freilich kann man sich ja im Kulturstaat Preußen durch ein entschiedenes, mannesmutiges Bekämpfen rück- fchrittlicher Schulgesetzentwürfe bei hohen und höchsten Stellen nicht gerade in empfehlende Erinnerung bringen, da ist das Schwenken der mit einigen Hottentotten bemalten nationalen Flagge schon fördersamer! Auch die akademisch« Jugend sucht man da und dort für die nationale Phrase zu begeistern. Lehrt diesen jungen Männern lieber etwas Männcrstolz vor Königsthronen und erzählt ihnen ab und zu recht ausführlich die Geschichte der—„Göttingcr Sieben", und ihr werdet für die Charakterbildung der jungen Akademiker mehr getan haben, als wenn ihr sie dazu verleitet, daß sie sich durch die Phantasmagorien eines orientalischen Märchen- erzählers, dem noch je und je das Geschäftchen sein Gott war, den klaren Blick und das objektive Urteil trüben lassen. Nur ungern greifen wir zur Feder, schon um deswillen, weil wir gern unseren verehrten Kollegen vom Volksschullehrerstande, die an chronischem Tropenkoller erkrankt sind, die Aufregung über diesen Wahlbrief erspart hätten. Aber wir griffen schließlich doch zur Feder, weil sich in den letzten Tagen im Wahl. kämpfe auf Seite der nationalen Helden so gar viel Niedertracht breit macht. Wie Turkos- und Kosakenbilder beim Septennatsschwindel, so sollen diesmal Hotten- tottenbildchen auf den dummen deutschen Michel wirken. Scharf- macher und Prozcntpatrioten führen den ganzen Wahlkampf fast nur noch nach der Richtung, als hätte der deutsche Reichstag in den nächsten fünf Jahren nichts anderes zu tun. als auf Mittel und Wege zu sinnen, wie der letzte der 150 Hotten- totten möglichst bald zur Strecke gebracht werd en kann. Kolonialreiseonkel ziehen von Ort zu Ort, um denkfaulen Kolonialfexen aus jeder von Tierkot, Ungeziefer und Kadavern strotzenden Wasserpfütze, aus jedem Typhussumpf, aus jedem ver- trockneten Grasbüschel, auS jedem Dorngestrüpp und aus jeder Sanddüne eine Goldgrube vorzuzaubern. Und weil profitgierigc Unternehmer, Reeder, Regierungslieferanten, die nicht umsonst für jeden ihrer Arbeiter eine Mark in den„nationalen" Wahlfonds beisteuern, immer und immer wieder dem deutschen Michel weis- machen wollen, daß die von den Steuerzahlern aufgebrachten Auf nach Afrika ! Eine schreckliche Katastrophe bedroht Deutschland und vielleicht <.lleS Volk, das deutsch versteht: eine Katastrophe, deren schlietzliche Folgen nicht abzusehen sind. ES ist wie ein Verhängnis, das über uns allen lastet, unentrinnbar. Eine Ironie der Weltgeschichte in der höchsten Potenz steht uns bevor. Deutschlands Ent- völkerung steht vor der Tür. Die große Sandwüste, als welche unsere verleumdeten Kolonien immer Arglosen dargestellt wurden, wird in Zukunft nicht in Afrika , nicht auf dem Preußen stamm- verwandten Mars, oder wo immer der zu unbändiger kolonialer Expansion(über 33 Atmosphären Druck, Manometer auf 9g) ent- flammte deutsche Bürger sich fruchtbar machen wird, zu finden sein. Nein, Deutschland selbst, das viel geliebte. Dernburgs, Bülows großes Deutschland , wird wieder Steppenland werden, eine Stätte friedlich weidender wilder Herden, ein unerschöpfliches Jagdgebiet, ein Land, das wieder entdeckt, erforscht, und vielleicht in grauen Jahrhunderten wieder einmal besiedelt werden kann. WaS nicht der kaiserlichen Mahnung an die Rotte Korah gelang, den patriotischen Staub zu schütteln von den Schuhen— denn eS ist heiliges Land— daS hat in überraschend kurzer Zeit die Deutsche Kolonial-Gesellschaft fertig gebracht. Eine neue Epoche der deutschen und der Weltgeschichte beginnt: merkt's ihr Kleinen, damit ihr eS in der Schule später nicht mehr zu lernen braucht. Wenn die große Kälte sich gelegt hat und Wörmann genug Dampfer gechartert hat, wird die große Auswanderung beginnen, die niemand mehr auf. halten wird und em Ereignis wird eintreten, gegen das die Völkerwanderung, der Zug durch rote Meer und die Vollendung der Siegesallee ein wahres Nichts bedeuten. Prof. Martin hat bereits den zweiten Band dieser unerhörten Utopie, die zu erleben wir alle berufen sind— welch eine Lust zu leben— in Arbeit. Aber selbst seine Phantasie, die doch eben noch eine Be- schießung Berlins durch russische Luftschiffe mit greifbaren Details auf die Leinwand der nächsten Zukunft pinselte, droht an der unerhörten Riesenhastigkeit des beginnenden Ereignisses zu erlahmen. Karl May der Exotische und Dernburg , den glück- liche Rassenmischling mit beispiellosem Fabuliertalent begabte, find vom Afrikanilchen Verlage berufen worden, die ökonomischen, moralischen und kulturellen Folgen der Umwälzung zu schildern. Auch Prof. Schmoller hat seine bewährte Feder zur Verfügung ge- stellt, um zu retten, was noch zu retten ist. Er wird diesmal weder „einerseits" noch„anderseits" schreiben, das liebliche„möchte, könnte, dürfte" des alle Modalitäten erwägenden feinen Kopfes wird einem harten,„müssen und sollen" heiligen Ernstes loeichen. In später Nachtstunde hat sich noch ein, AktionS- komitee gegen die Massenauswanderung in die Kolonien" gebildet, dem die erlauchtesten, autoritativsten, wahrhaft vaterländischsten Namen angehören. Die schleunige Einberufung des Reichstages wurde gefordert.� Bülows Rücktritt wurde vor allem von den treuen Söhnen deutscher Erde stürmisch verlangt. Ein napoleonartiger Degen in wuchtiger Faust wurde als alleiniges Heilmittel gegen die hereinbrechende Hochflut der kolonialen Auswanderung proklamiert. Eine Diktatur mit unbeschränkter Zwangsgewalt könne allein noch helfen. Nach dem Muster des Sozialistengesetzes wurde ein Antiauswanderungsgesetz Hundertmillionen am besten aufgehoben sind, wenn man sie im afrikanischen Wüstensand vergräbt, so wollen wir an der Hand mehrerer Beispiele nachweisen, wie diese Riesensummcn ungleich besser zur Lösung heimischer Kulturaufgaben verwendet werden können, beziehungsweise, wie man in Deutschland oft mit Pfennig und Mark knausert, wenn es gilt, die Bedürfnisse der modernen Schule zu befriedigen. Kürzlich berichteten schlesische Blätter, daß eine dortige 83jährige, erblindete Lehrerswitwe auf ihr von bitterer Not dik- tiertes Unterstützungsgesuch nach sieben Monaten von der Regierung die Antwort erhielt:„Unsere Mittel sind erschöpft! Der„Pädagogische Jahresbericht" wußte vor mehreren Jahren zu melden, daß einem hungernden, 70jährigen Lehrcrbcteran in Mecklenburg von seinem GutSpatron geraten wurde, er solle auf den abgeernteten Kartoffelfeldern die Nachlese halten. Der Prozeß Nickel hat dargetan, daß in Preußen ein Trakehner Hengst besser wohnt, als mancher Jugenderzieher; denn tatsächlich existieren in Deutschland noch viele Schulhäuser, auf die das armseligste Hirten- haus mit gerechtem Stolz herabsehen kann. Bei Auszeichnungen rangiert der Lehrer des Volkes mit Gcstütswärtern, Gendarmen und Gefängnisaufsehern auf gleicher Stufe. Wenn Stadt-j Vertretungen angesichts der fast unerschwinglichen Lebensmittel- preise ihre Lehrer besser besolden wollen, dann fällt ihnen der re- aktionäre Herr von Studt, dieser Oberbremser, in die Arme. Junker und Syndikatshcrren, die das Volk ausbeuten, Reeder und Armeelieferanten, die Riesenprofite schlucken, schwimmen im Neber- flusse; hunderte deutscher Bolksschnllrhrer leben mit ihren Familien in bitterster Not! Als kurz vor dem ChinakreuzPig der preußische Landtag zur Sustentation der gewerblichen Fortbildungsschulen die lumpige Summe von 44 000 M. aufbringen sollte, da erklärte sich Preußen für insolvent. Für das zweifelhafte Plätzchen an der chinesischen Sonne hatte man bald darauf die Hundertmillionen zum Ver- pulvern. Süddeutsche pädagogische Blätter meldeten seinerzeit, daß der dortige Landtag das Sümmchen von 33 000 M. nicht erschwingen konnte, als es galt, die Steinmetzcnlchrlingslöhne der jüngsten Lehrkräfte pro Tag um 10 Pf. aufzubessern. Aus den VerHand- lungen über den Militäretat entnahm man dann fernerhin die Mitteilung, daß ein einziges steinreiches Dörfchen im Würzburger Gau als Manövcrflurschadenersatz— einhundertfünfzigtausend Mark ausbezahlt erhielt! So befriedigt P r e u ß e n- D e u t sch l a n d seine klturellen Bedürfnisse auf dem Gebiete der Schule! Und ähnlich sieht es aus auf anderen Gebieten des öffentlichen und staatlichen Lebens, wie jeder aufmerksame Zeitungsleser durch Dutzende von Beispielen beweisen könnte. „Ueberall Stagnation!" So schrieb kürzlich mit Fug und Recht ein liberaler Kandidat im„Bcrl. Tagebl." Deutsche Volksschullehrer! Angesichts solcher Zu- stände habt ihr am bevorstehenden Wahltage besseres zu tun, als einzig und allein um die Reingewinne der Tippelskirch und Wör- mann besorgt zu sein! Oder könnt ihr es wirklich übers Herz bringen, als Sendboten eines programmverrätcrischen Liberalis- mus, der mit Brot- und Flcischwucherern gemeinsame Sache macht, von Dorf zu Dorf zu ziehen, um ein reaktionäres Junkerregimcnt zu unterstützen? Und haben euch die bleichen Wangen der zu euren Füßen sitzenden Proletarierkinder gar nichts zu sagen?? Kollegen! So gut wie wir, habt doch auch ihr in den letzten Jahren und Monden gehört und gelesen von schul- und lehrer- feindlichem Junkertum, von Reaktion und Volksverdummung, von Fleischnotdcbatten und Brotwucher, von Klassenjustiz, von Wahl. rechtsverschlechterung, von Wahlkreisgeometrie-Ungerechtigkeiten (Charlottenburg -Ostelbien), von Ringen und Syndikaten, von ödem Bureaukratismus, von Kolonialskandalen und Ricsenprofiten, von kulturfeindlichem Militarismus, von Bremserlassen, von Nickel- und Luckeprozessen usw vorgeschlagen. Auch die Aufforderung zur Auswanderung oder die verlockende Darstellung der Kolonien in Wort und Bild wird mit Zuchthaus und lebenslänglicher Zwangsansiedelung in— Deutschland bestraft. Aus den von der Regierung in Millionen verbreiteten An- schlügen haben die Leser schon ersehen, daß Bülow, Dernburg und die bisher führenden Kolonialmänner alles desavouieren, was in dem Flugblatte der Deutschen Kolonial- gesellschaft angepriesen wird.„DaS lächerliche Machwerk. daS unter der Flagge:„Deutschland , halte fest an deinen Kolonien"(Druck und Verlag von Paß u. Hartleb, G. m. b. H.. Berlin W. 35) verbreitet wird,— so schreibt die„Norddeutsche Allgemeine" in einer Extraausgabe— qualifiziert sich als das hirnverbrannte Produkt eines Kolonial- wahnsinnigen, wenn es nicht die bestellte Arbeit deS AuS- landes ist, das auf diese allerdings raffinierte Weise daS Deutsche Reich zu vernichten gedenkt. Kein Wort der Widerlegung gegenüber diesem unerhörten Betölpelungsversuche, der an einer ganzen Nation begangen werden soll. Patrioten auf die Schanzen! Schützt Eure heiligsten Güter, Euer Vaterland, gegen die kolonialen Verlockungen eines trunkenen Fata-Morganisten." Aber die Flut schwillt weiter. In diesem Moment haben sich bereits 7'/z Millionen deutscher Untertanen zur Auswanderung in den Bureaus der Deutschen Kolonialgesellschaft gemeldet und zwar fast alle nach Südwestafrika. Ein Erfolg ohne gleichen. Und eS ist erst die erste Auflage des Flugblattes durch nicht allzu viele Zeitungen— darunter die von den Massen kaum gelesene „ B o s s i s ch e"— verbreitet worden. Die nächsten Tage wird daS kostbare Blatt, das. Millionen die Erlösung- bringt, sämtlichen sozialdemokratischen Zeitungen beigelegt werden. Dann gute Nacht Deutsches Reich . Adieu Bülow und Pückler— er soll zum„starken Mann" erkoren sein— und ihr anderen alle, die ihr die Schafe verliert, die ihr so lange geschoren habt. Die soziale Frage ist gelöst— in Afrika . Da« altersschwache Europa mit seinen lächerlichen Problemen hat abgedankt. Was dem Bunde alter Afrikaner mit seinem südwestaftikanischen WahlzirkuS nicht gelang, was dem Preisausschreiben der„National- Zeitung" versagt blieb— den ersten Preis bekam Dernburg für die Idee, Dattelkisten und anderes zu verlieren— in spielender Meister- schaft ist das alles dem Flugblatte zugefallen. Ja, Deutschlands Zu- kunst liegt von nun an so gründlich in den Kolonien, daß eS kcme andere mehr hat. Amerikanische Blätter machten sich bereits lustig über die lächerliche Stille und die aller starken Mittel entbehrende Art der deutschen Wahlagitation. Wie haben die Guten sich ge- täuscht. Einen so vollendeten Trick, einen an die Trompete des jüngsten Gerichts in gleicher Stärke gemahnenden Bonibenschlag bat Amerika — bisher das unbestrittene Land des Humbugs im besten Sinne de? Wortes— nie zu verzeichnen gehabt. Das neidische Aus- land lese das Flugblatt und dann wird eS endlich eingestehen: Deutschland in der Welt voran! Begnügen wir uns für heute, unseren Lesern einen kleinen Bor- schmack dieses weltgeschichtlichen Dokuments zu geben. Schwache Nerven würden den unvorbereiteten Genuß des Ganzen auf einmal sicherlich nicht ertragen. Wort und Bild wetteifern, das irdische Paradies in glühenden Farben zu malen. DaS Herz jedes emp- findenden Menschen wird erschüttert, wenn er von der Schmerzens- Und alle diese hübschen Giftblüten wolltet ihr am 25. Januar mit eurem Stimmzettel hegen und pflegen? Das sei ferne von uns! Deutsche Bolksschullchrer! Gebt am nächsten Wahltag Massen eure Stimmen ab für die Kandidaten der völkerbefreiende«, der bildungsfreundlichen, der volksrechtwahrenden Sezialdemo« kratie! Und frechem Junkerübermut gegenüber laute auch unsere Parole: Vorwärts die Massen zum Sturm! Kapitalistische Wirtschaft. Die produktive Arbeit ist die Quelle deS Reich- tums. Aber die wirklichen Produzenten nehmen nur be- scheidenen Anteil an dem Segen. Zunächst erlaben sich daran die NichtProduzenten, die Ucberfülle des Segens fangen sie für sich ab. Für die Arbeiter bleibt nur so viel zurück, daß sie notdürftig sich erhalten können. Der Arbeiter als Mensch gilt ja nichts, nur der Träger von Arbeitskraft kommt als Nutzwert für die Kapitalistenwelt in Betracht. Echt unverfälscht kapitalistisch heißt es z. B. im Jahresbericht der Handelskammer zu Elberfeld : „Namentlich fehlt es an weiblichen und jugendlichen Arbeitskräften, weil in den meisten Elberfelder Industriezweigen Männer nicht in solchem Maße Verwendung finden, daß genügend Familien vorhanden wären, deren Angehörige den Bedarf der Textilindustrie an Arbeitskräften decken könnten. Der Mensch hat nur Wert als Träger von. Arbeitskraft und als Produzent neuer billiger Arbeitskräfte. Es ist daher kapitalistisch auch ganz folgerichtig, daß man der menschlichen Arbeitsmaschine nur so viel Subsistcnzmittel gewährt, als zum Ersatz der verbrauchten Arbeitskräfte unbedingt notwendig sind. Was darüber hinaus von den Produzenten an Werten ge- schaffen wird, heimst das Kapital ein. Und die Unternehmer, deren Tätigkeit sich auf das Abschneiden von Coupons be- schränkt, schlucken einen ganz ansehnlichen Teil des Arbeits- ertrages. Man betrachte z. B. die folgende Tabelle, die die Angaben für das letzte Geschäftsjahr enthält. Es ergeben sich nach den Geschäftsberichten folgende Resultate: Aus den Kops der besHSs. Brutto- Rein- tigten Arbeiter entfallt Gesellschaft gewinn gewinn Brutto. Rein- gewinn gewinn Gelftnkirchener Bergw. 18 986 703 7 977 894 811 336 M. Harpeuer Bergb... 22 020 041 8»49 326 878 345. Hibernia..... 10 610 765 6 647 865 630 390„ Allg. Eleltrizitäts-G.. 14 061 617 12888 952 415 380. Aachener Vergw... 6 316 393 3 854 457 950 580„ In dem Reingewinn erscheint nicht die ganze Summe der Tributpflicht der Arbeit für das Kapital. Man hat eine ganze Menge Kanäle angelegt, durch welche ein Teil des Mehr- Ivcrtes abgezogen wird. Die von den Gesellschaften ge- zahlten Hypotheken- und Anleihezinsen sind natürlich auch Kapitalrente. Ein erheblicher Teil des Gewinnes verschwindet in den Ausgaben für Neuanlagen. Landerwerbung, Wohnungs- bau, ferner im Handelsprofit usw. So hat die Gelsenkirchener Bergwerksgesellschaft, für welche wir das Ergebnis des Jahres 1904 einstellten, in den 5 Jahren von 1900 bis 1904 für Neuanlagen rund 47'/z Mill. Mark ausgegeben. Das Aktienkapital wurde also nur um 15 Mill. Mark, von 54 Mill. Mark auf 69 Mill. Mark, erhöht. Es sind mithin für Neuanlagen 32'/« Mill. Mark aus den Betricbsergebnissen verwendet worden. Das macht pro Jahr und Arbeiter nochmals'das nette Sümmchen von 304 M. Dafür steigen die Kurse der Papicrchen. Wer 20 Jahre Dividende eingesteckt hat, kann seine Aktien verkaufen, er be- geschichte des südwestaftikanischen Krieges liest, von den Strömen geflossenen Heldenblutes, die nicht einmal Dernburg in Geld um- rechnen könnte. Das ganze Deutschland wird zur Racheentflammt und dem Stammeln des Säuglings die beredte Uebersetzung geliehen: Blut ist der beste Kitt. Mit der düsteren Glut der Propheten wird das namenlose Unheil geschildert, das die armen Deuts lbcn in dem zu eng ge- wordenen Mutterlande erwartet. Schon hören wir den Wehschrei unserer hungernden Enkelkinder und ihre Flüche, wenn wir jetzt nicht das neue Deutschland über See begründen. Kein Proletariat mehr— ein einig Volk von Kolonisten, das ist die gebieterische Losung der Stunde, ja des Jahrtausends. Und wie herrlich groß ist unser Kolomalgebiet in Afrika , so groß lvie ganz Mitteleuropa . DaS alles, guter Deutscher, gehört uns, Dir, mir. Kleine Fürsten- tümer kannst Du dort gründen. Im Interesse schnellerer Bcsiedelung wird schleunigst die Polygamie eingeführt werden. Welche Horizonte I Welch' ungeahnte Vermehrungsmöglichkeiten I Keine Kolonial- waren mehr braucht man beim Krämer zu borgen. Jeder baut seinen Kaffee, seinen Tabak, seine Baumwolle. Kaniel« und Ochsen gibt'S nach Belieben. Die Sehnsucht der Chiliasten, daß der Leu mit dem Lamme schlummere, hier wird sie am ehesten in liebliche Erfüllung gehen. Keine Lebensversicherung mehr, denn für alle ist gesorgt. Um den Absatz unserer Industrie- Produkte braucht sich niemand mehr Sorge zu machen. Wir ver- konsumieren alles selbst— in den Kolonien. Jeder Arbeiter, der noch nicht einsieht, wohin die Reise geht, wäre ein Narr. Unsere Kolonien produzieren alle wünschenswerten Rohprodukte, besser als das Reich der Königin von Saba, das Peters in Siidostasrika wiedergefunden hat; Soldaten, Kaufleute, Techniker, alle finden Raum in den Kolonien. Der Arbeitslohn wird das Zehnfache des europäischen ausmachen usw.; alles wächst beinahe umsonst. Ver- lorene Datteln erzeugen in ein paar Jährchen Palmenwälder. Noch drastischer, handgreiflicher, augenscbeinlicher aber zaubert alles der trunkenen Phantasie der Bilderschmuck des Flugblattes vor. WaS bei uns ein Pfennig, ist drüben ein Tausendmarffchem und mehr. Unermeßlicher Platz für Eisenbahnen ist noch, und da« Land kostet nichts. Die Bodenftüchte wachsen gleich fertig zubereitet. Das symbolisiert eine dampfende Schüssel voll Reis mit Zucker und Kaneel. Lieblich duftet der Guano, der dort als Parfüm auf die Welt kommt.(Man braucht ihn nur den Engländern abzukaufen, die ihn an sich ge— bracht haben.) DaS Elfenbein wird von den Elefanten selber verarbeitet, die besseren Metalle werden gleich ge- münzt gefunden. Hanf dreht sich von selbst zu Stricken und in einer Fülle, daß man dem leider verstorbenen Mickiewicz gerne seinen Anblick gönnen möchte. Puttkamers Gefährtin pflegte, wenn sie einen neuen Hut brauchte. nur den zahmen Straußen zu pfeifen und sie erhielt den prunkendsten Straußenfedernhut... Wer daS Paradies auf Erden erleben will, braucht nur nach Afrika auszuwandern, das ist der Eindruck, den wir nach ehrlicher Prüfung von dem kolonialen Send- schreiben erhalten haben. Folgen wir den» Rufe und lassen wir die Junker ihr teures Fleisch allein essen. Afrika , unsere teure Zukunftsheimat, über alles in der Welt! p. S. Der nächste Dampfer geht Freitag vormittag. Schiffe sich jeder rechtzeitig ein, damit er Platz finde.
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