Nr. 28. 24. Jahrgang. . KnlM des.FmMs" Kerlim NslKsdlR Sonnabend, 2. Februar 1907. Nochmals der Hottentotten ichwindel. Statt auf unsere Ausführungen in der Donnerstagsnummer des »Vorwärts� irgendwie sachlich einzugehen, statt auf die von uns festgestellten Widersprüche und sonderbaren Lücken der Deimlingschen Darstellung über den Verlauf der Friedensverhandlungen nur mit einer Silbe einzugehen, begnügt sich das peinlich in die Enge gettiebene offiziöse Blatt damit, über angeblich»unwahre wie gehässige Angriffe des.Vorwärts" zu Heulmeiern und dann einen Brief der katholischen Mission in HeiragabieS abzudrucken. Damit glaubt die»Nordd. Allg. Ztg." ihren Hottentotten- schwinde! hinlänglich verteidigt zu haben! Dieser Msfionsbrief liefert nun aber gerade den Beweis, wie berechtigt unsere Kritik war. wie nnrrhürt der Reichstag von der Regierimg getäuscht worden ist l Wir geben hiermit den in einem etwas wunderlichen Kauder- välsch geschriebenen Brief wieder: Katholische Mission Unserer lieben Frau vom guten Rate. H e i r a g a b i e s, den 28. Dezember IVOiZ. Herr Major Sieberg. Verehrter Herr Majori Leider treffen unsere Neujahrswünsche etwa? spät ein; wir werden aber nicht zu spät sein, dieselben Gott für Ihr Wohl- ergehen darzubringen. Also, glückseliges, neues Jahr.— Hoffentlich hat sich Ihre Gesundheit unter dem Einfluß der heimatlichen Luft und besonders durch das Wiedersehen mit treuen Herzen wieder hergestellt! Ihre uns von Lüderitzbucht geschickte Karte hat uns viel Freude gemacht. Besten Dank dafür. Ohne lange Einleitung wollen wir Ihnen sagen, daß der Weihnachtsengel uns allen frohe Botschaft, d. h. die Botschaft des Friedens gebracht hat. Ja, nachdem Herr Pater M a l i n o w s k i wochenlang vergebens in den Kharecsbergen gesucht hatte, führte die göttlich« Vorsehung den Kapitän der Bondels in die Nähe von HeiragabieS und ermöglichte so die V e r- bindungen mit ihm. Schwer zu bewegen war der Kapitän, selbst nach H. zu kommen, endlich ging er doch darauf ein, er wohnt in dem kl. Häuschen, das in den Bäumen steht, wenn Herr Major sich des Platzes noch erinnert. Herr Pater Malinowski tat nun alles, um den Kapitän und die Bondels zu bewegen, vom Kriege abzu- stehen. Das Mißtrauen der Bondels war eine wahre chinesische Mauer, die zu erstürmen, die ganze Rede» und Uebcrzeugungs- kunft aufgeboten werden mußte, seitens des Herrn Paters. Vor allem mußte jede Uebereilung vermieden werden. Dann wollte der Kapitän nicht Frieden machen, ohne den Unterkapitän Josef Christian. Darin hat er dann sehr gut getan. Der hochw. Herr Pater Malinowski machte sich nun wieder auf den Weg, um Josef zu suchen, aber Josef ließ sich nicht finden. Von HeiragabieS ging's über Kalkfontein, Haib, Uhabis, RamanSdrift. Dann am Fluß entlang nach W i t t r i ch in u n d, wo er Morris und Johannes Links fand, die sich sehr erfreut zeigten über die Nachricht. Herr Pater hatte sich mit Proviant für L Tage verschen, nun gab er denselben an Johannes Links, damit er sich tbeeile, den Josef zu bringen. Da wartete er vergebens 4 Tage, nur von schwarzem Kaffee lebend, so daß der Hunger ihn zwang, nach R.'drift zurückzukehren. Unterdessen aber hatte die Kap-Polizci den Josef verhaftet, so daß derselbe nur eine mündliche Zustimmung zum Frieden schicken konnte, die schriftliche kam noch vor Frieden s'abschluß. Nur auf höhere Anweisung gönnte sich der Herr Pater einen Tag Ruhe in HeiragabieS, fuhr dann nach UkamaS, um mit Herrn Oberstleutnant v. Estorff zu unterhandeln, kam zurück und fuhr am 21. mit Kapitän und Großleuten zu den ent- scheidenden Verhandlungen. Schon am 21. kam ein Helio mit „veo Gratias", am 22. abends ein anderes„Friede gesichert" und am 23. abends kam die Friedensdeputation selbst zurück mit Herrn Hauptmann v. Hagen . Nach einem kurzen Worte des Herrn Paters ließ der Kapitän sein Leute mit Gewehr und Munition antreten und einer nach dem andern trat dann durch die vordere Türe in unser Zimmer und legte das Gewehr, 83 an der Zahl, auf unseren Tisch, an dem Sie auch einmal gespeist haben. Das war ein feierlicher unvergeßlicher Moment!— 1t) Uhr abends fuhr Herr Hauptmann v. Hagen ab und kam in den ersten Morgenstunden des Geburtstages des Herrn Oberst- leutnants nach Ukamas. Ein schönes Geburtstagsgeschenk, nicht wahr?— Der Brief läßt bis auf die letzte Woche der Verhandlungen alle Daten vermissen. Wir müssen ihn also mit der Deimlingschen Darstellung vergleichen, um die Daten hinzufügen zu können. Nach Deimling traf Kapitän Johanne« Christian, nachdem er bereits Anfang Oktober durch einen Boten um Frieden gebeten, am 24. Oktober in HeiragabieS ein, wo dann der FriedenSunterhändter Pater Malinowski die mündlichen Unterhandlungen begann. Johannes Christian erklärte nun, daß er den Frieden nur dann abschließen werde, wenn auch sein Bruder Josef Christian und Morris einwilligten. Um diese zu suchen, begab sich nun Pater Malinowski— nach Deimling am 15. November abermals auf die Reise. In Wittrichmund traf er Morris und einen anderen Führer der Bondelzwarts, Johannes Links, die sich über die Friedensunler- Handlungen„sehr erfreut zeigten". Josef Christian konnte er des- halb nicht antreffen, weil er inzwischen durch die Kappolizei verhaftet worden war! Immerhin war es dem Verhafteten möglich, dem Pater Malinowski die mündliche Zustimmung zum Frieden zu schicken; die schriftliche traf erst später, imnierhin noch vor dem formalen Friedensabschluß, ein. Nach Deimling aber war die Verbindung auch mit Josef Christians am S. Dezember her- e st e l l t I Und trotz alledem erfuhr am 13. Dezember der Reichstag nicht nur kein Wort von all den Friedensverhandlungen. sondern die Regierung ließ der Volksvertretung noch obendrein durch den Oberst O u a d e an diesem Tage erzählen, daß gerade jetzt nicht etwa nur die bisherigen 3t)t>, sondern sogar 5— üvv Hottentotten im Felde ständen! Und da wagt daS offiziöse Organ noch immer den alten Hotten- tottenschwindel aufrechtzuerhalten, die Regierung habe die deutsche Vollsvertretung am 13. Dezember nicht getäuscht! Freilich, zu einer Zeit, wo Kolouialsekretäre die tollhäuSlerischsten Aünchhausiaden erzählen, um die„Phantasie" des Philisters wohlig anzuregen, wo vom Hottentottenblock gelogen wird, daß sich die Balken biegen, kommt eS auf eine Lüge«ehr nicht an l Die rnsfische Revoltttion. Zur Wahlbeweguug. ES ist momentan äußerst schwierig, ein genaues Bild der Wahl- vewegung zu geben. Wir meldeten des öfteren, daß die Organe der Regierung sich gegenseitig überbieten, die Resultate der Vorwahlen falsch darzustellen. Erschwerend wirkt auch der komplizierte viel- stufige Wahlmodns, die Verschiedenartigkeit der Wahltcrmine sogar in den engeren Kreisen einer und derselben Provinz und endlich die begreifliche Zurückhaltung der Bauern, die Parteiangehörigkcit ihrer Kandidaten offen zu nennen. Die Vertrauensmännerwahlen in den Fabriken haben, wie zu erwarten war, die äußerste Linke zum Siege geführt: Peters- bürg, Moskau , Lodz , Wilnn, Charkow , Kiew , Kostroma , Samara, Nischni-Nowgorod , Ekaterinoslaw, Simferopol , Woroncsch, Romny, Elez— uberall siegten Sozialdemokraten und ihnen nahe- stehende Linke mit erdrückender Majorität. Ziemlich unerwartet kommen die außerordentlichen Erfolge bei den Kleingrundbeiitzern; war doch anzunehmen, daß die Senatserläuterungen eine reaktionäre, mindestens eine gemäßigte Majorität in vielen Orten zustande bringen würden. Ein a b ich li eß e n d e s Urteil über die Wahlen wäre allerdings noch verfrüht; hinzuweisen aber ist doch auf Fälle wie in Kostroma , wo die Äleingruudbesitzer ausschließlich Progrefsisten wählten, während sie im vorige n Jahre Konservative schickten. Bemerkenswert ist auch die Niederlage des Erdeputierten Jljin, eines überzeugten Monarchisten. auf den Wolostwahlcn im Gou- vernement Moskau und dergleichen mehr. Die Wahlabkoinmenftage in Petersburg . Trotzdem die Wahlen in Petersburg bereits vor der Tür stehen, ist die Frage der Wahlabkommen noch immer nicht gelöst; sie wird im Gegenteil immer verwickelter. Die K.-D. haben zwar ihren ent- schieden ablehnenden Standpunkt aufgegeben, aber sie wollen von den sechs Mandaten Petersburgs ganze vier für sich behalten und je eins der Arbeiterkurie und allen linken Parteien zusammen, das heißt der Sozialdemokratie, den Sozielrevolutionären, den Trudowiki und den Volkssozialisten abtretend ohne damit zu rechnen, daß es in der Praxis unmöglich ist, in einer Person so wider- streitende Standpunkte wie den proletarischen Klassenstandpunkt der Sozialdemokratie und den Agrarsozialismus der Sozialrevolutionäre nebst dem verschwommenen' ResormsozialiSmus der Volkssozialisten zu vereinigen. Gegen weitergehende Vorschläge, so z. B. den, der Arbeiterkurie und den beiden sozialistischen Hauptrichtungen je ein Mandat zu überlassen, sträuben sich die K.-D. aufS heftigste. Weshalb? Das verrät ganz deutlich die„Rjetsch", die nicht müde wird, zu be- haupten, die linken Parteien hätten die Auflösung der ersten Duma verschuldet und würden auch in der zweiten nicht anders als schädlich wirken. Erklärlich ist eS daher, daß die K.-D. bestrebt sind, die verhaßte Linke auf ein Minimum zu reduzieren, und daß sie nicht daran denken, wenigstens durch eine entsprechende Ver- teilung der Mandate die durch das elende Wahlgesetz und die niederträchtigen Scnatscrläuterungen bewirkte Entrechtung der Arbeiter zu kompensieren. Die„Rjetsch" erklärt offen, die K.-D. wollten die ihnen günstige Situation„voll und ganz ausnützen"! Dieser Haltung der K.-D. steht leider keine einheitliche, ge schlosscne Taktik der Sozialdemokratie gegenüber, vielmehr treten innerhalb der Petersburger Organifatton deutlich zwei entgegengesetzte Strömungen zutage, die auf der vor kurzem abgehaltenen Konferenz scharf aufeinander geprallt sind. Die Mehrheit der Konferenz, mit dem Petersburger Komitee an der Spitze, nahm eine sich der Auf- fassung der„Majorität" anschließende Resolution an, die jegliches Wahlabkommen mit den K.-D. unbedingt verwirft, ebenso auch mit den Volkssozialisten„angesichts ihrer unklaren Stellung zu den Grundfragen der Taktik außer der Duma." Nur mit den Sozial- revolutionären und den Trudowiki dürfen Wahlabkommen getroffen werden, jedoch unter der Bedingung, daß sie sich von jeglicher Ge- meinschaft mit den K.-D. und den Volkssozialisten lossagen. Die Minderheit der Konferenz aber, welche Wahlabkommen mit den K.-D. für zulässig und im gegebenen Falle sogar für rat- s a m hielt, hat den Beschluß der Konferenz als„nicht bindend" erklärt, und sie beabsichtigt nun, aus eigene Faust Verhandlungen über die Aufstellung gemeinsamer Kandidaten anzuknüpfen! Welcher der beiden Anschauungen man auch recht geben mag, jedenfalls ist diese neueste Spaltung eine im höchsten Grade be- klagenswette Erscheinung sowohl vom Standpuntte der Partei- disziplin als auch vom höheren Jnteressenstandpunkte der sozial- demokratischen Arbeiterbewegung in Petersburg überhaupt; diese Zersplitterung der Kräfte, dieser offene Kampf zweier entgegen« gesetzter Taktiken, dieser Mangel an einmütigem, geschlossenem Vor- gehen gerade in einem so bedeutungsvollen Augenblick, wie eS die jetzigeii Dnmawahlcn sind, müssen schädigend und hemmend auf die EntWickelung der Petersburger Arbeiterbewegung einwirken. Daß die Chancen der Sozialdemokratie bei den Wahlen in Petersburg durch diesen offenen Zwist ungünstig beeinflußt werden, ist ohne weiteres klar; aber auch daS gesamte Wahlergebnis kann durch die Zersplitterung der progressiven Stimmen auf zwei konkurrierende Listen Schaden erleiden, da die Reaktion in Petersburg — dank den Senats-. Erläuterungen" und anderen Wahlkuuststücken— diesmal in einer ganzen Anzahl von Bezirken mehr Aussichten hat, als dies bei den ersten Wahlen der Fall war. Die Hungersnot. Im russischen Ministerium deS Innern laufen von den Gouver- neuren derjenigen Distrikte, wo Hungersnot herrscht, zahlreiche nn- günstige Meldungen ein, wobei fast übereinstimmend konstatiert wird. daß die Sterblichkeit unter den Bauern in erschreckender Weise zunimmt.— Begnadigt. Petersburg, 1. Februar. (W. T. B.) Der Kaiser hat den früheren Militärgouverneur des Transbaikalgebiets, Generalleutnant Cholschtschewnikow. der vom Militärgericht in Tschita wegen seiner Beziehungen zu den Revolutionären während deS Generalstreiks im Jahre 1S0Z zu Festungshaft verurteilt war, begnadigt.— Die Leichen noch nicht geborgen. Reden, 1. Februar, mittags. Laut Mitteilung der Berg- inspektion sind die Leichen der neun noch Verschütteten bisher nicht geborgen. Von den neun im Neunkirchener Lazarett befindlichen Verletzten sind fünf entlassen worden, die anderen sind außer Gefahr. � � Hlllfsaktionen. Berlin . 1. Februar. Die Stadtverordnetenversammlung bewilligte für die Opfer von Reden 10000 Mark. Die kronprinzliche Familie spendete eintausend Mark. Breslau , 31. Januar. Die Stadtverordnetenversammlung bewilligte 5000 Mark für die Hinterbliebenen der durch die Kata- strophe auf der Grube Reden Betroffenen. Dresden , 31. Januar. Für die Hinterbliebenen der Ver- unglückten der Grube Reden im Saargebict bewilligte daS Stadt- verordneten-Kolleaium in seiner heutigen Sitzung 3000 Marl . Der Rat hatte nur 2000 Mark beantragt. Hus der partei* Di« schwedische sozialdemokratische Presse Finnland ». Die Organisation der schwedisch sprechenden Arbeiter Finnland » begann sich erst gegen Ende des vorigen Jahrhunderts zu entwickeln. Ebenso ihre Presse. Man hatte mit außerordentlich großen Schwierig- leiten zu kämpfen. Das einzige sozialdemokratische Organ in schwe- bischer Sprache,„Arbetaren" in HelsingforS , brachte es bis zu An- fang des Jahres 190b auf kaum mehr als 600 Abonnenten. Dami kam der große Aufschwung. Ende des JahreS 1906 war die Abon- nentenzahl auf über 2SOO grstiegen. Seit Neujahr erscheint„Arbe- taren" statt cimnal dreimal wöchentlich. Gleichzeitig wurde eine sozialdemokratische Monatsschrift gegründet, die unter dem Titel „Fotttribunen" ebenfalls in HelsingforS erscheint. In beiden Or- ganen wird großer Wert auf die prinzipielle Aufklärung gelegt. Die Monatsschrift hat unter anderem mit der Wiedergabe der Artikel Kautskyd über die Triebkräfte und Aussichten der russischen Revo- lution aus der„Neuen Zeit" begonnen, während„Arbetaren" eine Artikelserie deS dänischen Genossen Dr. Gustav Bang,»Der MarxiS- muS" betitelt, abdruckt, die übrigens schon in vielen sozialdemo- kratischen Blättem Skandinaviens erschienen ist. Soziales. Zur Beschäftigung von Lehrlingen in Fabriken. I Als der Gelverberat Knoll während der Mittagspause die Zink- aießerei von Kummer kontrollierte, fand er dort den Ibjährigen Lehrling N. am Schmelzkessel beschäftigt. Kummer selber war nicht anwesend. Gegen ihn wurde ein Strafverfahren wegen Uebertretung folgender Bestiinnrung des§ 136 der Gewerbeordnung eingeleitet: „Während der Pausen darf den jugendlichen Arbeitern eine Beschäftigung in dem Fabrikbetriebe überhaupt nicht und der Aufenthalt in den Arbeitsräumen nur dann gestattet werden, wenn in demjenigen Teil des Betriebes, in welchem jugend- liche Arbeiter beschäftigt sind, für die Zeit der Pausen völlig ein- gestellt werden oder ivenn der Aufenthalt im Freien nicht tunlich und andere geeignete Aufenthaltsräume ohne unverhältnismäßige Schwierigkeiten nicht beschafft werden können." Das Landgericht BerlinI sprach de n An geklagten frei und führte aus: ES sei al» festgestellt anzusehen, daß Angeklagter, der zur fraglichen Zeit auf dem BormundschaftSgericht zu tun hatte, dem Lehrling vorher verboten habe, sich während der Pause im Fabriksrauin aufzuhalten. Wenn der Lehrling. es dennoch tat und sich sogar beschäftigte, so habe sich Angeklagter nicht strafbar gemacht. Wenn er auch wegen der geringen Größe deS Betriebes keinen Werkmeister habe, fo hätte er doch keinen besonderen Vertreter für die Zeit seiner Abwesenheit bestellen und mit der Sorge für die Beachtung der gesetzlichen Bestimmungen be- trauen brauchen. Er hätte erwarten können, daß seinem ernstlichen Willen entsprochen werde, wenn er auf kurze Zeit den Rücken wende. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft hob das Kammergericht das Urteil auf und verwies die Sache an das Landgericht zurück. Die Begründung ging dahin: Das Landgericht habe die Pflichten verkannt, welche den Gewerbe- treibenden bezüglich der Arbeiterschutzbestimmungen obliegen. Konnte Angeklagter eme Zeitlang den Betrieb nicht überwachen und hatte er keine andere Aussichtsperson(Werkmeister) dort, so hätte er eben für jene Zeit einen besonderen Aufseher bestellen müssen, der darüber wachte, daß der Lehrling sich nicht während der Pause im Betriebe beschäftigte._ Bevölkerungszuwachs in europäischen Staaten. Einem Berichte deS französtichen Arbeitsministerium» zufolge vermehrte sich die Bevölkerung in den wichtigsten europäischen Staaten während der letzten 35 Jahre in folgendem Maßstabe: Ueberschuß der Geburten über die Sterbefälle auf je 10 000 Einwohner. Oester- Eng- Nieder- reich 67 82 79 Schlagwetter. In der Budgetkommission des Abgeordnetenhauses, die gestern den Etat der Berg-, Hütten- und Saline»Verwaltung beriet. gab der Minister eingehende Auskunft über das Grubenunglück im Suarrevier und die Ergebnisse der bisherigen Untersuchung. ES werde kaum möglich sein, die Ursachen deS Unglücks vollständig klarzulegen. In tat- sächlicher Beziehung sei nur festgestellt, daß einer der Wetter- männer, der drei Stunden vor der Schicht einfahren sollte, eine Stunde später eingefahren sei und die Meldung erstattet habe, daß alles in Ordnung sei. Es sei nicht aus- geschloffen, daß eine ungenügende Untersuchung und eine Falschmeldung in diesem Falle erfolgt sei. WaS die Bildung des Schlagwetters anlange, so seien die Wetterschachte vollständig in Ordnung gewesen. Es werde aber angenommen, daß sich in höher gelegenen, noch nicht erschloffenen Teilen Schlagwetter gebildet haben, die durch eigenen Druck in die Flötze hineingettieben find. Zur Linderung der Not habe der Kaiser aus seinem Dispositionsfonds den Bettag von 20 000 M. angewiesen, der für die erste Zeit vollständig den Bedürfnissen genüge. Die Festsetzung der Renten werde mit möglichster Beschleunigung bewirkt werden. Der Minister teilte schließlich noch mit, daß unter anderem auch von französischer Seite in Erwiderung der bei dem Bergunglück in CournöreS geleisteten Dienste Mittel zur Linderung der Not zur Verfügung gestellt worden sind. Die Darstellung des Minister» bestätigt zum Teil schon unsere gestrige Darstellung. Es scheint so, als ob der ganze Betrieb von der ZuVerläßlichkeit eines einzelnen Wettermannes abhängig war. Ist das ein Musterbetrieb? Die Angelegenheit wird jedenfalls noch Veranlassung zu Erörterungen im Reichstag geben. Perioden 1871—1875 1876-1880 1881—1385 1886— 1890 1891—1895 1896—1900 1901—1905 Demnach Deutsch' land 107 131 113 121 130 147 148 wird Frank reich 5 29 25 11 1 3 19 95 116 125 land 134 145 141 126 117 116 122 Deutschland in bezug lande 106 135 134 131 133 150 155 auf Schwe- den 124 120 119 124 108 108 108 Nor - wegen 127 151 140 138 135 146 144 die Bevölkerung?- und von Nor - zunähme mir noch von den Niederlanden übertroffen wegen beinahe erreicht. Weit hinter allen Ländern zurück steht Frankreich . Bereits im Durchschnitt der Jahre 1841—1870 betrug die Bevölkerungszunahme in Frankreich nur 31 auf je 10 000 Ein- wohner, während sie in Deutschland in diesem Zeitraum sich bereits auf 95 belief._ WaS Militärmusiker verdienen. Ueberaus bezeichnende Einblicke in die die Einnahmen der ZivilberufSmusiker schwer schädigende Militärmusikcrlonkurrenz gewährte eine StrafgcrichtSverhandlung, die sich am Mittwoch vor der vierten Strafkammer deS hiesigen Landgerichts II abspielte. Angeklagt war der frühere Hoboist der Kapelle des Kaiser Franz-Garde-Grenadier-RegimentS Adolf Küchlet. Der 86 jährige Angeklagte sollte durch eine an den Oberst von O u a st gerichtete Beschwerde den Stabs- hoboisten Adolf Beck er wissentlich falsch beschuldigt Soven. Angeklagter trat 1893 beim 11. Infanterie- legiment ein, kam im Februar 1895 zum Kaiser Frauz-Garde- Grenadier-Reaiment und wurde im Jahre 1902 zum Chorführer er- nannt. Als solcher war er stellvertretender Dirigent. Der Stabs- hobist Becker fungierte als Regimentskapellmeister. Am 31. August 1906 schied der Angeklagte aus dem Militärstande aus und ist jetzt Militäranwärter. Vor seinem Austritt sprach er wiederholt den Wunsch aus, man möge ihm Einsicht in das sogenannte Spielbuch gestatten, da er noch Ansprüche an den Kapellmeister aus früheren Konzerten zu haben glaubte, in denen er diesen vertreten hatte. Dies wurde ihm jedoch verweigert. Der Angeklagte wendete sich nun beschwerdeführend an den Regimentskommandeur. In der Beschwerde machte er von verschiedenen Unregelmäßigkeiten Mitteilung, die sich Becker habe zuschulden kommen lassen. Für die Milttärmusiker besteht ein besonderer Miadesttarif,
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