Nr. 37. 24. Jahrgang.1. Kilm Ks Jonuiitts" Krlim PolUlstt.Abgeordnetenhaus.8. Sitzung. Dienstag, den 12. Februar, vormittags 11 Uhr.Am Ministertisch: v. Arnim-Criewen.Die zweite Beratung des Etats der landwirtschaftlichen Vcr-waltung wird fortgesetzt beim Titel„Förderung der inneren Ko-Ionisation in den Provinzen Ostpreußen und Pommern". Hierzugelangt der Antrag Bach mann(natl.) mit zur Beratung:„DieStaatsregierung zu ersuchen, durch geeignete Mahnahmen auf demGebiete der inneren Kolonisation gegen die aus dem Landarbeiter-Plangel sich ergebenden Notstände Abhülfe zu schaffen."Gleichzeitig steht zur Beratung die Denkschrift über die Ver-Wendung des Fonds zur Förderung der inneren Kolonisation inden Provinzen Ostpreußen und Pommern im Etatsjahr IftOo.Abg. Glatzcl(natl.): Durch die neuen Handelsverträge sindden landwirtschaftlichen Produkten angemessene Preise gesichertworden, aber die Landwirtschaft hat jetzt schwer zu leiden unterdem Arbeiterinangel. Trotzdem sind wir nicht der Meinung, daßman mit Kontraktbruchstrafen in diese wirtschaftliche Krise ein-greifen foll, wir wollen sie vielmehr organisch durch Ansiedelungvon Landarbeitern überwinden. Ich bin überzeugt, daß der Aus-Wandererstrom von jährlich 20 000 Menschen sich zum Teil dadurchin Deutschland zurückhalten ließe. Tie Ansiedclungskommissionhat bereits 12 000 neue Bauernhöfe in 3l5 Dörfern geschaffen.Gerade in den Gegenden, in denen selbständige kleine Besitzerwohnen, ist die Stimmenzahl der Sozialdemokratie am stärkstenzurückgegangen.(Lebhafter Beifall.)Landwirtschaftsminister v. Arnim-Criewen: Die Ansiedelungvon Landarbeitern ist das wichtigste Mittel, der Leutenot zusteuern. Die Ansiedelung von Arbeitern ist ein Werk von großersozialpolitischer Bedeutung und ein Mittel, die Kluft zwischen dertapitalistischen Industrie und dem Industriearbeiter zu über-brücken! Deshalb habe ich für die Wünsche des Abgeordneten vonBodelschwingh ein großes Maß von Bewunderung. Die Erfah-rungen, die wir bisher mit der Seßhaftmachung von Landarbeiterngemacht haben, sind außerordentlich günstig. Nicht nur die An-siedelungsgesellschatsen, sondern auch Privatpersonen sind indieser Richtung erfolgreich vorgegangen. Außerhalb Preußensist am stärksten Mecklenburg mit der Ansiedelung von Arbeiternvorgegangen, und vom Ausland ist in diesem Zusammenhang vorallem England, Schweden und Dünemark lobend zu erwähnen.Die Kosten der Ansiedelung sind in der Regel allerdings etwas hoch.Aber wenn Frau und Kinder dem Landarbeiter helfen, kann erauch die hohe Rente herauswirtschaften, die notwendig ist, um dieKosten zu decken. Man hüte sich aber davor, den Ansiedler in einAbhängigkeitsverhältnis zu bringen. Nur wenn man ihn frei hin-stellt, wird er gerne arbeiten.(Sehr wahr!) Jahr für Jahr er-gießt sich ein Strom ausländischer Arbeiter über unser Land.Einige davon bleiben immer zurück, und das ist eine Gefahr fürunser Bolkstum. Es handelt sich bei dieser Frage um eine Arbeitvon einem Jahrhundert, und jeder einzelne muß mit Lust undLiebe daran mitarbeiten.(Beifall rechts.)Abg. Graf Gröben(kons.): Die Arbeiternot auf dem Landeist groß. Oft können die Besitzer nicht einmal zum AberntenLeute bekommen. Das Wichtigste ist, die Landwirtschaft rentabelzu erhalten, und deshalb muß die Regierung allen Versuchen, dieZölle herabzumindern, entgegentreten! Auf dem Gebiete derinneren Kolonisation hat der Staat bisher nicht genügend getan,und ein schnelleres Tempo ist am Platze.(Beifall rechts.)Landwirtschaftsminister v. Arnim-Criewen führt aus, daßbereits in den letzten Jahren die innere Kolonisation in größeremUmfange vorgenommen ivorden fei.Aog. Dr. v. Woyna(srk.) vermißt eine methodische Jnangriff-nähme der inneren Kolonisation in der Provinz Hannover.Mg. Goldschmidt(frs. Vg.): Die Leutenot auf dem Landeist, wie der verstorbene Abgeordnete Hirsch einmal treffend sagte,�ckzuführen aus die Not der Leute.(Sehr richtig! links. Ge-tie rechts.) Der Minister hat darauf hingewiesen, daß die an-siedelten Arbeiter unabhängig fein müßten. Dann sollte man�dafür sorgen, daß die Landarbeiter nicht mehr in dem bis-gen Zustand der Rechtlosigkeit verbleiben. Auch ihnen sollteg dds Koalitionsrecht geben. Es muß auch mehr getan werdene die Bildung der Landarbeiter.(Zuruf rechts:„Abiturienten-den!") Davon kann natürlich keine Rede sein. Aber dasder allgemeinen Bildung muß ein höheres werden. Deshalb'»en wir beffere Schulverhältnisse auf dem Lande, BibliothekenLuch die Wohnungsverhältnisse auf dem Lande lassen viellinschen übrig. Wenn der Arbeiter auf dem Lande bleibeninn muß er sich mit seiner Familie in seiner Wohnung wohl� können. Nicht zuletzt ist die Frage der Leutenot eine Lohn-� ige. Nach Schweden und Norwegen wandern von uns vieleArbeiter aus, um in der Landwirtschaft zu arbeiten! Will mandnpijeut« auf dem Lande halten, so muß man auch die Verhältnissedort so gestalten, daß sie gern dort bleiben. Die Anregung derwestpreußischen Landwirtschaftskammer, Kulis einzuführen, warnicht, wie Freiherr v. Erffa meinte, ein Scherz, sondern dieKammer sagte sich: Wir nehmen lieber Kulis als gar keine Ar-heiter. Die Einführung von Kulis muß aber verhütet werden,sonst werden wir hier zwischen der weißen und gelben Rasse die-selben Kämpfe erleben, die wir in Amerika gesehen haben.Abg. v. Bockelberg(k.): Die Landarbeiterverhältnisse brauchenden Vergleich mit den Verhältnissen der städtischen Arbeiter nichtzu scheuen.Das Koalitionsrecht können wir mit Rücksicht auf dieErntearbeiten den Landarbeitern nicht geben.Die verspätete Wahlrede des Abg. Goldschmidt war kein gutesOmen dafür, daß wir im Reichstag mit seiner Partei zusammen-arbeiten sollen. Er hat schon wieder, die Streitaxt geschwungen.Abg. Gyßling(frs. Vp.) bedauert, daß die Rechte die sachlichenAusführungen des Abg. Goldschmidt fortgesetzt unterbrochen hat.Mg. Dr. Heisig(Z.) führt aus. daß die Wohnungen der Bauerntm Osten nicht besser seien als die der Arbeiter.Abg. Kreth(k.): Die heikle Frage des Koalitionsrechts der Land-arheiter sollten wir dem Reichstag überlassen. Mit dem WorteauS hohem Munde über die Landarbeiterwohnungen sollten die Frei-sinnigen nicht immer krebsen; der hohe Herr hat sicher wenigerArbeiterwoHnungen gesehen als wir I In Berlin wohnen 4086 Leutein der Küche, bis 16 zusammen in einem unheizbaren Zimmer.(Hört! hört! rechts.) Die Scheidung der Geschlechter wirdhöchstens durch einen Bindfaden aufrechterhalten.(Heiterkeit.) Gegendie Einführung von Kulis haben die Herren, die auf dem frei-bändlerifchen Standpunkte stehen, am wenigsten ein Recht,Protest einzulegen. Wenn wir höhere Löhne zahlen sollen, müssenwir auch oessere Preise für unsere Produkte bekommen.(Beifallrechts.)Ein Schlußantrag wird gegen die Stimmen der Linkenangenommen.Der Titel sowie der Antrag Bachmann werden angenommen."eim Titel:.Ausbau der hochwassergesährticheir Gebirgsflüsseessen" befürwortet.Baensch-Schmidtlein(srk.) eine möglichst zweckmäßige Aus-der in Schlesien geplanten Swuweiher.tull<Z.) hebt hervor, daß an der Glatzer Neisse nochchen sti, trotzdem seine Heimatgemeinde erhebliche Bei-hnet habe.— Ein Regierungskommissar erklärt, daß mitn an der Glatzer Neisse bald begonnen würde.— Derewilligt.100 000 Mark- Forderung für Einrichtung und Durch-öffentlichen Wetterdienstes in Norddentschland«Ydel(natl.), daß die von der Breslauer Wetterwarte___ Prognosen so wenig zuverlässig waren.Titel wird angenommen, ebenso der Rest deS Etats.Hierauf vertagt sich das HauS auf M i t t lv o ch 11 Uhr.(Etatder F o r st e n und Domäne n.)Schluß 5 Uhr.'Die Tagung des britischen Parlaments.London, 9. Februar.(Eig. Ber.)Am 12. d. M. tritt das Parlament zu einer Tagung zusammen,an die große Erlvartimgen geknüpft werden. In seinem Einberusungs-schreiben erklärte der Premierininister Sir Henry Campbell-Vannerman,daß dasUnterhaus sich mit„Gegenständen von ernsterBedeutung" zu be-schästigen haben werde. Alüb Mr. Balfour, der Führer der Opposition.kündigte seinen Parteigenossen an, daß die kommenden Debatten von„ungewöhnlichein Interesse" sein werden.Diese Ankündigungen werden allgemein dahin gedeutet, daß dieRegierung eine Vorlage einzubringen gedenke, die den Zweck ver-folge, daö Vetorecht des Oberhauses einzuschränken, da bei denjetzigen Vorrechten der Lords eine liberale Regierung infolge dergeringen Zahl der liberalen Lords an eine ernste Reformtätigkeitnicht denken könne. Während der verflossenen Tagung haben' dieLordS zwei Vorlagen des Unterhauses: die Schnlvorlage und diePluralstimmenvorlage, Vorlagen, die den Volksvertretern viele Ar-beilswochen gekostet hatten, abgelehnt. Und da die kommendeSession unter anderem eine irische Vorlage bringen soll, von derman im voraus weiß, daß sie dein Oberhanse nicht angenehmsein wird, und da deshalb eine Ablehnung zu befürchtenfei, so müsse man vor allein im Interesse der Arbeits-fähigkeit des Unterhauses daran gehen, die Vorrechte des Oberhauseszu beschneiden. ES handele sich also nicht um die Abschaffungder Lords, sondern um eine Reform ihres Vetorechts.Ob diese Mutmaßung richtig ist und wie weit die Reform gehenwird, darüber dürfte die Thronrede Aufschluß geben, mit derdas Parlament am Dienstag eröffnet wird. Und daraufhinwird die Thronrede, die am Dienstagabend zur Verbreitung gelangt,zu prüfen sein. Kommt eine derartige Vorlage vor das Parlament,so werden Monate, vielleicht gar Sessionen vergehen, ehe überihr Schicksal entschieden wird.In den Kreisen der Arbeiterpartei ist man über diese Aussichtenwenig erbaut. Vor einigen Tagen sprach Keir Hardie in seinemWahlkreise Merthyc Tydvil(Wales) über die Arbeiten der kommendenSession und berührte auch die Oberhaus-Frage. Er sagte:.DieAbschaffung des HauseS der Lords ist keine leichte Sache. DieAgitation wird Jahre in Anspruch nehmen und kann die Reformkraftder Nation erschöpfen. Wir wollen keine Reform des Oberhauses,sondern dessen Abschaffung und Ersetzung durch eine Kammer vonFachmännern und Gelehrten, die den aus dem Uuterhause hervor-gegangenen Vorlagen eine bessere, logischere und klarere Form gebenkönnen. Ich glaube nicht, daß die Abschaffung des Oberhauses in denAbsichten der liberalen Partei liegt, und zu Schein kämpfenhat die Arbeiterpartei weder Lust noch Zeit."lieber den Zlveck der erwarteten irischen Vorlage istmanches bekannt. ES dürfte sich nicht um Schaffung eines irischenLandtages handeln, sondern um Ausdehnung der lokalen Selbst-Verwaltung. Den Grafschaften und Gemeinden Irlands wird größereSelbständigkeit gewährt werden, und vielleicht erhalten sie auch dieVerwaltung eines Teiles der irischen Finanzen. Die Vorlage dürfteindes einen weiteren Schritt zur Homerule bedeuten. Das Boden-gesetz auS dem Jahre 1W3 hat zur Wohlfahrt des irischen Volkesmanches beigetragen. Dies geht aus der Verringerung der irischenAuswanderung in' den letzten zwei Jahren hervor.Es ist möglich, daß eine kurze Schulvorlage eingebrachtwird, um die konfessionellen Schulen unter die Aufsicht der Gemeindezu stellen. Das Oberhaus hat kein Recht, Vorlagen, die nur einenfinanziellen Charakter haben und vom Untcrhause an-anommen wurden, zu verwerfen. Stellt nun die Vorlagedie konfessionellen Schulen vor die Wahl, auf die staatlichenBeiträge zu verzichten oder sich der Gemeinde zu unter-werfen, so kann die liberale Regierung ihren Zweckerreichen; denn ohne staatliche Beiträge können die konfessionellenSchulen nicht existieren. Verzichten sie auf diese Beiträge, so müssensie eingehen. Wollen sie aber die Beiträge auch lveiterhin beziehen,so kann dies nur geschehen, wenn sie munizipalisiert und inter-konfessionell werden. Eine derartige kurzgefaßte Vorlage, die nurauS einigen Finanzparagraphen besteht, würde einen Ausweg ausden Schwierigkeiten ermöglichen, in denen sich die Schulverhältnisseinfolge der Ablehnung der Schulvorlage gegenwärtig befinden.Sodann wird ans eine Vorlage betreffend den Ausschank vonSpirituosen gerechnet, um die Mäßigkeit zu fördern. DieTemperenzler, die bekanntlich eine Macht innerhalb der liberalenPartei sind, verlangen eine solche Vorlage. Gewöhnlich nehmen dieDebatten über„hicensing"(gesetzlich festzulegende Bedingungen beiErteilung von Lizenzen an Schankwirte) sehr viel Zeit in Anspruch.Die Arbeiterpartei ist für Munizipalisierung der Schankhäuser. Esgab eine Zeit, wo liberale und soziale Reformer daS Trinken fürdie Ursache der Armut der Arbeiter hielten. Die sozialdemokratischeAgitation hat diesen Irrtum beseitigt. ES hat jahrelanger Auf-llärungSarbeit bedurft, ehe mit dieser weitverbreiteten falschen Ansicht aufgeräumt werden konnte.Die liberale Regierung gedenkt ferner den bäuerlichenGrundbesitz(Lnrnll Holdinga) in England zu fördern. AnKrondomänen gibt cS in England(also ohne Wales, Schottland undIrland) 70 750 Acres landwirtschaftlichen Boden, wovon jetzt4000 Acres unbebaut sind.' In liberalen Kreisen wird eine LmallHoldings Xot(Vorlage betreffend bäuerlichen Grundbesitz) dringendverlangt. Kommt eine derartige Vorlage ans Parlament, so wirddie Arbeiterpartei ein Amendement einbringen: mit der Verstaat-lichung von Grund und Boden einen Anfang zu machen und ge-nossenschaftliche Ackcrbaukolonien unter Aufsicht der Munizipalitäteneinzurichten. Ein Amendement in diesem Sinne würde auch beizahlreichen bürgerlichen Abgeordneten Anklang finden.Schließlich wird eine Vorlage betreffend die Vereinheit-lichung der Lokal st euer n(Egualiaatiori of Eatea) derLondoner Gemeinden erwartet. Die 29 Gemeinden, aus denen sichdie Grafschaft London zusammensetzt, haben verschiedene Lokalsteuern.So hat die reiche Gemeinde Kensington eine Lokalsteuer von6 Schilling 7 Penee pro 20 Schilling der steuerbaren HauSmiete,während die arme Gemeinde Poplar eine Lokalsteucr von12 Schilling hat und deshalb zu vielen Beschwerden Anlaß gibt.Eine Zentralisation der Lokalsteuern würde die Ungerechtig-leiten, die jetzt ohne Zweifel vorhanden � sind, beseitigen.Es ist deshalb möglich, daß die Thronrede auch die HgualiaationAct ankündigen wird.Am Vorabend der Eröffnung des Parlaments tritt die Arbeiter-ftaktion zu einer Sitzung zusammen, um ihren Führer für die Sessionzu wählen. Der allgemeinen Stimmung nach zu urteilen, hätteKeir Hardie die beste Aussicht, die Führerschaft zu erhalten.� Aberwie wir neulich mitteilten, hat er sich für die beschränkteFrauenvorlage so weit engagiert, daß er— wie er glaubt— nichtmehr zurück kann. Der Kongreß hat beschlossen, für dieseVorlage nicht einzutreten, sondern das allgemeineWahlrecht für Männer und Frauen zu verlangen. FügtHardie'sich dem Kongrcßbeschlusse, so bleibt die Fraktions-leitung auch für die kommende Session in seiner Hand. Handelt erdem Kongreßbeschlusse zuwider, dann hat er nicht nur s i ch ge-schädigt, sondern auch die Arbeiterpartei, indem er das Beispieleiner undemokratischeu Handlungsweise bietet.Was die legislativen Wünsche der Arbciterfraktion betrifft, sosteht die Frage der A l t e r s p e n s i o n e n an erster Stelle.Die Zeit der kommenden Session wird durch zwei Ereignissebemerkenswert seiu. Anfang März werden Londoner Graf-schafts wählen vorgenommen, zu denen die Gegner desMuniaipalsoaialiSmus umfassende Vorbereitungen treffen, um denSozialpolitikern eine Niederlage zu bereiten. Der Wahlkampf ist un-gemein intensiv. Die reaktionären Lügenfabriken arbeiten unterHochdruck und überschwemmen den Zeitungsmarkt mit Verleumdungen, die bereits zu einer Verleumdungsklage gegen den„Standard" führten. Dieser Kampf hat zum Teil dazu beigetragen,daß in englischen Blättern die Schlappe der deutschen Sozialdemo-kratie maßlos übertrieben wurde.Im April findet die koloniale Konferenz der Vertreterdes britischen Reiches in London statt, bei welcher Gelegenheit esauch zu Tarif resornidebatten kommen wird. Möglicher-weise werden die Tarifreformer ihr Programm auch im Parlamentzur Sprache bringen, tun eine für die koloniale Konferenz günstigeStimmung zu schaffen. Auch in dieser Beziehung haben diedeutschen Wahlen eine Rückwirkung gehabt: die Tarifteformer be-haupten, das Schutzzollsystem habe Deutschland reich gemacht unddie deutsche Uuzufriedenhcit gemildert, Schutzzoll sei daher das besteMittel gegen die sozialistische Bewegung!!Wir gehen also einem ereignis- und arbeitsreichen Jahre ent-gegen, währenddessen Oberhansreform, Irland, Sozialpolitik undReichsföderation einen breiten Raum im öffentlichen Leben ein-nehmen werden.*•*Aus der Thronrede heben wir(noch einer Wölfischen Depeschefolgende Stellen hervor:„Ich freue mich, sagen zu können, daß die Beziehungen zu denfremden Mächten andauernd freundliche sind....... Wenn auchdie Stärke und Einheit der Regicrungsgewalt ungeschwächt bleiben soll,so vertraue ich doch darauf, daß kräftige Anstrengungen gemacht werden,um Mittel und Wege zu finden, die Grundlage für Friede, Ordnungund eine gute Regierung unter den großen Volksgenossenschaften, diemeiner Fürsorge anvertraut sind, zu erweitern. Das Budget desneuen Finanzjahres ist mit dem Ziele aufgestellt worden, Er-sparniste zu bewirken, die mit einer wirksamen Aufrechterhaltungdes öffentlichen Dienstes vereinbar sind. Ernste Fragen, diedas Funktionieren unseres parlamentarischen Systems be-rühren, sind aus den unglücklichen Meinungsverschiedenheitender beiden Häuser entstanden. Meine Minister erwägen jetzt diesewichtige Frage und suchen nach einer Lösung der Schwierigkeit....Die Aufmerksamkeit des Parlaments wird auf Maßnahmen gelenktwerden, durch welche das Volk von Irland mehr als bisher zurFührung seiner heimischen Angelegenheiten herangezogen und auchsonst das Regierungssystem in administrativer und finanzieller Hinsichtverbessert werden soll. Es lverden dem Hause auch Vorlagen unter-breitet werden, die eine Reform der IlniversitätSbildnng in Irlandbezwecken, durch die, wie ich glaube, die Schwierigkeiten behobenwerden, die so lange die Entwickelung des höheren BildungSwesenSin Irland verzögert haben. Andere Vorlagen betreffen die Er-richtung eines KriminalappellationSgerichtshofes, die Regelung derArbeitszeit in den Bergwerken, ein Amendement zu dem Patent-gesetz, die Teilnahme der Frauen a» den lokalen Körperschaften unddie Verbesserung der WohnungSverhaltnisse."Weiter kündigt die Thronrede an: Eine Bill zur Reform desSchankkonzessionswesens, die die Mißstände mildern soll, die sich ausden gegenwärtigen Bedingungen für den Verkauf und den Gebrauchberauschender Getränke ergeben, serner Gesetzesvorschläge, durchwelche die Funktionen der militärischen Streitkräfte, der regulärensowohl wie der Hülfsstreitkräste klarer bestimmt und ihre Organisationverbessert werden soll._Huö der Partei.DaS Partei-Archiv wiederholt seine Bitte um Uebersendung allereigenen und gegnerischen Flugblätter der beendeten Reichs-t a g s w a h l. Aus einer großen Reihe von Kreisen ist die lieber-sendung noch immer nicht erfolgt.— Alle Zusendungen sind znadressieren an den Verwqlter des Partei-ArchivS, Genoffen MaxGrunwald, Berlin SW. 68, Linden st r. 6 9.40 Jahre Mitglied des Reichstags war, wie die„FränkischeT a g e L p o st" festgestellt hat, am gestrigen 12. Februar GenosseAugust Bebel. Unter den 397 Abgeordneten, die bei diesenWahlen vom deutschen Volke in den Reichstag entsandt wurde».ist bloß einer, das Mitglied der Zentrumspartei, Graf Hompesch,der auf eine ebenso lange parlamentarische Wirksamkeit zurück-blicken kann. Bei August Bebel«varen diese vierzigJahre nur durch Gefängnisstrafen unterbrochene KriegSsahregegen die herrschende„Ordnung", ein freudig und erfolgreich ge-leisteter Dienst für das deutsche Volk, für die Arbeiterklasse, für dieInternationale, für die Menschheit."Mögen sich den 40 Jahren noch recht viele anschließen, in denenBebel, der Jüngling im tveißen Haare, in alter Frische und Schärfedie Sache der deutschen Arbeiterschaft im Reichstage führt.Den Genossen Bollmar hat ein Gerücht, das in München undauch in anderen bayerischen Orten umging, sterben lassen. Glück-licherweise ist das Gerücht völlig unbegründet; Genosse Vellmar be-findet sich vielmehr, wie die baycrisckie Parteipresse meldet, Verhältnis-mäßig wohl und wollte noch am Montag daS„Rote Kreuz" verlassen.Hoffentlich bewährt sich das alte Sprichwort, daß den Totgesagtenein langes Leben beschieden ist.B-m Fortschritt der Presse. Aus Breslau wird unS vom13. Februar gemeldet:Eine Agitation für die„ Volkswacht" am Sonntag brachtein Breslau allein 750 neue Abonnenten.Das„Volksbatt für Anhalt' zu Dessau hatwährend der Wahlbewegung 1000 neue Abonnentenge-lv o n n en.Die„V o l k s st i m m e" zu- F r a n k f u r t a. M. hat infolg»des Zuwachses an Lesern während des Wahlkampfes ihre Abonnenten-zahl auf über 30 000 gebracht.Die„Bremer Bürgerzeitung' hat im Januar 1700neue Leser gewonnen und hat jetzt einen Abonnentenstand von 17 360.DaS„Hamburger Ech o", das erst vor wenigen Monatendie Bollendung der S0 00v-Auflage meldete, hat jetzt eine Auflagevon 53 500.Die„Alten bürg er Volks zeit ung' hat im Jaimar1000 Abonnenten gewonnen.Bon den Organisationen. Einen erfreulichen Auf-schwung konnte der sozialdemokratische Verein für den 13. sächsi-scheu Reichstagswahlkreis(Leipzig-Land) in seiner halbjährlichenGcncralversammlnng am 1V. Februar konstatieren. Er be-steht aus 61(58 am 1. Juli) Ortsvereinen. Der Mitglieder-stand betrug am 31. Dezember 17 276(14 046). In einzelnenOrtsvcreinen ist eine Zunahme bis zu 100 Proz. zu verzeichnen. Der durchschnittliche Zuwachs betrug 30 Proz.Einen Rückschritt haben nur vereinzelte Vereine durchdie am 1. Juli erfolgte Umwandelung zu reinen Parteiorganisationenzu verzeichnen. An Einnahmen sind im ersten Halbjahr des Be-stehens in dieser Organisationsform 25 863 M. zu verzeichnen, deneneiste Ausgabe von 20 194 M. gegenübersteht: Da sich die Geschäfteimmer umfangreicher gestalten, wird es sich nicht vermeidenlassen, den Borsitzenden zu besolden. Der Vorstand_ istmit den Vorarbeiten dazu beauftragt und� die jährliche Generalversammlung im Juli wird endgültig darüberbeichließen. Der gewiß sehr erfreuliche Aufschwung hat aber nochlange»ichl seinen Abschluß gesunde», da wir im 13. Kreise 57 000Wähler nmstern konnten- Jetzt wird lebhast an einer umfangreichen