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einem neuen Soziali st engesetz die Zügel schießen. Die Agrarier wünschenSozialpolitik" lediglich zur Knebelung der Ar- beiter. Schließlich bekundeten sie ihre Arbeiterfreundlichkeit durch Annahme dieser Resolution: A.Es ist anzustreben: 1. die Verschmelzung der drei Arbeiterversicherungsgesetze (Kranken-, Unfall- und Jndaliden-Versicherung), die Vereinheit- lichung und die Verbilligung ihrer Verwaltung sowie die Ver- einfachung des Streitverfahrens; 2. eine ausgiebige Erschließung der in der A. H. Botschaft vom 17. November 1881 indizierten indirekten Steuer­quellen in Verbindung mit geeigneten Re- pressivmaßregeln gegen die gemeingefähr- lichen Bestrebungen der Sozialdemokratie, ohne welche beiden Maßregeln die sozialpolitische Fürsorge, zumal in der Gestalt, welche sie heute angenommen hat, als dem Sinne der A. H. Botschaft vom 17. November 1881 widersprechend und den Zwecken und Zielen derselben zuwider- laufend angesehen werden mutz. [B. Da der bislang beschrittene Weg sich zum Teil als gangbar Nicht erwiesen, vielmehr der größte Teil der sozialpolitischen Fürsorgemaßnahmen die Begehrlichkeit unter der Arbeiterschaft hervorgerufen und eine unter solchen Umständen nicht zu recht- fertigende weitgehende Belastung vieler Kreise und Erwerbszweige herbeigeführt hat, werden die verbündeten Regierungen ersucht, weitergehende Maß- regeln solange zurückzustellen, bis a) die A. H. Botschaft von 1831 mit den dort angedeuteten und für unerläßlich erkannten Mitteln durchgeführt und h) der Erfolg dieser Durchführung in dem von der A. H. Botschaft erhofften Sinne abgewartet worden ist; dagegen von einer Arbeitslosenversicherung aber Ab- st and nehmen zu wolle n.s" Nach dem Wahlaussall braucht man sich nicht zu wundern, daß die Reaktionäre also ungeniert mit ihren Herzenswünschen heraus- rücken. Die Arbeiter haben hier in wünschenswertester Deutlichkeit das Programm ihrer Feinde vor sich. Zunächst sollen die Rechte der Arbeiter in den Krankenkassen zerbrochen, die Selbstverwaltung in der Krankenversicherung zerstört werden deshalb die Verschmelzung der drei Arbeiterversicherungs- gesetze. Dann sollen die Massen ausgiebig mit neuen indirekt.« n Steuern belastet werden, schließlich die Arbeiterbewegung durch ein Sozialistengesetz geknebelt werden, und ehe nicht diese herrlichen Ziele erreicht sind, darf kein Schritt in der Sozialpolitik getan werden. Erst wenn die Arbeiter- schaft entrechtet, geschröpft und geknebelt ist, wird ein bißchen, ein ganz kleines bißchen Sozialreform erlaubt oder auch nicht, eine Arbeitslosenversicherung darf auf keinen Fall darunter sein! Notleidende, denen auf Staats- und Bollskosten geholfen werden muß, gibt's nur ans Rittergütern I Die Arbeiterschaft wird diese offenen Bekenntnisse schöner reaktionärer Seelen zu nützen wissen I Nationalliberale Zickzackpolitik. Die Nationalliberalen haben im Abgeordneten- hause vier Anträge eingebracht, von denen zwei Ohrfeigen für die nationalliberale Politik der jüngsten Vergangenheit bedeuten. Die beiden ersten minder bedeutsamen fordern Gleichstellung der S e k r e t ä r e bei den Land- und Amtsgerichten sowie der Staatsanwaltschaft mit den Sekretären der allgemeinen Staatsverwaltung und allmähliche Erhöhung der Staatszuschüsse für die Handwerkerkammern. Der dritte aber ersucht die Regierung, .mit Rücksicht auf die Verteuerung des Personen- Verkehrs durch die Einführung der Reichsfahr- karten st euer und die dadurch hervorgerufene Verschiebung in der Benutzung der einzelnen Wagenklassen auf einen a n« gemessenen Ausgleich durch Ermäßigung der Eisenbahnpersonentarife Bedacht zu nehmen." Und ddr vierte stellt die Forderung, zur Beseitigung der Notlage der durch die allgemeine und andauernde Verteuerung des Lebensunterhaltes, zumal der. Lebensmittel, besonders schwer betroffenen Unterbeamten und der ihnen im Einkommen nahestehenden Beamtenklassen staatliche Mittel schleunigst bereit zu stellen." Die Nationalliberalen waren es, die die F a h r k a r t e n st e u e r in ihrer jetzigen Form und Höhe ausheckten, die die Verteuerung der Eisenbahnfahrt in erster Linie auf dem Gewissen haben jetzt kommen sie mit einem Antrag, die Eisenbahn-Personcn- tarife herabzusetzen mit einem Antrag im Dreiklassenhause. wo er völlig aussichtslos ist. da der Regierung in den Konservativen beider Fraktionen und in Teilen des Zentrums eine sichere Mehrheit gegen jede Verbilligung des Personenverkehrs sicher ist. Was die Rationalliberalen sehr wohl wissen! Und vor ihrem Fahrkartensteuer- imtrag im Reichstage wußten. Der zweite Antrag gibt die Lebensmittelteuerung, die die Nationalliberalen während des Wahlkampfes nach Möglichkeit ge- leugnet haben, zu. Für die Beamten wollen nun die National- liberalen einen Ausgleich herbeiführen ob fie'ö vermögen bei der reaktionären Mehrheit im preußisckien Parlament, ist noch eine Frage wie die nicht minder hart betroffenen Arbeiter und Kleinbürger bei der von den Nationalliberalen mitverschuldeten Teuerung fahren, das kümmert sie weiter nicht. Noch kurz vor der Auflöiung des Reichstages traten sie dort gegen jede einschneidende Maßregel zur Linderung der Fleischnot ein! So bewegt sich die nationalliberale Politik in kühnen Zickzack- limen. Und doch beseelt sie ein leitender Gedanke. Die National- liberalen wollen agrarisch-rsaktionäre Politik machen, vor Urteils- unfähigen Wählern sich aber als Vertreter volkstümlicher Maßregeln sprelzen können I Ein prügelnder Schuhmann. Der Schutzmann Sogebrecht kam zum Schützenfest 1905 in Weimar in Ausübung seines Berufes mit einem Schaubudenbesitzer in Streit. Bald entstand die schönste Holzerei. Der Schutzmann verdläute den Schaubudenbesitzer so gottsjämmerlich, daß er dafür im Juli des vergangenen Jahres von der Strafkammer in Weimar zu vier Monaten Gefängnis verurteilt wurde. Das Gericht ging damals von der Ansicht aus, daß das Publikum vor solchen Uebergriffen geschützt werden müsse. Der Schutzmann legte jedoch gegen das Urteil Revision ein. Jedoch das Reichsgericht verwarf dieselbe. Der Schutzmann waltete ruhig seines Amtes weiter. Jetzt ist er nun vom Großherzog von Sachsen-Weimar begnadigt worden, so daß er also die vier Monate nicht ab- zubrummen braucht. Ob damit die Achtung vor der Autorität des Staates und seiner Einrichtungen erhöht wird, ist eine andere Frage. Die verurteilte Hamburger Polizei., Während die Strafkammer I des Landgerichts Hamburg im Prozeß gegen die der Beleidigung der Polizei angeklagte bürger- liche Frauenrechtlerin Dr. Anita Augspurg die Matznahmen der Polizeibehörde und das Verhalten der Polizeiorgane am Abend des roten Mittwoch"(17. Januar 1906) als völlig korrekt und den Umständen nach für angemessen erklärte, mithin auch das Räumen" der Wirtschaft von Lunau in der Niedernstratze billigte, weil energisch hätte zugegriffen werden muffen, wofür man der Polizei Dank schulde", hat die Zivilkammer II in einem Kur- kostenprozetz gegen die Polizeibehörde einen wesentlich anderen Staudpuntt eingenommen: Eine Krankenkasse verlangte von der Polizeibehörde den Ersatz der Kurkosten für ein in der Lunauschen Wirtschaft widerrechtlich durch Polizeisäbel verletzte? Mitglied. Die Beklagte Uetz durch ihren Vertreter einwenden, datz die Verletzung nicht widerrechtlich, sondern in berechtigter Ausübung hes Dienstes, um den Widerstand der gegen die Polizeimannschaften andrän- genden Gäste zu brechen, erfolgt sei. Auf Grund der Aussagen einer, langen Reihe einwandfreier Zeugen gelangte das Gericht aber zu folgendem Urteil: Die Polizeibehörde wird verurteilt, an die Klägerin die ein- geklagte Summe von 10 M. für Kurkosten nebst 4 Proz. Zinsen zu zahlen und hat die Kosten des Verfahrens zu tragen." Diestaatsretterische" Tätigkeit unterschiedlicher Hamburger Polizeiorgane wird also nicht von allen Gerichtendankbar" an- erkannt. Kurz nach dem 17. Januar gerieten fast alle Personen in den Verdacht der Teilnahme an den Schopenstehlexzessen, die Verletzungen an dem Unglücksabend davongetragen haben. Des- halb ist es erklärlich, daß viele Verletzte über ihre schmerzliche Berührung mit den Polizeisäbeln sich ausschwiegen, geschweige denn wegen widerrechtlicher Verletzung Schadenersatzansprüche gegen die Polizeibehörde geltend machten. Schade!-- Scherl in Süddcutschland. Die ewig bankerotte München erAllgemeine Ztg.", die bisher von süddeutschen Adligen(Fürstenberg u. a.) und Scharf- nmchern ausgehalten wurde, ist von Scherl übernommen worden. Die Vertrustung der öffentlichen Meinung ist damit wieder einen Schritt weiter gediehen. Allerdings kann Scherl nichts mehr an der gänzlich bedeutungslos gewordenen»liberalen" Zeitung verderben, die schon lange eine Filiale preutzischen Junkertums und eine bestellte Bekämpferin jeder sozial und demokratisch gerichteten Politik ge- worden war. Rührend ist es, datz die Scharfmacher und Magnaten. die das Blattkontrollieren", obendrein versichern, daß ihnen ihr Einfluß auf die Haltung des Blattes gewahrt bleibt. Die Firma Scherl darf also für das vaterländische Unternehmertum vorläufig nur das Defizit zahlen. Hiistaiid. Schweiz . Bravo! Lausanne , 12. Februar. Das Bundesgericht behandelte in seiner heutigen Plenarsitzung eine Forderung Rußlands auf Auslieferung von drei nach Genf geflüchteten Georgiern, die beschuldigt loerden, an der Plünderung der Staatskasse von Duschet im Kaukasus teilgenommen zu haben. Der Berichterstatter, Bundes- richter Merz, stellte bei der Verhandlung fest, daß die Plünderimg der Staatskasse von Duschet von der Kampforganisation des Georgischen Bundes zu revolutionären Zwecken ins Werk gesetzt sei und es sich demnach um ein politisches Delikt handle, die Auslieferung sich daher nicht rechtfertigen lasse. Der aus Mitgliedern bestehende Gerichtshof schloß sich dem Stand- punkte des Berichterstatters einstimmig an und wies den Aus- lieferungsantrag ab! Die kleinen Länder Schweden kürzlich in der Tscherniak- Affäre, jetzt die Schweiz beschämen die großen Staaten, indem sie von Zeit zu Zeit wenigstens der Sprache des Kulturgewissens Gehör geben. Niederlande . Die Demission. Haag, 12. Februar. Bei Eröffnung der heutigen Sitzung der Zweiten Kammer erklärte der Ministerpräsident de Meester, daß in- folge Ablehnung des Kriegsbudgets durch die Erste Kammer die Minister sich veranlaßt gesehen haben, der Königin ihr Entlassungs- gesuch zu unterbreiten. Die Sitzung der Kammer wird hierauf auf Antrag des Ministeriums auf unbestimmte Zeit vertagt. Montenegro. Die Todesstrafe abzuschaffen(außer bei Fällen von Hochverrat) bezweckte eine Vorlage, die der Skupschtina am 8. d. M. auf Ver- anlassung des Fürsten unterbreitet wurde. Die Skupschtina nahm die Vorlage an! InKulturstaaten" wie Deutschland darf der Henker noch immer seines lieblichen Amtes walten. Persien. Der neue Herr. Teheran , 11. Februar. (Meldung des Reuterschcn Bureaus.) Der Schah ließ heute abend dem Parlament eine Kundgebung zugehen, in welcher er dieErfüllung aller Wünsche des Volkes" zusagt und auch ausdrücklich gestattet, daß die Regierung des Landes als eine konstitutionelle bezeichnet wird. Die Liundgebung des Schahs wurde nach TaebriS telegraphiert, wo eine Volksmenge das Arsenal besetzt und die Bureaus der Verwaltung geschlossen hatte. Gegenwärtig ist die Ruhe dort vollständig wiederhergestellt. Es ist sehr gütig vom neuen Schah, datz erseinem" Volke gestattet, die Regierung alskonstitutionell" zu bezeichnen. Aber das will nicht viel besagen; nennt sich doch z. B. die deutsche Regierungsform, ja sogar die russische auchkonstitutlonell". Aus der ganzen Fassung der Reuter-Depesche geht deutlich hervor, datz dem guten Schah die Angst um seinen Thron, die Furcht vor den gemeldeten Kundgebungen so freundliche Worte diktiert hat. Nach Tische lesen's die Fürsten gewöhnlich anders. Hoffentlich läßt das Perservolk sich nicht ewig durch billige Redensarten beschwatzen. sondern fordert endlich sein Recht. Soziales. Unzulässige Lohnbcschlaziiahmc. Das Lohnbeschlagnahmegesetz und die Lohnbeschlagnahme- Verbote finden keine Anwendung,insoweit der Gesamt- betrag der Vergütung die Summe von 1500 Mark für das Jahr übersteigt".(§ 4 Ziffer 4.) In der Praxis wird seit einigen Jahren entgegen dem Gesetz diese Vor- schrift häufig so angewendet, als ob im Gesetz stände:»insoweit der Monatsbetrag 125 Mark" oder»insoweit der Tagesbetrag 3,11 M." übersteigt. Dieser nach dem Wortlaut und der Eni- stehungsgeschichte des§ 4 9kr._ 4 des LohnbeschlagnahmegesetzcS unzulässigen erheblichen Beschränkung des Beschlagnahmeverbots ist daS Effener Arbeitersekretariat durch Beschwerde gegen einem amtsgerichtlichen Beschlutz entgegengetreten, der die Pfändung deS monatlich 125 Mark übersteigenden Betrages anordnet. Das Landgericht hat darauf dürch folgenden, jetzt veröffentlichten Beschluß diese Beschlagnahme für unzulässig erklärt, zugleich aber einen AuS- weg eingeschlagen, dem gleichfalls die gesetzliche Unterlage fehlt. Der landgerichtliche über die Sach- und Rechtslage orientierende Beschluß ans dem Jahre 1905, dem ein gleichlautender unter dem 28. März 1906 gefolgt ist, lautet: Der angefochtene Beschluß und der Pfändungs- und Ueberweisungsbeschlutz vom 3. April 1905 werden auf- gehoben. Es wird nachstehender Pfändungs- und Ueber- weisungsbeschluß erlassen: Wegen des Anspruchs des Gläubigers aus dem vollstreckbaren Urteile des Königlichen Amtsgerichts in Borbeck vom 10. Dezember 1904 im Betrage von 24,40 Mark, wegen 36,72 Marl Kosten und Auslagen solvie wegen der Kosten für den erstinstanzlichen Be- schluß wird die angebliche Lohnforderung des Schuldners an die Verwaltung der ZecheHagenbeck " in Essen-West auf Höhe der vorgenannten Beträge insoweit gepfändet und dem Gläubiger zur Einziehung überwiesen, als die Lohnforderung den Betrag von 1500 M. jährlich übersteigt. Der Schuldner hat sich jeder Ver- fügung über die Forderung, soweit sie gepfändet ist, zu enthalten. Die Drittschuldnerin darf an den Schuldner allmonatlich nicht mehr als 126 M. auszahlen und hat einen etwaigen Ueberschuß bis zum Schlüsse des Kalenderjahres zurückzuhalten. Sofern sich alsdann ergibt, daß der Jahres- verdienst des Schuldners 1500 M. übersteigt, ist der überschießende Betrag von der Summe der zurückbehaltenen Beträge an den Gläubiger auszuzahlen. Eine Gebühr für die Beschwerde kommt nicht in Ansatz; die baren Auslagen hat der Gläubiger zu tragen. Von Rechts Wegen. Gründe: Da» Amtsgericht als Vollstreckungsgericht hat wegen der 'Forderung des Gläubigers nebst Kosten und Auslagen die Lobn- sorderung des Schuldners insoweit gepfändet, als sie 126 Mark monatlich übersteigt. Eine hiergegen vom Schuldner angebrachte Erinnerung aus § 766 Z. P. O., mit der er Aufhebung des Pfändungs- und Ueberweisungsbeschlusses begehrte, weil sein Jahreseinkommen weniger als 1600 Mark betrage und daher nicht gepfändet werden könne, ist durch Beschluß des Amtsgerichts vom 3. November 1906 zurückgewiesen worden, lveil der erlassene Beschluß den gesetzlichen Bestimmungen entspreche. Das Amtsgericht führt aus: Bei schwankenden Einnahmen habe eine Berechnung des wirklichen Jahresverdienstes statt- zufinden, Und es sei an jedem Zahlungstermin soviel zu pfänden, als die Quote des Ueberschusses über 1500 Mark betrage. Erweise sich der endgültige Jahresverdienst als geringer, so könne der Schuldner allerdings das zurückfordern, was unter Außeracht- lassung dieses UmstandeS ihm abgepfändet sei. Ob solches aber der Fall sei, könne jetzt noch nicht ermittelt werden. Gegen diesen Beschlriß hat der Schuldner sofortige Beschwerde eingelegt mit dem Antrage: den Beschluß aufzuheben und den Pfändungs- und Ueberweisungsbeschluß vom 8. April 1905 außer Kraft zu setzen." Der Schuldner ist der Meinung, daß der vom Amtsgericht erlassene Pfändungs- und Ueberweisungsbeschluß den Bestimmungen des Lohnbeschlagnahmegesetzes widerspreche. Die sofortige Beschwerde ist nach K 793 der Zivilprozeßordnung an sich statthaft und in rechter Form und Frist eingelegt. Sie mußte zu einer Aushebung der beiden Beschlüsse der Vorinstanz und zum Erlasse eine« anderweitigen Pfändungs- und Ueber- weisungsbeschluffes führen. Nach K 4 Ziffer 4 des Lohnbeschlagnahmegesetzes ist eine Lohn- sorderung nur insoweit pfändbar, als ihr Gesamtbetrag die Summe von 1600 M. jährlich übersteigt. Hieraus ergibt sich schon, daß die Pfändung nur auf den 1600 M. jährlich übersteigenden Betrag erfolgen und der Tenor des Psändungsbeschlusses nur dahin abgestellt werden darf. Ganz besonders trifft dies aber dann zu, wenn es sich um in ihrer Höhe noch schwankende Einnahmen handelt, die also in einigen Monaten mehr als ein Zwölftel von 1500 M., in anderen Monaten weniger betragen. Die Schwierigkeit liegt im letzterwähnten Falle darin, in welcher Weise und Höhe an den einzelnen Zahlungsterminen die Beschlagnahme erfolgen soll. Gaupp-Stein<Z.-P.-O. Band 2 Anw. 3 Ziffer 1 zu§ 860 S. 363), dem sich der Vorderrichter anschließt, will bei schwankenden Einnahmen eine Berechnung des wirklichen Verdienstes für das ganze Kalenderjahr stattfinden und an jedem Zahltuugstermine so viel pfänden lassen, als die Quote des Ueberschusses über 1500 M. beträgt. Diese Pfändmigsweise räumt aber die bei schwankenden Ein- nahmen durchweg und im vorliegenden Falle insbesondere vor- liegende Schwierigkeit nicht aus, die darin besteht, daß im voraus »och völlig unbestimmt ist, ob der Schuldner überhaupt ein Jahresverdienst von 1600 M. oder darüber haben wird. Es ist durchaus unmöglich, eine Berechnung eines Jahresvcrdienstes im voraus anzustellen,« der infolge von Krankheit, Ausständen oder sonstigen Ursachen seiner Höhe nach völlig unsicher ist. Ins- besondere kann nicht so Verfahren werden, daß der monatlich 126 M. übersteigende Betrag gepfändet wird. Der Vorderrichter gibt selbst die Möglichkeit zu, daß hierbei der Schuldner in die Lage kommen könne, etwas zurückfordern zu müssen, tpeil sich am Schluß des Jahres ergebe, daß ihm zuviel abgepfändet sei. Diese Möglichkeit einer Zuvielpfändung, also einer ungesetzlichen Pfän- dung muß unter allen Umständen vermieden werden. Der einzige Ausweg bietet sich dadurch, daß der 126 M. monatlich übersteigende Betrag von dem Drittschuldner bis zum Schlusie des Kalenderjahres zurückbehalten wird, daß a l s d a n n der Jahresverdienst ermittelt wird, was ohne weiteres möglich ist, und daß ein etwa vorhandener Ueberschuß an den Gläubiger aus- gezahlt wird. Diesen Ausweg hat das O b e r l a n d e s g e r i ch t Stettin(Rechtspr. der O.-L.-G. Bands S. 418) gewiesen. Das Beschwerdegericht hält ihn für den allein den gesetzlichen Bestim- mungeu und den Interessen aller Beteiligten entsprechenden und hat ihn daher nach längerem Schwanken in der vorliegenden Frage sich zu eigen gemacht. Daher rechtfertigt sich die auf di» Beschwerde getroffene Ent­scheidung.' Wegen der Kosten ist nach§ 45 des deutschen Gerichtskosten« gesetzes und§ 91 Z.-P.-O. entschieden worden." Es ist bedauerlich, daß nicht auch gegen diesen Beschluß Be« schwerde erhoben ist. Denn er ist, wenngleich günstiger als der an- gegriffene Beschluß, doch ebenfalls insoiveit ungesetzlich, als er die Einbehaltung des 125 M. übersteigenden Monatsbetrages anordnet, Nach dem klaren Wortlaut des§ 4 Nr. 4 deS Lohnbeschlagnahme­gesetzes ist eine Beschlagnahme u»statthaft, wenn ein jähr- l i ch e r Gesamtbetrag nach dem Vertrage nicht zu fordern oder nicht tatsächlich verdient ist. Das zeigt»och deutlicher als dieser die Entstehlingsgeschichte deS Lohubeschlaguahmegesetzes, auf die wir bei der großen Wichtigkeit des Lohnbeschlagnahmeverbots für die Arbeiterklaffc und gegenüber der seit einigen Jahren grassierenden häufigen falschen Auslegung dieser Vorschrift ausführlicher eingehen: Der in der Reichstagssession 1869 dem Reichstag vorgelegte Gesetzentwurf wollte die Beschlagnahme nur soweit beschränkt wissen, als der Lohn nicht zum notwendigen Unterhalt des Schnldners selbst und der von ihm nach gesetzlicher Vorschrift zu alimentierenden Familienmitglieder erforderlich sei; billiges richterliches Ermessen sollte im Einzelfall die Höhe der Notdurft festsetzen. Dieser Borschlag fand die Billigung der Kommission und des Reichstags nicht. Manwollte zukünftigen Lohn von der Beschlagnahme gänzlich aus­schließen. Nur eine Ausnahme machte dieKommission(und nachher das Plenum): es sollten der Gehalt und die Dienstbezüge der im Privat- dienst dauernd angestellten Personen, solveit der Gesamtbettag 1200 M. (beziehentlich nach der Zivilprozeßnovelle vom 30. Januar 187? 1500 M.) jährlich übersteigt, der Beschlagnahme unterliegen. Ein dauerndes Dienstverhältnis in diesem Sinne sollte jedoch nur an- genommen werden, wenn es mindestens auf ein Jahr bestimmt oder bei unbestimmter Dauer eine mindestens dreimonatige Kündigungs- frist hätte. Nr. 4 des§ 4 des Lohubeschlaguahmegesetzes lautete: 4. Auf den Gehalt und die Dienstbezilae der in, Privatdienst dauernd angestellten Personen, solveit der Gesamtbetrag die Siminie von 1500 M. jährlich übersteigt. Als dauernd in diesem Sinne gilt das Dienstverhältnis, wenn dasselbe gesetzlich, Vertrags- oder gewohnheitsmäßig mindestens auf ein Jahr bestimmt oder bei unbestimmter Dauer für die Auflösung eine Kündigungs- frist von mindestens drei Monaten einzuhalten ist. Diese Fassung ließ klar erkennen, daß der Lohn in der Regel über- Haupt nicht und der Lohn von dauernd Angestellten nur in dem 1500 M. übersteigenden Betrage der Beschlagnahme unterliegen sollte. Die Handhabung der Praxis entsprach auch dieser Auffassung. Die Fassung des Gesetzes führte häufig dazu, die Vorschrift zu umgehen: es wurde bei tatsächlich jahrelang dauernden Dienstvertrggen mit hohen Bezügen eine kürzere Kündigungsfrist und eine kürzere Vertragsdauer stipuliert, o daß auch gegen 1500 M. bei weiten, übersteigenden Lohnbeträgen eine Pfändung oft unmöglich war. Um diesem nicht gewollten Mißstand entgegenzutreten und da das Bürgerliche Gesetz- buch eine dauernde Anstellung in dem Sinne der früheren Nr. 4 des 4 des Lohnbeschlagnahmegesetzes nicht kennt, wurde durch die Zivil- :ozeßnovelle vom17.Mai 1898(zu§ 749Z.-P.°O.)und durch denArt.IU .es EinsührungSgesetzes zur Zivilprozeßordnung die jetzige Fassung des Z4, Nr. 4 vorgenommen. Dadurch ist im Gegensatz zu frühereiner- 'eits die Grenze, über welche hinaus die Pfändung gestattet ist, in dem Gesetz selbst auf 1500 M. festgesetzt, andererseits die Pfändung mit dieser Beschränk lliig auch bei anderen als dauernd angestellten Personen zugelassen tvorden".(Aus den Motiven.) Es ergibt also auch die Entsiehungsgeschichte der jetzigen Fassung, daß der Arbeitslohn innerhalb des Gesamtbettages von 1500 Marl unpfändbar sein und daß erst ü b e r diese Grenze hinaus eine Pfändung zulässig sein solle. Er- reicht der Gesamtbetrag des wirllich verdienten Lohne ?, nicht deS