»dafür zu sorgen, daß der Brand nicht durch aufreizende Agitatoren unser geliebtes Vaterland ergreife" II Die Junkerpresse wieherte vor Genugtuung über den Schutz, den Breslauer Richter ihr angedeihen ließen. Die konservative. S ch I e- fische Zeitung" aber, die aus denunziatorischcr Absicht den Artikel LöbeS abgedruckt, also auch weiterverbreitet hatte, blieb bis zum heutigen Tage vom Staatsanwalt unbehelligt. Freilich, un> behelligt blieben auch alle die Parteiblätter, die LöbeS Artikel nach« gedruckt hatten. Einzig die Veröffentlichung in der„Vollswacht* wurde von den Breslauer Richtern als strafbar angesehen. Und die Wirkung dieses Urteils? Die.Volksmacht" gewann in wenigen Wochen 4000 neue Abonnenten und hat, seitdem eS gefällt, bis heute über 10000 neue Abonnenten gewonnen! Die Zahl der Mitglieder des sozialdemokratischen Vereins zu Breslau stieg in der- selben Zeit um über 4000! Ueber 2ö0l> neue Kämpfer eroberte die Partei bei den dann folgenden Stadtverordneten- und zirka 4000 bei den Reichstagswahlen. Die sämtlichen konfiszierten und später vom Staatsanwalt mit Terpentin und Kienruß schwarz gemachten Exemplare der.Volksmacht" wurden pro Stück mit 10 Pf. verkauft, und die Reproduktionen der geschwärzten Nummer finden noch heute reißenden Absatz, bilden also eine stete Einnahmequelle für die Partei. Heute nun öffnen sich endlich unserm schwergeprüften Genossen und Kollegen die Kerkertore und wie wir hören, kehrt er in un- geschwächter Kraft und Kampfeslust in unsere Reihen zurück. Die Wunde vernarbt— was aber dauernd bleibt, daS ist der unauslöschliche Haß und die glühende Erbitterung der Massen gegen das System, das sie ihm geschlagen. Ein begnadigter Preßsünder plötzlich auS dem Gefängnis entlassen. Am Sonnabend vormittag wurde Genosse Kühn, von der „M ecklenburger Volkszeitung" zu Rostock , dem be- lanntlich in dem aufsehenerregenden MajeftätSbeleidigungs- Prozeß der.Meckl. Volksztg." zwei Monate Gefängnis zudiktiert waren, nachdem das Reichsgericht ein freisprechendes Urteil der Strafkamnier aufgehoben und Anwendung des 6 o I u s eventualis empfohlen hatte, entlassen. Einen Monat hat Genosse Kühn abgebrummt. Am Sonnabend eröffnete ihm der Staatsanwalt, daß ihm der Rest.auf großharzogliche Verfügung" er- lassen sei. Zur Forderung der Einberufung einer Preßkonferenz schreibt die »Mecklenb. Volkszeitung" zu Rostock : „Man wird sich mit diesem Vorschlage einverstanden erklären können. Doch muß Bedingung sein, daß auf jener Konferenz keine stundenlangen Vorträge gehalten werden dürfen." DaS möchten wir allerdings auch wünschen. Die vrrnrr Sozialdemokraten veranstalteten am Sonntagnachmittag einen Demonstrationszug durch die Stadt und hielten eine Protest Versammlung gegen den Berweisungs- gesetzentwurf der Berner Regierung ab. Eine Rede drS Genossen JaurdS. Aus Paris wird vom 11. Februar gemeldet: I a u r ö S hielt gestern in St. Etienne in der Arbeitsbörse in Gegenwart von zirka 7000 Personen eine Rede. Er forderte darin das Proletariat aus, sich den geeinigten Sozialisten anzuschließen. Er bedauere keineswegs den Austritt Brrands aus der Partei, obgleich er sein Werk loben müsse. Schließlich forderte Jaurös auf. die Frage der Beteiligung der Sozialdemokratie an der Regierung auf später zu vertagen, bis das Proletariat seinen Sieg vervollständigt habe. poUreUicbeo, Gerichtiichce uftv. Eine Staatsaktion in Mannheim . Aus Mannheim wird vom 11. Februar gemeldet: In der Expedition der. B o l k s st i m m e" beschlagnahmte die Polizei gestern die Karnevalsnummer.Schnupftabak" wegen eines Artikels„Im Zeichen der Fürstenliebe". Der vcr- antwortliche Redakteur wurde verhaftet. bOO Exemplare wurden beschlagnahmt. In Mannheim weht seit einiger Zeit ein scharfer Wind gegen die Sozialdemokratte und insbesondere gegen die.Volksstimme", wie kurz vor dem 25. Januar die Haussuchung nach dem Original und dem Klischee der in der„Volksstimme" reproduzierten photographi- schen Aufnahme einer afrikanischen Hinrichlungsszene zeigte. Sie hat den Sieg der Mannheimer Sozialdemolratie im ersten Wahlgange nicht verhindern können. Möge die Beschlagnahme der„Fürsten- liebe" ebenso gute Resultate für unsere badische Partei haben. Hua Induftne und Handel. Deutsche Eisenindustrie. Längst ist der Hymnus auf die selbtätig regelnden Konkurrenz- kräfte der Wirtschaft verklungen. Die Verständigung der Unter- nehmer auf dem Markte ist zur herrschenden Norm geworden; zum markantesten Zug in der modernen Wirtschaft, hinter dessen Be- deutung selbst der technische Fortschritt, die Verbesserungen des Produktionsprozesses zurücktreten. Nur in solchen Industrien, welche die letzte Hand an das Produkt anlegen, um es fertigzustellen, und in jenen, welche es in den Konsum überführen, herrschen noch vorwiegend Konkurrenzerscheinungen. Sonst überall und in immer strafferer Form eint sich das Kapital, begräbt die Streitaxt der freien Konkurrenz und ergibt sich einer Harmonie der Profit- interessen, in welche nur als Zwischenaktsmusik zeitweilige Kon- kurrenzepisoden an den einstigen Zustand der Dinge gemahnen. Und selbst diese werden immer mehr unterdrückt. Wenn die innere Entwickelung der Industrie soweit gediehen ist, daß alte Formen der kapitalistischen Organisation nicht haltbar geworden, dann treten beizeiten andere, gewaltigere Kombinationen auf, schieben sich vor, bereit, in anderer Form, doch mit nämlichem In- halt, das Erbe anzutreten, mit möglichst unvermitteltem Ueber- gang, schließlich unter gänzlicher Vermeidung des Kampfes den monopolisierten Markt zu übernehmen. Wenn wir in diesen Tagen von einer an Größe alle deutschen Verhältnisse zurückdrängenden Vertrustung in der Montanindustrie vernahmen, so hörten wir nur die andere Seite jener Nachrichten, die von einem Zerbröckeln des großen Stahlwerksverbandes er- zählten. Hier wachsende Schwierigkeiten, vergrößerte Reibungs- flÄhen zwischen den Syndikatsmitgliedern und als Gegenstück dazu der Montanriese! Die Entwickelung in der Eisenindustrie hat diesmal die Ereignisse ordentlich zum Greifen aneinandergereiht und ihren Sinn enthüllt. In welchem Maße die inneren Gegensätze zwischen reinen und ge- mischten Werken gewachsen sind, ist aus den darüber beständig, trotz alle? geschäftlichen HochgangeS umlaufenden Gerüchten zu er- raten. Noch funktioniert der alte Verband unter den Fittigen einer üppigen Geschäftskonjunktur, erblüht ihm vielleicht auch noch das Heil einer kurzfristigen Verlängerung, aber schon melden sich hinter semem Rücken in einem gigantischen Koloß die Formen, die bereit sind, das Erbe der zerfallenden Organisation zu über- nehmen. Heute noch Frondeur im alten Verband, ist er morgen bereits Ursache ähnlicher Gebilde, ähnlicher Zusammenschlüsse auf gleich großer und größerer Grundlage. Jene Kinder der Krise, von denen es hieß, daß sie unter dem zwange des Preisdruckes der Konkurrenz entstehen, als«Fallschirme der Produktion" notwendig seien, sie find heute Hochkonjunktur- Produkte. Unter steigenden Preisen und Renten treten sie ins Leben mit viel weiteren Perspektiven, als man ihnen einst unter- stellte. In allen Formen seines Lebens bezeugt das Kapital heute seinen Drang nach einer ausschließlichen Machtpolitik auf dem Markte, zu dessen Beherrschung es durch den straffsten Zusammen- schlutz immer endgültiger gelangt. Alle Lebensäußerungen der Wirtschaft dcS heutigen Industriestaates ordnen sich diesem Zwecke ein. Zoll- und Handelspolitik dienen am Ende der Erleichterung der Kartell- und Trustbildungen, koloniale Ausbreitungsgebiete sollen zumindestens durch die Vermehrung der Kapitalskräfte diese Tendenzen stärken. Noch sind wir inmitten der unaufhörlichen Neubildungen und sehen in kurzer Zeit eine die andere an Umfang, an Kapitalskraft übertrumpfen. Unbekümmert um politisches Wechselspiel geht die kapitalistische Wirtschaft ihren Gang. Die großen Fragen der kapitalistischen Wirtschaftsordnung drängen durch die rastlose Konzentration, deren eine wir jetzt mit erlebten, der Lösung entgegen, die Montanindustrie wird zu aller- erst der privaten Ausnutzung entwachsen sein. Die Preispolitik und der Terror ddr Trusts und Syndikate werden zu allererst und deutlich ihre Unzuträglichkeiten für die Allgemeinheit und für den Produktionskörper klar machen. Diese grundlegendste Industrie der Gesamtheit dienstbar zu machen, wird das Jndustriemonopol des Privateigentums mit Sicherheit bewirken. Schon vor ein paar Jahren hat ein bürgerlicher Gelehrter das Resultat seiner Forschungen über die gemischten Betriebe in der Eisenindustrie so zusammengefaßt:„Für die Montanindustrie ist die Richtigkeit der KonzentrationSlehre von Karl Marx exakt nachgewiesen, jedenfalls in einem Lande, in dem sie, wie bei uns, durch Zölle und Fracht- tarife geschützt wird. Die Montanindustrie Deutschlands ist reif zur Expropriation." Mittlerweile hat die industrielle Konzentration weitere Fort- schritte gemacht. Geschöftsergcbnisse. Die Zellulosefabrik Feldmühle in Breslau schlägt iür 1906 bei etwas höheren Abschreibungen auf das er- höhte Aktienkapital eine Dividende von wieder 12 Proz. vor.— Die Charlottenburger Wasserwerke schütten eine Dividende von 47 i30-s-17) Proz. aus.— Der Aufsichtsrat der Bremer Wollkämmerei schlägt 14 Proz. fi. V. 12 Proz.) Dividende vor.— Die Vereinigten Berliner Mörtelwerke wollen für das mit, dem 31. Dezember abgelaufene Geschäftsjahr eine Dividende 11 Proz. lwie im Vorjahre) herausbringen.— Die Papierfabrik Sebnitz bringt 10 Proz. Dividende(gegen 7 Proz. i. V.) in Vorschlag.— Die Generalversammlung der Aktienspinnerei Aachen setzte die Dividende auf 10 Proz. lim Vorjahre 8 Proz.) fest.— Die Generalversammlung der Aktiengesellschaft Hermann S ch o e t t in Rheydt setzte die Dividende auf 9 Proz(im Vorjahre 6 Proz.) fest.— Der Aufsichtsrat der Wittener Glashütten- Aktiengesellschaft schlägt für 1906 die Verteilung einer Dividende von 7 Proz.(im Vorjahre 10) vor.— Die Hamburg - Südamerikalinie schlägt für 1906 wieder 10 Proz. Dividende vor.— Die Dampfschiffahrtsgesellschaft„Neptun" bringt für 1906 8 Proz. Dividende in Borschlag(gegen 6Vz Proz. im Borjahre).— Der Aufsichtsrat der C o n t i n est t a l C a o u t- chouc und Guttapercha-Compagniein Hannover beschloß, für 1906 40 Proz. Dividende(wie im Vorjahre) auf die alten und 20 Proz. aus die jungen Aktien vorzuschlagen.— Die Terrain- Gesellschaft Groß-Lichterfelde schüttet 23 Proz. Divi- dende aus, gegen 11 Proz. im Vorjahre. SewrKlcdaftUcKeq. Als neuer Scharfmacherverband ist der„Zentralverband deutscher Arbeitgeber in den Transport- und ähnlichen Gewerben". Sitz Berlin , gegründet worden. Er erstreckt sich nach§ 4 des Statuts„auf die Gewerbe der Personen- und Warenbeförderung, sowie diejenigen Betriebe, welche sich jener Beförderungsarten als Hülfstättgkeit bedienen. Doch können auch andere Unternehmungen, welche Rutscher, Packer, Hausdiener, Boten, Schaffner, Kontrolleure, Wächter oder ähnliches Personal beschäftigen, dem Verbände an- geschlossen werden". Als Zweck des Verbandes wird angegeben,(im be- sonderen) Streitigkeiten zwischen seinen Mitgliedern und deren Arbeitnehmern über die Lohn- und Arbeitsbedingungen in friedlicher Weise beizulegen und seinen Mitgliedern bei solchen Streitigkeiten Schutz und Unterstützung zu gewähren. Die armen, so friedlich gesinnten und bisher schutzlos preisgegebenen Unternehmer raffen sich auf zu einem Zusammen- schluß. Wird ihnen etwa der„Zentralverband der Handels- und Transportarbeiter" gefährlich? In der Generalversammlung werden die Stimmen nach der Höhe der Lohnbeträge gezählt. Unternehmer, die bis zu 20000 M. zahlen, haben eine Sttmme, bis zu 60000 M. zwei Stimmen, bis zu 200000 M. drei Stimmen, bis zu 600000 M. vier Stimmen, bis zu l 000 000 M. fünf Stimmen, für jede weitere Million drei Stimmen mehr. Die„Schiedstätigkeit des Verbandes" kann auch von Aus- schüssen, Vertretungen oder Oganisationen von Arbeitnehmern angerufen werden. Dazu tritt eine Schlichtungskommission in Kraft, die„auf das sorgfältigste und nachdrücklichste die Interessen der Verbandsmitglieder zu wahren" hat. Die Schlichtungsrommission verhandelt nach§ 30 des. Statuts mit Vertretungen der zu Organi- sationen verbundenen Arbeiterschaft, so- bald bei dem betreffenden Betriebe die Mehrheit der Ar- beiter einer Arbeiterorganisatton angebärt oder die Vertretung einer solchen Organisatton von der überwiegenden Zahl der Arbeiter des Betriebes als ihre Vertretung anerkannt wird. Das klingt ganz annehmbar, indem dadurch der leidige Streit, ob die Organisation der Arbeiter anerkannt wird, bei- gelegt erscheint. Nun soll aber der Beschluß dieser Schlichtungs- kommission, von der es heißt, daß sie aufs nachdrücklichste die Interessen der Arbeitgeber vertreten muß. für die Arbeiter durchaus verbindlich sein; im andern Falle werden sie auf eine schwarze Liste(nach§ 32) gesetzt. Es wird sogar mit einer Generalaussperrung(§ 35) gedroht. Der neue Unternchmerverband ist eine Mahnung an die Arbeiter, ihre eigene Organisation zu stärken. BcrUn und Umgegend« Der Kampf in der Holzindustrie. In der letzten Nummer der.Fachzeitung" der Tischlermeister ist zu lesen: „Der sonst so geschwätzige„Vorwärts", der z. B. eine lange. wutschnaubende Abhandlung an einen Artikel der„Voss. Ztg." wendet, iy welchem dieses Blatt eine objektive und nicht im Sinne des Holzarbeiterbandes gefärbte Betrachtung über den gegenwärtigen Lohnkampf gegeben hat, findet bislang kein Wort über das von uns veröffentlichte Schreiben des Stuttgarter Vorstandes des Holzarbeiterverbandes.— Das läßt in der Tat «ties blicken"!" So, so! Also es laßt tief blicken, daß wir es nicht für nötig halten, große Betrachtungen anzustellen über ein Vorstandszirkular, das uns und jedem Kenner der Gewerkschaftsbewegung als etwas ganz Selbstverständliches erscheint, wenn auch die„Fachzeiwng" darüber ein Wesen macht, als hätte sie Wunder was entdeckt. In- zwischen wird man ja wohl in der Redaktion der„Fachzeitung" bemerkt haben, daß wir auch auf ihre Veröffentlichung des Vor- standszirlulars eingegangen sind, welches, wenn man es un- befangen betrachtet, wirklich keinen Anlaß zu dem Jubelgeschrei bietet, das die„Fachzeitung" deswegen anstimmte. Die„Fach- zeitung" glaubte aus dem Zirkular schließen zu können, daß'>er Verbandsvorstand das Verhalten der Berliner Mitgliedschaft nicht billige, und nun muß die Fachzeitung" zu ihrem Leidwesen aus der„Holzarbeiter-Zeitung" sehen und auch die Tatsachen beweisen es, daß auf feiten der Arbeiter vollkommene Einigkeit herrscht in dem Bestreben, den Angriff der Unternehmer mit voller Kraft zurückzuweisen. � Nun noch ein Wort über die„wutschnaubende Abhandlung. die der„geschwätzige„Vorwärts" an einen Artikel der„Voss. Ztg." wandte".— Diese„wutschnaubende Abhandlung" war eine aller- dings scharfe, aber durchaus sachliche Widerlegung der unwahren Darstellung, welche die„Voss. Ztg." über den Kampf in der Holz- industrie brachte. Besonders scharf hatten wir der„Voss. Ztg." und ihrem Gewährsmann aus Unternehmerkreisen auf die Finder geklopft, indem wir die Behauptung, die Unternehmer hätten sich bereit erklärt, eine Lohnerhöhung von 5 Proz. und mehr den Ar- beitern zu bewilligen, diese hätten aber trotzdem den Kampf herbei- geführt, als eine grobe Lüge bezeichneten. Wir hatten die „Voss. Ztg." ausdrucklich aufgefordert, den Beweis für diese Be- hauptung zu erbringen. Sie kann aber den Vorwurf, in bezug auf einen großen wirtschaftlichen Kampf eine Lüge in die Welt gesetzt zu haben, nicht entkräften. Auch die sonst so ge— wir wollen nicht den„feinen Ton der „Fachzeitung" anwenden, sagen wir also: Auch die sonst so red- selige„Fachzeitung", die niemals Wut schnaubt, sondern stets von Sanftmut überfließt, ist nicht imstande, die zweifellos aus llsster- nehmerkreisen inspirierte„Voss. Ztg." herauszuhauen.— Das läßt in der Tat sehr tief blicken! Am Sonnabend Pflegen selbst unter nomalen Verhältnissen immer eine erheblich größere Zahl von Entlassungen vorgenommen zu werden wie an anderen Tagen. Auch während der Aussperrung war in den ersten Wochen der Sonnabend derjenige Tag, wo die Zahl der Ausgesperrten am stärksten in die Höhe ging. Am letzten Sonnabend dagegen sind— nach den am Montag eingegangenen Meldungen— nur 71 Entlassungen erfolgt. Es kann hiernach gar nicht mehr bezweifelt werden, daß der Kampf eine weitere Aus- dehnung nicht mehr nimmt. Die Tarifbewegung der Steinmetzen. Am Sonntag fand im „Englischen Garten " eine außergewöhnlich stark besuchte Mit- gliederversammlung der Filiale Berlin l des Steinarbeiter» Verbandes statt, um Stellung zu nehmen zu der Antwort der Innung auf die Anfang Dezember eingereichten Forderungen. Wie aus dem Bericht, den der Altgeselle B u ch m a n n gab, hervor- ging, hat die Innung wohl ein gewisses Entgegenkommen gezeigt, aber doch den größten Teil der Forderungen abgelehnt und dio übrigen nur teilweise bewilligt. Statt der geforderten 90 Pf. Stundenlohn bietet sie 85 Pf. und zwar nur für die über 20 Jahre alten Gehülfen; die jüngeren sollen sich mit dem jetzt geltenden Lohn von 30 Pf. begnügen. Statt, wie verlangt wurde, um 5 Uhr, soll um 5)4. Uhr Feierabend gemacht werden; die Arbeits- zeit auf den Bauten soll sich jedoch nach der der Maurer richten. Darüber hinaus hat die Jnnungsversammlung nichts bewilligt. Bei den Verhandlungen, die dann zwischen Jnnungsvorstand und Gesellenausschuß gepflogen wurden, konnte nichts herauskommen, da die Meistervertreter von vornherein erklärten, daß sie nicht er- mächtigt seien, weitere Zugeständnisse zu machen. Somit handele es sich hierbei nur um eine unverbindliche Besprechung. Die Be- zahlung des Fahrgeldes nach den Vororten wollten die Meister nur dann als begründet erachten, wenn der Weg nach dem Bauplatz wesentlich weiter ist, als der nach dem Werkplatz des Meisters, und die Regelung der Ortszulage für Arbeiten außerhalb wollten die Meister der freien Vereinbarung überlassen wissen. Mit einer sonderbaren Begründung lehnten sie die Forderung ab, den Ar- beitsnacAveis paritätisch zu machen; sie meinten, daß dies wegen der Verschiedenartigkeit der Arbeit im Steinmetzberuf nicht gut möglich sei. Als ob nicht in anderen Berufen, wo die Arbeit noch viel verschiedenartiger ist, paritätische Arbeitsnachweise beständen l Die Freigabe des 1. Mai. meinten die Meister, gehöre nicht in den Tarif. Auf die Ablehnung dieser Forderung legte die Mehrheit der Versammlung übrigens nicht viel Gewicht, da der 1. Mai sowieso gefeiert wird. Im übrigen beschloß die Versammlung nach einer gründlichen Diskussion, sich mit dem Stundenlohn von 85 Pf. unter der Bedingung zu begnügen, daß er als Einheitslohn auch für die jüngeren Gesellen durchgeführt wird und daß, falls die Maurer denselben Stundenlohn gewinnen, für die Steinmetzen die höhere Forderung Geltung erhält; ferner die Festsetzung des Feierabends auf 5M> Uhr anzunehmen; die anderen Forderungen jedoch aufrecht zu erhalten. Auf. dieser Grundlage sollen die Verhandlungen mit den Meistern fortgesetzt werden. Die Automobilführer versammelten sich zahlreich am Sonn- abendvormittag in den Arminhallen, um den Bericht von Rettig über den Stand der Aussperrung entgegenzunehmen. R e t t i g wies darauf hin, was in der letzten Versammlung der Unternehmer von Herrn Kandelhart gesagt worden war, daß es sich nämlich nicht mehr um die Lohnfrage in erster Linie handele, sonder» hauptsächlich um eine Machtfrage zwischen den beiden On» ganisationen. Der Kampf gegen die Organisation der Fahrer ist aber schwerer, als die Unternehmer sich träumen lassen. Das hat schon einmal die Firma B e d a g erfahren, die keine organi- sicrten Fahrer anstellen wollte und jeden, der nun eintrat, einen Revers unterzeichnen ließ, nach welchem er sich verpflichtet halten sollte, keiner Organisation anzugehören. Als aber am 23. Dezem» her v. I. auch die Firma Bedag die neue Lohnordnung einführen wollte, zeigte eS sich, daß trotz der erzwungenen Unterschrift Mann für Mann der Organisation angehorte. Mit einiger Ver- wunderung hörte die Versammlung, daß auch M i I ch- B o l l e den Automobilbesitzern zu Hülfe gekommen ist. Er steht an der Spitze des Zentralverbandes der Arbeitgeber im Trans- portgewerbe und versucht, den Automobilbesitzern Arbeits« willige zuzuführen. Ein ehemaliger Milchkutscher wollte sich für eine verfallene Kaution von 110 M. die Zinsen von Bolle holen. Dieser Kutscher war Automobilfahrer geworden und Bolle stellte das Ansinnen an ihn, daß er ein Vierteljahr in einem gesperrten Betriebe Stellung nehme. Wenn er sich dazu verpflichten würde, sollte er seine Zinsen erhalten. Herr Bolle iit als wütender Feind aller Organisationsbestrebungen seiner Kutscher schon mehrmals hervorgetreten und man kann seine Sympathien für gesperrte Betriebe verstehen. Die Unternehmer haben ihre neueingerichtete Fahrschule an- scheinend aus guten Gründen nach dem Charlottenburger Polizei» gebiet verlegt. Die Fahrer können dort den polizeilichen Fahrschein manchmal schon nach drei Tagen erhalten, während in Berlin 8 bis 10 Wochen darüber vergehen. Die Charlottenburger Ver- kehrspolizei wurde scharf kritisiert, weil sie einerseits sehr streng gegen dieStreikposten vorgeht, und andererseits sich s e h r nachsichtig gegen die Unternehmer erweist, ivorüber die Versammlung ihre Entrüstung unverhohlen kundgab.— In ihrer letzten Versammlung behaupteten die Autobesitzet, daß sie sogar schon 60 Wagen fahren lassen. Nach den Feststellungen der Fahrer sind nicht mehr wie 20 Wagen aus den gesperrten Be- trieben auf der Straße. Die Organisation ist nicht mützig und stets bestrebt, die Arbeitswilligen aufzuklären und für sich zu ge- Winnen und hat auch Erfolg damit. Ein Bedagführcr besprach unter großer Heiterkeit der Ver- sammelten die Erlebnisse des Oberingenieurs Vorreuter als Auto» droschkenführer, von diesem in der„B. Z. am Mittag" neulich ge- schildert. Wie eine Schwalbe keinen Sommer macht» so kann auck
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