feine Aussage ja nicht mit Rücksicht auf Herrn PL Plan tier-weigert hatte, sondern mit Rücksicht auf die von ihm und seinerFraktion vertretene Auffassung, daß Reichstagsabgeordnete wegenihrer Abgeordnetentätigkeit an Gerichtsstelle nicht zur Verant-loortung gezogen werden könnten, auch nicht als Zeugen! Das Er-suchen Pöplaus hatte also mit den Motiven der ursprünglichenZeugnisverweigerung des Herrn Erzberger auch nicht das aller-mindeste zu tun! Es war auch für den klerikalen Mundheldenoffenbar nur der denkbar fadenscheinigste Vorwand, sich den Konse-quenzen seine? Heroismus zu entziehen! Herr Erzberger istoffenbar ein so„freiheitsliebender" Herr, dost es ihm unerträglichist, auch nur einmal ein paar Tage oder Stunden in Zeugnis-zwangshaft zuzubringen, gelte es selbst die Würde undRechte der Volksvertretung zu wahren!Der Kolonialschwätzer Erzberger ist durch den famosen Hul-digungsbrief, den er seinerzeit an den General Trotha ge-schrieben, als abgeschmackter Heuchler gebrandmarkt.Sein neuestes Heldenstücklein in dem Pöplau-Prozeg mutz ihnvollends als lächerliche Persönlichkeit erscheinen lassen!—Die Beratung des Justizetats.Die am Sonnabend fortgesetzte Beratung des Etats derJustizverwaltung verlief m der für das preußische Ab-geordnetenhaus charakteristischen Oede und Langweiligkeit.Es wurden nur ganz vereinzelt allgemein interessierendeFragen angeschnitten, ohne daß es jedoch zu einer gründ-lichen Erörterung kam. So brachte Abg. Strosser(k.)die Behandlung geisteskranker Verbrecherzur Sprache, eine Frage, über deren Bedeutung wohl keinZweifel herrscht, die aber die Mitglieder des Dreiklassen-Parlaments so wenig interessiert, daß keiner der nach-folgenden Redner darauf einging. Nur bei den von p o l n i-scher Seite vorgebrachten Klagen platzten die Gemüteraufeinander. Die polnischen Abgeordneten werden im Land-tage nicht als gleichberechtigte Kollegen angesehen und ihreBeschwerden werden ohne jede Prüfung als unbegründetzurückgewiesen. Sobald ein polnischer Abgeordneter daZWort ergreift, erheben sich sofort die konservativen undnationalliberalen Hakatistcn, um sich in patriotischen Schlag-warten zu ergehen und sittliche Entrüstung an den Tag zulegen. Das wirkt besser als eine sachliche Widerlegung undist vor allem leichter. Außerdem ist das das einfachste Mittel,um sich bei der Regierung für etwaige Beförderungen unddergleichen in empfehlende Erinnerung zu bringen. Dieungleiche Behandlung der Polest und Deutschen vor Gerichtist bekannt, wird aber trotzdem von den„nationalen"Parteien bestritten. Daß kein Redner an der Behandlungder Sozialdemokraten vor Gericht Kritik übte, versteht sichvon selbst. Das Dreiklassenparlament ist eben keine Ver-tretung des Volkes, sondern nur der besitzenden Klassen.Erwähnenswert ist aus der Debatte nur die Mitteilungdes Justizministers Dr. B c f e l e r, daß er die Richter an-gewiesen habe, das Publikum nicht schroff zu behandeln. Obdiese Anweisung in der Praxis befolgt werden wird, bleibtabzuwarten. Vorläufig möchten wir daran zweifeln.Eine Reihe von Anträgen auf Besserstellung bestimmterBcamtenkategorjen ging an die Budgetkommission.Am Montag soll der Jüstizetat zu Ende beraten werden.Außerdem stehen auf der Tagesordnung kleinere Vorlagen,darunter der Gesetzentwurf betreffend ErNeiterungdes Potizeibezirks Berlin.—•Dcutfcbea Reich.Eine politische Todesanzeige.Die neueste Nummer der„Nation" veröffentlicht an ihrerSpitze folgendeMitteilung.Politische Erwägungen bestimmen mich, dieHerausgabe dieser Zeitschrift einzustellen. Die„Nation" wird— unter Zustimmung des Verlegers— bereits mit Ablauf desQuartals zu erscheinen aufhören. Ich bitte Mitarbeiter- undAbonnenten, davon Vermerk zu nehmen.Theodor Barth.Herr Theodor Barth läßt also die von ihm seit vielen Jahrenherausgegebene„Nation" eingehen, weil nun auch er daran ver-zweifelt, den von völliger Prinzipienerweichung befallenen, immermehr nach rechts abrückenden Liberalismus zu neuem politischenLeben erwecken zu können.Herr Barth hat sich oft und bitter darüber beklagt, weil der»Vorwärts" seinen Optimismus über die Regenerations-Möglichkeit des Freisinns nicht teilte, sondern den Freisinn mitverdientem Spott behandelte. Nunmehr bekundet Herr Barthselbst, daß er eine Blutauffrischung des Freisinns für aus-sichtslos hält. Schon lange war er ja ein politischer Eingänger,der während des letzten Wahlkampfes sogar von seinen national-sozialen Freunden im Stich gelassen wurde. Wir begreifen, daßer, ehedem einer der gefeiertsten freisinnigen Führer, und sicherder Begabtesten einer, bereits seit geraumem zu vollständigerpolitischer Einflußlosigkeit verdammt und auch als Publizist stetsnur ein Prediger in der Wüste, nunmehr resigniert den aussichts-losen Kampf aufgibt.Herr Barth ist heute gleich uns der Auffassung, daß dembürgerlichen Liberalismus nicht mehr zuhelfen ist. Diesem Gefühl entspringt sein Entschluß, die„Nation" eingehen zu lassen. Mit der„Nation" verschwindet dasletzte anständige Organ des Liberalismus, ja das letzte Organ desLiberalismus überhaupt._Die Wahlwache des Flottenvereins.Herr Generalmajor Keim veröffentlicht in den„BerlinerNeueste Nachrichten" einen Artikel, in dem er sich mit demVerschleiß der staudalösen kolonialen Schmutz- und Flugschriftennoch brüstet. Er schreibt:„Dieser Zentrumszorn richtete sich auch gegen die Flug-schriften, welche von nationaler Seite dem Flottenverein zur Ver-fügung gestellt worden waren. Geschrieben haben wir kein einzigesdavon. Es waren: Die Wahrheit über die deutschen Kolonien!deutsches Volk, wie sorgt die deutsche ReichStagSmehrheit für dieheldenmütigen Söhne in Südwestafrika; An die deutschen Mütterlvon Josef Lauff). Gedicht; Für die Kämpfer in Südwest-Afrika;Arbeiter, Kolonien und Flotte.Allerdings sind diese aufklärenden und belehrenden Broschüren,Flugblätter usw. in etwa 20 Millionen Exemplaren indie Wahlkreise geworfen worden. Selbstredendmußten ferner viele hundert Briefe geschrieben und beaniivortetwerden, um die persönliche Agitation in die richttgen Kanälezu leiten. Diese Briefe hat nun der„BayerischeKurier" veröffentlicht, und ich übernehme für ihren fach-lichen Inhalt, soweit sie von mir herrühren, die volleVerantwortung. Ist der Deutsche Flottenvertin damitnicht einverstanden, so möge er mich in die Wüsteschicken. Aber dem Flottenverein kamt man ausmeiner Tätigkeit keinen Strick drehen wollen. Das ist unehrlichund unanständig."Der Flottenverein hat also 20 Millionen Flugschristen ver-trieben, die beiden famosen Schriften:„Die Lügen des Herrn Erzberger" und„Die koloniale Lügenfabrik" nicht einmal ein-gerechnet! Wirklich eine sehr anständige Leistung! Es bedarfgar nicht einmal der Beteuerung des Herrn Keim, daß dazu«auchGeld" nötig gewesen sei,„viel Geld". Die Ausgaben für dieHerstellung und Verbreitung dieser Schmutzschristen dürsten sich aufhimderttaiisende Mark beziffern. Die Herren Prozentpatrioten undArbeiterlnebler haben es sich also etwas kosten lassen!Die faule Ausrede des Herrn Keim, daß er trotz alledemals Privatmann, nicht aber als Borsitzender des Flottcnvercms ge-handelt habe, wird von der„Germania" mit Recht folgendermaßenzurückgewiesen:„Ob der„Privatmann" Stern und der«Privatmann" Knaudtwohl auch dann mit dem„Privatmann" Keim in Verbindung ge-treten wären, wenn dieser nicht VorstandSuiitglied des Flotten-Vereins gewesen wäre und nicht den ganze» Apparat des Vereinsfür seine Wahlmachereien zur Verfügung gehabt hätte? Und ob wohlder Reichskanzler Herrn Keim große Geldsummen zur Verteilung vonPamphleten zur Verfügung gestellt hätte, ob Beamten der Äolontzil-abteilung solche Pamphlete für Herrn Keim hätten schreiben dürfen, undob das Oberkommando der Schutztruppe und die MarineverwaltnngHerrn Keim Offiziere und Soldaten für die Wahlmache überlassenhätten, wenn Herr Keim nichts als„Privatmann" gewesenwäre? Herr Keim schreibt selbst, er habe dem Reichs-k a n z l e r gesagt, daß der Flottenvcrein s n i ch t der„Privatmann" Keim) die Zentralstelle für die Herausgabe von Flug-blättern annehme, und Hauptmann Bayer schrieb, er habe sich deinFlottenverein(nicht dem„Privatmann" Kein:) nur auf anSdrnck-lichen Wunsch des Oberkommandos zur Verfügung gestellt. Alsoman lasse doch die Mätzchen mit dem„Privatmann" Keim.Auch die„Freisinnige Zeitung" will die Ausredenicht gelten lassen. Leider aber hat sich dieses freisinnige Blattnoch immer nicht zu einer Kritik des Herrn Eickhoff aufschwingenkönnen, der sich des Herrn Keim als des F l 0 t t e u v e r e i n s-Vorsitzenden und Mittelsmannes der Regierungbediente, um sich die amtliche Wahlunterstützuiig zu sichern!—Ehren-Eickhoff.Wir haben wiederholt festgelegt, daß der neue Abgeordnete fürLennep-Mettmann, der Reichsstipendiat und FlottenvereinskandidatProf. D r. Richard Eickhoff, seinen Wählern in Mühl-Hausen-Langensalza sein Wort gegeben hat. falls er inMühlhausen gewählt werden sollte, dort anzunehmen und inLennep abzulehnen, nach der Wahl aber umgekehrt gehandelt hat.Wie freisinnige Blätter vom Sounabondabend behaupten, soll unsHerr Eickhoff mit einer preßgesetzlichen Berichtigung bedachthaben, die uns zwar bis zur Stunde noch nicht vorliegt, die wiraber schon auf die Publikation in den freisinnigen Blättern hinheute gebührend beantworten. In der angeblichen Berichtigungbehauptet Herr Eickhoff, er habe„niemals sein Wort verpfändetoder sein Ehrenwort gegeben", in Mühlhausen auf jeden Fall dieWahl anzunehmen, sondern er habe es„ausdrücklich vermieden,irgend eine bindende Zusage zu geben". Wir sind demgegenüberin der angenehmen Lage, Herrn Eickhoffs Erklärung durch seineigenes freisinniges Wah'Ikomitee in Mühlhausenwiderlegen lassen zu können.Am Tage vor der Stichwahl brachten die Blätter des Mühl-hauser Kreises fvlgende offiziellen Erklärungen dieses freisinnigenWahlkomitees:„Bon gegnerischer Seite versucht man esin letzter Stundemit allen Mitteln die Wahl unseres KandidatenProfessor Richard Eickhoffzu hintertreiben.Unter anderem wird das Gerücht verbreitet, daß derselbe einauf ihn fallendes Mandat in unserem Wahlkreise, wo er bereitszweimal gewählt wurde, nicht annehmen werde.Demgegenüber erklären wir:„Es ist unwahr, daß Herr Professor Eickhoff sich ver-pflichtet hat, das Mandat in seinem heimatliche» Wahl-kreise Lennep-Mettmann anzunehmen."Wir bringen dies hiermit zur Kenntnis seiner Wähler mitder dringenden Bitte, sich durch nichts beirren zu lassen,sondern amDienstag, den S. Februar.zum dritten Male entschlossen einzutreten für ihren bewährten,bisherigen Vertreter im Reichstage, HerrnProfessor Richard Eickhoffin Remscheid."Und diese:„Erwiderung auf das gestrige konservative Eingesandt.Herr Professor Eickhoffhat positiv erklärt, daß er im Falle seiner Wiederwahl nurseinen bisherigen Wahlkreis Mühlhausen-Weißensee-Langensalza,an dem er mit Leib und Seele hängt, vertretenwird. Sollte die Stichwahl auch in Remscheid für ihn günstigausfallen, s» wird er trotzdem auf das dortige Mandat ver-zichten."Danach bleibt eS also dabei, daß Herr Eickhoff sein gegebenesWort gebrochen hat oder daß fein eigenes Wahlkomitee die Wählerbeschwindelt hat!In dem Kampf um den ehemaligen Kreis dieses Politikerswechseln die bürgerlichen Kandidaten jetzt, im Töff-Töff-Tempo.Zuerst war, wie wir auch berichteten, ein„Sammelkandidat" inHerrn von Möller gefunden worden. Diese Kandidatur hatgerade vierundzwanzig Stunden gedauert. Am Tage nach seinerSchilderhebung bedankte sich bereits der Bund der Landwirte fürihn und stellte einen eigenen Kandidaten in der Person des Guts-befitzers Arnstadt aus einem Orte des Wahlkreises selbst auf.Wieder vierundzwanzig Stunden später war äuch den Freifinnigenihre Blamage, auf Herrn Möllex angebissen zu haben, zum Be-wußtsein gekommen, und sie stellten den in Jerichow durchgefallenenfrüheren Abgeordneten Merten auf. Jetzt in letzter Stundeheißt es, daß auch die Freikonservativen noch einen Kau-didaten aufftellen. und wenn dann das Zentrum noch seinenKandidaten gefunden hat, ist die Speisekarte fertig,— bis zuneuen Aenderungen.— Es geht doch nichts über bürgerliche„grundsätzliche". Politik!-Die Fahrkartra-BerteueruugS-„Reform".Die Budgetkommission des Dreiklassenhausesbeschäftigte sich am Sonnabend mit der bevorstehenden sogenanntenPersonentaristeform. Ueber die Verhandlungen wird berichtet:Bemängelt wurde die Festsetzung des Fahrpreises für die—erste Klasse mit 7 Pf. pro Kilometer. Man befürchtete dadurcheine Schädigung der Einnahmen insofern, als viele von derI. auf die EL Klasse übergehen würden. Fernerwm de die K ompliziertheit des neuen Gepäcktarife�getadelt. Der Eisenbahnminister führte aus, daß die durchden zum 1. Mai 1907 erfolgenden Wegfall der Rückfahrkartenentstehenden Ausfälle durch die Schnellzugzuschläge und denGepäcktarif gedeckt werden müßten. Man müsse die Tarif-reform als ein Kompromiß betrachten, das bei den Verhandlungenzwischen den verschiedenen Bundesstaaten zustande gekommen sei. M i tder Fahrkarten st euer müsse man sich abfinden.Es sei unmöglich, daß die Einzelregicrungen Ale Beträge der Be-lastung durch Ermäßigung der Tarife übernäh neu. Im übrigenfinde dadurch, daß an Stelle der Rückfahrkarten �wei einfache Kartenträten, und eine zweimalige Reichssteuer für dies? Zsi zahlen sei, imallgemeinen keine stärkere Belastung statt. Der Minister überreichtin dieser Beziehung eine Aufstellung, nach welcher allerdings beieinzelnen Rückfahrkarten, namentlich im Betrage bon 1,20 M. bis2 M. und 4,10 bis 5 M.. künstig bei zwei Karten eine Er-höhung der Reichssteuer eintrete. Dagegen sei bei anderq�M-trügen die Steuer für die zwei Karten gleich, und bei manch(jji,namentlich größeren Beträgen sei die Steuer für zwei KartMx K«ringer alS die jetzige Steuer der Rückfahrkarten. Bei den hÄhönBeträgen über 60 M. könne man sich durch Rundreisehefte helfen.um eine doppelte Steuer zu vermeiden. Eine Revision des jetz!allerdings etwas komplizierten Gepäcktarifs stehe zu erwarten. DerSchnellzugszuschlag würde nur bei den großen Schnellzügen ein»geführt werden. Die sogenannten lokalen Schnellzüge— etwaein Drittel— würden frei bleiben. Alle diese Maßnahmenwürden einen Ausfall der Einnahmen in Höhe von sechsMillionen Mar! herbeiführen. Die Fahrkarten st euerhabe eine erhebliche Verschiebung des Ver»kehrs in den vier Klassen hervorgerufen.Namentlich in der ersten Klasse habe eine Ab-nähme der Reisenden stattgefunden.Die vom Minister in Aussicht gestellte Vereinfachung des Gepäcktarifs wurde in der Kommission allseitig begrüßt. Angeregt wurdedie Einführung von Gepäckkarten, die es ermöglichen sollen, dasGepäck gleich am Fahrkartenschalter zu bezahlen.Eine BerbiMgung der Personentarife selbst konnte die Re-giernng nicht zusagen. Sie teilte weiter noch mit, daß allegroßen Schnellzüge in v-Züge umgewandeltwerden sollen. Die Zuschläge werden gleich mit der Fahr-karte bezahlt. Die Platzkarte fällt weg, doch soll es ermöglichtwerden, sich schon vorher Plätze zu sichern.Schars kritisiert wurden in der Kommission die unbefrie-digenden Leistungen der Berliner Paketfahrt-Gesellschaft und es wurde angeregt, daß die Regierung dieGepäckzustellung übernehmen möchte. Auf eine Anftage, ob eine vorkurzem in der„Kreuz-Zeitung" aufgestellte Rechnung, daß dieEisenbahn durch die Abrundung der Preise nach oben eine Einnahmevon 271/j Millionen Mark jährlich erziele, richtig sei, erklärte dieRegierung, daß es sich höchstens um einige Hunderttausend Markhandeln könne. Gewünscht wurde noch die Beförderung von Gepäckauch ohne Fahrkarten wie in der Schweiz, wenn sich die Sachen inder äußeren Form als Reisegepäck charakterifieren. Die Regierungkonnte das nicht zusagen.—_Oberhirtliche Wahlbeeinfluffung.Wie die„Fränkische Volkstribüne" hört, soll der Erzbischof vonBamberg auch an die Geistlichen im Wahlkreise Bayreuth dieWeisung haben ergehen lassen, für die Wahl des Blockkandidatenzu wirken. Wie die Resultate ergeben, wurde diese Parole auchvon einem großen Teil der Zentrumswähler befolgt. DieZentrumspreffe selbst bezeichnet die Erklärung des BambergerErzhischofs als triftigen Grund zur Wahlanfechtung in den inBetracht kommenden Wahlkreisen. Da sich die Erklärung in be-stimmter Weise an die Kleriker richtet, charakterisiere sie sich alsamtliche Wahlbeeinflussung. Ergötzlich ist, wie die liberale, borallem die freisinnige Presse sich für die Berechtigung der Bischöfe,in solcher Weise in eine Wahl einzugreifen, ins Zeug legt,während sie sich sonst nicht genug entrüsten kann über die Wahs«agitation der niedren katholischen Geistlichkeit.—Herr über Leben und Tod seiner Mitmenschen ist in Preußen-Deutschland jeder unerfahrene und unreife Bauernjunge, wenn erbeim Militär auf Wache steht. In Köln-Deutz hat sich dieserTage ein Fall zugetragen, der nach dieser Richtung endlichgebieterisch eine Aenderung heischt. Nachmittags zwischen 4 und5 Uhr spielten an den Deutzer Festungswerken mehrere nochschulpflichtige Knaben, wobei sie auch, um die dort imDunkeln fitzenden Eulen zu beobachten die FxLstngsmaucr über-kletterten. Ein hwzukomMender Wachtposteiy.mah m die dreiKinder fest( n, um sie abzuführeck..gelang es. ihmwieder zu entwischen, mrtT schließsich-''oersuchteväuch der dritte, zuentlaufen. Er konnte sich' nur wenige Schritte von dem Soldatenentfernen. Ein preußischer Wachtposten hat neben seinem Schieß-Prügel auch eine Instruktion, die ihn zwingt, auf Flüchtlinge zuschießen, wenn sie dem Haltruf nicht Folge leisten. Der Jungeerklärt, einen Haltruf des Postens nicht gehört zu haben. DerPosten schoß, obgleich der Knabe sich erst wenigeSchritte von ihm entfernt hatte, sofort einescharfe Patrone auf ihn ab. Er durchschoß dierechte Hand des„Flüchtlings" und die Kugelsauste nahe an einer Dame vorbei, die in Be,gleitung eines Herrn an dem Orte des Schauspiels, das leicht einfurchtbares Drama hätte werden können, spazieren ging. Nur eineKleinigkeit mehr nach links, und der Schuß wäre dem Knaben, stattdie Hand zu zerschmettern, in den Rücken gegangen, was ihnvermutlich getötet hätte. Ebensogut aber konntenPassanten der einen ziemlich erheblichen Verkehr auf»weisenden Siegburger Straße durch den Posten er»schössen werden.Derartige Vorkommnisse sind ja nicht neu. Dem Posten wirdübrigens kein Haar gekrümmt werden. Er beruft sich auf seine„Instruktion", die in der Tat eine furchtbare Gefahr für die öffent-liche Sicherheit bedeutet.—Das klagende Drciklasscnhaus.Die Vertreter der Besitzenden im preußischen Geldsacksparlamentbleiben bei ihrer blamablen Praxis, sozialdemokrattsche Kritiker ihresvolksfeindlichen Tons durch die Gerichte verfolgen zu lassen. D i eGeschäftsordnungskommission des Abgeordnetenhauses hielt am Sonnabend kurz vor Beginn der Plenarsitzungeine Sitzung ab, in der sie u. a. über die Erteilung der Genehmigungzur strafrechtlichen Verfolgung der Redalteure Molken-b u h r vom„Bolksblatt" in Halle, Wittmaack von der„Volks stimme" in Magdeburg und Dornheim von der„Tribüne" in Erfurt" verhandelte. Alle drei Blätter sollenich der Beleidigung des preußischen Abgeordnetenhauses schuldiggemacht haben durch scharfe Angriffe auf das LandtagSwahlrechtund auch auf das HauS selbst. Bon der Mehrheit der Kommissionwurde der Standpunkt vertreten, daß es sich in den vorliegendenFällen lediglich um«ine Konsequenz früher gefaßte«Beschlüsse handle, während eine Minderheit die Beleidigungen„milder beurteilt wissen wollte" und sich überhauptprinzipiell gegen die Erteilung solcher Genehmigungen aussprach.Die Abstimmung ergab, daß in allen drei Fällen dem Er»suchen der betr. Staatsanwaltschaften nach-gegeben und die Genehmigung zur Straf-Verfolgung erteilt werden soll. Das Plenum des Drei»klassenhauses wird diesen Beschluß jedenfalls ratifizieren.—