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könnten, so daß die Beratung derjenkgen Entwürfe, die Bereits dem aufgelösten Reichstag vorgelegen hätten. Bis zur nächsten Herbsttagung verschoben werden. Die Regierung will also einstweilen nur den Etat unter Dach vnd Fach bringen. Die Anträge der Fraktionen werden auf den Herbst verschoben werden, ebenso d i e A n t r S g e, die bis dahin die Legierung einzubringen für opportun halten wird. Sozialdemokratie und Sozialpolitik. Von Bismarck   stammt das Wort: Ohne Sozialdemo- kratie keine Sozialpolitik. Graf Posadowsky gab der Sozialdemokratie das Prädikat: Arbeiterpartei! Ein ministerielles Bekenntnis lautet: Alle Gesetze werden geprüft in ihrer Wirkung aus die Sozialdemo. kratie. Diese Zeugnisse haben nicht verhindert, daß unter Leitung des Reichsverbandes zur Verleumdung der Sozialdemo- kratie die ganze Ordnungspresse, einschließlich der offiziösenNord- deutschen Allgemeinen Zeitung", fortgesetzt die Lüge verbreitet, die Sozialdemokratie sei antisozial und arbeiterfeindlich. Ohne es zu wollen, führt nun dieArbeitgeber-Zeitung" den Schwindlern in die Parade. Sie bekämpft die Sozialpolitik als eine verderbliche Konzession an das wirtschaftliche Ideal der Sozial demokratie. Das Blatt läßt sich in seiner Nummer vom 24. Februar 1907 also vernehmen: »In seiner Antwort aas das Glückwunschschreiben des .Zentralverbandes deutscher Industrieller" hat Fürst Bülow  ausdrücklich festgestellt, daß die Lasten der staatlichen Sozial reform in überwiegendem Maße von der deutschen   Industrie getragen werden. Es ist wohl kaum anzunehmen, daß er und seine Mitarbeiter sich über die Folgen in Unklarheit befinden, welche die etwaige Ueberlastung der eigentlichen Träger der Sozialreform für die Gesamtheit der Nation nach sich ziehen müßte. Zum anderen aber würde es auch einen bösen Verstoß gegen die Logik bedeuten, wenn man regierungsseitig seine ganzen Hoffnungen auf die Mitwirksamkeit einer Politik setzen wollte, die zum letzten Ende dem wirtschaftlichen Ideal einer Partei nachzukommen sucht, welche man gerade im Hinblick auf ihre wirtschaftspoliti- scheu Bestrebungen bis aufs Messeu be- kämpft."-_. Die Fleischnot und das badische Ministerium. Die badischen Städte haben eine Eingabe an das Mini­sterium gerichtet, damit Maßregeln zur Linderung der Fleisch teuerung ergriffen werden. Das Ministerium hat nun auf die Eingabe folgendes geantwortet: Die Regierung hat den badischen Bevollmächtigten zum Bundesrat angewiesen, behufs Abhülfe gegen die «ingetretene Fleischteuerung für eine beschränkte Oeff- nung der Grenze und zwar insbesondere für die Zulassung lebenden Schlachtviehes aus Holland   und Dänemark  einzutreten. Für die gleiche Maßnahme auch Frankreich  gegenüber konnten wir uns wegen der erheblichen Ausbreitung der Maul» und Klauenseuche in diesem Lande, die auch gegen- wartig noch andauert, und auf welche mit großer Wahrscheinliche keit auch der Ausbruch der Seuche im Oberelsaß und sodann im Großherzogtum zurückzuführen ist. nicht aussprechen. Im übrigen möchten wir auf die Erklärung des Reichskanzlers bei den Verhandlungen über die Interpellation über die Fleisch teuerung im Reichstage verweisen und beifügen, daß, nachdem die preußische Regierung als zuständige Behörde des an Holland  und Dänemark   angrenzenden Bundesstaates die Zulassung lebenden Schlachtviehes dieser Herkünfte wegen seuchenpolizeilicher Bedenken abgelehnt hat, wir zu unserem Bedauern nicht in der Lage sind, weitere Schritte in der gedachten Richtung zu übernehmen. Baden wäre also bereit gewesen, Vieh tmS Holland und Däne­ mark   zuzulassen, aber Preußen wollte nicht und dem gegenüber kann Baden nichts machen. Und in Preußen triumphieren die Agrarier, die auf die Klagen über die Fleischteuernng hohnlachend mit einem Hinweis auf die hunderttausende Wähler antworten, die trotz der agrarischen Lebensinittelverteuerung dem nationalen Block Heeres- folge leisteten._ Forcierter Zeugniözwang. Aus Hallo a. S. wird uns vom 28. Februar geschrieben: In dem heutigen Termin im Preßprozeß gegen den Genossen Redakteur Thiele vom.Volksblatt" zu Halle sind vom Schöffengericht die Redakteure Genossen Molkenbuhr, Däumig und Fröhlich, der Berichterstatter Ebelin g und der frühere Metteur Kochanskh als Zeugen geladen. Wenn das so weiter geht, könnte man schließlich auch noch den Kehrjungen, die Austräger und die 27 000 Abonnenten desVolksblatt" als Zeugen laden. Auch sie könnten ja wissen, wer den Artikel geschrieben hat, durch den sich Rechtsanwalt Suchsland beleidigt fühlt. Bekanntlich ist der Artikel nicht von Thiele, sondern von Molkenbuhr verantwortlich ge- zeichnet worden. Molkenbuhr übernahm auch die Verantwortung: er wurde ober wegen Zeugnisverweigerung bereits mit 75 und 150 M. Geldstrafe belegt. Rechtsanwalt Suchsland vermutet in Thiele den Verfasser dcS Artikels. Eine spätere Meldung sagt: Im Prozeß des Genossen Thiele wurde Genosse Däumig vom Schöffengericht nnt 100 Mark Geldstrafe belegt und in Zlvaugshaft genommen. Die Zeugniszwangfolter findet stets aufs neue Anwendung? Ob die.lonservativ-liberale" Paarung ihn endlich beseitigen wird? Warten wir's ab I____ Eine neue Terrorismuslüge hat dab Regierungsblatt, dieN o r h d. A l l g. Z t g.Vbrüh- warm derlinksliberalen"Chemnitzer Allge- meinen Z c i t u n g" entnommen. Ein grausiger Fall «sozialistischen Terrors" gegeneinen unorganisierten Werk­meister, der sich nicht zur Sozialdemokratie belehren lassen wollte", wird geschildert. Die gruseligsten Stellen lauten: Am 7. d.' M., als der Werkmeister gegen 1�2 Uhr in den den Jabriksälen erschien, pfiff plötzlich einer der sozialistischen  Führer. Sofort kamen 5080 Mann an das Kabinett des Werk- meisters, der völlig umzingelt wurde. Alsbald flogen Gußstücke gegen das Kabinett.Schlagt ihn tot, den Lump" und ähnliche Worte fielen in Menge. Einer der Hauptbeteiligten drang dann in das Kabinett ein und drohte dem Werk- meister mit Totschlagen.... Am 8. Februar soll dann ein erneuter Angriff erfolgt lein. Darüber heißt es unter anderem: Die ganze Menge der Angreifer drängte nun ihr Opfer gegen einen mit Eisenteilen beladenen Wagen, der im Hofe stand. Wiederum fielen Faustschläge ohne Zahl. Dabei ließen cS jedoch die Unmenschen nicht bewenden. Sie begannen Gußstücke gegen ihn zu schleudern. Eisen st ücke im Gewichte biszu40Kilogramm. denen der Bedrängte.nur mit Mühe entging.. sderrohenGesellensuchtenihndurch das Fenster des Magazins zu stoßen.... Am Kops und an der Seite wurde der Mißhandelte schwer ver- letzt, und daß die geschleuderten 15 bis 25 Pfund schweren Eisenstücke das Opfer der Terroristen nicht zeitlebens zum Krüppel machten, ist jedenfalls den Unholden nicht zu danken." So der sensationelle Bericht. Wie verhält sich die Sache in Wirklichkeit? Unserem Chemnitzer Parteiblatt, der »Volks stimme", wurde am Sonnabend von MLänKiger Stelle über den betreffenden Fall geschrieben.' ..... Der fragliche Artikel strotzt so sehr von Uebertceibungen und Entstellungen, daß man sich nur wundern mutz, wie ein Blatt seinen Lesern derartige Schauergeschichten auftischen kann. Denn schon die Stelle, daß dem Werkmeister Eisenstückc bis zu 40 Kilo Schwere nachgeworfen worden seien, gehört in den Bereich der Lächerlichkeit. Jeder denkende Mensch weiß, daß das ein Ding der Unmöglichkeit ist. Auch ist es unwahr, daß von den organi- sierten Arbeitern oderGenossen", wie es in dem Artikel heißt, versucht worden sei, den Werkmeister Müller für sich zu gewinnen. Dieser war vielmehr den Arbeitern schon aus seinen früheren Stellungen her genügend bekannt-, so daß die Arbeiter von vorn- herein nicht viel Angenehmes von ihm erwarteten. Er hat denn auch in der Tat die Arbeiter nicht behandelt, wie sichs gehört und ihnen in verschiedenen Fällen Abzüge gemacht, nur um dadurch seine eigene Position zu befestigen. Lohnreduzierungen bis zu 75 Proz. wurden durch ihn vorgenommen. Auch als Bauunternehmer ist dieser Meister Müller schon einige Jahre tätig gewesen und hat vor einiger Zeit Beweise seiner Schlagfertigkeit dadurch geliefert, daß er in einem Restaurant einen Arbeiter derart mit einem Spazierstocke bearbeitete, daß dieser einige Tage trank war. Der Täter wurde vom hiesigen Schöffengericht zu 75 M. Geldstrafe verurteilt.... Der Anlaß, daß einige Arbeiter sich doch einmal nicht mehr beherrschen konnten und sich zu Tätlichkeiten hinreißen ließen, wurde dadurch gegeben, daß der Meister Müller einen Bohrer matzregelte.... Zu begreifen, wenn auch nicht zu entschuldigen, ist es daher, daß sich einige Arbeiter zu Tätlichkeiten hinreißen ließen, die dann auch entlassen wurden. In einer kurz nach diesem Vorfall ab- gehaltenen Betriebsversammlung wurde die Handlungsweise dieser Arbeiter von dem anloesenden Organisationsleiter scharf verurteilt.... Schließlich sei noch mitgeteilt, daß die wegen des Vorfalles in der Maschinenfabrik Kappel   entlassenen 4 Arbeiter weder für die Gewerkschaften noch für die sozialdemokratische Partei irgendwie tätig waren. Die Behauptung derAllgemeinen Zeitung  ", daß es bekannteVorkämpfer" für die Sozialdemokratie seien, ist also völlig unwahr." Aus dieser Feststellung geht zur Genüge hervor, welche infame Lüge es ist. in diesem Falle von sozialdemokratischem Terrorismus zu reden. Aber das geniert natürlich dievor- nehme"Nordd. Allg. Ztg.", das Blatt des Kanzlers, nicht. Oder wird sie so ehrlich sein, die Darstellung der Volksstimme" nun auch ihren Lesern zu unterbreiten? Die Entgegnung des Genossen Peus im Anhaltischen L a n d t a g e auf die(von derNordd. Allg. Ztg." wieder- gegebene) M o r d g c s ch i ch t o, die der Staatsminister Dallwitz dort vortrug, hat das vornehme Kanzlerblatt, das ich bei jeder Gelegenheit über den schlechten Ton der Sozial- demokratie entrüstet, natürlich nicht gebracht, obgleich es diese Entgegnung aus der Sonntagsnummer desVorwärts" hätte entnehmen können. Ebensowenig hat es dieVossische Zeitung" getan, die am Freitagbedauerte", daß ihr nicht mitgeteilt sei. was Peus auf diese furchtbare Anklage" erwidert habe. Verleumde die Sozialdemokratie frech, berichtige niemals! Nach dieser Maxime des Reichs- Verleumderverbandes wird jetzt die bürgerliche Presse redigiert, voran dievornehme"Vossin" und die nochvornehmere" Nordd. Allg. Ztg."._ Bülow und die reichslöndischc Verfassung. Der elsaß  - lothringische Landesausschuß ist primär gesetzgebender Faktor neben Kaiser und Bundesrat, silbsidiär ist auch der Reichstag  ein Faktor in der Gesetzgebung des Landes. Beschlüsse des Landes- ausschusses müssen zur definitiven Beschlußfassung dem Bundesrat überwiesen werden. Dies ist bei einem vorjährigen Beschluß des LandesallsschusseS. den Reichseisenbahnfiskus in Elsaß-Lothringen   zu»- Gewerbesteuer heranzuziehen, nicht geschehen. Der Beschluß wurde vom Reichskanzler w selbstherrlicher Art mit eine«' Kritik >er elsaß-lothringischen Regierung zurückgesandt. Um diesem ver assungswidrigen Gebahren einen Riegel vorzuschieben, ist dem Landesausschuß von der liberalen Fraktion folgender Antrag zu- gegangen: Der Landesausschuß wolle beschließen: die R e g» e r u n g zu ersuchen; dafür zu sorgen, daß die vom Landesausschuß be- schlossenen Gesetzentwürfe dem Bundesrat zur verfassungs- mäßigen Beschlußfassung vorgelegt werden. Das Zentrum empfiehlt sich. Die Stunde des Zentrum? wird schon wieder kommen" schrieb dieKölnische Volkszeitung" am Freitag und am Tage darauf erklärte das Blatt genauer, wie eS sich ms Verfahren denkt, das zu einer Wiederannäherung an die Regierung uhren soll. Lange Zeit, so heißt eS, könne dienationale Herrlich- keit" nicht dauern: Wenn zu Weihnachten dieses JahreS die neue Flotten- Vorlage kommt, wird man schon bedenklicher werden, ganz sicher aber wird der Freisinn sich zu drücken suchen, wenn es dann die Deckung der bewilligten Ausgaben durch neue Steuern gilt. ES wird sich hart machen, daß die Parteien des RegierungSblockeS sich auf ein neues Steuer- Programm einigen, weil die Freisinnigen in erster Linie die Abschaffung der Branntweinliebesgabe erstreben, während die Konservativen verlangen, daß die Börse noch mehr bluten soll. Unter Umständen kann die Blockherrlichkeit ja auch schon viel früher zu Ende g«hcn. aber keinesfalls dauert sie länger, als bis zu dem nächsten größeren Steuergesetz. Dann wird Fürst Bülow   falls er inzwischen nicht vom Lucanus heimgesucht ist sich anders orientieren müssen." Wir zweifeln auch nicht daran, daß Regierung und Zentrum sich schon bald wiederfinden werden, es müßte denn der Freisinn die Neigung haben, zur Erhaltung der konservativ-liberalen Majorität der Regierung in Flotten- und Steuerftagen ebenso zu Willen zu sein, wie eS das Zentrum war und wie es gern wieder sein möchte._ Auch eine Gründung. Die Erfolge deS Kolonialgründers Dernburg lassen die noch unentdeckten Gründergenies nicht mehr schlafen. So hat sich, wie wir derBerliner Voltszeitung" entnehmen, eine anonyme Ver­einigung deutscher Sozialisten gebildet, die den Sozialismus aus den Fesseln der Sozialdemokraten befreien und an Stelle des unduld- samen Klassenkampfes mit seinemHerauspressen von Partei- beitragen" und seiner Terroristerung der Massen einen geläuterten Sozialismus schaffen will. Diese Gründung geht wunderbarerweise von Lübeck au«. Ihre Initiatoren sind selbstverständlich den Lübecker   Genossen genau so unbekannt, wie den Genossen irgend eines anderen deutschen   OrteS. ES handelt sich nur um den beispiellos blöden Versuch, in der momentanen Situation im Trüben zu fischen. Daß irgend ein bisher in der Parteibewegung tätiger Genosse hinter diesen anonymen Hanswursten steht, ist vollständig a u S- geschlossen. DieLolkszeitung" hätte wirklich nicht nötig ge­habt, nachdem sie den Prospekt dieser Gründung in einem Seit- artikel ausführlich wiedergegeben, noch scheinheilig hinzuzufügen, daß die Gründung derAnonymität der Gründer wegen lein Vertrauen" finden würde. Ein Polenprozetz. Posen. 24. Februar. Die Zustände, die in derDeutschen Ostmark" der preußisch. hakatistischc Religionskrieg gegen polnische Schulkinder geschaffen hat, werden grell durch einen Prozeß beleuchtet, der am Freitag ppr dem Landgericht in Posen verhandelt wurde, und in dem, wie immer, der Redakteur einer Zeitung der Angeklagte war. In der Nummer 36 desKurher Poznanski" vom 31. Oktober v. I. war ein Artikel enthalten, in dem verschiedene Vorkommnisse bei einer Revision der Volksschule in Labischin geschildert wurden. Nach dieser Schilderung hat dort am 19. Oktober v. I. der Krcisschulinspektor Kempff   bei einer Revision einen Lehrer in sein Amt eingeführt. Bei seinem Eintritt in die Oberklasse der Schule grüßten die Kinder nicht, wie früher, deutsch  , sondern in polnischer Sprache. Der Kreis- schulinspektor habe hierauf sechs der widerspenstigen Knaben über die Bank ziehen und sie mit je fünf Schlägen bestrafen lassen. Dabei habe er zu dem Hauptlehrer geäußert:So etwas dürfenSie sichgarnichtbicten lassen. Jeder, d«er Ihnen die Antwort verweigert, erhält fünf Streiche." In einer anderen Klasse derselben Schule soll der Kreisschulinspektor den Lehrer ermahnt haben, die Kinder zu erzieheninderZucht und ErmahnungzumHerrn". Bei dieser Gelegenheit habe dann der Kreisschulinspektor die Aeußerung getan:Hauen Sie die Kinder, bis das Blut spritz t!" Infolge dieser Reden und der Züchtigungen hatte sich eine große Menschenmenge vor der Schule angesammelt, die eine immer drohendere Haltung annahm. so daß der Kreisschulinspektor sich genötigt sah, zu seinem per» sönlichen Schutze zwei Gendarmen heranholen zu l a s s e n, in deren Begleitung er das Schulgebäude verließ und sich nach dem Bahnhos begab. Durch diesen Artikel hatte sich der Kreisschulinspektor Kempff  beleidigt gefühlt und gegen den verantwortlichen Redakteur genannter Zeitung, Kasimir Ziolkowski, Strafantrag gestellt. In der Ver- Handlung am Freitag, zu der außer drei Lehrern der betreffenden Schule und den beiden Gendarmen auch eine größere Anzahl Schul  - linder in Begleitung ihrer Eltern erschienen waren, erbot sich der Angeklagte, den Wahrheitsbeweis für seine Behauptungen anzutreten. Der Kreisschulinspektor Kempfs, der als erster Zeuge vernommen wurde, bekundete u. a.: Als er in das Schulzimmer trat, fei es ihm aufgefallen, daß die Kinder in ostentativer Weise statt des deutschen Grußes ein unverständliches Murmeln hören ließen. Er habe darauf einige Prüfungen in dem Unterrichtsgegen- stand, der gerade anstand, vorgenommen; als ihm einige Knaben die Antwort verweigerten, habeersiemitjefünfSchlägen bestrafen lassen. Diese Strafe sei an etwa sechs Knaben vollstreckt worden. Er habe allerdings dem Hauptlehrer gesagt:So etwas dürfen Sie sich nicht gefallen lässen"; daß er aber die Aeußerung getan haben könne:Hauen Sie die Kinder, bis das Blut spritzt!" sei ganz unmöglich; das Wort hauen" sei ihm gar nicht geläufig. Auch die drei als Zeugen ver- nommenen Lehrer sagten aus. daß sie diese Aeußerung nicht gehört hätten. Dagegen bekundeten die geladenen Schulkinder,.etwa 12 an der Zahl, das genaue Gegenteil. Die Kinder, Knaben wie Mädchen, die sich sämklich in dem Alter von 13 bis 14 Jahren befinden, sagen übereinstimmend aus,' daß sie von der ersten Klasse nach der dritten gewiesen wurden, wo sie bei der Einführung des neuen Lehrers singen mußten. Hier hätten sie genau gehört, wie bei der Ansprache, die der Kreisschulinspektor an die Lehrer hielt, die Worte gefallen seien:Hauen Sie die Kinder, bis das Blut spritzt!" Die Kinder blieben auch bei ihrer Aussage, nachdem sie wiederholt vom Vor- sitzenden ermahnt wurden, nur die vylle Wahrheit, sonst lieber nichts auszusagen, und trotzdem sie den Lehrern gegenübergestellt wurden. Der Zeuge Urbanowski sagt aus, daß bereits eines seiner inder durch Mißhandlungen in der Schule zum rüppel geschlagen worden sei. Er habe sich deshalb, als er von den neuen Züchtigungen in der Schule hörte, nach dem Schulhause begeben und den Lehrer zur Rede stellen wollen, doch habe er hier weder den Lehrer noch den Hauptlehrer sprechen können. Auch der Zeuge Dukiewicz sagt in ähnlicher Weise aus. Der Verteidiger, Reichstagsabgeordneter v. Chrzanowski, be- antragt hierauf, sämtliche Schulkinder der 1. und 3. Klasse der Schule in Labischin zu vernehmen; der Staatsanwalt schließt sich dem Antrage an, will aber noch die beiden Lehrer Müller und Rümmler, die bei der Einführung zugegen waren, als Zeugen geladen wissen. Beide Anträge werden jedoch vom Verteidiger sowohl wie vom Staatsanwalt zurückgezogen. In seinem Plaidoyer sagt der Staatsanwalt, daß seiner Ansicht nach die Kinder von irgend einer Seite beeinflußt sein müßten. Es sei auch nicht anzunehmen, daß der Kreisschulinspektor die angeführte Aeußerung getan haben könne. Dochgebeerzu.daßsichdie Beweisaufnahme durch die Aussage der Schul- kinder zugunsten des Angeklagten gestaltet habe. Er beantragte eine Geldstrafe von 50 M. Der Verteidiger führte aus: die Beweisaufnahme hat zweifellos die Richtigkeit der be- haupteten Tatsachen ergeben. Die Bestimmtheit, mit der sämtliche Kinder ihre Aussagen trotz der eindringlichsten Ermahnungen gemacht hätten, beweise, daß die erwähnte Aeußerung des Kreis- schulinspektors gefallen sei. Außerdem sei den Kindern ein größerer Glaube zuzumessen, da es ihnen gleich sei, wie der Prozeß ausgehe, während doch der Kreisschulinspektor Kempff   an der Sache interessiert sei. da er, wenn ihm nachgewiesen würde, daß er zur Ueberschreitung des Züchtigungsrechtes und somit zu einer ungesetz- lichen Handlung aufgefordert habe, sich strafbar machen würde. DaS Gericht hielt dagegen den Wahrheitsbeweis für völlig mißlungen und erkannte auf die beantragte Geld st rase von 50 Mark; außerdem wurde dem Kreisschulinspektor die Publikationsbefugnis des Urteils imKurher PoznanKki" sowie in den drei deutschen   Zeitungen Posens zugesprochen. GemrKfcKaftttcKey. verlin und Umgegend* Eine schändliche Verdächtigung des Holzarbeiter-BerbandeS leistet sichDie Fachzeitung der Tischlermeister und Holz» industriellen", Zentralblatt des Arbcitgeber-Schutzverbandes für das deutsche Holzgewerbe. Unter der UeberschriftRache" schreibt das genannte Blatt in seiner Nummer vom 24. Februar: Bei einer hiesigen Firma lief ein Berliner   Stadtpostbries ein. derAn die Tischler" der betreffenden Firma adressiert war. Der Betriebsinhaber gab den Brief selbstverständlich an die wenigen(Nichtorganisierten) Arbeiter ab. die in seiner Werk- statt arbeiten. VSn diesen wurde ihm das Schriftstück zugäng-' lich gemacht. Es hat(mit Ausmerzung einiger orthographischer Unebenheiten) folgenden Wortlaut:' Berlin  . Kollegen! Durch die Aussperrung suchen uns die Arbeitgeber materiell zu schädigen. Daß wir uns mit der Zeit dafür rächen müssen, ist selbstverständlich, denn in jedem einzelnen wurzelt sich Rache. Wir müssen Böses mit Bösem ver» gleichen. Daher hat jeder die Pflicht, der bei einem Meister arbeitet, der ausgesperrt hat und später dort anfängt, ihn dort zu schädigen, wo es irgend geht. Zum Beispiel die Arbeit so teuer machen, wie nur möglich, das Material schädigen so viel wie möglich, ein größeres Quantum Leim. eine Handvoll Salz oder Faßseife ist besonders gut. da dann der Leim wie die Arbeit verdorben ist. Jeder Kollege hat es so zu machen, daß ein zweiter eS nicht sieht, auch darf darüber nicht debattiert werben. Bei einem Meister, der nicht ausgesperrt hat. darf eS auf keinen Fall gemachk werden. Diese Aufforderung wird monatlich in jeder Werkstatt gedruckt wiederholt. Diese Aufforderung muß von Hand zu Hand gehen, ohne ein Wort darüber zu sprechen. Also so soll eS gemacht werden. Ist diese Ausgeburt einer unendlich niedrigen Gesinnung das Vorhaben eines einzelnen? Kann und will sich der Holzarheiter-Verband darauf berufen? Wir sind gespannt darauf. Der Schlußpassus, die ganze Form der Anordnung, die Versicherung, daß diese Aufforderung zur Niederträchtigkeit monatlich gedruckt in jeder Werkstatt, wo aus. gesperrt war, wiederholt werden soll, lassen neuerdings leider auf etwas ganz anderes schließen. Danach zu urteilen, scheint