800 Millionen erreichen, werden ins Abenteuerliche an-wachsen. Der deutsche Michel, der die Hurra-Reichstagsmehrheitgeschaffen hat, wird sich mit dem Steuerzahlen abfinden müssen?-»Das Lob des Rcichsverbandeswird von der„P o st" in allen Tonarten gesungen. DieAgitation des Neichsverbandes habe sich glänzend be-währt. Während der Reichsverband für die Wahlen vondilK)8 sich nur vorgesetzt habe, den Sozialdemokraten 3(1 Sitzezu entreißen, seien ihnen nun sogar 3(i entrissen worden. Da-bei sei die Organisation des Reichsverbandes diesmal nochlange nicht so ausgebaut gewesen, wie es im Jahre 1908 derFall gewesen wäre, auch sei seine Kriegskasse noch nicht vollgefüllt gewesen.Daß der Sozialdemokratie diesmal nicht noch mehrSitze entrissen worden seien, liege daran, daß„Partei-politische Verbitterung in der Stichwahl eineEinigung zwischen Liberalen und Zentrum nicht habe zustände kommen lassen." Bei der nächsten Wahl werde eseine der nächsten Aufgaben des Reichsverbandes sein müssen,alles zu tun, um auch das Zentrum der im Zeichen des ReichsVerbandes geeinten Reaktion anzugliedern!Es ist in der Tat auch gar nicht ausgeschlossen, daß beider nächsten Wahl eine solche Zusammenschweißung der gesamten bürgerlichen Reaktion zustande kommt, daß dann auchdas Zentrum den Reichsverband vor seinen Agitationskarren spannt. Die Sozialdemokratie hat also damit zurechnen, daß sie das nächste Mal vollständig isoliert dastehtund in Haupt- wie Stichwahl ganz allein den Kampfgegen die koaliierte Bourgeoisie aufzunehmen hat. Es istnotwendig, auf diese Situation schon heute hinzuweisen.Das klassenbewußte Proletariat niuß sich der ungeheurenAgitation deß/ durch die Millionen der Scharfmacherverbände gespeisten reaktionären Blocks gegenüber zur äußersten Kräfteanspannung auch für dieZeit zwischen den Wahlen aufraffen! Ebenso rastlos wie das koaliierte Bürgertum während der nächstenfünf Jahre an der Köderung und Verdummung der Massenarbeitet, muß auch das klassenbewußte Proletariat unablässigund mit Aufbietung aller Mittel an der Anstlärung derbreitesten Wählermassen arbeiten!—Das Hamburger Parlament nach den Neuwahlen.Der Wahlrechtsumsturz hat eine Wirkung ausgeübt, an welchedie„liberalen" Fraktionen des Hamburger Landesparlaments, so-weit sie an der Volksentrechtung beteiligt sind, am allerwenigstengedacht haben. Zunächst traten 14 Mitglieder aus den altenFraktionen aus und bildeten die neue Fraktion der„VereinigtenLiberalen", weil sie Gegner der Klassenwahl sind, und bei den am1. Februar erfolgten halbschichtigen Neuwahlen erlitten die Wahlrechts raube r eine weitere Schwächung, so daß unter Hinzuzählungder am Freitag auf dem Hamburger Landgebiet erfolgten StichWahlen— dort wird nach dem alten Wahlgesetz, gewählt— diealten bürgerlichen Fraktionen 27 Sitze eingebüßt haben. UnsereFraktion zählt letzt 18 Köpfe gegen 13 vor den Neuwahlen.Obwohl den„Vereinigten Liberalen" das schmähliche Treibender Freisinnigen aller Schattierungen bei der Reichstagswahl nichtunbekannt geblieben sein dürfte, werfen deren Preßorgane unsererHamburger Parteileitung Persidie vor, weil sie für die Stichwahlenim Landgcbiet Wahlenthaltung proklamiert hat. Das tun dieselben Blätter, die durchaus nichts dagegen einzuwenden hatten,daß die entschieden" Liberalen eine Reihe erzrcaktionären Junkernvom Schlage des Januschauers zum Siege verholfcn haben. Undauch bei der Wahlkampagne zum Hainburger Landesparlamenthaben einige dieser„entschieden" Liberalen aus ihrem Haß gegendie Sozialdemokratie kein Hehl gemacht, indem sie erklärten, beieiner eventuellen�Stichwahl zwischen Wahlrechtsräubern und Sozialdeniokraten lieber fürden ersteren einzutreten. Itachdcm aber äinige derIhrigen in die Stichwahl mit Wahlrechts räuberm kamen, hieltensie die Stichivahlhülfe der Sozialdemokraten für selbstverständlich.Nun unsere Genossen sich anderer Meinung zu sein erlauben, redensie von„Persidie" uird„Inkonsequenz", räsonnieren über taktischeUnklugheit der Sozialdemokratie und dergleichen mehr. Bemerkenwollen wir noch, daß die„entschieden" Liberalen durchauskeine reinen Anhänger des allgemeinen, gleichen und direkten Wahl-rechts zum Hamburger Parlament sind, sondern für die Beibehaltung der Privilegiertemvahlen und für die„allmähliche Aus-gestaltung" des Wahlrechts in der allgemeinen Wählerklasse ein-tr.eten.—_Der Breslauer Handabhacker vor Gericht.Breslau, 8. Februar.Am Freitag stand hier Genosse Albert vor der Straf-kammer; er sollte durch eine Versammlungsrede die gesamteBreslauer Polizeimannschast beleidigt haben. Es ergab sich indes,daß er nur den Breslauer Handabhacker als„feigenHalunken" bezeichnet hatte. Die polizeilichen Belastungszeugenwaren allerdings anderer Ansicht, das Gericht überzeugte sich indes.daß die Berichte überwachender Gendarmen keinezuverlässigen Quellen sind und sprach Albert frei.Während der Verhandlung hatte Genosse Albert noch einenVersuch gemacht, den Handabhacker zu ermitteln. Er erklärte nämlich,der Mensch sei bald nach dem 19. April versetzt worden aus Breslau,weshalb der Breslauer Polizeipräsident gar kein Recht habe,für ihn Strafantrag zu stellen. Falls das Gericht es ihm nichtglaube, bitte er Herrn Dr. B i e n k o als Zeugen zu laden.Leider ging das Gericht auf diese interessante Frage nicht ein; esglaubte dem Angeklagten und die Oessentlichkeit muß sich nach wievor damit trösten, daß der traurige Held des 19. April„nicht zuermitteln" ist. Aber beim richtigen Namen darf man ihn nunnennen!_Zu den Wahlrechtswühlereienin Bayern schreibt die„Münch. Post":Als Helfer hat sich der reaktionäre Block den Grafen Maxi-milian B e r ch e m gekapert. Dieser frühere Untcrstaatssekretär,lgl. bayer. Kämmerer und Oberst a. D., eine der Regierung unddem Hofe sehr nahestehende Person ist es gewesen, die, wie schonveröffentlicht worden ist. ein Mitglied der Zentrumsleitung zumEintreten für die Blockkandidaten hat bestimmen wollen. Und zwarversuchte er das unter der ausdrücklichen Begründung, daß imReichstage eine Mehrheit für Abänderung desReich stagswahlrcchtes geschaffen werden müsse.Nun hatte allerdings Herr Graf Maximilian Sigismund Rudolfv. Berchem den merkwürdigen EdelmannSmut, diese Tatsache keckabzuleugnen. Aber wir stellen unter U ebernah in e dervollen Konsequenzen ausdrücklich fest, daß der Herr Grafmit' dieser kecken Ableugnnng eine selbst für ein Mitgliedder Edelsten und Besten der Nation bisher unerhörte Un-Wahrhaftigkeit sich leistet. Unsere Mitteilung istihrem ganzen Inhalte nach wahr und sie wird vorGericht öffentlich bewiesen werden, sobald der Herr Graf, wie erWohl nicht mehr umgehen kann, die nötige Schlußfolgerung ausunserer Charakteristik seines öffentlichen Auftretens zieht. Magdie bayerische Regierung, infolge eines freundlichen Rippenstoßesaus Berlin, auch ableugnen, daß sie dem Herrn Graf einen direktenAuftrag gegeben habe— dieses Dementi verflüchtigt angesichtsder unverrückbaren Tatsache, daß der Herr Graf Berchem dieMünchener Blockkandidaten sur die geeigneten Repräsentanteneiner wahlrechtsfeindlichen Mehrheit gehalten hat. Da» Zentrumhat diesen Werber für den Umsturz von oben heimgeschickt.—Die Arbeiter- und Beamtenfrcundlichkeit der Frankfurter Frei-sinndemokratie nach den Wahlen. In der letzten Sitzung des Stadt-verordnetenkollegiums in Frankfurt a. M. beantragte die sozialdemokratische Fraktion, zur Linderung des Notstandes der in Grube„Reden" verunglückten Bergleute 19 000 M a r k zu bewilligen. Eindemokratischer Antrag verlangte nur 0000 M. Der„demokratische"Wortführer wandte sich gegen den Antrag unserer Genossen mit derBegründung, die Hinterbliebenen und Verunglückten würden durchdie Unfall- und Jnvaliditätsversicherung ausreichend unter-stützt. Eine Notwendigkeit zur Unterstützung seidaher nicht vorhanden. Unser Antrag wurde gegen dieStimmen unserer Genossen abgelehnt.Der sozialdemokratische Antrag, allen städtischen Angestelltenund Arbeitern bis zu einem Gehalte von 3000 Mark eineTeuerungszulage zu gewähren, wurde ebenfalls verworfen. DerFinanzausschutz will in seiner Mehrheit nur allen Arbeitern biszu einem Tageslohnsatz von 4, SO Mark SO M. Zulage gewähren.Diesem traten auch die Freisinndemokraten bei, und der Antragunserer Genossen wurde gegen die Stimmen der ö Sozialdemo-kraten, eines Antisemiten und eines Mittclständlers abgelehnt.— Ebenso ging es dem sozialdemokratischen Antrag: allen armenKindern in sämtlichen Volksschulen warmes Frühstück zu ge-währen. Man beschloß dafür nach dem Antrag des Schulaus-schusses, dem Verein zur Beschaffung von warmem Frühstück fürarme Kinder 3000 M. aus städtischen Mitteln zu gewähren. Sosieht die Arbeiter- und Beamtenfürsorge der Freisinndemokratenin der Praxis aus!—_Fusangel revoltiert.Wie die„Westdeutsche Volkszeitung", das Hagener Blatt Fus-angels, berichtet, hat im Wahlkreise Arnsberg-OlpeMeschede eine von 60 Vertrauensmännern des Zentrums, soweites an Fusangel festhält, besuchte Versammlung stattgefunden. Eswurde beschlossen, einen Wahl Protest an den Reichstag ergehenzu lassen, der aussichtsvoll erscheint, da nach den bisher konstatiertenUnregelmäßigkeiten und Wahlbeeinflussungen schon mehr als3000 Beckerstimmen ungültig sind. Außerdem soll eine Beschwerdean die Zentrumsfraktion als höchste Parteiinstanz gegen das Provinzialwahlkomitee und dessen ungerechtfertigtes Eingreifen in dieinneren Verhältnisse des Wahlkreises eingereicht werden. Bezüglichder Organisation wurde zunächst für die drei Kreise ein Parteiausschuß von 10 Personen gewählt, von denen 4 für Arnsberg und je3 für Olpe und Meschede bestellt wurden.— Fusangel will demnach,trotz seiner Niederlage, das Feld nicht räumen.—Wie weiter gelogen wird.Genosse Bebel hat. wie er uns mitteilt, der„ElbingerZeitung" folgende Richtigstellung zugesandt:In der Nr. 33 Ihres Blattes veröffentlichen Sie eine privateZuschrift, wonach mein Freund Singer und ich und noch eine dritteIhrem Gewährsmann unbekannte Persönlichkeit am Abend desKaisergeburtstages in einem bekannten Weinrestaurant des BerlinerWestens gesessen und Champagner getrunken hätten.Die ganze Darstellung, an der kein Wort wahr ist, hat sich IhrGewährsmann aus den Fingern gesogen.ErgebenstA. Bebel.Der niederländische Handel und die niederländische KolonialpolitikIn unserem gestrigen Leitartikel:„Die Lehren der Reichs-tags wähl" bezifferten wir den holländischen Handel mitDeutschlandfür 1905 auf 1700 Mill. Gulden. Diese Ziffer ist der holländischenStattstik entnommen. Diese Summe(genau 170S,9 Millionen Gulden)umfaßt aber nicht nur den Warenaustausch der beiden Länder,sondern in Ein- und Ausfuhr auch den über Deutschland gehendenTransitverkehr mit anderen Ländern, der Schweiz, OesterreichUngarn usw. Nach der deutschen Handelsstatistik, die denHandelsverkehr der beiden Länder ausschließlich umfaßt,betrug der Gesamthandel der Niederlande mit Deutschland1905 70S,S Millionen Mark. Ebenso verhielt es sichmit dem Handelsverkehr der Niederlande mit Großbritannien(nicht wie es irrtümlich hieß: Frankreich) in Höhevon 673,6 Millionen Gulden und mit Belgien in Höhe von431,2 Millionen Gulden. Die Gesamtsumme de? niederländischenHandels betrug, wie eS in unserem Artikel hieß, 4577 MillionenGulden, wovon auf den Handel mit Holländisch-Ostindien nur dieSumme von 470,1 Millionen Gulden entfiel. Einer Einfuhrvon 2583,5 Millionen stand nur eine koloniale Einfuhr von399,6 Millionen Gulden gegenüber; von dem niederländischenExport in der Höhe von 1993,8 Millionen gingen gar nur70 Millionen Gulden nach den niederländischen Kolonien!-»Hudland.Schweiz.Die Züricher Polizei auf der Anklagebank.Zürich, 6. Februar.(Eig. Bcr.) Die Polizeiherrschast mit ihrerWillkür und Gewalttäsigkeit wird in Stadt und Kanton Zürichimmer ärger und unerträglicher. Der Große Stadtrat Zürichs undder Kantonsrat haben sich in ihren letzten Sitzungen loiedcr miteiner ganzen Mustersammlung polizeilicher Heldentaten beschäftigenmüssen. Den unmittelbaren Anstoß dazu gab der Ueberfall der Fraueines Eiseubahndirektors durch ein polizeiliches Massenaufgebot, weilsie durch perfides Weibergeklatsch verdächtigt worden war, eineAbtreibung begangen zu haben. Beim zweiten Ueberfall durch denBezirksanwalt Dickel»nd die Kriminalpolizei kam gleich der Bezirks-arzt mit, der die unschuldige Frau untersuchte und ihre Unschuldfeststellte I Die Frau erkrankte vor Aufregung, und ihr Mann be-mühte sich bisher vergebens, bei der Staatsauwaltschaft und Re-gierung Genugtuung für den seiner Frau angetanen Schimpf zu er-halten. Natürlich waren es Sozialdemokraten, vor allem unser kämpf-lustiger Genosse PfarrerPflüger, die den Skandal in beiden Parlamentenzur Sprache brachten und in ihrer Kritik zum Teil auch von bürger-licher Seite unterstützt wurden, während andere bürgerliche Rednerdie Polizei und ihre Taten in Schutz nahmen.Im Kantonsrat trat zu unserer Ueberraschung der Regierungs«Präsident Dr. Stößel mit aller Energie gegen die höchst verwerflichePraxis der Gemeinden— vor allem der Stadt Zürich auf: Leute,'elbst Kantons- und Schweizerbürger, auszuweisen und ihnen dasBetreten des Gemeindebodens zu verbieten. Durch eineganze Anzahl fast unglaublicher Einzelfälle illustrierte Dr. Stößelüese brutale Polizeiwillkür, die durchaus verfassungswidrig ist.Wörtlich bemerkte er dazu:„Wenn die Presse eS verbreitet, daß instirick solche Klagen gestellt werden und daß hier eine solche Justizesteht, dann wird man sich im Auslande darob entsetzen." DieSozialdemokraten begleiteten diese Worte mit lebhaftem Beifall.In welchen. Umfange die sinnlosen Ausweisungen betrieben werden,zeigen die 320 Fälle der Stadt Zürich allein.— Der Kantonsratbestellte schließlich eine neungliedrige Kommission zur Prüfung derAngelegenheit.Frankreich.Militaristische Barbarei.Paris, 7. Februar.(Eig. Ber.)Es wäre ungerecht, zu leugnen, daß sich die französische Armeeverwaltung jetzt recht viel Mühe gibt, Uebelstände, unter denen dieMannschaften zu leiden haben, abzustellen. Schon die Furcht vordem Antimilitarismus tut da das ihrige. Allerdings, im Offiziers-korps gibt es noch genug Leute, die sich in die neuen Anschauungennicht recht fügen können und im Kastendünkel und in landsknecht-mäßiger Brutalität stecken bleiben. Daher rühren dann so schwach-volle Vorkommnisse, wie deren eines aus Macon berichtet wird.Der Soldat Lauvergnier vom 134. Infanterieregimenthatte im vergangenen Oktober das Unglück, durch einen Holz-splitter um ein Auge zu kommen. Eine Kommission erklärte ihnam 12. Januar d. I. für dienstuntauglich, ohne ihm einen In-validcnsold oder auch nur eine zeitweilige Unterstützungzuzubilligen! Lauvergnier wurde aus dem Heere entlassen, aber daer aller Mittel bar ist und nicht weiß, wie er sein Leben fristensoll, weigerte er sich hartnäckig, die Kaserne zu verlassen. Er zogauch die Uniform nicht aus und schlief sogar in ihr. Am4. Februar erschienen auf Befehl des Obersten der HauptmannPetrusse und der Leutnant G c n d r e um 6 Uhr früh an seinemBette und befahlen ihm, einen vom Regiment gelieferten Zivilanzuganzulegen. Lauvergnier floh auf den Hos. Dort wurde er vonvier zu diesem edlen Dienst kommandierten Soldaten festgehaltenund in Aewesenheit seiner Kompagniekameraden entkleidet, in dieZivilkleider gesteckt und vors Tor geworfen! Die humanen Ossi-ziere hatten ihm allerdings ein Eisenbahnbillet nach Montceau-les-Mines, seiner Heimatgemeindc, und einen Betrag von— 2,65Frank in die Hosentasche stecken lassen.Diese Behandlung eines„im Dienste des Vaterlandes" zumKrüppel gewordenen Jünglings rief eine begreifliche Aufregunghervor. Genosse B o u v e r i hat eine Interpellation über diesenVorfall angekündigt. Der Kriegsministcr läßt bekanntgeben, daßer bereits eine Untersuchung eingeleitet und gleichzeitig in einemRundschreiben die Korpskommandanten aufgefordert habe, Pen»sionen bei Entlassungen in Zukunft mit weniger Engherzigkeit zu-zuerkennen.—»Spanien.Gegen die Brotverteuerung.In Madrid wurden einige von unseren Parteigenossen ein-berufene Protestversammlungen abgehalten, die sich mit der� fürMadrid geplanten Brotverteuerung durch die Erhöhung des städtischenOktrois wendeten. Die Erhöhung würde 6 Pf. pro Kilogrammbetragen, und da jede Arbeiterfamilie jeden Tag zirka l'/z Kilo-gramn, Brot verzehrt, so würde das für die Familie eine Belastungvon 9 Pf. pro Tag ausmachen. Die hunderttausend Arbeiterfamilienin Madrid würden auf diese Weise mit 4,/a Millionen Pesetas(3 645 000 M.) im Jahre mehr belastet werden, und das zu denübrigen sehr hohen Steuern. Hoffentlich werden die stürmischenStraßendemonstrationen, die im Laufe der letzten Tage in Madridstattgefunden haben, ihre Wirkung nicht verfehlen.Niederlande.Immer langsam voran.Die Vertreter der herrschenden Klassen in Niederland gehenäußerst vorsichtig und umständlich an die Aufgabe heran, dem Volkeendlich das allgemeine Wahlrecht zukommen zu lassen. Auch dieKommission, die im Oktober 1905 ernannt wurde, um zu unter-suchen, welche Verfassungsparagraphen noch außer denen, die vomWahlrecht zur zweiten Kammer handeln, revidiert werden müssen,hat sehr langsam und vorsichtig gearbeitet. Ihr Bericht, der erstjetzt erschienen ist, zeigt, daß man beileibe keine wirklich demo-kratische Verfassung haben will.— Zu den Aufgaben der Kom-Mission gehörte es. über die Zweckmäßigkeit, die Art der Zusammen-sctzung und die Rechte der ersten Kammer ihre Meinung zusagen. Die Kommission— ihr„freisinnig-demokratisches" MitgliedFokker nicht ausgeschlossen— hat nun erklärt, sie sei einstimmigder Ansicht, die Geschichte Niederlands seit 1848 beweise, daß dieerste Kammer ein nützlicher Bestandteil der Staatsregierung seiund daß sie auch in Zukunft einen heilsamen Einfluß auf die Gc-setzgebung und Verwaltung ausüben werde! Um diesen„heilsamen"Einfluß zu verstärken, schlägt die Kommissionsmehrheit vor. derersten Kammer das Recht zu geben, Amendements zu stellen zuden Vorlagen, die ihr überwiesen werden, mit Ausnahme derBudgetvorlagen und derjenigen Gesctzesvorlagen, die von Mit-gliedern der zweiten Kammer herrühren.— Um den Frauendie Wählbarkeit zu den parlamentarischen Körperschaften zu ver-schassen, schlägt die Kommission vor, daß die in der Verfassungenthaltenen Hindernisse für eine solche Reform beseitigt werden.Ueber das aktive Frauenwahlrecht Vorschläge zu machen, warnicht Aufgabe der Kommission; das hat sich die R e g i e r u n g vor-behalten.—Amerika.Die Kinderarbeit in den Bereinigten Staaten wurde kürzlich in:Senat einer scharfen Kritik unterzogen. Der Senator Beveridgevon Indiana legte ein Gesetz zum Schutze der Kinder vor undverlangte, daß Produkte der Kinderarbeit und der sogenanntenSchwitzbuden vom zwischenstaatlichen Handel ausgeschlossenwerden sollten. Interessant war in der zweistündigen Rededes Senators, daß er sich auf das Zeugnis des sozial-demokratischen Schriftstellers John Spargo bezog, der in seinen:Buche„Ths bitter cry of tbe Children"(„Bitterlich weinendeKinder") den Jammer und das Elend arbeitender Kinder an vielenerschütternden Beispielen aus dem Leben vorführt. Spargo erzähltu. a. von kleinen Mädchen, die täglich 12 Stunden lang in den Austern«Packereien im Staate Maryland arbeiten müssen; er beschreibt auch dieschrecklichen Wirkungen der Arbeiten in den Glasfabriken und sagt,daß die Glasarbeiter nur selten ihren eigenen Kindern erlauben, indiesen Fabriken tätig zu sein, weil sie wissen, daß dies ihr baldigesEnde bedeutet. Spargo zitiert einen Glasbläser in Glasboro imStaate New Jersey, der zu ihm sagte:„Ich möchte meinen Jungenlieber tot sehen als ihn hier arbeiten lassen."—Senator Beveridge sagte:„Der Zensus zeigt, daß zwei MillionenKinder unter 15 Jahre» erwerbstätig sind; davon sind 700 000außerhalb der Landwirtschaft in Arbeit. Gegen die Arbeiten aufder Farm wolle er sich nicht wenden(II), aber gegen dieKindersklaverei in Fabriken, Bergwerken und Schwitzbuden,und er ivisse, daß die im Zensus aufgeführten Zahlennoch zu gering seien! Die Wahrheit über die Kinderarbeit sehe nochviel schrecklicher aus.— Wenn diese Kinder in der Sklavereinicht sterben, sondern aufwachsen, dann müssen sie Feindeder Gesellschaft werden, und ich kann sie nicht schuldig sprechen."Ob die Rede viel praktischen Nutzen bringen wird, ist fraglich.Der Senat schmälert nicht gern die Rechte des Kapitalismus, undHerr Beveridge selber mag ja— das Kind nicht mit dem Badeausschütten, wie seine Aeußerung über die Farm arbeit derKinder beweist.________Letzte I�acbrichten und Depefcben,Schneestürme in Italien.Rom, 9. Februar.(B. H.) In Calabrien herrschen heftigeSchneestürme. Viele Schiffe sind gesunken. Der auf dem Festlandeangerichtete Schaden ist ebenfalls bedeutend. Biele Personen findumgekommen, mehr noch verletzt oder durch die Kälte erkrankt. Zuden Rettungs- und Aufräumungsarbeiten ist Militär herangezogenworden. In den Ortschaften stürzten die Häuser ein und begrübe»die Bewohner unter den Trümmern.,Dumawahlmänner.Petersburg, 9. Februar. W. T.-B. Nach den bisherigenFeststellungen sind bis zum heutigen Tage 3643 Wahlmännerziveiten Grades gewählt worden, davon sind 926 Monarchisten,601 Gemäßigte, 1379 der Linken angehärige, 294 Nationalisten,285 Parteilose und 167, deren Parteistellung unbekannt ist.MassenverhaftungenWarschau, 9. Februar.(B. H.) In der verflossenen Nachtwurden abermals mehrere hundert Arbeiter verhaftet und- zahlreicheHaussuchungen vorgenommen, die jedoch resultatlos verliefen.Perantw. Redakteur: Hans Weber, Berlin. Inseratenteil verant»,: Tt-Giicke, Berlin. Druck u. Verlag: Vorwärt« Buchdr.u.Berlagsanst«» Paul Singer Lc Co., Berlin L�VHierzu 5 Beilagen.