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Deutfchea Reich« Kein Kuhhandel! Die Stichwahlparole des ParteivorftandeS betonte mit vollem Recht, daß bei den Stichwahlen unter keinen Umständen einem Konservativen. Reichsparteiler. Landwirtschaftsbündler. Antisemiten oder Nationalliberalen auch nur eine sozialdemokratische Stimme zufallen dürfe. Voraussetzung für die Unterstützung eines Kandidaten der anderen Parteien sei die. daß er sich verpflichte. drei Bedingungen einzugehen, nämlich die Zusicherung zu geben. gegen jede Wersch lechterung des Wahlrechts, gegen jede Verschlechterung des Koalitionsrechts und gegen jedes wie immer geartete Ausnahmegesetz stimmen zu wollen. Erfreulicherweise ist diese Parole nirgends auf Widerstand ge stoßen, ausgenommen in Köln , wo unsere Genossen ein lokales Wahlbündnis mit den Nationalliberalen suchten, und in Llnsbach-Schwabach, wo man in gewisse Unterhandlungen mit dem Bauernbündler eingetreten ist. Den ersten Fall haben wir bereits gestern besprochen. In Ansbach -Schwabach will die Partei nach der»Fr änkisch en Tagespost" bei der Stichwahl zwischen dem freisinnigen Volks- parteiler O u i d d e und dem Bauernbündler Wahlenthaltung üben, nachdem der Bauernbiindler erklärt hat, keiner Aenderung des Reichstagswahlrechtes seine Zustimmung geben zu wollen. Wir halten uns gemäß der Stichwahlparole des Partei- Vorstandes, jede Stichwahlentscheidungunter Würdigung der Persönlichkeit" des betreffenden Kandidaten zu treffen nicht für befugt, unseren Genossen in Ansbach -Schwabach Vorschriften darüber zu machen, unter allen Umständen für Ouidde zu stimmen, so sehr wir im allgemeinen betonen möchten, daß bei den Stich- wählen das Gefühl den klaren Erwägungen des politischen Ber- stnndes zu weichen hat. Wenn unsere Genossen in Ansbach -Schwabach auf Grund ihrer genaueren Kenntnis der politischen Persönlichkeit Quiddes, die zu beurteilen wir nicht in der Lage sind., eine Stimm- enthaltung für geboten erachten, so mögen sie nach bestem Wissen und Gewissen handeln. Wir bedauern jedoch, daß die dortigen Parteigenossen mit dem bauernbündlerischen Gegner Quidde » über- Haupt in Unterhandlungen eingetreten sind, ganz abgesehen davon, daß die Erklärungen des Bauernbündlers sich nur auf eine von den drei unerläßlichen Boraussetzungen beziehen! Sollte vollends, wie gemeldet worden ist, die Stimmenthaltung der Genossen in Ansbach -Schwabach eine Art Gegenleistung für die bauernbündlerische Stimmenthaltung in Fürth . Erlangen darstellen, so wäre ein solch unnatürliches Wahlkompromiß im höchsten Grade zu bedauern. Wenn die Sozial demokratie ohne konservative Hülfe nicht zu siegen vermag, sollte fie den Mut besitzen, in Ehren zu unterliegen Z Freisinnige Brrlumpung. Im 6. schleswig-holsteinischen Wahlkreis findet Stichwahl statt zwischen dem Genoffen v. E l m und dem freisinnigen Volks- parteiler Carstens. Um nun den Sieg über den sozial� demokratischen Konkurrenten davonzuttagen, ergänzt der Freisinn das Arsenal des landläufigen Hottentottenblock-Schwindels dadurch, daß er gegen den Genossen v. Elm als einen Befürworter des Genossen� schastswesens die kleinen Geschäftsleute mobil zu machen sucht! InderSchleswig-Holfteinischen Volkszeitung' lesen wir über diese neue erlesene Blüte freifinniger WaHlagttation: Die unehrliche BgitationSarbeit der Parteigänger des frei- sinnigen Kandidaten Carstens tritt drastisch zutage in einem Flugblatt, in dem die kleinen Geschäftsleute auf- gefordert werden, Herrn Carstens zu wählen, um gegen diesozial- demokratischen Warcnvrrkaufsstellen" zu protestieren! Man denke: der Bater deS deutschen Genossenschaft»» und Konsumvereinswefens war derFreisinnige" Schulze Delitzsch . An der Spitze der bürgerlichen GenoffenschastS- und Konsumvereinsbewegung steht der fteifinnige Abgeordnete Dr. Crüger. DerFreisinn" wußte und weiß auch heute dem Bürgertum und den Arbeitern gegenüber der Bedrückung durch den Kapitalismus keinen anderen Rat zu geben als den, sich selbst zu htlfeu, und zwar durch Genossenschaften und Konsumvereine. An der Schaffung der rechtlichen Grundlage für die Genossen- schasts- und Konsumvereinsbewegung ist derFreisinn" wesentlich beteiligt. Und nun kommt dieser selbe Freisinn her und will die kleinen Geschäftsleute gegen die Sozialdemokratte mobil machen unter dem Vorgeben, es handle sich dabei um ein Borgehe» gegen dieWaren- verknafsstrllen", also gegen die Genossenschaften und Konsumvereine! DerFreisinn" ist offenbar noch viel tiefer als auf das Niveau des berüchtigten Re i ch S v e r b an d e» gesunken. Er be- schmutzt sei» eigenes Nest, versucht sein eigenes Tun und Treiben den Wählern zu verekeln, indem er essozialdemokrattsch" stempelt! Erst schafft er ein Recht der Selbsthülfe für dte Be- völkerung und dann verdächtigt er den Gebrauch dieses Rechtes als grmeinschädlich. Charakterlosigkeit, Gesinnungslosigkeit, Unehrlichkeit euer Name istFreisinn"!-_ Die sozialdemokratische Partei ei» Berti«? Im Gasthause zmn schwarzen Bäten in Fischbach(Bayern ) fand am 22. Juli v. I. eine Versammlung statt, die von dem Schlosser Friedrich S e ß l e r in Nürnberg in der«Fränkischen Tagespost" als öffentliche Volksversammlung" einberufen war. Genosse Dr. S ü ß» heim- Siiirnberg sprach über die deutsche Reichspolittk. Am Schlüsse der Versammlung forderte der Borfitzende Seßler zum Beitritt zum sozial- demokratischen Verein Rürnberg-Altdorf und zum Abonnement auf dieFränkische Tagespost" auf. Da der Versammlung eine Frau vom Anfang bis zum Ende beiwohnte, erhielt Genosse Seßler einen Strafbefehl, da er sich angeblich gegen Art..l des bayerischen Vereinsgesetzes verfehlt habe. Seßler erhob hiergegen Einspruch und erzielte am Schöffengericht«ltdorf seine Freisprechung. weil eS sich nach den Feststellungen deS Schöffengerichts nicht um die Versammlung eines politischen BeremS handelte. Auf die Berufung des Amtsanwalts hin hob das Landgericht Nürnberg dieses Urteil auf und verurteilte Seßler zu einer Geldsttafe von 3 Mark. Die Berufungsinstanz schloß daraus. daß der Einberufer Seßler Bezirksvertrauensmann der sozialdemokrattschen Partei ist, daß der Versammlung eine Anzahl Nürnberger Genossen anwohnte, daß Rechtsanwalt Dr. Süßheim, bekannt als sozialdemokrattscher Redner, referierte, daß im Parteiorgan ein Bericht erschien(I) daß es aus allen diesen Gründen um sich seine Versammlung der sozialdemokratischen Partei, eines politischen Vereins, ä»ndelte. Gegen dieses Urteil legte der Verteidiger Seßler», Rechtsanwalt Dr. Süßheim Rev i(ion ein. Das oberste Landesgericht hob das Urteil des Landgericht» Nürnberg auf und wies die Sache an das Landgericht Nürnberg zur noch- maligen Verhandlung zurück, da die Feststellungen nicht ausreichen für die Annahme, daß die Versammlung von und für die sozialdemokratische Partei einberufen wurde und dieser Partei die Eigenschaft eines Vereins im Sinne des bayerischen Vereins- gesetzeS zukommt._ Der geprellte Freisinn. DerLiberalismus" findet für die Belohnung, welche er von der Regierung für die Dienste beansprucht, die er der Reaktion am 25. Januar geleistet hat, und die er ihr, wie die Stichwahl- mogeleien der freisinnigen Wahlkomitees beweisen, auch weiter bei den Stichwahlen zu leisten gedenkt, bei den konservativen Parteien recht wenig Verständnis. TieKreuz-Ztg." spottet ... Der wieder sehr lebendig gewordene Liberalismus hofft darauf,daß die Regierung bereit ist, dem kräftigen Aufschwünge der liberalen Parteien auch in ihrer Politik Rechnung zu tragen". Die National-Zeitung" plaudert in dieser Hoffnung mit rührender Offenherzigkeit ihre Zukunftsträume aus und schreibt:Der Mehrung des Reiches durch kolonialen Besitz muß seine innere Erstarkung durch die Ausbildung der sozialpolitischen Gesetzgebung und die Befreiung der Schule von dem Zwange der Kirche entsprechen". Vermutlich glaubt das national liberale Blatt, diekonservativ-liberale Mehrheit" des Reichs tages werde sich in dieser Beziehung unter das wohlwollende Kommando der Linken stellen." Und noch schärfer verhöhnt dieKöln . VolkSztg." in einer Korrespondenz aus Berlin die vom Freisinn begehrte Bezahlung für geleistete Wahlhülfe: Nischt ze handeln?" Diese Worte konnte man früher auf Schritt und Tritt von den sogenanntenAnreißern" hören, wenn man über den alten Mühlendamm ging. Man wird an diese Biedermänner sofort erinnert, wenn man die Anmaßung der Liberalen sehen mutz, die ungestüm ein Riesenhonorar für die der Regierung geleistete Wahlhülfe fordern. Sie tun dabei so, als hätten sie alle übrigen Parteien in den Sand gestreckt, und verlangen zum Lohn nach Maßgabe des amerikanischen Grund- satzes:Dem Sieger die Beute" eine Beteiligung an der Re- gierung."_ Auf den Arbeiterfang will sich jetzt der Nürnberger Freisinn begeben. Obwohl der Block von der Sozialdemokratie mit 35 000 gegen 20 000 Stimmen aus dem Felde geschlagen wurde, hat man die Hoffnung noch nicht aufgegeben, die Arbeiter zu einem großen Teile für den Ordnungs- brei ködern zu können. Der Freisinn behauptet, daß unter den 35 000 sozialistischen Wählern sich viele befinden, die nur durch den sozialdemokratischenTerrorismus" gezwungen worden seien. noch einmal rot zu stimmen. Aus diesem Joch will sie jetzt der Freisinn erlösen. Für dieses sehr lohnende Geschäft hat er die Hirsche als ausführende Organe ausersehen. Sie sollen unter den Arbeitern der verschiedenen Betriebe eine Agitation entfalten und für den Freisinn den Zutreiber machen. Für ihren Schlepperdienst sollen die braven Hirsche auch belohnt werden: man will ihnen in der Stadtverwaltung und in der Armenpflege eine Vertretung einräumen, d. h. zwei oder drei Angehörige dieser Organisation, die in Nürnberg im Verhältnis zu den freien Gewerkschaften eine überaus klägliche Rolle spielt, sollen sich dazu hergeben, für die Scharfmacherklique im Nürnberger Rathause als Renommierarbeiter zu dienen. Man will sie als Sturmbock gegen die übergroße Mehrheit der Nürnberger Arbeiterschaft benützen, die man auch fürderhin von der Teilnahme an der Gemeindeverwaltung auszu- schließen beabsichtigt. Es besteht jedoch begründete Aussicht, daß diese schöne Rechnung ein großes Loch bekommt, und daß die sozialdemokratische Hochflut", vor der man sich in solcher Weise schützen möchte, bei den nächsten Gemeindewahlen die ganze Gesell schast hinwegschwemmen wird._ Vaterländische Rechtspflege. Der Weber Josef Rau in Augsburg verdiente trotz elf Stunden langer schwerer Arbeit pro Tag nur 1,50 M, pro Woche also S M.l Daß diese paar Pfennige nicht einmal zur Ernährung des abgerackerten Körpers ausreichen, wissen die Verherrlicher unseres teueren Vater- landes genau. Wenn die Sozialdemokratie ober eine Justiz als Klassenjustiz bezeichnet, die diesen armen Proletarier wegen Ent- Wendung von em paar alten Kleidungsstücken zu der hohen Strafe von 4>/z Monaten Gefängnis verurteilte, dann schreien diese ge- sättigten Patrioten: Nieder mit der Sozialdemokratie! Stimmenfang. Die Regierung setzt ihr Bemühen, durch allerlei Versprechungen Wähler für dennationalen" Block einzufangen, mit der bekannten Geschicklichkeit fori. Auf eine von derOffenbacher Zeitung" an den Reichskanzler Fürsten v. Bülow gerichtete Anfrage, ob von der Regierung mit Hülfe des neuen Reichstages eine Rückwärtsrevifion der sozialpolitischen Gesetzgebung geplant sei, ist derOffenbacher Zeitung" nachstehende Depesche zugegangen Die deutsche Sozialpolitik wird in den seitherigen bewährten Bahnen nachdrücklich fortgeführt werden. Die Behauptung, daß die Berufsvereinsvorlage unmittelbar oder mittelbar zu einer Be schränkung der nicht rechtsfähigen Berufsvereine dienen sollte, ist unzutreffend. Insbesondere wird nicht beabstchttgt. die Mitglieder der nicht rechtsfähigen Berufsvereine irgendwie von der Berwal- tung der sozialpolitischen Einrichtungen auszuschließen. gez. Reichskanzler Fürst Bülow . Ostmarkenfouds. In der heurigen Nachmittagsfitzung der Budgetkommisfion deS preußischen Abgeordnetenhauses wurde der Dispositionsfonds der Oberprästdenten zur Förderung und Befestigung deS Deutschtum« in den Provinzen Posen, Ost- und Westpreußen , im Regierungsbezirk Oppeln und in den nördlichen Teilen der Provinz Schleswig-Holstein in Höhe von 2* Millionen Mark gegen die Stimmen des Zentrums. der Freisinnigen und der Polen angenommen, ebenso der sogenannte O st m a r k e n f o n d S. der um 100 000 M. erhöht worden ist. Zum Ostmarkenfonds gab der Finanzminister die Er- klärung ab, daß dieser lediglich verwendet werde, um deutsche Be- amte in den gemischtsprachigen Provinzen zu erhalten und an sämt- liche mittleren Kanzlei- und Unterbeamten zur Austeilung gelange. 'ofern sie ihrenationalen" Pflichten erfüllen. !ur 23 Beamte erhielten zurzeit diese Zulage nicht und davon wieder nur drei wegen Nichterfüllung der.nationalen" Pflichten. Dienationale" Gesinnung ist danach in den Ostmarken für die preußischen Beamten eine recht rentable. Milttärjustiz. Ein gewöhnlicher Soldat wurde dieser Tage wegen einer im guten Glauben gemachten falschen Anschuldigung eine» Unter- offizterS vom Kriegsgericht in Augsburg zu vier Wochen strengen Arrest verurteilt. Nach ihm nahm ein Unteroffizier auf der Anklagebank, der Soldaten geprügelt hatte. Gegen den Unteroffizier erkannte das gleiche Gericht wegen fünf militärischer Vergehen und eines Verbrechens der Mßhandlung Untergebener auf zehn Tage mittleren Arrestl Die nächste Berufs- und BetriebSzählnug. In der heutigen Sitzung des Bundesrats fand der mündliche Bericht des 4. und 7. Ausschusses über den Entwurf eines Gesetzes betreffend die Vornahme einer Berufs- und Betriebszählung im Jahre 1907 Zustimmung. Kuslanck. Schweiz . Der Marokkovetter. Dem schweizerischen Bundesrat ist es gelungen, einen passenden Mann für die Stelle eines Generalinspektors der marokkanischen Polizei zu finden.(Der Posten wird mit 25 000 Frank im Jahre bezahlt, und außerdem fallen noch einige Nebeneinnahmen ab.) Ei» ehrlicher Minister. Teheran ,'t. Februar.(B. H. ) Der Konflikt zwischen der Regierung und der Nationalversammlung ist beigelegt, nachdem die Regierung sich der Forderung der Nationalversammlung unterworfen hat. Sämtliche Mmister mit Ausnahme des belgischen Ministers Raus wohnten der gestrigen Parlamentssitzung bei. Ein voll- ständiges Einvernehmen ist jedoch noch nickt erzielt worden, da das Parlament die Forderung erhebt, daß der Großvezier die Minister der Nationalversammlung vorstellen müsse. Mehrere Minister gaben die Erklärung ab, daß sie bereit seien. die Verantwortung für ihren Posten zu übernehmen; nur der Finauzminister erklärte, er sei nur ein Buchhalter, aber keineswegs ein Finanzminister. Man glaubt, daß die Regierung auch in dieser Beziehung nachgeben wird. Die Abgeordneten sind von dem Wunsche beseelt, das Reformwerk mit großer Energie in Angriff zu ___ wip«»'. x'/ff-. v-»/, ff...,--i Lerantw. Redakteur: Haus Weber, Berlin , �nieralcnttii'oecani» rtzlGlocke, Berlin , vruck u. Verlag: Vorwärts Buchbr.u.«trlag»«,lt«ll Paul SingerLeCo., Berlin LW. Hierzu 2 Beilagen«.Unterhaltungsblatt Unter den vielen Kandidaten ist die Wahl auf den Artillerie- obersten Armin Müller, Jnstrukwr der Artillerie, gefallen; der Gc- nannte ist, wie dieBaseler Nachrichten" zu melden wissen, ein Vetter des Bundespräsidenten._ Absinth-Berbot. Am Donnerstag ist der Bundeskanzlei in Bern ein Initiativ- antrag eingereicht worden,»ach dem die Fabrikation, die Einfuhr und der Ausschank von Absinth in der ganzen Schweiz verboten werden soll. Der Antrag trägt 1K8 341 Unterschriften statt der er- forderlichen 50 000! Die Bundesversammlung muß den Antrag binnen Jahres- frist behandeln und nachher dem Volke zur Annahme oder Ver- werfung vorlegen. Frankreich . Vom Zwischenfall Clemenceau- Briand, der sich am Witt- woch in der Kammer abspielte, wird ergänzend bezw. berichtigend noch folgendes gemeldet: Als Clemenceau in seiner Erwiderung auf Jaures ' Rede sagte: Wir befinden uns in vollständiger Verwirrung und Verfahren- heit," erhob sich Briand , verließ den Sitzungssaal und erklärte in den Wandelgängen der Kammer, daß ihm nach diesen Worten des Ministerpräsidenten nichts anderes übrig bleibe, als zurückzutreten. Mehrere Mitglieder des Kabinetts bemühten sich, Briand von seinem Vorhaben abzubringen. Clemenceau. der von der Aeußerung Briands unterrichtet worden war, erklärte auf der Tribüne der Kammer, daß er niemals die leiseste Absicht gehabt habe, dem Minister Briand etwas Unangenehmes zu sagen. Der Beistand Briands sei für das unternommene Werk durchaus unerläßlich. Wenn ihm in der Hitze seiner Stcgreifrede ein Wort entschlüpft sei. das Briand verletzen konnte, so drücke er ihm öffentlich sein leb- haftestes Bedauern aus und werde dies auch privatim im Namen der ganzen republikanischen Mehrheit tun.(Lebhafter Beifall.) Clemenceau verließ hierauf den Saal und kehrte nach einigen Augenblicken mit Briand zurück. Die französischen Blätter beschäftigen sich eingehend mit dem Zwischenfall. Die meisten erblicken in ihm ein Anzeichen dafür, daß die Einigkeit des Kabinetts etwas erschüttert sei. Jaures er- klärt in derHumanite": das Ministerium habe jedenfalls einen Riß erlitten, der vielleicht vernarben, vielleicht aber auch sich erweitern werde. Das Kabinett werde seine Aktionskraft erst dann wieder finden, wenn es seine Reformpolitik mit aller Entschieden- heit durchführe und insbesondere die Erklärung der Bischöfe mit dem endgültigen Gesetz beantworte. Amerika. Die Einführung einer progressiven Einkommensteuer wird durch einen soeben eingebrachten Gesetzentwurf für den Staat New Dork beabsichtigt. Danach sollen alle Jahreseinkommen unter 2000 M. steuerfrei bleiben, Einkommen von 200040 000 M. sollen 1 Proz., von 40000200 000 M. 2 Proz.. von 200 000400000 M. 10 Proz., von 400000800000 M. 15 Proz., und alle Einkommen über 800000 M sollen 20 Proz. Steuer zahlen. Die Sozialdemokratie hat längst nachgewiesen, daß bei ähn- licher Staffelung alle modernen Kulturländer ohne indirette Steuern und dergleichen die Volksinteressen besser verirrten könnten, als es unter dem Regime der allgemeinen Schuldenwirtschast heutzutage der Fall ist. Die Besitzenden haben sich stets gegen die Ein- führung auch nur halbwegs gerechter Einkommensteuern mit Händen und Füßen gesträubt. Wir werden in Amerika dasselbe alle Schauspiel erleben._ Gewcrkfchaftlicbee. (Siehe auch 1. Beilage)'. Die Haltung der Autodrsschkenbesitzrr gegenüber dem Friedensvorschlag der Fahrer ist eine durchaus ablehnende. In ihrer Versammlung gestern abend imHeidel- berger" kamen sie überein. die Schreiben der Fahrer überhaupt nicht zu beantworten! Sie behaupten, daß sie bereits 50 Wagen fahren lassen und bald in der Lage sein werden, auch die übrigen Wagen einzustellen. Sie erwarten eine baldige Niederlage der Fahrer._ Eingegangene DruchFchriften. Zur Trennung der Kirchen vom Staat. Von Prosessor P. Sabatier. 1,50 M. Dte hochheilige Vorhaut Ehrifti. Von A. B. Müller. 2,50 M. Verlag: ß. A. Schwetschke u. Sohn, Berlin W. 35. Praktische Fragen des modernen Thristentums. Fünf Borträge Broschiert 1,80 M. Verlag: Quelle u. Meyer, Leipzig . Letzte JVachnchten und Depefcben, Die Stichwahl in Bremen . Bremen , 1. Februar. (W. T. B.) In der heutigen Reichstags. stichwahl wurde Hormann(Frf. Vp.) mit 29 404 Stimmen gewählt, Schmalfeldt (Soz.) erhielt 27 690 Stimmen. In der Hauptwahl erhielt unser Genosse Schmalfeldt 27 362 Stimmen, der Kandidat der Freisinnigen Vereinigung 28006 Stimmen, der Kandidat de« Bundes der Landwirte 1142 Stimmen, zersplittert 13 Stimmen, so daß in der Stichwahl noch 566 Wähler mehr ihre Stimme abgaben als am Tage der Hauptwahl. Der Termin der ReichsratSwahle«. Wien , 1. Februar. (W. T. B.) DieNeue Freie Presse" meldet, daß für die allgemeinen Reichsratswahlen der 15. Mai al« Wahltag und für den Zusammentritt deS neuen ReichSratcs der 12. Juni festgesetzt sei. Schiffskatastrophe. London , 1. Februar. Nach einer Lloyddepesche aus Weymouth hat der heute auf der Reede von Portland eingetroffene Dampfer Bitschin", von Hamburg nach Havanna und Mexiko be- stimmt, gemeldet, daß er gestern abend um 7 Uhr 15 Seemeilen südöstlich von Beachy Head mit einem französischen Fischerfahrzeug aus Boulogne kollidiert habe, wobei das französische Fahrzeug ge- suuken und sieben Mann umgekommen seien. Ein Geretteter ist hier gelandet; der Dampfer hat seine Reise fortgesetzt. Russische Preßfreiheit. Moskau , l. Februar.(B. H. ) Die beiden OpPositionSblSttrrWjek" undRowi" mußten Stadthauptmanns ihr Erscheinen einstellen. hiesigen großen auf Befehl des