längeren Ausführungen die Genossen Neumann, Oimde und Kotterba. Die beiden Gegner, welche zur allgemeinen Freude er- lchienen, waren inzwischen verduftet. Die Resolution wurde ein- stunmig angenommen. 5— COO zählte die Besucherzahl einer am Dienstag in Friedrichs- hagcn� stattgehabten Wählerversammlung. Der Lerchesche Saal war vollständig gefüllt. Das Referat hielt Genosse Mermuth , dessen Ausführungen lebhaften Beifall fanden. Am gleiche» Abend hatten auch die bürgerlichen Parteien eine Versammlung nach dem Eiskeller einberufen, in der der Kandidat Ziethen als Referent angekündigt inar. Die paar„nationalen" Seelen blieben aber hübsch unter sich. Der Wahlkampf in der Provinz Brande, tbnrg. Im Wahlkreise Potsdam - Osthavelland wurde der letzte Sonntag vor der Wahlschlacht zu reger Agitationsarbeit be- nutzt. Zahlreiche Wählerversammlungen fanden statt, zum Teil unter freiem Himmel, so in Schönwalde , Fahrland , Pausin , Staffelde und Knoblauch. In Beetz war es unseren Genossen zum ersten Male gelungen, ein Lokal zu bekommen. Hier referierte Genosse Fülle- Berlin vor zirka 30(1 Personen. Eine angeregte Diskussion folgte, an der sich u. a. der Ortsvorstcher Vogler und der Ortspfarrer Conrad beteiligten. Letzterer Herr hatte in einer freisinnigen Wählerversammlung acht Tage vorher recht ausfällige Bemerkungen über die Sozialdemokratie gemacht. Diesmal war der Herr viel zurückhaltender. Er erklärte von vornherein, daß er sich in vielem mit der Kritik des sozialdemokratischen Redners einverstanden erklären müsse und attestierte dies in einem fach- lichen und maßvollen Vortrag. Trotzdem kam er zu dem Schluh, daß man als Christ und Staatsbürger konservativ wählen müsse. In seinem Schlußwort ging der Referent aus alle Einwände der Gegner ein und beleuchtete namentlich die Behauptung des Pastors Conrad,„daß die indirekte Besteuerung von der Bevölkerung nichts so gemerkt werde". Mit einem dreifachen, begeistert auf-' genommenen Hoch auf die Sozialdemokratie wurde die Versamm- lung, die einen vorzüglichen Eindruck hinterlassen hat, geschlossen. In Kremmen sprach abends 7 Uhr ebenfalls Genosse Fülle- Berlin im vollbesetzten Saale bei Papproth. Auch hier hatten sich Gegner aller Parteischattierungen eingefunden. Es meldete sich aber trotz wiederholter dringender Aufforderung nie- mand zun» Wort.„Die haben die Kurage verloren!" meinte ein alter Äremmener Bürger;„diesmal wählen wir alle rot!" In Schönwalde fand eine Versammlung unter freiem Himmel statt, in der Genosse Rich. Schmidt- Velten referierte. Tie Versammlung war trotz starkem Schneegestöber von 60—70 Personen besucht. Die Ausführungen des Referenten fanden lebhaften Beifall. Gegner meldeten sich nicht zum Wort. Aus dem Wahlkreis Kalau-Luckau wird uns geschrieben: Eine öffentliche Versammlung unter freiem Himmel a u f g e l ö st und wieder eröffnet, das dürfte wohl zu den Seltenheiten gehören. Die Genossen des Dorfes Rictzneuendorf bei Golßen mußten zum Sonntag eine Versammlung unter freiem Himmel abhalten, da ihnen kein Versammlungslokal zur Verfügung stand. Die Versammlung war von zirka 125 Personen besucht. Ein fehlender Zaun wurde sogleich in Gestalt einiger mit Schnur ver- bundencr Pfähle hergestellt. Der Gendarm meinte, die Schnur gefalle ihm nicht; doch auf Zureden des Vorsitzenden machte er loeiter keine Einwendungen. Als der Vorsitzende aber die Ver- sammlung 7 Minuten nach der in der Anmeldung angegebenen Zeit eröffnete und dem Genossen Stadtverordneten Gottfried Schulz- Berlin das Wort erteilte, löste der Gendarm die Ver- sammlung auf mit der Begründung:„Es sind 7 Minuten über die Zeit verstrichen!" Daß der Herr Wachtmeister energisch auf das Vereinsgesetz aufmerksam gemacht wurde, versteht sich am Rande. Auf die schließliche Mahnung des Vorsitzenden:„Wir wollen doch die Versammlung fortführen!" erklärte der Herr:„Na, machen Sie man weiter." Unter großer Heiterkeit eröffnete der Vorsitzende noch einmal die Versammlung und erteilte dem Ge- nassen Gottfried Schulz das Wort zu seinem Vortrage, der lauten Beifall fand.— In der Diskussion sprachen die Genossen Marcus und M o e b u s ebenfalls unter großem Beifall. Als der Genosse Marcus den Artikel über den frechen preußischen Junker und Rcserveleutnant verlas, der die Landarbeiter mit Schweinen und Zigeunern verglich, erscholl ein vielstimmiges Pfui! Mit einem dreifachen Hoch auf die internationale Sozialdemokratie schloß der Vorsitzende die imposante Versammlung. Im Wahlkreis Ost- und West- Sternberg kam am Sonntag in einer konservativen Versammlung zu Reppen ein Sozialdemokrat sehr wider den Willen der Einberufer zum Wort. Die Versammlung in der Stadtbrauerei war wohl von 1000 Per- soncn besucht, Saal und Nebenräume waren überfüllt. Der kon- servative Kandidat v. Kapphengst-Kohlow entwickelte sein Pro- gramm. Er versicherte u. a.: Er stehe fest auf der Ver- sassung, das Reichstags-Wahlrecht wolle er schützen— nur seine Auswüchse(ein vieldeutiges Wort!) bekämpfen. In der Diskussion sprach dann ein Herr aus Reppen 25 Minuten unter dem Gelächter der Versammlung viel krauses Zeug zusammen. Als Vertreter der Sozialdemokratie forderte nun der Genosse Karl Wiesenthal das Wort. Der Vorsitzende verweigerte es ihm mit der Begründung, nur die Kandidaten aller Parteien und die Wähler des Kreiles bekämen das Wort. Unser Genosse hatte seinen Platz auf der Bühne dicht hinter dem Referenten. Nach der Wortverweigerung sagte er diesem:„Soeben versicherten Sie, daß Sie auf dem Boden der Verfassung stünden. Danach gibt es auch Versammlungs- und Redefreiheit. Bekomme ich nicht sofort das Wort, so rufe ich in die Versammlung hinein, daß Sie wissentlich die Unwahrheit gesagt habe n." So gelang es mit Unterstützung unserer Genossen in der Versamm- lung, die stürmisch forderten, daß unserem Vertreter das Wort er- teilt werde, daß der Referent selbst vom Vorsitzenden forderte, das Wort zu erteilen. In 25 Minuten, die er als Redezeit hatte, zerpflückte nun unter lautloser Stille der Versammlung unser Genosse das Referat des konservativen Herrn. Brausender Beifall folgte seiner Auf- forderung, am 25. Januar den Genossen Freiwaldt zu wählen. Erst der wiederholten Aufforderung aus der Versammlung leistete Herr von Kapphengst Folge und suchte sich zu verteidigen. Doch wie kläglich! Da er die sachlichen Äussührungen des Ge- Nossen Wiesenihal sich nicht zu erschüttern getraute, mußte schließ- lich das alte Märchen der schlechten Bezahlung der Mäntelnähe- rinnen durch den Genossen Paul Singer die Verlegenheit des Refc- reuten verdecken. Der Vorsitzende rief bei dieser Stelle dazwischen: „Der Kompagnon des Juden Singer!" In einer persönlichen Be-. merkung wies Genosse Wiesenthal die Verdächtigung gegen den Ge- nossen Singer gebührend zurück. Die Versammlung dürfte unserer Partei nicht unerheblich genutzt haben. Auch im Wahlkreise Züllichau- Krossen kam in der vorigen Woche ein Genosse in einer gegnerischen Versammlung zum Wort. In Dobersaul fand eine Versammlung der ver- einigten Liberalen statt, in der Graf Bothmer-München referierte. In der Diskussion sprach zunächst der Pastor Standan-Beutnitz für den konservativen Kandidaten Schlüter. Nach ihm erhielt Genosse Aug. P ä ch- Landsbcrg das Wort, der dem Arbeiterfang des Herrn Pastors so trefflich zu Leibe ging, daß dieser konservative Politiker des öfteren die Farbe wechselte. Als unser Genosse geendet hatte, wünschte der Gutsbesitzer und Amtsrat zu Lochwitz das Wort. Es wurde ihm aber wegen dernahenPolizeistunde verweigert. Es geschah ihm sehr recht. So konnte der Herr einmal den Segen der Polizeistunde am eigenen Leibe spüren. Er war natürlich höchst entrüstet. Die Stimmung der Genossen im Kreise ist die beste. Im Junkerparadies, dem Kreise Königsberg (NeuRark) tobt zur Zeit ein Kampf, der an Schärfe nichts zu wünschen übrig läßt. Vier Kandidaten ringen um den Preis, denn zu dem konser- vativen, liberalen und sozialdemokratischen hat sich noch ein anti- semitischer Kandidat gesellt und ztvar der Redakteur der„Staats- bürgerzeitung" Kammerer, der die Schönheit seiner Person den Wählern im Bild auf Flugblättern vor Augen führt. Unsere Genossen haben es durch jahrelange unausgesetzte Tätig- keit erreicht, daß der Zentralwahlvere-in in zwölf Orten festen Fuß gefaßt und die Zahl der Organisierten sich vervierfacht hat. So war es möglich, den Vertrieb der Flugschriften, Kalender usw. mit eigenen Kräften zu bewerkstelligen, was noch bei der letzten Wahl durch Hülfskräfte aus Berlin erfolgen mußte. Der Kampf wurde, wie sich ganz von selbst versteht, von uns durch eine Versammlung im„Gewerkschaftshause" zu Güstcbiese eröffnet, wo es allerdings nichts zu trinken giebt und eine Ver- sammlung in Küftrin. Beide Versammlungen waren glänzend be- sucht. Weit übertroffen wurden diese Versammlungen durch die am 13. und 20. Januar in Küstrin abgehaltenen, die beide polizeilich abgesperrt wurden, weil der Andrang geradezu lebensgefährlich war. Der Saal ist auf 1000 Personen polizeilich abgeschätzt, dreizehn bis vierzehnhundert Personen aus allen Parteien waren sicher an- wesend; solche Versammlungen hat Küstrin noch nie gesehen. Aber auch die Versammlungen der Liberalen sind sehr gut besucht, aller- dings mit einem starken Einschlag unserer Genossen; zum Teil, wie in Neudamm bildeten wir die Majorität, obwohl die doppelte Zahl wegen Ueberfüllung draußen bleiben mußte. In allen liberalen Versammlungen erhielt unser Kandidat, Stadtverordneter Borg- mann- Berlin annähernd dreiviertelstündige Redezeit. Gelang es uns einmal, einen Saal zu mieten, so wurde er uns trotz Miets- vertrag und gezahlter Miete wieder abgetrieben, so in Alt-Rüdnitz und Alt-Küstrinchen. Im ersteren Orte gab der Amtsvorsteher, der Sohn des ehemaligen liberalen Reichstagsabgeordneten Lüben, die Bescheinigung für die am Tage vorher erfolgte Anmeldung nicht heraus, und der Gendarm löste die Versammlung auf, weil keine Anmeldungsbescheinigung vorgelegt werden konnte. Die Konser- vativen halten ihre Versammlungen nur für königstrcue Wähler ab, der Besuch ist daher auch nur schwach. Diskussionen finden nicht statt, es dürfen nur Fragen gestellt werden, aber keine oppo- sitioncllen, sonst fliegt der Fragesteller raus. Die Herren verlassen sich auf ihre bewährten Praktiken i>er auch heute noch mit Erfolg betriebenen Wahlbeeinflussungen. Gibt es doch eine ganze Anzahl Gutsbezirke, wo hundert Prozent der ein- geschriebenen Wähler konservativ gewählt haben. In einzelnen Orten sind den Gutsarbertern bei der letzten Wahl vom Gutsbesitzer, der zugleich Amts- und Wahlvorsteher war, die Stimmzettel im Wahllokal verabreicht, oder gar ohne Kuvert abgenommen und in die Urne gelegt worden. Andere haben wieder ganz munter auf dem Kuvert in die Ecke den Namen des Wählers geschrieben, um eine„hübsche" leichte Kontrolle zu haben. Nun, für diesmal ist Vorsorge getroffen, den Herren ordentlich auf die Finger zu sehen. Trotz dieser Praktiken hatten die bürgerlichen Parteien bei der Wahl 1903 nur 28 Stimmen Zunahme, die Sozialdemokraten aber 1694 Stimmen. Der seitherige Verlauf läßt der Hoffnung Raum, daß wir abermals einen solchen Sprung machen werden, dessen Wirkung die Zertrümmerung der konservatwen Herrschaft sein wird Jedenfalls können sich die ausstellen, daß es an hingebender im Kreise das Zeugnis lrbeit nicht gefehlt hat. LiericMs- Leitung. Graf Pückler, der Held der OrdnungSpartcicn, vor Gericht. Wegen Anreizimg zu Gewalttätigkeiten hatte sich gestern der Graf Walter v. Pückler- Kl.-Tschu»e wiederum vor der 3. Strakammer des Landgerichts I unter Vorsitz des Landgerichtsdirektors Langner zu veramworten. Es handelte sich um eine am 5. November in Kellers Festsälen stattgefundene Versammlung, in welcher der An- geklagte einen Vortrag über den„AnttsemitismuS und seine Feinde" hielt. Zu den inneren Feinden rechnete er Leute wie den Grafen Reventlow, wobei er die Bemerkung machte:„Jetzt ist der Hund ein- fach verreckt I". ferner die kleinen antisemitt scheu Blätter, die „von den Juden bestochen seien". Zu den äußeren Feinden gehören nach seiner Meinung die preußischen Behörden.„Wer mit diesem Korps der Rache zu tun habe, sei verloren. Hol' sie der Teufel l" Er habe bei dem Kaiser Audienzen nachgesucht, aber gar keine Antwort darauf erhalten, während Juden wie Ballin und Mendelssohn empfangen werden. Im weiteren Verlaufe seiner Rede hat der Angeklagte nach den Aufzeichnungen des überwachenden Polizeileutnants v. Herrfurth sich dahin geäußert: Die Offiziere hätten sich bisher von den Juden frei gebalten,„sie könnten unS aber unterstützen und eine frische und fidele Bierreise mit uns mitmachen." Er hat dann ferner davon gesprochen, daß man die Juden„anpumpen" müsse. Diese Bemerkung soll unter Hinweis auf einen kurz vorher bei Salinger u. Leppmann aus- geführten Sinbruchsdiebstahl gemacht sein.„Zu den Juden muffen Sie hingehen und sie anpumpen; da kann die Polizei nichts machen. Vor einigen Tagen haben auch einige forsche Kerle bei Salinger u. Leppmann 40 000 M. gepumpt, die sie bisher nicht zurückgebracht haben. Wenn Sie sich etwas vornehmen und zum kleinen Cohn gehen, dann müssen Sie nicht allein hingehen." Schließlich betonte er die Notwendigkeit,„die Lokale von dem Ungeziefer, den Ratten und Mäusen zu säubern" und forderte auf«zum frischen, fröhlichen Kampfe".— Der Angeklagte bestritt, die Absicht gehabt zu haben, zu Gewalttätigkeiten aufzufordern. Das seien Versammlungs- scherze, ohne die ein Führer des Volkes in großen Versammlungen nicht auskommen könne. Die Harmlosigkeit seiner Aeußerungen ergebe sich aus der Tatsache, daß die Ver- sammlung nicht aufgelöst wurde. Im übrigen bitte er um Ver« togung, weil er dem Polizeileutnant Ohrenzeugen aus jener Versammlung gegenüberstellen wolle.— Zu dem heutigen Termin war von der' Staatsanwalischast auch Medizinalrat Dr. H o f f- mann als Sachverständiger geladen. Ueber den Grund dieser Ladung befragt, äußerte sich StaatSauwaltschafts- rat Dr. Artelt dahin: Wenn man die Familie des An- geklagten, seinen Bitdungsgrad und die Tatsache in Betracht zieht, daß er des Königs Rock gettageu und die Rechts- Wissenschaft studiert hat, wenn man ferner die Tätigkeit berücksiwtigt, die der Graf seit vielen Jahren ausübt und wenn man endlich er- wägt, daß er trotz der Erfahrungen, � die er in kriminalistischer Be- ziehung an sich selbst hat machen müssen, sich nicht veranlaßt gesehen hat, seine Tätigkeil anders zu gestalten, so liegt der Gedanke nahe, daß bei dem Grafen ein geistiger Defekt vorhanden ist, daß er sich nicht im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte befinde. Bei dieser Sachlage hält es die Staatsanivaltschast für notwendig, den Grafen auf seinen Gesundheitszustand untersuchen zu lassen.— Der Angeklagte widersprach diesem Antrage, den er für einen kolossalen Schimpf ansehe, welchen ihm die Staatsanwaltschaft antue. Er wisse gar nicht, wie die Staatsanwallschaft zu einem solchen Au- trage konime. Die Judensrage könne � man nicht mit Glacöhand- schuhen anfassen, dazu gehöre eine eiserne Faust. Das weise doch nicht auf Verrücktheit hin.— Das Gericht beschloß Vertagung. Der Antrag des Staatsanwalts auf Beobachtung des An- geklagten wurde abgelehnt, da die vorgebrachten Tatsachen einen Zweifel an der Zurechnungsfähigkeit des Angeklagten zu begründen nicht geeignet seien. Der Gerichtsbeschluß erscheint unter Berücksichtigung des geistigen und moralischen Tiefstandes der Kreise zutreffend, in deren sozialen und politischen Anschauungen der Graf aufgewachsen ist. Verfahren wegen Meineids gegen Fürstin Wredes Diener eingestellt. Gegen den ehemaligen Diener des Fürsten Wrede, Willi Glase, war bekanntlich von der Staatsanwaltschaft in Güstrow auch ein Verfahren wegen M e i n e i d S eingeleitet worden. Er wurde beschuldig?, am 80. April 1908 zu Basedow bei seiner Ben- nehmung unter seinem Eide wahrheitswidrig bekundet zu haben, daß er in dem an den Fürsten Wrede nach Madrid gerichteten Brief ausdrücklich gesagt habe, die 50 000 M. Schweigegelder, die er verlangte, seien„für die Armen" bestimmt. Jetzt ist durch Be- schluß der Güstrower Strafkammer dieses Verfahren eingestellt: worden. Die Strafkammer sah keinen genügenden Anholt für die Annahme, daß der Angeklagte die unrichtige Angabe über den In- halt des Briefes wider befferes Wissen oder auch nur fahrlässiger Weise falsch gemacht habe. Der Angeklagte habe bei seiner Ver. nehmung des sicheren Glaubens sein können, daß der zur Ab- sendung gelangte Brief den von ihm angegebenen Inhalt gehabt habe.— Glase verbüßt zur Zeit die ihm in der Erpressungs - angelegcnheit auferlegte Strafe im Strafgefängnis Plötzensee.— Fürstin Wrede ist— noch nicht angeklagt. Ein„Skandal"— 5 Monate Gefängnis. Wegen Beleidigung des sächsischen JustiMinisters Dr. Otto ist am 4. August v. I. vom Landgericht Dresden der Schrift- steller Erich Herz zu fünf Monaten Gefängnis verurteilt worden. Er hat als Redakteur der„Dresdener Rundschau" einen Artikel veröffentlicht und mit einem Schlußabsatz versehen, in welchem be- hauptet wurde, in Sachsen würden die älteren Richter gegen die jüngeren zurückgesetzt. In dem Schlußabsatze nannte der Ange- klagte das angebliche Verfahren des Ministers einen Skandal. — Die Revision des Angeklagten wurde am Dienstag vorn Reichsgericht vertvorfen Anerkennung berechtigter Interessen des die Eisenbahn benutzenden Publikums. Vom Landgericht Hamburg ist am 27. September v. I. der Eisendreher und Redakteur des„Weckruf" der Eisenbahner, K. I. F. Weiß, von der Anklage, den inzwischen verstorbenen Minister v. Budde beleidigt zu haben, freigesprochen worden. Er hatte im Anschluß an einen Bericht über die Gerichtsverhandlung gegen die Beamten, welche da.� Eisenbahnunglück bei Spremberg verursacht haben, eine Anzahl Zeituugsstimmen zu- sammengestellt und abgedruckt. Durch eine Stelle darin über das„fluchwürdige Sparshstem" sollte der Minister beleidigt sein. Das Urteil nimmt an, daß das genannte Un- glück lediglich durch die Fahrlässigkeit zweier Beamten verursacht worden ist und daß der zweigleisige Betrieb der fraglichen Strecke auch keinen absoluten Schutz gegen Unfälle geboten haben würde. Dennoch hat das Gericht dem Angeil�...eu den Schutz des Z 193 zugebilligt, da es sein Recht sei, die Rede des Ministers im Abgeordnetenhause, d. h. eine amtliche Leistung, zu krittsieren, und er als Einwohner, der genötigt sei, die preußischen Bahnen zu be- nutzen, das Recht Hobe, den vermeintlichen Uebelstand zu rügen. Auch in dem Ausdrucke, daß die ersparten Gelder dem Militärmoloch in den Rachen geworfen würden, hat das Gericht keine Beleidigung durch die Form erblickt.— Die Revision des Staatsanwalts gegen dieses Urteil wurde am Montag vom Reichsgericht verworfen. Vermifcktes. Ein Unfall des Orient-Expreßzuges. Dem ausfahrenden Orient- Expreßzuz 12 fuhr gestern abend in der Station Augsburg die für den Personenzug 722 besttmmte Lokomotive in die Flanke, wobei diese Lokomotive sowie die des Orient-Expreßzuges entgleisten und nebst drei Wagen unerheblich beschädigt wurden Von den Insasse» des Orient-Expreßzuges wurden der Koch des Speisewagens und sein Gehülfe, beide von Paris , durch herabstürzendes Kochgeschirr leicht verletzt; sonst kam niemand zu Schaden. Der Erpreßzug setzte mit den unbeschädigt gebliebenen und zwei neu eingestellten Wagen die Fahrt mit 88 Minuten Verspätung fort. Ein Selbstmord. In Nürnberg haben sich gestern Nacht zwei Schwestern, die als Prrvatteren in der Pirkheimerstraße wohnten und seit längerer Zeit ncrvenleidend gewesen sein sollen, von ihrer im 3. Stock belegenen Wohnung in den Sofraum hinabgestürzt wo sie zerschmettert liegen blieben. Ein großer Brand. Wie der„Vogtl. Anz." aus Mylau meldet, ist gestern früh GVi Uhr die große mechanische Kammgarnweberei von Gebrüder Chevalier bis auf die Umfassungsmauern nieder- gebrannt. Zwei Mädchen sind bei dem Brande ums Leben gekommen. Die EntstehungSurfache des Feuers ist noch nicht bekannt. Ueber 200 Arbeiter sind brotlos. Die Kälte. In ganz England herrscht, wie aus London be- richtet wird, furchtbare Kälte. Auf einem Bestellgange fand ein Landbviofträger in Schottland vier Erfrorene. Petersburg, 22. Januar. Telegramme aus verschiedenen Gegenden des Reiches melden andauernde große Kälte bis zu 35 Grad Reaumur. Wegen Schneeverwehungen können auf den Südostbahnen Züge nicht verkehren. Der Hafen von Odessa ist zugefroren, sodaß die dort liegenden Dampfer einem Dampfer, der in der Nähe von Odessa Schiffbruch gelitten hatte, nicht Hülfe bringen konnten Zahlreiche Todesfälle durch Erfrieren werden ge» meldet. Die Schulen sind in verschiedenen Städten geschlossen worden. Ein neues Erdbeben. Der Seismograph in Grcnoble hat gestern morgen um 9 Uhr 20 Minuten zwei Evdbebenstöße angezeigt. In Konstantinopel wurde gestern früh um 4% Uhr ein ziemlich starkes Erdbeben verspürt. Ein Großfeuer. In Rostow am Don hat auf dem großen Gute der Aktiengesellschaft Siegel Großfeuer sämtliche Gebäude, darunter auch die Fabrik zerstört. Der Schaden wird auf über eine Million Rubel angegeben. 1500 Menschen ums Leben gekommen. Ueber die Flutwelle in Niedcrländisch-Jndien wird noch aus Haag berichtet, daß die Hauptinsel Simenluatjoet fast gänzlich vom Erdboden verschwunden ist. Man glaubt, daß noch mehr als 1509 Menschen ums Leben gekommen sind. Der Sachschaden ist fast un- ermeßlich; das ganze Küstengebiet der Insel Sumatra ist über- schwemmt. Gleichzeitig mit der Flutwelle wurden mehrere Erd- stöße beobachtet. Die Hülfsfonds für San Francisco sollten bekanntlich durch Veruntreuungen arg geschädigt worden sein. � Sogar der Bürgermeister Schmitz wurde beschuldigt, daß er seine Hände nicht rein gehalten habe und damit wollte man zugleich einen Schatten auf die Gewerkschaftsbewegung werfen, durch die Schmitz als„Arbeiter- mayor" in die Höhe kam. Jetzt ist von der Gesellschaft, welche die Fonds verwaltete, an den Kriegssckretär in Washington , dem die Angelegenheit unterstand, die Mitteilung gelangt, daß alle Gerüchte von Unterschlagungen grundlos seien. Jeder Geber hat eine numerierte Quittung erhalten, von drei Beamten unterzeichnet, die Bücher sind in Ordnung und das einzig fehlende Paket mit Geld- scheinen ist später aufgefunden worden. Die Gesellschaft bittet, diese Mitteilung bekannt werden zu lassen, denn genaue Unter- suchungen haben nichts ergeben, was die Gerüchte rechtfertigen konnte._ Wailerttaud am 23. Januar. Elb« bei ülulstg— Meter, Bei Dresden — 2 dp., bei Magdeburg+ 3,40 Meter, Eisgang.— U u st r U l bei Strautzsurt— Meter.— Oder bei Natibor—. Meter. Neiße » Mündung Meier.— O d e r bei Brieg— Meter.— Oder bei Siesliin Untervegel+ 1.30 Meter._ Nevmtwortlicher Redakteuri Hans Weber, Berlin . Für des Lnseratenteil ver-ntw.: Th. GI»cke, Berlin . Druck u. Verlag: Borwärt»»uchdruckerei u. VerlagSanstalt Paul Singer& Co.. Berk« SW„
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