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Nr. 280.

Erscheint täglich außer Montage. Preis pränumerando: Biertel­fährlich 3,30 Mart, monatlich 1,10 mt, wöchentlich 28 Bfg frei in's Haus. Einzelne Nummer 6 Pfg. Sonntags- Nummer mit tlluftr. Sonntags- Beilage Neue Welt" 10 Pig. Post- Abonnement: 8,30 Mt.pro Quartal. Unter Kreuz­ band : Deutschland u. Desterreich­Ungarn 2 Mt., für das übrige Ausland s Mr.pr.Monat. Eingetr. in der Post- Zeitungs- Preisliste für 1892 unter Nr. 6652.

Vorwärts

9. Jahrg.

Infertions- Gebühr beträgt für die fünfgespaltene Petitzeile oder deren Raum 40 Pfg., für Bereins- und Bersammlungs- Anzeigen 20 fg Inferate für die nächste Nummer müffen bis 4 Uhr Nachmittags in der Expedition abgegeben werden. Die Expedition ist an Wochen­tagen bis 7 Uhr Abends, an Sonnt und Festtagen bis 9 Uhr Wor: mittags geöffnet.

Fernfpred- urdu 3mt 1, Nr. 4186.

Berliner Bolksblatt.

Zentralorgan der sozialdemokratischen Partei Deutschlands .

Redaktion: SW. 19, Beuth- Straße 2.

31, Monate Fabrikarbeiterin."

Dienstag, den 29. November 1892. Expedition: SW. 19, Benth- Straße 3.

den Ehrgeiz" der Frau Wettstein- Adelt hätten und mehr- fratie den einzigen einheitlichen Standpunkt zur Kritik und monatliche Studien in Arbeiterkreisen machten; selbst bei Beseitigung dieser Verhältnisse bietet. Sie erkennt zwar an, Schnellphotographien" täme noch immer mehr für die daß in sozialdemokratischen Arbeiterfamilien meist bessere soziale Erkenntniß der betreffenden Redaktion heraus, als Wirthschaft herrscht, als anderswo und daß über turz oder In eine ganz komische Entrüstung sind die sächsischen bei Bier- und Statreisen. lang Arbeiterin und Sozialdemokratin gleichbedeutend sein und außersächsischen Unternehmerblätter über die Schilde- In Wahrheit hat offenbar Frau Dr. Wettstein gar dürfte. Aber an anderen Stellen spricht sie wieder davon, daß rungen aus dem Leben der Fabrifarbeiterinnen gerathen, feine wissenschaftliche Schrift liefern wollen, an die man die Sozialdemokratie der Hebung der Verhältnisse den Weg welche eine Schriftstellerin aus der bürgerlichen Frauen- irgend welche methodologische Anforderungen stellen versperre". Die hämische Behandlung, welche ihre Schrift emanzipations- Bewegung dieser Tage veröffentlicht hat. müßte. Sie giebt Stimmungsbilder namentlich aus dem in der Bourgeoispresse findet, obgleich sie selbst noch An­Eine Frau Dr. Minna Wettstein- Adelt reiste ein Biertel- Chemnitzer Arbeiterinnenleben, schlichte Erzählungen, die gehörige der bürgerlichen Gesellschaft ist, wird Frau jahr in sächsischen, bayerischen und schweizer Jndustrie- wie gefagt, manchmal geschickter in der Form Dr. Wettstein wohl davon überzeugen, wer den Weg ver­orten herum, arbeitete theilweise in den Fabriken selbst be- und deren einzelne Fälle präziser umschrieben sein sperrt", der Kapitalismus oder die Sozialdemokratie. suchte in der übrigen Zeit die Wohnungen und inter - tönnten aber sie reißt doch als Bürgerliche so Und wenn die Verfasserin es nicht beim ersten dilettanti­haltungslokale der Arbeiter und suchte im mündlichen Ver- muthig den Schleier von all' dem Glend und Grauen, schen Anlauf, der aber ihren besten Willen gezeigt hat, be­fehr mit den Leuten möglichst viel zu lernen. Nun hängt welches in den Regionen der Arbeiterinnen herrscht, daß sie wenden läßt, so tann sie noch eine tapfere Mitstreiterin im dieser Dame aus der Bourgeoisie natürlich noch ein Theil nicht einfach zum großen Haufen der Lina Morgenstern 2c. wirklichen, ehrlichen Kampfe um die Befreiung des aller jener unangenehmen Eigenschaften an, welche nnfere zu werfen ist. Lohnstatistiken, gewissenhafte Bahlenreihen Proletariats werden. Bourgeoisie auszeichnen. über die Arbeitszeit und Miethpreise darf man in dem Die Frau Doktor prahlt gerne mit ihrem Wagniß" Buche nicht fuchen. Aber wie die Arbeiterfrauen und und schreibt auf den Titel ihres Buches( Verlag von J. Mädchen durch die wirthschaftliche Noth förperlich und geistig Leiser, Berlin 1893) 3 Monate Fabrit Arbeiterin", verkommen, wie das kapitalistische Lohnsystem die Arbeiterehe

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zur Frazze verzerrt und die Keuschheit bes Mädchens zur Waare Politische Meberlicht.

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Wir haben die guten Seiten des Reichstagswahlrechts nie verfannt. Aber wir halten es für ein Unrecht, welches auf die Dauer verderblich wirken muß, daß die Stimme des gebildeten Mannes im Rathe der Nation nicht mehr wiegt als das Ur­theil von Leuten, die sich widerstandslos von jeder Agitation hin- und herwerfen lassen."

während sie thatsächlich diese Zeit nve zum Studium der Verhältnisse benutzt hat, nicht aber fortwährend aktive der Bourgeoisie und auch für Arbeiter und Soldaten ge­Berlin, den 28. November. Fabritarbeiterin war. Sie ist ferner nicht so geschult in macht hat, wie in den Fabrikfälen Leib und Seele ver­der systematischen Darstellung ihrer Beobachtungen, daß fie borben werden und in den Wohnhöhlen der Proletarier Gegen das allgemeine gleiche Wahlrecht schreibt verschiedene Orte und verschiedene Zeiten gehörig auseinander- oft ein verwahrloftes Kindergeschlecht aufwächst, dies schildert die Kölnische Allerweltsmege gelegentlich der Ahlwardt'schen htelte; ihre Einleitung" erweckt den Eindruck, Eindruck, als die Verfasserin in Augenblicksbildern, die sehr willkommen zu Wahl: handle es sich lediglich um Arbeiterinnen von Chemnitz heißen sind, und die, soweit wir sehen können, auch nichts und Umgebung; in Wirklichkeit werden Erfahrungen anderes sein sollen, als Momentphotographien nach dent aus anderen Gegenden unter die sächsischen gemengt. Jeder Leben. Daß die Porträts getroffen sind, geben die sächsischen Redakteur des fleinsten Blattes unserer Partei würde Industriellen indirekt zu, indem sie sich auf die schlechte vermuthlich seine Mittheilungen sorgfältiger abzufassen Lage der Chemnizer Industrie berufen wahrscheinlich sieht wissen, als diese bürgerliche Dame, die nach Mädchen- es bei der schlechten Lage" in den Villen der Wie es mit der Stimme des gebildeten Mannes" gymnasien ruft und sich dabei hin und wieder selbst Ver- Industriellen ähnlich aus, wie in den Wohnhöhlen der steht, zeigt das preußische Abgeordnetenhaus. Der ge­Stöße gegen die Regeln der deutschen Sprache zu schulden Arbeiter, welche die Frau Wettstein besuchte? bildete" Mann und obenan die Kölnische Zeitung " stand tommen iäßt. Wenn man also gegen die augenscheinlichen Mängel 1863 allgemein gegen die Bismard'sche Regierung, deren Alle diese Schwächen der Schrift können dem Leser nicht der Schrift nicht blind zu sein braucht und außerdem noch Anhang im Abgeordnetenhause auf 11 Mann gefunden war. verborgen bleiben, und es fragt sich nun, ob hinter der unvermissen muß, daß die Verfasserin die Noth als Ursache Das Kainszeichen des Eidbruchs sah Gneist auf der Stirn richtigen Form ein Inhalt zu finden ist, der auf richtigen und die geistige Verkommenheit als Wirkung nicht genug des Kriegsministers v. Roon. Die Vorgänger der Baare Beobachtungen beruht und bei dem der Muth einer offenen auseinander gehalten hat, so könnten doch die traurigen und Stumm, die rheinisch- westfälischen Fabrikanten, die Aussprache zur Geltung kommt. Diese Frage stellen aber Schilderungen der Bourgeoisie ein grauenerregendes Mene Heiligen der Kölnischen" standen im oppositionellen Lager, die bürgerlichen Blätter gar nicht, die sich in so komischer tekel an der Wand sein und sie zur Umkehr und die Treitschke und Sybel stroßten von freisinniger Ge­Weise über die bürgerliche Frau Doktor entrüften. Die Einsicht mahnen, wie es die Verfasserin erwartet sinnungstüchtigkeit, und wenige Jahre darauf warfen fie gefammte Unternehmerpresse von den konservativen sächsischen wenn die Verfasserin nicht auch hier noch tief alles in den Schmuth, was sie bisher angebetet, und beteten Amtsblättern herunter bis zur Frankfurter Zeitung " ist in den bürgerlichen Verhältnissen und Anschauungen an, was sie vorher verdammt hatten. Und alles dieses um vielmehr froh, in den äußerlichen Ungeschicklichkeiten und befangen wäre. Sie geißelt den Zynismus und die eines anderen Ahlwardt willen, vor dem der echte Ahlwardt Prahlhansereien des Buches eine Handhabe gefunden zu Blindheit der besitzenden Klassen, die den schlanken Kirch wenigstens etwas voraus hat, den Muth, von dem Bismarc haben, um an der bürgerlichen Frau, die immerhin den thurm" der Kultur aufbauen wollen, ohne das Fundament nur den besseren" Theil, die Vorsicht, sich weit vom Schuß Muth der persönlichen Nachforschung und des Ausdrucks zu legen, ohne die Noth unten zu sehen; sie spottet über die zu halten, bewahrt hat. ihrer Ueberzeugung gehabt hat, die Strafe der sofortigen ehrbaren Zöchter", die ja auch auf die Sinnlichkeit der moralischen Verbrennung zu vollziehen. Da spricht das schofle Männer spekuliren mit entblößten Armen, Nacken und Leipziger Tageblatt " von Ehrgeiz und Eitelkeit, die Frank Schultern, wie jede Straßendirne". Sie hat erkannt, daß furter Beitung" von sozialer Schnellphotographie" und nur das Portemonnaie der Eltern" den Unterschied macht, ähnlichem, und es tönnte doch den Redakteuren dieser und hat sich doch noch nicht zu der Konsequenz dieser An­Blätter gar nichts schaden, wenn sie auch nur einmal schauungen durchringen können, daß dann die Sozialdemo­

Feuilleton.

Nachbruc verboten.)

Bel- Ami. Roman

von Guy de Maupassant .

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Er fuhr fort: Was liegt schließlich an etwas mehr oder weniger Genie, wenn doch alles enden muß!" Er schwieg. Duron, der heut Abend guter Laune war, fagte lächelnd:" Sie sehen doch wohl zu schwarz, theurer Meister!"

Sie mich noch nicht, aber Sie werden sich vielleicht später an meine Worte erinnern.

Ein Tag kommt, und er kommt oft sehr bald, wo es sich ausgelacht hat, wie man so sagt. Denn hinter allem, was man sieht, erblickt man den Tod. D! jetzt verstehen Sie nicht einmal das Wort Tod". In Ihrem Alter hat es keinen Inhalt. In meinem aber ist es schrecklich.

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Pindter'sche Weisheit zu Ahlwardt's Wahl. Die offiziöse Norddeutsche Allgemeine Zeitung" findet es er klärlich, daß die sozialdemokratische Bewegung um fich greifen konnte. Die rücksichtslose Ueberspannung des manchesterlichen Prinzips und die gefliffentliche Verlästerung

Was erwarten Sie? Liebe? Noch ein paar Küsse, und es ist vorbei.

Oder was sonst? Geld? Wozu es erwerben? Um sich Weiber zu kaufen? Ein nettes Glück! Oder um viel zu effen, und dann fett zu werden und ganze Nächte hierdurch unter den Dualen der Gicht zu stöhnen?

Oder was sonst? Ruhm? Was nüßt er, wenn man ihn nicht mehr unter der Form der Liebe genießen kann? Ja, mit einem Male begreift man es, man weiß nicht Und dann? Dann? Am Ende heht immer der Tod. Ich sehe ihn jetzt so nahe vor mir, daß ich oft die Hände Norbert von Varenne sprach mit klarer aber ge- warum, noch weshalb, und dann ändert alles im Leben dämpfter Stimme; hätte er sie nicht zurückgehalten, so seinen Ausdruck. Seit fünfzehn Jahren fühle ich ihn in ausstrecken möchte, um ihn zurückzustoßen. Er bedeckt die würde sie in der Stille der Nacht laut getönt haben. Er mir arbeiten, als wenn ich ein nagendes Thier in mir Erde und erfüllt den Raum. Ueberall habe ich ihn ent­schien erregt und traurig zu sein. So eine Traurigkeit bätte. Ich merke, wie er mich allmälig, Monat für Monat, deckt. Der Wurm, der auf dem Wege zertreten ist, die überkommt zuweilen die Seele und läßt sie zittern, wie die Stunde für Stunde wie ein baufälliges Haus abbricht. Er fallenden Blätter, das erste weiße Haar, das ich im Bart hat mich so völlig verändert, daß ich mich nicht mehr eines Freundes entdeckt: es zerreißt mir das Herz und ruft Erde unter dem Frost. wiedererkenne. Ich bin nicht mehr ich, ich, der frische mir zu: Da ist er!" starke Mann, der ich mit dreißig Jahren war. Ich sah Er verleidet mir alles, was ich treibe, alles was ich ihn meine schwarzen Haare weiß färben, und wie sehe, was ich effe, was ich trinke, alles was ich liebe, das langsam that that er es in absichtlicher Grausamkeit! Licht des Mondes, den Sonnenaufgang, das weite Meer, Er nahm mir meine glatte Haut, meine Muskeln, meine die schönen Ströme und die Luft der Sommerabende, die Zähne, ja, meinen ganzen früheren Körper raubte er mir milde, süße Luft." So bin ich immer, mein Kind," erwiderte der Dichter, und ließ mir nichts als eine verzweifelte Seele, die er mir Er war ein wenig außer Athem gekommen und ging und in wenigen Jahren werden Sie auch so fein. Das auch wohl bald holen wird. langsamer. Er hatte wohl beinahe vergessen, daß ihn jemand Leben ist ein Berg. So lange man hinaufgeht, sieht man Ja, zerbröckelt hat mich der Tod, der Bettler; un höre und träumte laut vor sich hin. nur den Gipfel und fühlt sich glücklich; wenn man aber merklich, aber furchtbar hat er in jeder Sekunde an der oben angekommen ist, sieht man plötzlich den Abstieg vor Bernichtung meines Wesens gearbeitet. Und jetzt fühle ich sich und das Ende. Und das Ende ist der Tod. Aufwärts in allem, was ich thue, wie ich sterbe. Jeder Schritt nähert geht es langsam, aber rasch hinab. In Ihrem Alter ist mich ihm; jede Bewegung, jeder Athemzug wirkt für ihn man noch fröhlich. Man hofft noch auf so vieles, das sein verhaßtes Wert. Athmen, schlafen, trinken, arbeiten, übrigens nie tommt. In meinem erwartet man nichts träumen, turz alles was wir thun, heißt sterben! mehr nur noch den Tod."

Sie können einem ja Angst machen," lachte Duroy.

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Er fuhr fort: Und nie tommt ein Wesen wieder, nie... Die Formen der Bildsäulen hebt man auf, die Abgüsse und ähnliche Gegenstände stehen aus ihnen stets wieder auf; aber mein Körper, mein Gesicht, meine Ge­danken, meine Wünsche erscheinen nie wieder. Und doch werden Millionen, Milliarden Wesen geboren, die in wenigen Oh! Auch Sie werden es begreifen. Wenn Sie nur Quadrat- Zentimetern Nase, Augen, Stien, Wangen und eine Viertelstunde darüber nachdenken, werden Sie es ein Mund wie ich, die eine Seele wie ich haben, ohne daß ich doch je wiederkehre, ich, ja, ohne daß sogar auch

Norbert von Varenne fuhr fort: Nein, heute verstehen sehen.