Nr. 43. 24.1. KeilHt dkg Jotnätte" Krlim lolMlitt.MVoch, 20. Febrnar 1907.Reichstag.1. Sitzung vom Dienstag, den 19. Februar t9V7,nachmittags 1 Uhr.Am Bundesratstische: Graf Posadowskh.Abg. v. Winterfeldt-Menki»<k.) übennmmt das Mterspräsidium,beruft zu provisorischen Schriftführern den Abg. R i m p a u snatl.),Pauli- Oberbarnim(Rp.). Engelen(8) und Dr. Hermessfreis. Vp.) und lätzt den Namensaufruf vornehmen.Der Namensaufruf ergibt die Anwesenheit von 335 Abgeordneten.Eingegangen sind der Etat sowie zwei Nachtrags-etats.Alterspräsident v. Winterfeld t-Men!in beraumt dienächste Sitzung auf Mittwoch 1 Uhr an: Wahl der Prä-s i d e n t e n und definitive Wahl der Schriftführer.Schluß: 2 Uhr.Hbgeordnetenbaus.14. Sitzung vom Dienstgg, den 19. Februar,mittags 12 Uhr.Am Ministertische: v. Bethmann-Hollweg.Auf der Tagesordnung steht die'zweite Beratung des Etats desMinisteriums des Innern.Die Einnahmen werden bewilligt.Beim Titel:„Gehalt des Ministers" führt Abg. Krcth(kons.)aus: Die Auflösung des Reichstags hat neben inanchem Erfreulichenauch betrübende Erscheinungen gezeitigt. Dahin rechne ich insbesondere die Richterledigung der Novelle zum Unterstützungswohnsitz'gesey.Abg. Frhr. v. Zedlitz(freik.): Der Abg. Broemel hat am12. Januar, also kurz vor der Reichstagswahl, ausgeführt, dieSozialdemokratie werde, wieder wachsen, wenn das preußische Wahl-recht nicht im Sinne des Reichstagswahlrechtcs refonniert werde.Die Wahlen haben gezeigt, daß wir uns in unsere» Wahl-rcchtsfrage« nicht stören zu lassen brauchen! Nötig ist für uns jetztvor allein eine gesunde Mittelstandspolitik, keine Forcieruug derSozialpolitik.(Sehr wahr! rechts.) Dem TcrroriSuiuS der Sozialdcmskratie muß der Brotkorb niedriger gehängt werden. Dazu istnötig, daß wir den Bildungsdrang der Arbeiter befriedigen und dieSnicht der Sozialdemokratie überlassen.(Bravo! rechts.) Wirkönnen unS der Einführmrg des Reichstagswahlrechts— die wir fürganz unmöglichhalten— mit Gnind nur widersetzen, wenn wir auch einen Ausbauin Gesetzgebung und Verwaltung vornehmen.(Sehr wahr I rechts.)DaS Gesetz über das Bercins- und Bersammlungsrecht hat sich voll-ständig überlebt. Einerseits macht das Gesetz unnötige Scherereien,z. B. mit dem Ausschluß der Frauen, auf der anderen Seite gibteS der Polizei nicht die nötige Macht. Auch die Gesindeordnung ist„verbesserungsbedürftig"! Den Kommunen muß man weiteren Raumzur Betätigung geben. Die Vorrechte der Beamten könnten jetztbeseitigt werden. In der Verwaltung muß vieles besser werden.Auch andere Maßregeln find dringend notwendig. Dahin gehörtz. B. die Ausführung der Forderung, daß alle Gefängnisse einemMinisterium unterstellt werden.(Beifall rechts.)Abg. Pcltasoh»(frs. Vg.) fragt den Minister, obdie Angelegenheit Schöne-Brockhuscajetzt endlich erledigt sei, und welchen Ausgang sie gehabt habe.Redner bespricht sodann die Behandlung geisteskranker Verbrecherund regt an, die Sorge für diese Personen dem Staate zu über-tragen.Abg. Dr. Friedberg(natl.): Wenn Frhr. v. Zedlitz ein gesetz-geberisches Vorgehen zur Beseitigung des Zwanges forderte, dengewisse Organisationen ausüben, so glaube ich, die Erfahrung lehrt,daß mit derartigen Gesetzen nicht das erreicht wird, was man da-mit bezweckt.(Sehr wahr! links.) Zu einem Zeitpunkt, wo in derArbeiterschaft die Selbsterkennwis beginnt, sollte man nicht Maß»regeln ergreifen, die geeignet sind, das Mißtrauen neu zu beleben.(Sehr richtig! links.) Daß wir das Rrichstagswahlrecht nicht ein-führen wollen, ist eine Auffassung, die meine Freunde teilen. Wirerkennen dabei aber an, daß das preußische Wahlrecht r e f o r m-bedürftig ist.— Deshalb verlangen wir. daß bald eine Refornrdurchgeführt wird. Es wäre sonst möglich, daß die Wahlreformdas Schlagwort für die nächsten Landtagswahlen würde. Wirwürden es für einen schweren Fehler halten, wenn die Regierungjetzt nicht selbst die Initiative zu einer Reform ergreist.(Beifall derden Nationalliberalen.)Eine Resonn des Vereins- und Versammlungsrechts und derGesindeordnnng halten auch wir für dringend. Das Gleiche gilt voneiner Aenderung der Kommunalabaabengesetzgebung. Hier soll mannicht vergessen, die Kommunalbesteuerung der Standesherren zuregeln. Ich bitte den Minister anzuordnen, daß die Wahlurnen vorder Leerung umgeschüttelt werden, damit das Wahlgeheimnisbesser gewahrt wird.Abg. Schmedding(Z.) tritt für gesetzliche Regelung der Behandlungder Geisteskranken ein.Minister v. Bcthmaun-Hollwrg: Ich bin mit dem Aba. Frhrn.v. Zedlitz der Ansicht, daß d,e Situation, welche durch den erfreulichenAusfall der ReichstagSwahlen geschaffen ist, unS die Verpflichtungauferlegt, mit erhöhten Kräften weiter zu arbeiten. Mit der Wahlselbst ist erst ein kleines Stückchen Arbeit geleistet, das meiste bleibtzu leisten übrig.Zur Wahlrechtsreform werde ich erst Stellung nehmen, wenn dieAnträge der verschiedenen Parteien zur Beratung kommen. Ich er-kenne an. daß das Vereins- und Versammlungsrecht so viel Un-stimmigkeiten aufweist, daß eineReform dringend nötigist! Ich hoffe demnächst— in dieser Session wird eS nicht möglichsein— dem Hause meine Pläne hierüber mitteilen zu können.Was die Ausweisung betrifft, so ist bei dem Fall des so-genannten Hauptmanns von Köpenick die Kritik in den Zeitungenzum Teil weit über das Ziel hinausgeschossen. Man hat diesenMann als einen Helden bezeichnet. Der gute Erfolg seines Hand-ftreiches legt eS ja sehr nahe, daß man ihm eine gewisse Sym-pathie entgegenbringt.(Heiterkeit.) Man wirst der Regierung einegewisse Grausamkeit vor. Der Hauptzweck ist aber doch, die Gesell-schaft vor unsozialen Elementen zu schützen, die Gesunden vor den Kranken.Danach muß die Ausweisung ganz individuell behandelt werden.Es gehen auch nach den Großstädten viele Personen nur, weil siesich dort besser rehabilitieren können.(Sehr richtig! rechts.) Ichhabe deshalb eine individuelle Untersuchung der einzelnenVerhältnisse in jedem Falle angeordnet. Insbesondere sollen stets dieAkten der Strafanstalt herangezogen werden. Ferner soll die Polizeisich mit den Fürsorgevereinen in Verbindung setzen. Daß die Polizeidie Fürsorge selbst in die Hand nimmt, halte ich nicht für angängig,weil dadurch die Tätigkeit der Fürsorgevereine gefährdet würde!Die Notwendigkeit, gewisse Leute auszuweisen, besteht nach neuererAnsicht fort. Die Behauptung, daß Vogt nur durch die Verhältnissezum Verbrecher geworden sei, läßt sich ia auch nach dem Inhalt derÄsten nicht aufrecht«halten. Ich meine deshalb, daß wir dasGesetz nicht ändern dürfen, sondern nur die Ausführung human ge-stalten müssen.Bezüglich der Anfrage des Abg. Peltasohn über den Fall Schöne-Brockhusen kann ich mitteilen, daß die Beamte» zur Rechenschaft ge»zogen sind und Borsorge getroffen ist» daß ähnliche Fälle nicht wiedervorkommen.(Beifall.)Abg. Cassel(stf. Vp.): Es werden leider noch immer viele Aus'länder ausgewiesen, die sich in gesicherter Position befinden und sichnicht politisch verdächtig gemacht haben. Wie stimmt das mit derErklärung des Ministers überein? Die Sozialdemokratie be-kämpft man am besten mit Maßnahmen der Gerechtigkeit.Führe man deshalb ein gerecktes Wahlrecht ein.(Beifall links.Redner bringt sodann mehrere Fälle von Wahlbeeinflussungen durchLandräte aus der Ostprignitz und dem Kreise Sagan-Sprottau vor.Im letzteren Kreise hat der Landrat Herr v. Klitzing zu einer Versammlung nach der„Herberge zur Heimat" eingeladen mit demZusatz, daß er amiehme, daß diejenigen Wähler, die nicht erschienen.nicht zu den rechtsstehenden Parteien(gemeint waren die Konservativen.Freikonservativen und Nationalliberalen) zu rechnen wären! DieseBemerkung enthält offenbar eine Drohung.Abg. v. CzarlinSki(Pole) bringt zahlreiche Einzelfälle vor. indenen den Polen die Versammlungsfreiheit beschränkt worden ist.Minister v. Bethmann-Hollweg: Diese Einzelfälle sind mir nichtbekannt. Ebenso sind mir die vom Abg. Cassel erwähnten Vorgängenicht bekannt. Ich glaube aber nicht, daß der Landrat v. Klitzingeine Drohung aussprechen wollte! Sollte das wirklich die Absichtseines Zirkulars gewesen sein, so würde ich dies— bedauern.(Beifall.)Das HauS vertagt sich. Nächste Sitzung: Mittwoch 11 Uhr(Kleiiie Vorlagen, Etat des Ministeriums de» Jnneni).Schluß 4»/« Uhr._Parteien nnd Wahlen in Transvaal.London, 13. Februar.(Eig. Ber.)Seit dem Frieden von Vereeniging, der Transvaal und Oranienunter das Szepter der Briten brachte, sind noch keine fünf Jahreverflossen, und es ist in dieser verhältnismäßig kurzen Spanne Zeitvieles zur Heilung der Kriegswunden geschehen. Mit Ausnahmeder Chineseneinfuhr, die jetzt allgemein als ein Fehler betrachtetwird, haben die Briten ihr Talent für Reichsaufbau wieder be'währt. Handel und Industrie erholten sich langsam von den Schlägeneines dreijährigen bitteren Zweikampfes; Schulen, Straßen und Eisenbahnen wurde» gebaut, und die Trauer der Buren über den Verlustihrer Selbständigkeit wurde durch die Gewährung einer freiheitlichenBerfaffung gelindert. In Südafrika herrscht der Friede. Nicht derregungslose, friedhofartige Friede, der von bureaukratischen Gemütern mit so eifrigem und plumpem Bemühen angestrebt wird,sondern der lebendige Friede— das zivilisierte Ringen um Fortschritt und Ordnung auf dem festen Boden der Volksfreiheit.In Transvaal vollzieht sich gegenwärtig der Wahlkampf; dennam 29. d. Mts. finden die parlamentarischen Wahlen statt. DasWahlrecht ist allen erwachsenen männlichen Bürgern gewährt, unddiejenige Partei, welche die Mehrheit erhält, wird aus ihrer Mittedie Regierung bilden.Vier Parteien ringen um die parlamentarische Mehrheit. DieBuren, die Kapitaliften, die Demokraten und die Arbeiter. DieBuren treten unter dem Namen„Het Volk"(das Volk) als politischePartei auf. Die Kapitalisten nennen sich„Progressisten". Die Demo-traten sind als„Nationalisten" bekannt, und die Arbeiter als„selb-ständige Arbeiterpartei".An der Spitze des„Het Volk" stehen Botha, Delareh, SchalkBurger und SmntS— Dcwet konimt hier nicht in Betracht, da erBürger OranienS ist. Sie haben folgendes Wahlprogramm er-lassen: Föderation Südafrikas, Einverletbung von Swasiland inTransvaal, Zurücksendung der Chinesen nach Ablauf der Verträge,wenn genügende Arbeitskräste gefunden sind, um die Chi-nescn zu ersetzen; Beschränkung der asiatischen Einwände-ruiig; Förderung des Ackerbaues; Gründung einer Land-schaftsbank; Bewässerung im großen Maßstabe; Besteuerungder Minendividenden; Gebrauch der holländischen Sprache in denSchulen. Schließlich einige untergeordnete Forderungen betreffendfinanzielle Entschädigung, die auf Grund des Friedensvertragesmanchen Buren bei der Wiederbesiedelung des Landes zukommt.Am 13. d. M. sandte Botha folgende Botschaft an das englische Volk:„Die britische Oberherrschaft wird gesicherter sein in denHänden der Buren als in denen der inteniationalen Kapitalisten. Wir haben bitter gekämpft und gelitten, aber lvasvergangen, ist vergangen, und keiner unter uns ist so töricht, diesenKampf wieder durchmachen zu wollen. Die Fragen der Flaggeund der Oberherrschaft wurden für alle Zeiten geregelt; sie stehennunmehr außerhalb jeder Politik. Wir sind jetzt mit heimischenAngelegenheiten beschäftigt. Nachdem wir eine freiheitliche Ver-fassung erhalten haben, ist es unser einziges Bestreben, das Landgut zu regieren nnd die beiden Rassen enger miteinander zu ver-inden. In Vereeniging unterzeichnete ich den Friedensvertrag,und ich habe feierlich akzeptiert, was Euch so teuer ist—:Euren König und Eure Flagge. Euer König ist jetzt unserKönig, Eure Flagge ist jetzt unsere Flagge... Wir wollen imSinne der englischen Liberalen wirken, die wir als unsere bestenFreunde betrachten."Die Progressisten(die Partei der Kapitalisten) sind teils kons«.vative Imperialisten, teils rücksichtslose Ausbeuter aus aller HerrenLänder, die am liebsten die absoluten Herren im Hause spielenmöchten. An ihrer Spitze stehen Sir Percy Fitzpatrick, Sir GeorgeFarrar, Abe Baileh nnd Sir W. von Hulsieyn; aber diese sindParteiführer nur dem Namen»ach. Hinter ihnen stehen die Wern-Herr, Eckstein, Albu usw. Sie treten ein für technische und konunerzielleFortschritte, für unbeschränkte Einwanderung, für freie Konkurrenz,für Fabrikgesetzgebung. Haftbarkeit der Unternehmer und ähnlicheMaßnahmen, mit denen sie die Stimmen der Arbeiter fangenwollen.Die Nationalisten sind bürgerliche Demokraten, die sich dieAufgabe stellen, zwischen den Bnten und den Buren zu vermittelnund ein einheitliches, nationales Gefühl in Südafrika zuschaffen. Sie zähle» in ihren Reihen die ehrlichsten bürgerlichenElemente, die sowohl die kulturelle Rllckständigkeit der Buren wiedie Selbstsucht der Goldmagnaten sürchten. Ihre Führer sindSir R. Solomon. E. P. Solomon und Wyberg. Sie stehen denliberalen Burenelementen und den Arbeitern sehr nahe. Ihr Programmist: Abschaffung aller Monopole; Gründung einer Landschaftsbank;Entwickelung eines fozialen und industriellen Systems, das geeignetwäre, die größte Zahl von Europäern anzuziehen; Reform derMinen- und Aktiengesellschaftsgesetze, um den Massen höhere Vor-teile an den Landesschätzen zu bieten; Gründung eines Arbeits-Ministeriums; Fabrikgesetze; Regulierung der Arbeitszeit in Werk-stätten und Laden; Verbot der Chinesenemfuhr; vollständige Selbst-Verwaltung im Innern d« Kolonie; Schutz der Eingeborenen;Ernennung von Beamten aus den Reihen der Einwohner Trans-vaalS.Die große Mehrheit der weißen Arbeiter wohnt um denWitwaterSrand(um Johannesburg) und besteht zu neun Zehntelnaus Briten, die die qualifizierte Arbeit(slciUock ladonr) leisten. Sieorganisierten sich zu einer selbständigen Arbeiterpartei nachaustralischem Muster. Wenn nun auch das moderne Proletariat,soweit es sich um seine Interessen kümmert, bewußt oder unbewußtzum Sozialismus strebt, so gibt eS doch— je nach demwirtschaftlichen und allgemein kulturellen GntwickelungSgrade derLänder— verschiedene Schattierungen und Mischungen der Arbeiterpolitik.In jungen, reichen, aber noch unentwickelten Ländern wie Australien, Reu-seeland, Südafrika gilt eS nicht nur, die sozialistische Zukunft deS Prole-tariatS zu sichern, sondern auch die nationale Zukunft des Landes. Dazukommt, daß diese Länder noch einm kolonialen Charakter habennnd Rassengegensätze aufweisen. Es sind dies« nalionalen undRassenfaktoren, welche die australische und die südafrikanische Ar-beiterbewegung von der sozialistischen Richtung mehr oder wenigerablenken. So kämpft die australische Arbeiterbewegung für emeweitgehende Sozialpolitik und für proletarisch-politische Selbständig-keit, aber auch für Schutzzölle und für die Oberherrschaftder weißen Raffe! Denselben Charakter scheint die Arbeiter-Partei von Transvaal anzunehmen. Wir haben dort zwarenglische, deutsche und jüdische Sozialdemokraten im europäischenSinne, aber in der Arbeiterpartei überwiegen diejenigen Elemente,die dein australischen Charakter entsprechen. Der Führ« der Arbeiter-Partei ist Mr. W h i t e s i d e. Das Programm ist folgende»: Ver-kürzung der Arbeitszeit; Festsetzung der Löhne durch Schiedsgerichte;Unfallgesetz; Arbeiterschutzgesetzgeblmg; Abschaffung des Oberhauses;Vergesellsckaftung von Grund und Boden; industrielle Schutzzölle;unentgeltliche Schulen; Delnokratisierung aller staatlichen und mun'-zipalen Einrichtungen; Ausschluß der Schwarzen von der qualifi-zierten Arbeit; Verbot der Einwanderung unqualifizierter farbigerArbeiter.Es scheinen Versuche gemacht worden zu sein, die Stimmen derbritischen Arbeiter für die Progressisten zu gewinnen. Aber ausdem Aerger der kapitalistischen Presse über„die Berbohrtheit undIsolierung der Arbeiterpartei" darf geschloffen werden, daß derVersuch mißlungen ist. Die Progressisten wollten nämlich einem derArbeiterführer einen Sitz in der Regierung geben.—Das sind die Parteien, die in den Wahlkampf eintraten und amMittwoch, den 29. d. M, ihre Stärke im Lande messen werden. Essind 39 Abgeordnete zu wählen: davon entfallen auf Witwatersrandund Krügersdorp 34, auf Pretoria 3 und auf das übrige Land 29.„Het Volk" hat 45 Kandidaten aufgestellt, die Progressisteil 33,die Nationalisten 16, die Arbeiterpartei 13, Parteilose und Unab-hängige 31. Es wird angenommen, daß„Het Volk" die Mehrheitim Parlament erhalten, aber aus Rücksicht auf die anderen Parteienein Koalitionsininisterium bilden wird.Das Wahlresultat wird mit Spannung erwartet.»»Die russische Revolution.Die Kadetten.Von ihrem Moskauer Sieg berauscht, machen die Kadetten— drei Wochen vor dem Zusammentritt der Duma— eine schroffeWendung nach rechts und richten alle ihre Kräfte auf den Kampfmit den revolutionären Parteien. Eine scharfe Grenze zwischensich nnd den linken revolutionären Parteien zu ziehen, ihreaufrichtige konstitutionelle Gesinnung zu belveisen und zu zeigen,daß sie auf der Basis der vom Ministerium Witte- Durnowogeschaffenen Grundgesetze zu arbeiten gewillt sind, das ist vor allemdie Aufgabe der Kadettenpartei und ihrer Presse im gegenwärtigenAugenblick, wo es sich endgültig herausgestellt hat, daß man— imVergleich mit der ersten Duma— einen erheblichen Zuwachs derVertreter der linken und der sozialistischen Parteien erwarten kann.Nicht der Kampf mit der Regierung und der Reaktion beschäftigtdie Kadetten in den letzten Tagen die Wahlkampagne, sondern derKampf mit der Revolution und das Bestreben, die Bevölkerung durchdas„rote Gespenst" einzuschüchtern.In Petersburg gilt der Kampf der Kadetten in erster Linie demBlock der Linken. Nachdem sie ganze l'/s Monate lang mit denLinksparteien um ein Mandat gefeilscht hatten, treten sie jetzt, einpaar Tage nach der Bildung des Linksblocks, zwei von ihren Man-baten ab: das eine nn Prof. Maxim Kowalewskh, derpolitisch rechts von den Kadetten steht und als Präsident d«Reichsdunia in Betracht kommt, das andere an den PriesterGrigori Petrow, eine in politischer Beziehung ziemlich farblosePersönlichkeit, die aber unter der Kleinbürgerschaft Petersburgs großePopularität genießt.I s g o j e w, einer der Publizisten des KadettenorgauS„Rietsch"�'ehemaliger Sozialdemokrat, jetzt enragierter Sozialistenfresser,schreibt mit Bezug auf deir eventiiellen Sieg deS Linksblocks folgendes:„Den Sieg des Linksblocks würden dieministeriellen Zeitungen als eine Niederlage der Kadettenbegrüßen.... Während die Moskauer Wahlen von allen alsBeweis dafür anerkannt wurden, daß es des Volkes klarer undfester Wunsch sei, das russische staatliche Leben nach europäischemVorbild ilmzugestalteii, wird ein Sieg des Linksblocks bloß als eineeinfache Demonstration gegen die Behörde ausgefaßt werden undkeine ernstere Bedeutung haben. Es gibt nichts Schlimmeres, alswenn ein Volk, das zu revolutionärem Auftreten noch nicht ge-»ügend vorbereitet ist, in die Volksvertretung revolutionäre Deputierte entsendet...."—Der Leader der Kadcttenpartei, M i l j u k o w, läßt sich in derBekundung seines Triumphes über den Moskauer Sieg in der„Nowj", dem Moskauer Organe d« rechtsstehenden Kadetten,folgenderniaßen vernehmen:„Moskau hat ein klares und bestimmtesWort gesprochen. Es hat durch seine Abstimmung gezeigt, daßman sich durch niemand bewegen lassen werde, auch nur einen Fingerbreit von den einmal ausgedrückten Volkswünschen abzuweichen...und daß das Volk fest gesonnen sei, sich das, was ihm zukonimt, mitetwas sichereren Mitteln zu erringen, als eS die Dezemberbarrikaden inMoskau gewesen sind. Moskau hat eS»ach langen Monaten derentsetzlichsten Oualen ausgesprochen, denen eS seitens der„echtrussischen" Herren unterworfen wurde. Moskau hat dieses Wort ge-sprachen, obwohl man sich so viel Mühe gegeben hat, es durch denroten Lappen zu reizen und blindlings in ein politisches Abenteuerhineinzutreiben. Ja, von nun ab kann kein Zweifel, kein Streitmehr bestehen: Der Moskauer ist Bürger, er hat sich diesesEhrennamens würdig gezeigt."Also wohlgemertt: Jenes Banner, unter dem das russischeProletariat so viel Blut vergaffen hat, um eben die„Konstitution"zu erkämpfen, dank der die Herren Kadetten jetzt berufen sind, dasStaatssteuer zu lenken, dieses Banner hat sich jetzt ia einen»rotenLappen" verwandelt IWahrlich, Herrn Stolypin darf eS leid tun. daß er dem Miljukowden Zutritt zur Duma verwehrt hat. Der Mann berechtigt zu denschönsten Hoffnungen IUebrigenS bleibt es nicht bei Worten. ES folgen kadettifche„Taten". Nach ihrem Siege in Moskau scheinen die Kadetten ihrVersprechen gänzlich bergessen zu haben: auf jeden Fall eine»Deputierten von den Arbeitern i» die Duma zu bringen. Sie stellenetzt nur 4 Kadetten als Dumakandidaten auf, so daß die MoskauerArbeiterschaft in der Dtima nicht vertreten sein wird.--- Voll gerechter Empörung über diese HandlungStveise haben die Arbeiter derKuschnerewschen Buckdruckerei einen von 394 Personen unterzeichneten,an die Partei der Volksfreiheit gerichteten Brief veröffentlicht. Sieweisen darauf hin, daß die Arbeiterkurie, die nur 19 Wahlmännergewählt habe, die Interessen von 79 999 Arbeitern vertrete; diePartei der Volksfreiheit aber, die in der städtischen Kurie 139 Wahl-mäniter durchgebracht habe, vertrete, wie aus der Wählerliste hervor-gehe, im ganzen nur 55 999 Personen! Diese im höchsten Gradeungerechte Vertretung sei galizuild gar die Folge deS bestehendenWahlgesetzes, welches in den Grenzen des Möglichen von den Volks-Vertretern selbst korrigiert werden müßte. In Anbetracht dessenbestehen die Absender des Briefes darauf, daß der Arbeiterkurieebenso viele Dumasitze zugesprochen werden wie der städtischen Kurie,d. h., daß die l9 Wahlmann« der Arbeiter gleich den 139 Wahl-niännern der städtischen Kreise 2 Deputierte wählen dürfen.Dieser Brief hat unter den Arbeitern großes Aufsehen hervor-jerufen,« wurde in allen Fabriken und Werkstätten lebhaft be-prochen und die Mehrzahl der Arbeiter beschloß, sich der in ihmausgesprochenen Forderung anzuschließen. Es läßt sich indessenvoraussehen, daß dies auf die Kadetten wenig Eindruck machenwird. Sie sind jetzt ganz vom Drange nach rechts erfüllt.und ihre Bestrebungen finden bereits ein lebhaftes Echo bei den ge-mäßigten kollstitlltioiielleii Elementen. Das Petersburger Komiteeder„Partei der demokratischen Reformen" hat seine Parteimitgliederbereits aufgefordert, für die Kadetten zu stimmen, und das Zentral«