Nr. 24.
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Ericheint täglich außer Montags.
Vorwärts
Berliner Volksblatt.
24. Jahrg.
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Redaktion: S. 68, Lindenstrasse 69. Fernibrecher: Amt IV. Nr. 1983.
Zwischen den Schlachten.
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Das Resultat der ersten Wahlschlacht läßt sich inzwischen genauer übersehen. Die Tatsache bleibt bestehen, daß die Sozialdemokratie eine Schlappe erlitten hat. Eine Schlappe, wie sie nicht nur die Sozialdemokratie selbst nicht erwartete, sondern wie sie auch unseren bürgerlichen Gegnern völlig überraschend, ja geradezu verblüffend fam. Das Bürgertum hatte mit Recht das denkbar schlechteste Gewissen. Es befürchtete, daß alle Schichten der nicht befizenden Selasse den bürgerlichen Parteien diesmal den zehnfach verdienten Denkzettel verabfolgen würden. Die maßlose Geldverschleuderung für eine finnlose, obendrein durch die unerschöpfliche Storruptionswirtschaft diskreditierte Kolonialpolitit, der weltpolitische Sometenturs, die Volfsauswucherung durch Lebensmittelzölle und Grenzsperren, die Voltsentrechtung in Hamburg . Lübeck usw.
Dienstag, den 29. Januar 1907.
Expedition: S. 68, Lindenstrasse 69. Fernsprecher: Amt IV. Mr. 1984.
Das Gesamt- Wahlergebnis.
fanzler noch eine neue Reichstagswahl abwarten will, so muß er sich mit dem Liberalismus irgendwie abfinden, daß der Vorschuß halbwegs gebedt wird. Nun entsteht hier die Frage: woher nehmen und nicht stehlen? Der neue Reichstag wird eine Majorität haben, die in allen wirtschaftlichen Fragen genau das Gegenteil von dem will, was der Linksliberalismus wünscht. 397 Wahlkreisen des Deutschen Reiches am 25. Januar 1907 Nach der Meldung der Nordd. Allgem. Ztg." sind in den In geistigen Fragen werden die Nationalliberalen wenigstens teilweise auf feiten der Linken stehen, aber solche Fragen tommen 237 Abgeordnete endgültig gewählt worden, während in den im Reichstage voraussichtlich nicht vor, da Bülow klug genug ist, übrigen 160 Wahlkreisen Stichwahlen stattzufinden haben. das alte Feuer, das auf dem Herde der Heinze- Männer glimmt, nicht anzufachen; im Gegenteil, da die Intellektuellen in Es sind: Deutschland nun einmal gewöhnt sind, die gesamte deutsche Freiheit allein nach der polizeilichen Judulgenz für literarische und künst lerische Produktionen zu bemessen, kann man erwarten, daß in Zukunft den Kunsthändlern erlaubt wird, die Leda mit dem Schwan wieder ins Schaufenster zu stellen. Dann wird die deutsche Profefforen und Künstlerwelt den Sieg des libe= ralen Geistes preisen. Vielleicht auch werden die 5 Sisters Barrison, soweit sie noch komplett sind, aus dem Eril zurückberufen. Aber ob politisch ernste Menschen hiermit den Vorschuß für gedeckt halten, das muß troß aller bürgerlich liberalen Bescheidenheit bezweifelt werden. An Preußen fann man sich nicht schadlos halten, denn dort bleibt alles beim alten; also auch beim üblen."
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all das mußte unsere besigenden Stlassen mit banger Sorge erfüllen. Hätten sie, wie die Sozialdemokratie, ein reines Gewissen, ein blankes Ehrenschild besessen, hätten sie nur selbst Wenn es also im liberalen Bürgertum und unter den an die Gerechtigkeit ihrer Sache geglaubt, so hätten sie ja liberalen Mitläufern überhaupt noch politisch ernste von vornherein an den Sieg ihrer Sache glauben müssen. Menschen" gibt, wird der Freifinn spätestens in fünf Jahren Daß sie es, wie sie jetzt selbst einmütig zugestehen, nicht taten, be- dieser Mitläufer" wieder gründlich ledig werden! , weist deutlicher als alles andere, daß sie alle ihre tönenden Freilich, die Sozialdemokratie wird sich darauf nicht verPhrasen selbst nur als Schaumschlägerei, als Betölpelungsmanöver lassen. Sie wird ihre Drganisations- und Agitationstätigkeit auffaßten, wohingegen die unverhohlene Siegeszuversicht der verdoppeln, ihre Presse verbreiten, um auch 1912 ohne Wit Sozialdemokratie bezeugt, daß ste deshalb ohne Wanten an läufer" einen Erfolg zu erringen, der ihre heutige Schlappe den Sieg glaubte, weil sie von der Gerechtigkeit ihrer Sache mehr als wett macht! Mehr als je gilt es Aufklärung der durchdrungen war! Massen, prinzipielle Vertiefung der sozialistischen Anschauungen unter den breitesten Schichten der nichtbesitzenden Klassen, da mit fünftig jeder Appell an die Judifferenten, die„ Partei der Nichtwähler ", vergeblich ist.-
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Die Sozialdemokratie hat eine Schlappe erlitten, aber, wie sich stündlich deutlicher herausstellt, nichts weniger als eine Niederlage! Kehrt die Fraktion auch geschwächt in den Reichstag zurück: der Jubel über den Rückgang der Sozialdemokratie ist ver Die konservative Presse ist mit dem Ausfall der Wahlen früht gewefen. So weit das Wahlergebnis einen Ueberblick ge äußerst zufrieden, da ja die reaktionäre Seite des Hauses stattet, hat die Dreimillionenpartei trotz alledem einen Zuwachs gestärkt worden sei. Sie stellt freilich auch noch für die von zirka 200 000 Stimmen erhalten. Viel zu wenig für Stichwahlen an den Freisiun das Ansinnen, zu bollenden, unsere Arbeit, für die volfsknechtende und boltsausbeutende was er bei der Hauptwahl so erfolgreich begonnen, nämlich Tätigkeit der Gegner, aber viel zu biel für die die freiheitliche Opposition völlig niederzuschmettern. Auch für Gegner, um der Sozialdemokratie bereits den Nekrolog die Stichwahlen erwartet die Kreuz- 3tg.", daß sich der zu halten! Jeder der 34/4 Millionen Wähler ge Freifinn für die fonservativ- nationalliberalen Brotwucherer und Lobt sich, das nächste Mal noch viel aufopfernder Wahlrechtsfeinde ins Zeug legen und gegen die Sozial zu arbeiten und dann die Schlappe gründlichst auszuweizen! demofratie stimmen wird!
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Es wird später noch genug Zeit bleiben, nachzuprüfen, Die freifinnige Breffe ermutigt die konservative Presse welche Schichten diesmal bersagt und den Wahlsieg der zu solchen Hoffnungen, indem sie sich jeder Aeußerung darüber Partei vereitelt haben. Das freilich muß jezt selbst die enthält, wie ihre Wähler bei der Stichwahl stimmen sollen. gegnerische Presse zugeben, daß fich in unserer jetzigen Mag der Freifinn" feine unter dem Suffurs des ReichsStimmenzahl schwerlich noch Witläufer" befinden. So verbandes begonnene Tätigkeit gegen die bürgerliche meint selbst die freifinnig- volksparteiliche Breslauer Freiheit, gegen das Koalitionsrecht, gegen Zeitung":" Das Mitläufertum hat sich jetzt bis auf einen das Wahlrecht damit vollenden, daß er der scharf fleinen Rest unverbesserlicher grrlinge von macherischen Reaktion zu neuen Triumphen verhilft! Der Tag ihr( der Sozialdemokratie) losgefagt." Der Ueberzeugung der Abrechnung wird nicht ausbleiben! find auch wir. Und das erfüllt uns mit froher Zuversicht für Die wahre Gesinnung der Konservativen und Nationaldie Zukunft. Nicht als ob wir die Mitläufer" mit Ruten liberalen tennzeichnet die Kreuz 8tg." trefflich und gerade fortgepeitscht zu sehen wünschten. Aber, das beweist ja gerade zur rechten Zeit durch die Wiedergabe einer Auslassung der der Wahlausfall, mit Bestimmtheit ist doch in fritischen nationalliberalen Mag de b. 8tg.", die lautet: Situationen nur auf überzeugte Anhänger der Partei zu rechnen.
Es handelt sich also nicht darum, die Mitläufer" zurückzustoßen, wohl aber darum, fie intensiver als bisher auf. zuklären, sie zu bewußten und prinzipiell klaren Anhängern der Partei zu machen! Und wir hoffen, daß mit derselben erquickenden Schärfe und Klarheit, mit der diesmal überall der Wahlkampf geführt worden ist, auch die künftige Werbeund Aufklärungsarbeit fortgesetzt werden wird. Geschieht das, so find wir für die Zukunft nicht bange.
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Sozialdemokraten Zentrum
gewählt 29
an Stichwahlen
beteiligt
92
89
31
Freifinnige Vereinigung Freisinnige Volkspartei Nationalliberale.
1
27
20
58
Konservative
41
29
10
19
18
5
Deutsche Volkspartei
11
Reformpartei( Antisemiten) Wirtschaftliche Vereinigung
B
•
Mittelstandsparteiler
Reichspartei
•
Bund der Landwirte
Dänen
Elsässer und Fraktionslose Welfen
10
21228RAPHBARATA
In der letzten Sonntagsnummer meldeten wir, daß 30 sozialdemokratische Abgeordnete gewählt seien, da wir nach den uns vorliegenden Stimmenzahlen auch Georg v. Vollmar- München II- als definitiv gewählt betrachteten. Inzwischen hat sich herausgestellt, daß, Vollmar 1393 Stimmen an der absoluten Mehrheit fehlen und demnach auch in diesem Wahltreise eine Stichwahl stattfinden muß. Es erhielten nämlich im zweiten Münchener Wahlkreise: G. b. Vollmar
.40 128 St.| Sohl( D. Boltspartel) 20 541 St. Giehrl( Zentr.) 19 497 Köglsperger( Bauernb.) 1884 Probst( Mittelstand). Bersplittert.
32
72
9
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41 516 St.
Die Gewinne und Verluste der einzelnen Parteien im ersten Wahlgange stellen sich danach folgendermaßen:
6
Sozialdemokraten Zentrum Freifinnige Vereinigung Freifinnige Volkspartei Nationalliberale
Konservative.
Deutsche Volkspartel Reformpartei.
Wirtschaftliche Vereinigung Bund der Landwirte Mittelstandsparteiler
Dänen
•
Gewinne Verluste
1
20
2
4
1 8
1
Ist nun diefer Zustand als Berhängnis hinzunehmen, so lange das allgemeine gleiche Wahlrecht bestebt? Ist die Entwickelung des politischen Lebens in Deutschland unter der Herrschaft des Reichstagswahlrechts jetzt an den kritischen Bunft gelangt, an dem der Gang der Maschine aufhört, zuverlässig und berechenbar zu sein? Oder vermag das deutsche Volt, wenn es die Gefahr erkennt, mit diesem Wahlrecht die korrektur selbst zu schaffen? Jeder Vaterlandsfreund muß wlinichen, daß die verloren und einen Kreis gewonnen: Mülhausen Wahlen darauf mit einem unzweideutigen Ja antworten."
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Bauernbund
Unsere Partei hat demnach im ersten Wahlgang 20 Gite
Das nationalliberale Blatt hätte also das im Elsaß. In 92 Wahlkreisen kommt sie in die Stichwahl. Reichstagswahlrecht strupellos preisgegeben, wenn diesmal Welche Kreise dies sind und wie sich in diesen Streifen die. Die„ Mitläufer" sind dafür diesmal dem Freifinn das Volt nicht nach dem Wunsche des Absolutismus und des Stimmenverhältnisse stellen, werden wir mitteilen, sobald die zugeströmt. Und wir sind sicher, daß er mit diesen Mitläufern Scharfmachertums gestimmt hätte. Und die Kreuz. weit betrübsamere Erfahrungen machen wird Beitung" erklärt sich mit dieser Auffassung völlig ein. Stimmenzahlen amtlich ermittelt worden sind. als die Sozialdemokratie, die trotz der Desertion der unsicheren verstanden! Kantonisten noch 200 000 Stimmen gewonnen hat!
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Politische Uebersicht.
Wird der Freifinn trotzdem für dies großindustrielle Weshalb hat der Freisinn solchen Zulauf erlebt? Wir und agrarische Scharfmachertum eintreten? Wird er die so wollen von den Konservativen und National- unverhohlen staatsstreichlüfterne Reaktion unterstüßen, auch auf liberalen ganz absehen, die diesmal nur aus Haß gegen die Gefahr hin, daß sie gerade wegen des diesmaligen Wahl. • Majestätsbeleidigung. die Sozialdemokratie für den Freifinn geftimmt haben. Diese ausfalls die Verwegenheit findet, dem Volte das Wahlrecht Elemente werden dem Freisinn sofort wieder abtrünig zu rauben, folange fie dazu noch die Macht zu besitzen Bersönlichkeit. Der Proletarier besigt ein ebenso großes Die persönliche Ehre ist kein Vorrecht einer privilegierten werden, sobald er Miene machen sollte, auch nur die wähnt?! Mag der Freisinn seine ureigenste Schicksalsfrage Anrecht auf Respektierung seiner persönlichen Ehre, wie der schüchternsten freisinnigen Regungen zu bekunden. selbst entscheiden! Verzichtet er aber auf solche Betätigung, so verliert er auf der anderen Seite die Mitläufer, die sich ihm in der Hoff: äußersten Sträfte einzufezen! Fort mit allem Kleinmut! Hinein losigkeit des moralischen Schildes, dieser Respekt vor der Ehre Für die Sozialdemokratie gilt es, bei den Stichwahlen die Stapitalist, der Junker, der Fürst. Diese Ehre der Persönlichkeit, dieser Stolz auf die Fleckennung auf eine kommende liberale Aera" zugewendet haben! in den Wahlkampf mit verdreifachter Energie!
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Die Ehre der
Eine solche liberale Aera" ist aber ganz ausgeschloffen. Alles, was an Jugrimm in den Herzen des Proletariates ber Person steht auch uns so hoch wie nur irgend Jemandem. Nicht nur, daß die Konservativen, Antisemiten und National- bohrt und lobert, hat sich im erneutem Ansturm zu entladen! Aber die Anerkennung dieser Ehre des fosial Geringsten, liberalen ein festes Bollwerk gegen alle, sei es auch nur Eine jämmerliche Armee, die auf eine erlittene die hinter der Ehre des durch Zufall und Geburt am scheinliberalen Anwandlungen der Regierung bilden Schlappe anders antwortet, als durch verdoppelte Kampfes. höchsten Gestellten nicht zurückſteht, macht es uns werden auch das ungeschwächte Zentrum steht allen kultur- freudigkeit! zugleich unmöglich, noch eine besonders geartete Ehre tämpferischen Aspirationen im Wege. Der Freifinn wird also Es gilt erneuten Kampf auf der ganzen Linie. Die für einzelne Personen anzuerkennen. mur national", nicht aber auch liberal sein dürfen. Er darf Gegner werden abermals mit ihren bollen Breitfeiten feuern! Es Persönlichkeit refpeftieren wir, aber die Ehrfurcht" vor dem alle weltpolitischen Forderungen für Seer. Marine und gilt, ihnen den Siegesjubel schon bei der Stichwahl zu ver- Rang, vor der Geburt vermögen wir nicht zu verstehen! Kolonialpolitik bewilligen- aber beileibe keine gällen! Auf gegen ihre Niedertracht und Verleumdung! Es gilt ein unfaßbarer. Basiert er doch auf der Vorstellung des Deshalb ist uns auch der Begriff der Majestätsbeleidigung" Gegenforderungen stellen! die Wahrung der proletarischen, der wahren nationalen Ganz ergöglich verspottet ein wildliberales Berliner Ehre! ..Untertanen", des Menschen mit minderer Ehre vor der Mittagsblatt die liberalen Illusionen der Dernburg- Wähler: Also man hat dem Fürsten Bülow einen Vorschuß auf die die Gaffe zu bahnen! Es gilt die Scharte auszuwegen, künftigem vollen Sieg versprochene Seligkeit bewilligt und muß nun mal sehen, Vorwärts! was tommt. Wenn der jetzt so fest im Sattel figende Reichs
besonderen Ehre des durch Zufall und Geburt„ Höher
gestellten".
Demgemäß hat denn auch die Sozialdemokratie wiederholt den Antrag auf Beseitigung des Majestätsbeleidigungspara