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g»«tschkh m RfTe ftWeHtmö geh, Bn» Bvch folgendes Telegramm zu: Heute morgen lfm WA Uhr habe ich. der Partei sekre. tär Dittmann in Frankfurt   a. M.. folgendes Telegramm an den Reichskanzler Fürst Bülo« abgeschickt: Herrn Reichskanzler Fürst Bülow  , Berlin  , Reichstag  . Herr Reichskanzler! In der gestrigen Reichstagssitzung haben Sie nach dem ersten Morgenblatt derFrankfurter Zeitung  " vom 27. Februar die Behauptung aufgestellt, ein von mir für den Vertreter des sozialdemokratischen Reichstagswahlkomitees in Frank« furt a. M. unterzeichnetes Flugblatt mit der Nachricht von einem am Morgen des Stichwahltages unternommenen Ver­such eines Ttimmenkaufs für den freisinnig. demo« krattschen Kandidaten Oeser sei bereits am Abend vor der Stichwahl in Druck und zur Verteilung bereitgelegt gewesen. Ich setze Sie davon in Kenntnis, daß bereits im Abendblatt der»Frankfurter Zeitung  " vom selben Tage eine von mir stammende Berichtigung enthalten war. in welcher unter Zeit-, Orts» und Zeugenangabe erklärt wurde, daß diese Behauptung unwahr sei und daß ich gegen dieFrankfurter Zeitung  " klagbar vorgehen werde. Nachdem Sie die mich aufs schwerste kompromittierende objektive un- wahre Behauptung derFrankfurter Zeitung  " vor dem ganzen Lande wiederholt haben, darf ich nunmehr von Ihrer Loyalität erwarten, daß Sie auch meine Berichti- gung, deren Wortlaut im heutigenVorwärts" veröffentlicht wird, an derselben Stelle zur Kenntnis geben werden. Wilhelm Dittmann  . Sozialdemokratischer Parteisekretär in Frankfurt   a. M. Wir wollen abwarten, wie sich der Reichskanzler dieser An- forderung gegenüber verhalten wird. Vielleicht kommt er bei seiner Selbstrektifizierung auch noch aus seine früherenobjektiven Un- Wahrheiten" zurück I Konfessioneller Boykott. Während die bürgerliche Presse über den angeblichen Terro- tiSmus der Sozialdemokratie räsonniert und allerlei erfundene Meldungen über die Bohkottierung liberaler und konservativer Geschäftsleute durch deren bisherige Arbeiterkundschaft verbreitet, betreibt die Anhängerschaft dieser Presse in den Wahlkreisen, in denen sie sich in der llebermacht fühlt, nicht nur ohne jede Rücksicht- nähme die Vergewaltigung der Arbeiter, die nicht dernationalen" Weisung folgten, sondern auch der kaholischen Geschäftsleute, die nach ihrer Meinung bei den Stichwahlen sozialdemokratische Stimmzettel«Abgegeben haben. So berichtet beispielsweise die »Germania  " aus den Wahlkreisen Duisburg   und Bielefeld  : Mit welcher Entrüstung hat es Sic..national»" Presse immer, besonders auch bei den letzten Reichs togswahlen ver­zeichnet, wenn die Sozialdemokraten mit der Verhängung oder Androhung des geschäftlichen Boykotts Gegner oder labe An- Hänger einzuschüchtern suchten. Jetzt erleben wir«S, daß von nationaler" Seite über Katholiken und ZentrumSanyehörige von protestantischer Seite der Boykott verhängt wird. Wir haben die Boykattfälle in Duisburg   und Gütersloh   erwähnt. Die Kreuzztg." nennt diese Nachrichtbeschämend und erschreckend" und bezeichnet es als Pflicht der gesamten nationalen Presse, mit allem Nachdruck auf das Peuwenfliche und Verderbliche dieses Kampfmittels aufmerksam zu machen... Wir unsererseits müssen für diese Auswüchse konfessionellen Hasses den Reichskanzler Fürsten Bülow selbst verantwortlich machen. Er hat unter einem nichtigen Vorwande den Streit mit dem Zentrum vom Zaun gebrochen und das Land gegen das Zentrum aufgerufen, wielvohl er wissen mußte, daß das nichts anderes heiße, als an den Haß und die Vorurteile der Protestanten gegen die Katholiken appellieren. Generalmajor Keim hat die Erfolge gerühmt, die der Appell an den lurorprotestanticus erzielt habe, und dieser Herr Keim war der Wahlboß des Reichskanzler?." Stimmzettelfälschungen! Aus Kassel   wird uns geschrieben: Soweit wir bisher zu übersehen vermögen, ist auch nicht in einem einzigen Falle der Beweis erbracht worden, daß seitens eines Sozialdemokraten un- lautere Stimmzettelmanöver gemacht worden sind. Es handelt sich also bei den imVorwärts" wiederholt erwähnten Stimm- zettellügen unserer Gegner um schamlose Verdächtigungen unserer Partei. Dagegen wollen wir einen skandalösen Betrugs- versuch feststellen, den die Antisemiten in Kassel   gemacht haben. In Waldcck hatten in der Stichwahl die Kandidaten der Anti- scmiten und der Freisinnigen Vereinigung  (Freiherr v. Richthofen  und Dr. Potthoff) miteinander zu ringen. Die Entscheidung hing von dem Verhalten der Sozialdemokratie ab. Aber selbst wenn diese für Potthoff eintreten würden, stand die Entscheidung an- gesichts der Verhältnisse in Waldeck sozusagen auf des Messers Schneide. Da wurde uns kurz vor dem Stichwahltage die Mit- teilung gemacht, daß seitens der Antksemiten in Kassel   Stimm- zcttel in Bestellung gegeben worden seien für den für die Stich- wähl ausgefallenen sozialdemokratischen Kandidaten! Die Zettel sollten dem Ztvecke dienen, sozialdemokratische Wähler auch in der Stichwahl zur Abgabe eines(ungültigen) sozialdemo- lratischen Stimmzettels zu veranlassen. Der Zweck der Uebung liegt klar auf der Hand. Wenn das schamlose Schelmenstück nicht zur Ausführung gekommen ist, so deshalb, weil wir rechtzeitig unterrichtet wurden und den freisinnigen Kandidaten sowie die sozialdemokratischen Wähler noch in letzter Minute warnen konnten. Ter Beweis für die Richtigkeit dieser Darstellung kann jeden Tag an Gerichtsstelle erbracht werden. Die sozialdemokratischen Stimm- zcttel sind von den Antisemiten in der Buchdruckerei der Geb r. Schönhoven bestellt und dort auch g e dr u ck t worden. Ab- geliefert wurden die Stimmzettel nach Ständeplatz in Kassel  , dort thronten die antisemitischen Wahlgenerale. Einfreisinniges" Blatt am Pranger. Niedliche Enthüllungen brachte ein Prozeß, der vom Genossen Arbeitersekretär Linus Scheibe in Dortmund   gegen dasfrei- sinnige"Dortmunder Tageblatt" angestrengt wurde. Dies Blatt nennt sich zwar freisinnig, ist aber vom erstbesten Scharf- macherblatt nicht zu untericheiden. Das Organ des DortmunderFreisinns" hatte von unserem Genossen Scheibe die ehrenrührigsten Sachen behauptet, die direkt aus den Fingern gesogen waren, nichts desto weniger besaß cS die Frechheit, zu erkläre», daß eS eventuell bereit sei, seine Be- Häuptlingen vor Gericht zu belveisen. Dazu wurde ihm Gelegenheit gegeben. Schon vor einiger Zeit fand vor dem Dortmunder   Schöffengericht Verhandlung statt, die mit der Verurteilung desRedakteurs" Knoop vomTageblatt"- zu 250 Mark Geldstrafe endete. Der Verurteilte legte Berufung ein. Die erneute Verhandlung bor der Dortmunder   Berufungs  - Strafkammer gestaltete sich zu einer ungeheueren Blamage ftir das fteifinnige Blatt. Der An- geklagte erklärte plötzlich, daß er die Verantwortung für den inkriminierten Artikel ablehne, weil er gegen seinenWillen ins Blatt gekommen sei. Er habe dem Verleger Schanzer sein Bedenken vargetragen, der aber habe gesagt, die beleidigende Notiz komme ins Blatt, dem habe er, derRedakteur", sich zu fügen. Und er habe sich dem gefügt, wohl um sein Brot nicht zu verlieren. Die Sache wurde aber noch viel interessanter, denn nun wurde HerrRedakteur" Knoop über seine Redakteur- tätig keit befragt. Und da' erklärte er, daß er gar kein Redakteur sei, sondern in der Setzerei des Dkattes beschäftigt werde, das Blatt have er aas Gefälligkeit  " verantwortlich geaeichnei! Wirklich, eine nette Enthüllung über das bürgerliche Preßkuliwml Wobei nicht vergessen werden darf, daß gerade dasfreisinnige" Dortmunder Tageblatt" mit Borliebe die verantwort- lichen Redakteure der Arbeiterpresse alsSitz- redakteure" beschimpft! Die Dortmunder   Strafkammer ließ übrigens die Ein- Wendungen des HerrnRedakteur»" nicht gelten, sondern erkannte auf Verwerfung der Berufung. Weil es sich um Beleidigungen handle, wie sie gravierender und niederträchtiger kaum zu denken seien, war die hohe Geldstrafe von 250 M. angemessen. Man wird noch oft Gelegenheit haben, den FreifinnShelden das Urteil gegen ihr Dortmunder   Parteiorgan unter die Rase zu halten. Bom sozialdemokratischen TerrorismuS in HauS und Familie weiß diePost" ein neues, höchst schauderhaftes Stückchen zu er- zählen. Entdeckt hat sie es mit ihrem gewohnten Scharfblick in dem letzten Flugblatt, das die Sozialdemokratie in Berlin   am Sonntag zur Agitation für die politische Organisation und den Vorwärts" verbreitete. DiePost" schreibt dazu nach einer saftigen Schimpfeinleitung: ..... Dieses wüste Hetzblatt, das uns von verschiedenen Seiten eingesandt ist und das mit terroristischem Hochdrucke für denVorwärts" Reklame zu machen sucht, enthält am Schlüsse den bezeichnenden Satz:Ein von uns beauftragter Partei- genösse wird sich erlauben, vorzusprechen, um Euch als Mitglied der politischen Organisation und als Abonnent desVorwärts" zu gewinnen." Das ist deutlich. Ins Sprichwörtliche übersetzt heißt das: Fritz, Vogel, oder stirb!" Nichts anderes bedeutet ja die Ankunft desbeauftragten Parteigenossen", der manche Arbeiterfamilie mit Bangen und Sorgen entgegensehen mag. Wer sich weigert, zu abonnieren und der Organisation beizutreten, der weiß ja, wie blutsauer, ihm die roten Gesellen sein Leben machen werden. Wenn es ihnen nicht gelingt, den. Unglücklichen aus der Arbeit zu drängen, so gibt es ja genug Mittel, ihm das Leben zur Hölle zu machen, indem man ihm das Arbeitszeug verdirbt oder versteckt, ihm das Frühstück besudelt und ihn sonst auf tausenderlei Art hänselt und bis aufs Blut peinigt. Angesichts dieses immer dreister werdenden, schon in die Wohnungen und die Familien der Arbeiter eindringenden Terrorismus erhebt sich die Frage: Wie lange soll bas Volk unter dieser gelderpressenden Folter seufzen? Es ist die allerhöchste Zeit, daß diesem skan- dalösen Unwesen mit aller Macht gesteuert werde." Wir haben nicht die Absicht, ernsthaft gegen dies verlogene Geschimpfe zu polemisieren. Wir drucken es lediglich ab, um unseren Lesern einen Begriff von der niederträchtigen Hetzarbeit derPost" und ähnlicher Organe zu geben und ihnen zugleich zu zeigen, wie notwendig eifrige Arbeit für Organisation und Parteipresse ist angesichts solcher schamlosen Lügenfabrikation des Reichsverleumderverbandes und seiner Geistesverwandten. DaS Verbrechen der Polizeiaufsicht. Die BreslauerVolkSwacht" berichtet: Aus der Untersuchung vorgeführt, stand der d o m i z i l l o s e Zimmermann Rudolf Belau in Posen von der ersten Strafkammer. Er ist nicht weniger als zwölfmal wegen Diebstahls vorbestraft. Unter den gegen ihn verhängten Strafen befinden sich solche von drei, sechs und zehn Jahren Zuchthaus. Die Anklage legt ihm zur Last, am 2. Januar d. I. aus dem Beratungs- Zimmer des P o s e n e r Schöffengerichts einen dem Justizanwärter Streubel gehörigen Ueberzieher gestohlen zu haben. Der Angeklagte gibt die Tat unumwunden zu und als Grund seiner Handlungsweise, der«Posener Zeitung" zufolge, folgendes an: Am 8. Dezember v. I. bin ich nach Verbüßung einer 1 �jährigen Zuchthausstrafe aus dem Zuchthause in Sonnenburg mit einem Arbeitsverdienste von 10 M. entlassen worden. Es gelang mir. auf einem Kohlenbergwerk in Senftenberg   Beschäftigung zu er- halten. Schon an einem der nächsten Tage erschien auf der Arbeits- stelle ein Gendarm, um mich wegen der über mich verhängten Polizeiaufsicht zu kontrollieren. Der Beamte hat diese Tatsache zweifellos meinen Vorgesetzten gemeldet, denn' ich wurde noch am selben Tage aus der Arbeit entlassen. Mit dem Reste meines Vermögens kam ich nach Posen, wo ich Heimat» berechtigt bin. um mir hier Arbeit zu suchen. Im Winter gelang mir die» nicht. So lange ich Geld hatte, logierte ich in derHer» berge zur Heimat", als ich keins mehr hatte, warf man mich auf die Straße. Ich irrte vier Tage und ebensoviel Nächte in den Straßen Posens   umher. Drei Tage hatte ich nichts mebr gegessen. Um mich zu erwärmen, kam ich nach dem Gerichtsgebäude: die Räume für Zuhörer waren überfüllt, man ließ mich nicht hinein. Ich setzte mich auf eine Bank im Korridor, um mich auszuruhen. Da kam mir der Gedanke, wenn du wieder in? Gefängnis kommst. so bist du wieder geborgen, brauchst nicht frieren und hast wieder zu essen. Die Gelegenheit war günstig. Längere Zeit stand die Tür eines Zimmers offen, in dem ein Ueberzieher hing. Ich nahm ihn an mich und«artete ruhig ab, bis man mich ver- haftete. Das ist mein« traurige Geschichte, und nun bitte ich um ein mildes Urteil!" Der Staatsanwalt beantragt eine Zuchthausstrafe von zwei Jahren!Das scheint doch ein bißchen viel zu sein, machen Sie es etwas billiger, daß ich wenigstens zum Frühjahr wieder in Freiheit komme, wo ich doch eher Arbeit erhalten kann", bittet der Angeklagte. Das Gericht kommt dieser Bitte insofern nach, als eS das Strafmaß auf 1 Jahr Z Monate Zuchthaus festsetzt, so daß der Angeklagte seinem Wunsche gemäß im Frühjahr 1909 seine Strafe abgesessen haben wird._ Keine Lerfolguag wegen Beleidigung de» preußischen Abgeordnetenhauses. Die G eschäftsordnungskommission deS Ab- geordnetenhaufeS beschäftigte sich in ihrer heutigen Sitzung zunächst mit einem Ersuchen des Amtsgerichts Trossen   zur Er- teilung der Genehmigung der Fortsetzung der Straf« Verfolgung des Abgeordneten v. P a p p r i tz wegen einer Uebertrctung. Die Kommission beschloß, in dieser Sache die Akten einzufordern, um festzustellen, ob die Strafverfolgung bereits vor oder erst nach Beginn der Tagung deS Hauses eingeleitet war. So- dann verhandelte die Kommission üher die vom Plenum zurück- verwiesenen Ersuchen der Staatsanwaltschaft in Halle, Magdeburg  und Erfurt   um Genehmigung zur strafrechtlichen Ver- folgung der sozialdemokratischen Redakteure Molkenbuhr, Wittmaack und D o r n h e i m wegen Be- leidigung des Abgeordnetenhauses. Von freisinuiger und von Zentrumsseite wurde ein prinzipiell ablehnender Standpunkt ein- genommen. Von nationalliberaler Seite wurde erklärt, für die vorliegenden Fälle müsse ausschlaggebend sein, ob die Beleidigungen schon vor der Warnung, die mit der früher beschlossenen Ge- nehmigung zur Strafverfolgung beabfichtigt sei, erfolgt seien, so daß diese Warnung in den vorliegenden drei Fällen noch nicht hätte wirken können. Da dies tatsächlich der Fall sei, lehne auch die nationalliberale Partei die Genehmigung zur Strafverfolgung ab. Die Kommission beschloß mit allen Stimmen gegen die der Kon- servativen, die Genehmigung zur Strafverfolgung indenvorliegendendreiFällenzuversagen. Liberales gegen klerikales Strebertum. Wenn der Liberalismus diesmal mit dem RufeWider das Zentrum!" in den Wahlkampf gezogen ist, so weiß man. daß es ihm sowohl an Kraft wie an Neigung mangelte, ernstlich mit der im Klcrikalismus verkörperten Reaktion abzurechnen. Das sieht man an der Bereitwilligkelk. mit der fcse Liberalen das Bündnis mit den Konservativen eingegangen sind. Das klerikale Joch ab- schütteln und sich unter das feudale Joch begeben, heißt den Teufel durch Beelzebub austreiben. Es war nichts als Futterneid, was die Liberalen gegen das von der Regierung begünstigte Zentrum aufbrachte; das klerikale Strebertum begann dem liberalen empfindliche Konkurrenz zu machen im Kampfe um Würden und Titel, und das gefiel den Liberalen nicht. DieKölnische Zeitung  " gesteht diesen Umstand als Beweggrund der liberalen Auflehnung wider das Zentrum in ihrer Nummer vom letzten Sonnabend offen zu. indem sie sich über das klerikale Protektionswesen beklagt: Wer die Besetzung von. Beamtenstellungen und de» Ordensregen in den letzten 4 bis 5 Jahren mit Aufmerk» samkeit und Kenntnis der persönlichen Verhältnisse verfolgt hat, könnte zu diesem Kapitel einen interessanten, zeitgeschichtlichen Beitrag liefern. Denn Zentrum war Trumpf und kein Wunder, wenn katholische Vertreter von Staatsbehörden, die früher dem Zentrumstreiben gänzlich fern gestanden hatten, in Verständnis- voller Erkenntnis der Zeitströmung in ihrer Brust gleichfalls ein zentrumsfreundliches Herz entdeckten. So bildeten sich neue Beziehungen zwischen den Trägern der staatlichen Autorität und den Leitern der Zentrumsagitation. So konnte man beobachten, wie an manchen Orten die Zentrumsführer unter der Aegide der Vertreter der Staatshoheit mit fast staatlicher Autorität auftraten. Mit Unmut schauten vaterlandsfreundliche Kreise diesem Treiben zu. Sie waren aber machtlos, bis endlich sein überspanntes Machtgefühl das Zentrum zu Fall brachte." Hier wird zugestanden, daß nicht die im KlerikaliSmuS ber« körperte Reaktion die Liberalen aufgebracht hat, sondern nur der Anspruch der ultramontanen Bourgeoisie auf Zulassung zur staat- lichen Futterkrippe, auf Mitgenuß an dem Orden- und Titelsegen. Und es entspricht gan z der anmaßenden Schäbigkeit des Libera- lismus, wenn dieKölnische Zeitung  " die Regierung auffordert. die in den letzten Jahren vollzogene Besetzungvon Staats- stellen sowohl bei den Zentralbehörden wie in den Provinzen einer nüchternen Prüfung zu unterziehen". So weit wäre also der Liberalismus, daß er den Kampf gegen den Klerikalismus nicht anders zu führen weiß all dadurch, daß er die Regierung anfleht, ihm den ultramontanen Mitbewerber vom Halse zu halten und zwar durch eine offenbar gegen Gesetz und Recht gehende AuSnahmebehandlung ber katholischen Be- völkerung._ Ein gegnerisches Zeugnis für die Sozialdemokratie. Ueber Die Nöte der Großstadtjugend und ihr e Abhülfe" sprach dieser Tage in der Ortsgruppe der Evangelisch-sozialen Ver­einigung zu Plauen   Herr Paswr C lassen aus Hamburg  . In sainem Bortrag wurde der Referent zum Leidwesen seiner besseren" Zuhörer recht freiinütia. Änstatt auf die Sozialdemo- kraiie zu schimpfen, was jetzt mehr noch als früher zumguten Ton" gehört, bemerkte er unter anderem, daß die Söhne der besseren" Gesellschaft wenig Bildung besitzen und daß es ihnen an Idealen fehle. Eine bittere Pille gab Herr Classen feinen Zu- yörern noch mit der weiteren Aeußerung zu schlucken, daßinden vorwärts strebenden Arveiterfa Milien die beste Kraft de s Volkes st ecke; die besten Familien- vöter, die ihre Söhne gut erziehen, seien die eifrigsten Sozialdemokraten. Und so was sagt ein Pastor! Das ist in Sachsen   unerhört. Da haben die Pastoren auf feiten der Leute vonBildung und Besitz" zu stehen. In der seinem Vortrage folgenden Aussprache wurde denn auch dem Ham- burger Pastor deutlich gesagt, daß sich seine Anschauungen nicht mit denen des Plauenschen Bürgertums decken, die sich unter Groß- stadtjugend nur verlottert« Arbeiterkinder denken kann. Ein naschhafter Unteroffizier. Vor dem Kriegsgericht der 1. Division in München   hatt? sich der Unteroffizier Peter R ö ß l c r der 1. Kompagnie deS 2. Infanterieregiments wegen Unterschlagung und Mihbrauchs der Dicnstgewalt zu verantworten. Der Unterofsszier hatte am LS. September eine dem Soldaten Obergrißberger gehörige und von diesem bereits quittierte Post« anweisung erhoben, sich von dem Gelde«in Portemonnaie und Taschenmesser gekauft und den Rest in-- Süßigkeiten vernascht. Außerdem hatte er den Obergrißberger wiederholt um Beträge von 13 M. angepumpt. Im Nationale des Angeklagt ten befindet sich der Eintrag: im Dienste sehr zuverlässig und brauchbar/sonst aber sehr naschhaft. Der naschhafte Unteroffizier wurde zu 3H Tagen Wittelarrest und Verlust der Tressen verurteilt. Schweinepest. Einer gefährlichen, eigenartigen Krankheit sind in Stubenborn nahezu 400 Schweine zum Opfer gefallen, die, wie die Deutsche Tageszeitung" dem amtlichenSegeberger Kreisblatt" entnimmt, vor einigen Wochen von Friedrichsfelde   bei Berlin  (Mager- Viehhof) dort eingetroffen waren. Anscheinend handelt es sich um Schweinepest, die ja unter Verschiedenen Symptomen auftritt, vielleicht sind die Tiere aber auch an der Maul- und Klauenseuche zugrunde gegangen._ DieWohlanständigkeit" de» Ordnungspreffe. Auch heute haben das Kanzlerblatt. die.Norddeutsche Allgemeine Zeitung" und daS freisinnige Organ, die . Bo ssisch e Zertung". die Entgegnung des Genossen Peua auf diefurchtbare Anklage" des anhaltischen StaatSministerS v. Dallwitz nicht veröffentlicht, dieNorddeutsche»kl« gemeine Zeitung" unterschlägt ebenso wie gestern die Wiederlegung der Chemnitzer   TerroriSmuS-Schauergeschichte. Das ist der Anstand dieser ehrenwerten Presse, die sich vor sozialdemokratischemSauheerdenton" gouvernantenhaft entsetzt I Schon vor einigen Tagen hat derVorwärts" die Widerlegung der TerroriSmu«->-schaucrmär aus Chemnitz   durch die Chemnitzer .Volksstimme" veröffentlicht. Heute bringt die ebrliche und christliche Kreuz-Zeitung  " die verlogene Darstellung der Chemnitzer   büraer- lichen Presse und unterschlägt die Widerlegung der»Volks« stimme". Kuslanck. Frankreich  . - Eine französische Lex Hei»,». Auch in Frankreich   gibt e» allerlei Tugendbolde, die die Sittlichkeit durch die Polizei retten wollen. Der meistgenannte unter ihnen ist der Senator Berenger. ber sich mit seinen wiederholtenAktionen" gegen die öffentliche Unmoral eine bedeutende ReName gemacht hat uns zur stehenden Figur in denJahreSrevuen" der Variötes und Kabaretts geworden»st. Da aber die Pariser bei ihren Keuschheitsprinzipien schwer zu packen sind, versucht er eS seit neuerer Zeit mit dem chauvinistischen Argument, indem er behauptet, alle die NuditätSpubkikattonen, die auf den Boulevards feilgeboten würden, seien deutsches Fabrikat. In der Tat ist es unleugbar, daß wenigstens im Handel mit obszönen Photographien und angeblichkünstlerischen" Aktstudien deutsche Agenten in großer Zahl tätig sind, und die Eni» rnstung über die Pariser Lasterhaftigkeit steht den deutschen  Patrioten noch um so schlechter, als Deutschland   selbst ein dankbare? Absatzgebiet für diese Ware ist. Immerhin leistet die französische  und d»e lokale Pariser Produktion auf diesem Gebtete auch recht Bedeutendes. Am schädlichsten wirken zweifellos die Zeitungen von der Sorte deSMatin" und desJoumal". welche, um die Deutlichkeit im Detail wettstreitend, die Perversitäten des Nättonalisten Syveton ebenso wie die Einzelheiten des neuesten und früherer Lustmorde dem allerbreitesten Publikum vermittelt haben. Unter diesen Umstäitden erscheinen Gesetze gegen das Feilhalten unsittlicher Publikationen, wie die Regierung deren eines vor einigen Tagen der Deputiertenkammer vorgelegt hat, mehr als eine Erleichterung für polizeiliche Schikaneure, denn als wirr- sames Mittel gegen die Verbreitung von Obszönitäten. Die De-