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|r. 50. 24. 2. Kilm des JoimIö" Kerlim üolMIttt Donnerstag, 28. Februar 1907. Hus der Partei. Parteiliteratur. Im Verlage van I. H. SB. Dietz Nachf. in Stuttgart   ist soeben erschienen: Charles Fourier  . Sein Leben und seine Theorien. Von A. Bebel  . Mit einem Porträt Fouriers und einer Abbildung des Phalansteres. Dritte Auflage. Im nächsten Jahre 1908 werden es hundert Jahre, daß Fouriers erstes Werk:Ds. Tlieoris des Mouvements et des destinees generales"(Die Lehre von den vier Bewegungen und den allgemeinen Bestimmungen) erschien. Was Fouriers Gedankenausführungen Dauer verleiht und den Leser immer aufs neue anregt, ist die scharfe Kritik, die er an der bürgerlichen Gesellschaft und all' ihren Erscheinungen übte und die Ausblicke, die sein Scharfsinn für gar manche wichtige soziale Ein« richtung in der Zukunft der Menschheit formulierte. Frappierend ist auch seine Voraussage über den Charakter, den in verschiedenen Phasen gewisse Einrichtungen und Erschei­nungen der Gesellschaft aufprägen. So wenn er in der vierten Phase der EntWickelung der Zivilisation als Angelpunkt der Periode die industrielle Feudalität bezeichnet, und als ihr Gegengewicht die Monopolwirtschast, und als Ton oder Stimmung der Periode Illusionen über Assoziationen voraussieht. Diese von ihm charakterisierten Merkmale treffen sämtlich auf die gegen- wärtige Entwickelungsperiode zu. Auch zeugt es von einem ganz besonderen Scharfsinn, daß er die ganze Periode, die er die der Zivilisation nennt, mit einem Feudalismus beginnen läßt, was zu seiner Zeit schon historisch feststand, aber auch mit einem Feudalismus, dem Jndustriefeudalismus, endigen läßt, für den zu seiner Zeit noch keine Spur vorhanden war. Was an entwickelungsfähigen Gedanken im Fourierismus ent« halten ist, hat der moderne wissenschaftliche Sozialismus in sich auf- genommen. Und da? ist nicht ivenig. Hier wird in Zukunft Leben erhalten, was bisher nur Theorie blieb. Totenliste. Am Montag starb in der Provinzial-Irren- anstatt zu Rybnik   in Oberschlesien   der Genosse Dr. August Winter. Zweieinhalb Jahre hat der Unglückliche, der von unheilbarer Geisteskrankheit und Rückemnarksleiden befallen war, in jener Anstalt verbracht, bis ihn jetzt der Tod er- löst hat. Einem Nachruf der B r e s l a u e rV o l k s w a ch t", der der Verstorbene im Leben sehr nahe gestanden hat, ent- nehmen wir: Die sozialdemokratische Partei beklagt in August Winters Heim« gang den Verlust eines ihrer edelsten, tüchtigsten und aufopferungs- vollsten Mitkämpfer. Von Jugend auf hing Winter den Ideen des Sozialismus an, dank einen: Vater, der, obwohl einfacher Bauer, doch sehr unterrichtet war und die sozialistischen  Ideen gut kannte... Winter wollte Mathematiker werden, wegen der Aussichtslosigkeft dieses Berufes aber wählte er dann Philologie, besonders das Studmm der alten Sprache.... In Breslau   gehörte er auch zu den eifrigsten Schülern Professor Som- barts. Er lebte mehrere Jahre als Hauslehrer auf größeren Gütern in den Provinzen Pole:: und Schlesien   und benutzte seine freie Zeit mit eisernein Fleiße zu wirtschaftlichen, besonders agrarwrrtschaftl'.chen Studien. Winter hatte sich mittler- weile der sozialdemokratischen Partei in Breslau   angeschlossen. Aus der Zeit seiner Hauslchrcrschaft auf einem mittel- schlesischen Gute stammen denn auch seine hochinteressantenBriefe vom Lande" in den Jahrgängen 1895 bezw. 1896 derVollswacht", deren sich unsere alten Leser gewiß noch erinnern. Auch sonst war und blieb Dr. Winter ein fleißiger und hochgeschätzter, zugleich aber auch sehr uneigennütziger Mitarbeiter unseres Blattes. Damals, in der Zeit schwerster Verfolgungen derVolkswacht", bei sehr geringer Zahl an Abonnenten, war es oft unmöglich, den Mitarbeitern nennenswerles oder überhaupt Honorar zu zahlen, ein Umstand, der den armen Hauslehrer nie gehindert hat, seine Feder in den Dienst des Parteiblattes zu stellen." Im Winter 1897 ging Winter nach Obcrschlesien, um dort der Partcipresse über die ganz eigenen, fast ganz un- bekannten Verhältnisse des Jndustriebezirks an der russischen und österreichischen Grenze zu berichten.... DieVolkstvacht" schreibt darüber: .. Zunächst gab er eine größere Anzahl eingehender, auch h-de noch sehr lesenswerter Schilderungen der wirtschaftlichen, sozialen, politischen, geschichtlichen Verhältnisse Oberschlesiens  . Dann aber ging er zur positiven Tätigkeit für unsere Sache... über, ver- suchte die armen Geknechteten zu gewinnen für den Sozialismus, für die Partei wie für die gewerkschaftliche Organisation. Seine Arbe:. wurde überraschend reich gelohnt. Während 1398 in den sämtlichen oberschlesischen Wahlkreisen etwa 5000 sozial- dcmökratische Stimmen abgegeben wurden, stieg diese Zahl ?898 nach reichlich einjähriger Tätigkeit Winters auf rund 25 000. Am 1 November 1898 übernahm Winter das oberschlcsische Arbeiter- sekretariat.... Unter Winters Führung bekam nm: dies Arbeiter- sekretariat eine für Oberschlesien   gewallige EntWickelung dergestalt, .laß He Frequenz im Jahre 1901 auf mehr wie 10000 Besucher aestiegen war. Diese ptiesenleistung bewältigte Dr. Winter ganz allein und nicht nur das, er arbeitete mit gleicher Energie für die gewerkschaftliche Organisation wie für die sozialdemokratische Partei. Die ganze Größe seiner Leistungen kann nur der be- urteilen, der die unsäglich schwierigen Verhälmisse des ober- schkefischen Jndustriebezirks kennt.... Diese Arbeit muß nicht nur nach ihrem gewaltigen Umfange beurteilt werden, sondern auch nach den Uinständen, unter welchen sie geleistet wurde. Sticht nur muß unerkannt worden der eiserne Fleiß und der nimmer ermüdende Eifer, sondern auch die Aufopferung, der frühe Berzichl aus alle Lebensannehmlichkeiten, die der hochgebildete Mann auf sich nahm, indem er in Oberschlesien  , fern von allen, anregenden, geistigen und geselligen Verkehr, gleich einem AuSgesioßenen lebte. Denn vor dem sisif Sozialdemokraten floh jeder Gebildete hier wie vor einem Aussätzigen. Nur die Polizei widmete ihm und seiner Tätigkeit unausgesetzte Aufmerksamkeit, die sich in immer wiederholten Ver- folgnngen ausdrückte... Um den Genossen Bruhns von derVolkswacht" vor Zeugniszwangshaft zu schützen, hat Winter damals sich selbst als Verfasser eines die Beuthener Justiz kritisierenden Artikels bekannt; er wurde zu drei Monaten Gefängnis verurteilt. Der Nachruf derVolkswacht" schließt: Zu den Schwierigkeiten, die der Tätigkeit Winters erwuchsen, zählten auch die unerquicklichen Streitigkeiten mit den polnischen Genossen, in die Winter bald geriet. Diese Streitigkeiten haben nicht wenig beigetragen zu der schnelleren Entwickelung seines Leidens. Besonders schwer getroffen aber wurde Winter durch den Wahlausfall 1903. Er hatte sicher auf ein weiteres ge- waltiges Steigen der sozialdemokratischen Stimmen im Industrie- bezirk, ja auf einen Sieg in seinem Wahlkreise Beuthen  -Tarnowitz  gerechnet. Und er hätte sich lischt getäuscht, lvcnn nicht ein neues Moment in das politische Leben Oberschlesiens   getreten iväre: die national- polnische Bewegung, die 1903 im Entstehen begriffen, die sozialdemokratischen Stimmen zunächst zum Stillstand brachte, in dem nächsten Jahre aber die Dämme überflutend, die sozialdemokratische Bewegung unwiderstehlich 1 zurückdrängte. Für Winter, der schon schwer krank und völlig überarbeitet war, bedeutete dieser Schlag mehr wie eine vorübergehende Enttäuschung, er ließ ihn vielmehr an sich und seiner Lebensarbeit verzweifeln. Er sah seinen körperlichen und geisttgen Ruin nahen, und um dem zu entgehen, legte er nach fast siebenjähriger ungeheuerer Tätigkeit seinen Posten nieder, um in Stettin   als Redakteur des dorttgen Parteiblattes einen neuen Posten in der Bewegung zu übernehmen. Aber es war schon zu spät, er brach kurz nach dem Antritt der neuen Stellung zusammen, erholte sich zwar vorübergehend wieder, fiel aber nach Ablauf eines weiteren Jahres unrettbar in die Arme schwerer, unheilbarer Geisteskrankheit, von der ihn jetzt der Tod befreite. Mit August Winter ist in Wahrheit ein Pionier unserer Sache dahingegangen, einer jener treuen, bescheidenen, aber wunderbar zähen und tapferen Männer, die unter unsäglichen Entbehrungen der Bewegung die Wege bahnen,Rodearbeit im Urwald" leisten, wie Winter selbst treffend von der agitatorischen Arbeit in Oberschlesien  sagte." Bon den Organisationen. Der Sozialdemokratische Verein für den 8. hannoverschen Wahlkreis(Stadt Hannover  ) hat im Jahre 1906 einen riesenhaften Auf- s ch w u n g zu verzeichnen. Bei Beginn des Jahres 1906 betrug die Mitgliederzahl 4173. Im Laufe des Jahres sind neu eingetreten: 8126, zugereist sind 155 Mitglieder. Der Abgang beträgt 1236, so daß am Jahresschluß 11 218 Mitglieder vorhanden sind. Bei der Abrechnung, die Genosse Gerisch dem Mannheimer Parteitage vor- legte, stand die Hansastadt Hamburg   mit 21,8 Prozent der Organi- sierten im Verhältnis zu den abgegebenen Stimmen bei der Wahl von 1903 obenan. Gegenüber der Wahl von 1903 beträgt der Prozentsatz im 8. hannoverschen Wahlkreise dagegen rund 38 Prozent der für unsere Partei abgegebenen Stimmen. Legt man die letzten Wahlen, bei der Hannover   eine Stimmenzunahme von rund 7000 zu verzeichnen hatte, zugrunde, so beträgt die Zahl der Organisierten zur Zahl der abgegebenen Stimmen immer noch 31 Prozent. In demselben Maße wie die Mitgliederzahlen haben sich auch die finanziellen Verhältnisse günstig entwickelt. Der Beitrag beträgt monatlich 30 Pf. Die Einnahmen stellen sich wie folgt: Kassenbestand.............. 1 784,63 M. Eintrittsgeld.............. 1 625,20 Mitgliederbeiträge............ 26 252,10 Auf Liste» zur Rachwahl 1906........ 2 532,65, Auf Listen und freiwillige Beiträge zur Wahl 1907 10 931,13, Sonstige Einnahmen.......... 10 902,65 Gesamteinnahmen 54 028,36 M. Davon im zweiten Halbjahr rund 33 000 M. An Ausgaben sind folgende Posten von Interesse: Reichstagswahlkosten 1907......... 7365,69 M. Prozente an den Parteworstand....... 5 256,34 Besonderer Beitrag an den Parteivorstand... 1600, An den Provinzialvorstand.......... 9 007,20, Für die Wahl in der Provinz........ 2 040,83 Für den Preßfonds............ 5 000, Agitation im Kreise(darunter Kosten für die Nach- wähl 1906)............. 4 780,77, Bildungszwecke, Verwaltungsmatcrial, Verwaltungs­kosten, Porto und Sonstiges....... 18 046,53 Sum«,a 53 097,36 M., so daß das neue Geschäftsjahr mit einem Kassenbestand von 931 M. beginnt. Diese Abrechnung zeugt von großer Opferfreudigkeit der hannoverschen Genossen und kann anderen Orten zur Nachahmung empfohlen werden.) Der Anarchist Dr. Maier, der unlängst in Stuttgart   durch Selbstmord geendet hat, sollte nach dergutunterrichteten"Frei­sinnigen Zeitung" in' München   1876 zum sozialdemokratischen ReichstagSabgcordneten gewählt worden fein. München   war in jener Zeit durch Freiherrn   v. Stauffenberg   und Pfarrer Westermayer vertrete». Dr. Maier war Kameralverwalter in Münsingen   auf der Alb und hatte sich in dieser Stellung der Sozialdemokratie, aller- dingS nicht öffentlich, angeschlossen. Während des Sozialistengesetzes diente er der Partei mit Mut und Aufopferung. Da er ein Eigen- brödler und etwas unklarer Kopf war, geriet er später zum Anarchismus. Seine Propaganda für diese Richtung hatte keine Erfolge aufzuweisen. Schweizerischer sozialdemokratischer Parteitag. Bei der Beratung der neuen Militärorganrsation im Nationalrat in der letzten Dezcnibersession haben die beiden Arbcitervertreter Dr. B r ü st l e i n und S ch e r r e r eine Taktik beobachtet, die mit den Parteitagsbeschlüssen nicht in Ueberein- stimm» ng steht und wobei es sich in der Hauptsache um das Militäranfgebot bei Streiks handelt. Dr. B r ü st- lein hat seine Haltung in einer Versammlung seiner Baseler Wähler zu rechtfertigen versucht und nun stellen die drei sozial- demokratischen Mitgliedschaften in Außersihl  -Zürich   folgenden Antrag an den Parteitag: Die von den Genoffen Dr. Briistloin und Heinrich Scherrer  anläßlich der Beratung der Militärorganisation im Nationalrat ein- genommene Stellung, sowie des ersteren Antrag wird vom Partei- tag der schweizerischen sozialdemokratischen Partei mißbilligt, weil in direktem Widerspruch stehend mit dem im Februar 1906 auf dein außerordentlichen Parteitag in Ölten gefaßten Beschlüsse. Der Parteitag bedauert, daß sich die beiden Vertreter zum Befreniden der orgänisielten Arbeiterschaft verleiten ließen, den prinzipiellen Boden zu verlassen und verlangt, daß sie fortan konsequent auf die Eorderungen unserer Partei hinweisen, ansonst sie aufgehört haben, ertreter der sozialdemokratischen Partei im Nationalrate zu sein." Das ist sehr scharf. polizciltcbes, Öericbtlicheo ufa>. Strafkonto der Presse. Wegen Beleidigung eines Lehrers wurde Genosse O u e s s e l vom �S t e t t i n e r V o l k ö b o t e n" vom Schöffengericht in Stettin   zu 40 Mark Geldstrafe ver- urteilt. Es handelte sich un: die Kritik der Verprügelung eines Schulknabcn._ Hus der frauenbewegung. Erklärung. Die am Sonntag, den 24 Februar imVorwärts" veröffent- lichte Notiz der Genossin Baader als Vertrauensperson der sozial- demokratischen Frauen Deutschlands  , die Beteiligung an der Ersten deutschen   Konferenz zur Förderung der Arbeiterinnen- interessen" betreffend, veranlaßt mich zu folgender kurzen Dar- legung:' Genossin Baader wendet sich in der Notiz scharf gegen jedwede, auch rein persönliche Beteiligung sozialdemokratischer Frauen an dieser für den 1. und 2. März von bürgerlicher Seite angekündigten Konferenz, und sie begründet diesen Standpunkt mitden seit Jahren bestehenden und befolgten Beschlüssen, dahinlautend, daß Parteigenossinen an dergleichen bürgerlichen Veranstaltungen sich weder als Vertreterinnen der Genossinnen oder Organisationen, noch als Einzelpersonen aktiv beteiligen." Derartige seit Jahren bestehende Beschlüsse, die sich etwa auch auf die rein persönliche Anteilnahme einzelner Genossen und Ge- nossinncn an jeder beliebigenbürgerlichen" Veranstaltung beziehen könnten, sind mir absolut nicht bekannt. Sollten sie dennoch wirklich irgendwo existieren, so sind sie jedenfalls in der Partei keines- wcgs, wie Genossin Baader meint, auch seit Jahren befolgt worden. Zum Beweise dafür brauche ich ja nur auf de» von Bürgerlichen   und Sozialdemokraten zugleich beschickten Züricher  Kongreß für Arbeiterschutz zu verweisen, ebenso auf den Wohnungs- kongretz, der vor einigen Jahren in Frankfurt   a. M. tagte. Daß übrigens auch sehr maßgebende Parteigenossen augenscheinlich durch- aus nichts von irgendwelchen derartigen Beschlüssen wissen, erhellt zur Genüge aus der imVorwärts" vor einigen Tagen veröffent« lichten Erklärung unserer Reichstagsfraktion, die zwar als solche die Teilnahme an der fraglichen Konferenz ablehnt, es aber aus» drücklich ihren Mitgliedern freistellt, sich persönlich an den Ver- Handlungen und Diskussionen auch aktiv zu beteiligen, d. h. den sozialdemokratischen Standpunkt gegenüber den dort aufgerollten Fragen vor der Oeffentlichkcit zu entwickeln. Die Stellungnahme der Genossin Baader setzt sich in einen so schroffen und unerklärbaren Widerspruch mit jener Erklärung der Reichstagsfraktion, daß sie schon deshalb allein keinesfalls für alle Genossinnen als bindend betrachtet werden kann. Persönlich muß ich es jedenfalls aus den angeführten Gründen ablehnen, die Auf» fassung der Genossin Baader als für mich verpflichtend anzusehen. Aber auch rein sachlich erscheint es wichtig genug, bei dieser Ge- legenheit einmal darauf hinzuweisen, daß die grundsätzliche Zurück- Weisung jeder sozialdemokratischen Beteiligung an bürgerlichen sozialen Veranstaltungen den Anschauungen eines gewiß ziemlich erheblichen Kreises von Parteigenossinnen ganz und gar nicht ent- spricht. Zunächst kann es sich bei der Frage der Beteiligung einzelner Genossinnen gar nicht um die rein politische Stellungnahme der Veranstalter handeln; es kann sich in unserem Falle z. B. nicht darum handeln, daß wie Genossin Baader hervorgebt, mehrere der Leiterinnen dieliberale Frauenpartei" gegründet haben, deren Programm einer sozialpolitisch freien Stellungnahme übrigens gar nicht widerspricht. Für uns muß es vielmehr einzig in Frage kommen, ob die Veranstalter der Konferenz in ihrer Mehrheit sozial- politisch ernst zu nehmende Persönlichkeiten sind, ob ihre Stimmen in der Oeffentlichkeit Klang und Gewicht haben. Ist dem so und gerade in diesem Falle ist unter den Leitern und Rednern des Kongresses eine ganze Reihe von Männern und Frauen, die sich durch ihre bisherige öffentliche Tätigkeit den vollen Anspruch der Schätzung auch von sozialdemokratischer Seite erworben haben so liegt meines Erachtens ganz und gar kein bernünftiger Grund gegen eine öffentliche Diskussion von Parteigenossen mit ihnen vor. Dieser Standpunkt wie überhaupt ein praktisch weniger ab« lehnendes Verhalten in bezug aus öffentliche Diskussionen setzt sich absolut noch nicht in Widerspruch mit der unzweifelhaft richtigen Auffassung, daß alle Versuche von bürgerlicher Seite, Fragen der Arbeiterorganisation zu behandeln oder gar solche Organisationen unter bürgerlicher Führung selbst ins Leben zu rufen, der Aus- breitung des sozialistischen   Gedankens in der Arbeiterschaft fast stets feindlich gegenüberstehen, daß sie seitens der oft unter» einander sehr verschieden denkenden Veranstalter allerdings mehr oder weniger bewußt geschaffen sind, um dem Klassenkampf des Proletariats den Boden abzugraben, und daß alle solchen Versuche in ihrer Gesamtheit von uns demzufolge als gegnerische Aktionen zu betrachten sind. Indessen, auch daraus geht noch lange nicht hervor, daß es eine richtige oder vernunftgemäße Taktik wäre. solchen Aktionen gegenüber einfach die Hände in den Schoß zu legen und in den sozialdemokratischen Organen durch ablehnende Erklärungen unsere abweichenden Anschauungen zur Geltung zu bringen. Ganz iin Gegenteil. Unsere Zeitungen und Zeitschriften werden in bürgerlicher» Kreisen nur von einem verschwindend kleinen Teil auch der sozial fortgeschrittener Denkenden gelesen; sie dringen aber auch inner- halb der Arbeiterschaft hauptsächlich nur in diejenigen Schichten, die bereits grundsätzlich für uns gewonnen sind, für die es sich also erübrigt, gegnerische Organisationsversuche oder soziale Har- moniebestrebnngen mit wuchtigen Argumentationen zu bekänipfen. Das Feld für solche Versuche und Bestrebungen ist aber nicht die aufgeklärte, sondern die indifferente, politisch bisher ganz neutrale Schicht von Arbeitern und Arbeiterinnen. Ebenso wie das Publikum für die Verbreitung bürgerlich-sozialer Harmonicideen jene an Zahl wie an wirtschaftlicher und kultureller Bedeutung durchaus nicht gleichgültige Mittelklasse darstellt, die wie man oft genug betont hat ihrem Standesbewußtsein nach zwar zur Bourgeoisie, ihrer Klassenlage nach aber sehr viel mehr zum Proletariat gehört und deshalb absolut nicht von vornherein für den proletarischen Klassenkampfgedanken und die proletarische Auffassung der Arbeiter« frage ungewinnbar wäre. An die gegenwärtig noch indifferenten Arbeiterinassen einerseits und dazu gehören, wie wir alle wissen, in äußerst starkem Prozentsatz gerade die proletarischen Frauen. an jene politisch und sozial meist noch sehr unaufgeklärten Mittel- schichten andererseits aus jedem nur denkbaren Wege mit unseren Anschauungen heranzukommen, sie in sozialistischem Sinne zu be- einflnssen, ihnen die Halbheit und Unfruchtbarkeit rein bürgerlich sozialer Bestrebungen in jedem Einzelfall deutlich vor Augen zu führen: das erscheint als eines der notwendigsten Ziele jeder weit» blickenden sozialistischen   Agitation. Fraglos können wir diese Ziele um einige Schritte näher.rücken dura, möglichst scharfe Dar- legung unserer Anschauungen vor einem öffentlichen Forum, wie es uns solche Kongresse in ganz vorzüglicher Weise bieten, nicht allein durch die Sitzungen und Verbandlungen selbst, sondern durch die starke Verbreitung der Diskussionsergebnisse in der gesamten bürgerlich politischen und neutralen Presse. Genau so zweckmäßig und wertvoll die sozialdemokratische Parlamentsdebatte für die Be» einflnssung der Oeffentlichkeit, genau so. wie es kein sozialdemo- kratischer Reichstagsrcdncr für unbedingt verlorene Zeit und Mühe häll, vor sicherlich unbeeinflußbaren parlamentarischen Gegnern seine Reden zum Fenster hinaus zu halten genau so gut spricht man auch in derartigen Kongressen nicht für die allerdings un- gewinnbaren Veranstalter und Leiter der Sache, sondern für daS engere und weitere Hörerpublikum. Dabei ist keinesfalls irgend etwas zu verlieren von den Sozialdemokraten, die bürgerlich sozialen Veranstaltungen bei- gewohnt haben, hat sich sicher noch niemals auch nur ein einziger durch die gegnerischen Vorträge vom Sozialismus abgewandt. Sehr wohl indessen ist gerade in solchem öffentlichen Redekampf in manchem empfänglichen Kopf der erste Funke des sozialistischen  Gedankens entzündet worden, und Hunderte und Taufende von denen, die überhaupt etwas lernen wollen, könnten dadurch im konkreten Fall begreifen lernen, ob und weshalb die Sozialdemo- kratie sich bürgerlichen Bestrebungen gegenüber immernegierend" verhält. Vielleicht wären wir schon heute in mancher Hinsicht agitatorisch loeiter, vielleicht hätten wir kirchlichen und neutralen- Harmonieorgamsationen, wie speziell für die Arbeiterinnen. bewegung, z. B. den christlichen Heimarbeiterinnenvereinen, schon in ihrer ersten EntWickelung wirksamer entgegengearbeitet, wenn wir weniger die Taktik der Ablehnung und des ruhigen Zusehen» geübt und häusiger den Versuch gemacht hätten, eine starke Auf» klärungsarbeit im Sinne des Sozialismus auch überall als Gegen. aktion gegen bürgerliche Propagandaversuche zu entfalten. Sind wir doch alle überzeugt, daß die geschichtliche Notwendigkeit, die wir in dem Gedanken des Sozialismus verfechten, sich schließlich allen bürgerlichen Verinittelungs- und Harmonieversnchen gegenüber siegreich erweisen muß. Wally Zepler  . Genossin Zepler bekundet mit ihren Darlegungen einen Opttmismns über die Wirksamkeit der 10 Minutenreden, die Sozialisten bei dieser Veranstaltung los werden können, den wir durchaus nicht teilen. Sie möge übrigens nur mal die sogenannten unparteiischen Blätter und die Amtsblattpresse darauf ansehen, wie diese Organe über solche Veranstaltungen berichten und das Ab- schneiden der Sozialisten kommentieren. Vollständig verfehlt ist der Hinweis auf frühere Vorgänge. Gerade die fehl« teschlagenen Versuche, durch Beteiligung an bürgerlicben stranstaltuitgen die Sozialpalilil wirksam zu befruchte»