r. 50. 24. z. KnlW 1(9 Jontirts" Klllim MM Aoaverstas, 28. Febra« 1907. Partei- Angelegenheiten. Wildau . Heute abend findet der Zahlabend für den Bezirk Wildau statt. Die Genossen werden ersucht, zahlreich und pünktlich Pl erscheinen._ Der Vorstand. berliner IVackrickten. Unnatürliche Mütter. Mit deni üblichen Aufwand moralischer Entrüstung, die cht sowohl ansteht wie der Kokotte das Gebetbuch, berichtete die bürgerliche Presse in den letzten Wochen wiederholt über „unnatürliche Mütter". Unverheiratete Mütter haben ihre ßinder ausgesetzt oder kurz nach der Entbindung um gebracht! Das sind erschreckende Erscheinungen!— Forscht man nun den Ursachen nach? Fragt man: Ivie ist es mög lich, daß das stärkste, das mächtigste Gefühl, die Mutterliebe, gedämpft, erstickt wird? Unsinn! Man entrüstet sich über die entmenschten Mütter, über Leichtsinn und Fehltritte der— Mädchen. Fehltritte der Männer gibt es ja nicht, auch keine unnatürlichen Väter! Das Mädchen allein kann zivar nicht„fallen", aber sie trägt allein die Folgen. Darum Fluch über sie, sie treffe die volle Entrüstung der hehren Priester der Moral und Sitte. Daß sehr oft die Söhne aus vornehmem Hause arme Mädchen mit allen Schlichen der Verführung, der Herbeiführung günstiger Gelegenheiten zu Fall bringen, das ficht die sittlich Entrüsteten nicht weiter an. Erbärmliche Löhne, Entbehrungen, der Aus- schlusi von den Kulturgenüssen, find meist die erfolgreichen Helferinnen bei den Gelegenheiten. Melden sich dann die folgen der schwachen Stunden, dann drückt sich der stärkere eil, überläßt das betrogene Mädchen seiner Oual und Pein. Und die Kindesmörderei beginnt! Die Schuld dafür trifft in erster Linie den unnatürlichen Vater, der in den-schwachen Stunden des Weibes Stunden der Siege feiert, sich als Held fühlt, sich nach genossenen Freuden aber abwendet und neue Abwechselung sucht— und in feinster Gesellschaft mit solchen Heldentaten Neid und Miß- gunst erweckt! Furchtbar enthüllt sich vor dem geistigen Auge des be- trogenen Mädchens die Zukunft. Von den Eltern gescholten, ver- stoßen, von der Dienstherrschast aus dem Hause gejagt, aus der Arbeit entlassen, das ist es, was ihr winkt: Ueberall verschlossene Türen! Wohin mit der Qual! mit den folternden, den Geist ver. wirrenden Gedanken. Manches Opfer einer schwachen Stunde wagt den Sprung ins Wasser. Dann ist es vorbei mit aller Not und Pein. Zwei Menschenleben hat der unnatürliche Vater auf dem Gewissen. Aber da er nicht die Folgen trägt, trifft ihn nicht die moralische Entrüstung der honetten Gesellschaft. Andere Mädchen, die sich Mutter fiihlen, suchen ihren Zustand durch Einschnüren des Körpers den Augen der Angehörigen zu entziehen, so lange es geht. Die gewagtesten Mittel und Experimente werden angewandt, um keimendes Leben zu ver- Nichten. Mutter und Kind nehmen dabei oft dauernden Schaden an der Gesundheit. Wem fällt es ein, den unnatür- lichen Vater wegen verschuldeter Körperverletzung und Ge- fundheitsschädigung verantwortlich zu machen? Nur über die„Gefallene" ergießt sich die Schale moralischen Zornes. Hat das Mädchen alle Schrecken der Schwangerschaft über- standen, ist es Mutter geworden, dann erst recht wird ihr die Welt zur Hölle. Ist die Geburt heimlich erfolgt, dann genügt eine Minute der Angst, die bis zur Sinnlosigkeit gesteigert die Tat geschehen läßt. Angst, fürchterliche Angst läßt die physischen Schmerzen, die die legitime Mutter 8 bis 14 Tage ans Bett feffeln, bei der Fräulein Mutter gar nicht zur Geltung kommen, die schwere Stunde unterbricht vielleicht nur für Minuten die aufteibende schwere Berufsarbeit.— Wie furchtbar muß der Leidenskelch solcher unglücklichen Geschöpfe sein. Angst und Not erzeugt die unnatürliche Mutter. Erfolgte die Geburt in einer Anstalt, dann ist der Leiden Ende ebensowenig gekommen. Wohin soll die unverheiratete Mutter mit dem Kinde? Ein eigenes Heim kann sie sich nicht schaffen. Dazu reicht der Verdienst nicht. Das Kind bei ftemden Leuten unterbringen? Auch das kostet mehr als eine Arbetterin gewöhnlich erschivingen kann. Und als Dienst- mädchen sind ihr erst recht alle Türen verschlossen. Wer wird denn ein Fräulein Mutter ins Haus nehmen? Pfui! Ein Jüngling Vater, das ist etwas anderes.„Famoser Kerl", schmunzelt das Familienhaupt, wenn die Affäre nicht zu teuer wird. Und auch die sittenstrenge Mama empfindet etwas Stolz über den scharmanten Sohn. Aber das Haus muß rein bleiben. Mag die Gefallene sehen, wie sie fertig wird. Und das Ende? Die Mutter wird eine Dirne, um das eigne und das Leben des Lkindes zu erhalten. Oder, läßt nicht Sinn verwirrende Angst und Hülflosigkeit sie zur Mörderin werden, eines Tages liegt ihr Kind vor fremden Türen— sie hat es ausgesetzt, weil die sozialen Verhältnisse es ihr verwehren, dem Kinde Mutter und Erzieherin zu sein. Die sozialen Verhältnisse lassen dem Fräulein Mutter die Wahl: in Schande und Not zu leben, Dirne zu werden, ihr Kind auszusetzen oder zu morden. Die Gesellschaft, macht die unnatürliche Mutter. aber sie entrüstet sich nicht über ihre Sünden, sondern über die Opfer ihrer Sünden.-- Heuchelei." Erst laßt ihr die Armen schuldig werden, dann überlaßt ihr sie der Pein!_ Berichtigung. In Nr. 49 vom Mittwoch ist in dem Artikel „Der Stadthaushaltsetat für das Jahr 1997" durch Auslassung einer Zeile eine Entstellung des Sinnes ent- standen. Die ersten Sätze des letzten Abschnittes lauten richtig folgendermaßen: „Bei der Prüfung des Entwurfs und der schließlichen Fest- setzung des Etats geht die freisinnige Mehrheit der Stadt- verordnetenversamnilung von Gesichtspunkten aus, die denen der sozialdemokratischen Fraktion völlig entgegengesetzt sind. Wir Sozialdemokraten fragen zuerst, welche Ausgaben erforderlich sind, um die notwendigen Aufgaben der Kommune zu erfüllen. Die freisinnige Mehrheit kehrt das Verhältnis um. Sie fragt, welche Aufgaben der Kommune als notwendig anerkannt werden dürfen, damit der zulässige Ausgabebetrag langt." Dir neuen Eiscnbahn-Fahrkartca, wie sie vom 1. Mai d. I. zur Ausgabe gelangen, werden einige bemerkenswerte Abweichungen von den jetzt im Gebrauch befindlichen Kotten zeigen. In die Augen fällt zunächst der breitere Raum am oberen Ende, über der Bezeichnung „für alle Züge usw."; dieser Raum ist auf der linken Seite zur Auf- nähme des Tagesstempels, der bei der Lösung der Fahrkarte auf- gedrückt wird, bestimmt, während auf der rechten Seite Platz für einen zweiten Stempelausdruck gelassen ist, der durch die Abkürzung„Rückf." den Fahrausweis zur Rückfahrkarte macht. Daß diese lediglich zur Bequemlichkeit der Reisenden, die einen Weg zum Schalter sparen wollen, verausgabt wird und nur zwei Tage Gültigkeit hat, haben wir bereits mitgeteilt. Infolge dieser reichlicheren Raum- Zuteilung für den oberen Abschnitt müssen die Routenvorschriften, die sich sonst unter dem Namen der Bestimmungsstation befinden, sofern sie mehrere Zeilen in Anspruch nehmen, auf die Rückseite der Fahrkatte gesetzt werden. Eine weitere Abweichung zeigt sich unter der links unten befindlichen Bezeichnung der Wagenklasse; hier findet man eine arabische Ziffer, entsprechend den l14) verschiedenen Zonen, die dem Gepäcktaris zur Grundlage dienen. Eine Fahrkarte Berlin — Köln 1289 Kilometer) wird also die Zahl„11" tragen, d. h. elfte Gepäckzone für die Entfernung von 591 bis 999 Kilometer. Bei der Abfertigung des Reisegepäcks braucht der Beamte in der Tattstabelle nur nach der Gewichtsstufe<z. B. 1 bis 29 Kilo- gramm) zu sehe» und er hat sofort den Frachtsatz(z. B. 1 M.) ermittelt. Dadurch wird die Abfettigung des Gepäcks erheblich ver- einfacht und beschleunigt. Mit der Frage der Bcrstadtlichung des Berliner Rettungswesens beschäftigte sich Dienstag abend eine Aerzteversammlung, die von dem Verein zur Einführung freier Arztwahl nach dem Restaurant „Alfftädter Hof" einberufen worden, jedoch nur schwach besucht war. Es wurde schließlich folgende Resolution angenommen: „In Erwägung, daß 1. die Beschaffung erster Hülfe bei Unfällen und plötzlicher Erkrankung, solvie der Nachweis freier Betten in den Krauken- Häusern Berlins zn den dringendsten Aufgaben der öffentlichen Krankenversorguug gehört, 2. zu einer mustergültigen Lösung dieser Aufgabe unter Aus- schluß aller egoistischen Tendenzen private Einrichtungen auf die Dauer nicht ausreichen, 3. daß diese Lösimg vielmehr, und zivar unter Mitwirkung berufener Faktoren(Krankenhäuser, Aerztestand) und unter Berück sichtigung historischer WohlfahrlSbestrebuugen(Sanitätswachen, Rettuugsgesellschaft) nur der Kommune zusteht, richtet die Aerzteversammlung vom 26. Februar an den Hochwohl löblichen Magistrat die ergebene Bitte, das städtische Rettungswesen, und zwar unter Heranziehung der Einrichtungen der Berliner RettungSgesellschaft und der Sanilätswachen gemäß dem Beschluß der Stadtverordnetenversammlung schleunigst zu organisieren." Die Wassersrage am Tempelhofer Berg. Um den auf die Dauer unhaltbaren Zuständen in der Privatstraße am Tempelhofer Berg wo den Mietern mit der Entziehung der Wasserzufuhr usw. gedroht worden ist, ein Ende zu bereiten, hat am Mittwoch die städtische Tiefbaudeputation beschloffen, Baufluchtlinien dort festzusetzen und dann für eine Aenderung der jetzigen EigenwmSverhälMiffe zu sorgen. Städtische Taubstummenschule. Die Schuldeputation macht im Gemeindeblatt bekannt, daß die Aufnahme anfangs April und Oktober stattfindet. Eltern und Vormünder schulfähiger und noch nicht eingeschulter taubstummer Kinder haben Anmeldungen zum bevorstehenden Sommersemester bis spätestens 1. April d. I. bei dem Herrn Direktor Gutzmann, Markusstr. 49, anzubringen.— Bestimmungsgemäß werden auch schon Kinder mit vollendetem fünften Lebensjahre aufgenommen, die in einer eigens dafür vorhandenen Vorschulklaffe für den planmäßigen Schulunterricht vorgebildet, werden._ Berlin bei Rächt lautete das Thema, über das der konservative Abg. v. Schuckmann vorige Woche dem preußischen Abgeordnetenhause einen Vortrag hielt. Er schilderte darin das Nachtleben Berlins mit einer Sach� künde, daß man unwillkürlich auf den Gedanken kommen mußte Der Mann weiß Bescheid. Und das Publikum, dem er seine Kennt- nisse zum Besten gab, nickte verständnisinnig. Und wie fluchte Herr v. Schuckmann über das Berliner Nachtleben, das sich in der Friedrichstratze, in den Tingeltangels usw. abspiele. Von„Ludet leben", von„Sauwirtschaft" sprach er, vergaß aber zu sagen, welche Kreise es sind, die sich in diesen Strudel stürzen. Vielleicht wußte er es nicht! Sollte ers wirklich nicht wissen? Sollte er wirklich nicht wissen, daß dieses Nachtleben die beste Saison hat, wenn diverse Kongresse in Berlin tagen? Sollte er nicht wissen, wie zu Zeiten der Tagung des Bundes der Landwirte im Zirkus Busch die „Blumensäle", die„Amorsäle" dicht besetzt sind und die Demimonde „goldene" Zeiten hat? Nachträglich scheinen aber Herrn v. Schuckmann doch Bedenken über seine Ausführungen gekommen zu sein, nachdem er sehen mußte, wie selbst die konservative„Kreuzzeitung " seine Auslassungen als übertrieben bezeichnete und er hat versucht, zu retten, was zu retten ist; er hat seine Rede dementsprechend korrigiert. Die „Freisinnige Zeitung" stellt fest, daß dieses amtliche Stenogramm etwas von dem Wortlaut der Rede abweicht, die im preußischen Abgeordnetenhause aus dem Munde des Abg. v. Schuckmann von einer ganzen Anzahl von Berichterstattern gehört worden ist. In dem von der„Kreuzzeitung " mitgeteilten Stenogramm steht nichts vori den schönen Titeln, mit denen der Abgeordnete v. Schuckmann „Berlin bei Nacht" zu charakterisieren versucht hat, nichts von „Luderleben",„Sauwirtschaft" usw. ist zu finden. Gebt den Kindern keinen Alkohol! Im Kampfe gegen die Alkoholgefahr besteht zwischen den Kämpfern selber noch ein Streit darüber, ob man diefe Gefahr schon durch bloße Mäßigkeit oder nur durch völlige Enthaltsamkeit abwehren kann. Einig sind aber die bloß Mätzigen mit den ganz Enthaltsamen darin, daß Kinder gegen die Schädlichkeiten des Alkohols nur durch völlige Enthaltung vom Alkohol- genuß geschützt werden können. Aerzte und Lehrer haben seit Jahren und Jahrzehnten durch statistische Umfragen und experimentelle Untersuchungen die Ge- fahr nachzuweisen sich bemüht, die der Alkohl den Kindern bringt. In neuester Zeit werden diese Be- strebungen erfolgreich unterstützt durch die Schulärzte, zu deren Anstellung immer mehr Gemeinden sich entschließen. Ueber den Alkoholmißbrauch der Kinder— oder richtiger: über den Alkohol- mißbrauch gegen Kinder, denn die Erwachsenen sind's ja, die einen ganz besonders gefährlichen Mißbrauch treiben, indem sie sogar Kindern Alkohol verabreichen— können die Eltern durch die Schulärzte wirksam aufgeklärt werden. Bei uns in Berlin suchen die Schulärzte der Verabreichung von Alkohol an Kinder entgegenzuwirken durch ein„Alkoholmerkblatt", das sie den Eltern bei der Einschulung der Kinder einhändigen und auch erläutern. Auch auf den sogenannten„Elternabenden", zu deren Ver- anstaltung die Lehrerkollegien mancher Schulen sich bereit finden lassen, ist hier und da die Alkoholgefahr erörtert worden. Vollen Nutzen kann das aber nur dann bringen, wenn überall die„Eltern- abende" wirklich das sind, was sw sein sollten: eine offene rückhalt- lose Aussprache zwischen Eltern und Lehrern wie zwischen Gleich- berechtigten— nicht lediglich eine„Abendunterhaltung", bei der den Eltern die Rolle schweigender Zuhörer zuteil wird und den Lehrern die Unbequemlichkeit einer Diskussion mit den Eltern erspart bleibt. Am Sonntag hatten wir Gelegenheit, eine solche Aussprache zwischen Lehrern und Eltern mitanzuhören, und zwar über die Alkoholfrage. Im Südosten der Stadt besteht ein„Ver- ein der Interessenten der 4 6. Gemeindeschule", der im vorigen Jahre entstand, als die 46. Schule(Lausitzer Platz) von dem Schicksal der Auflösung bedroht war. Er steckte sich zu- nächst das Ziel, die Auflösung zu verhüten, aber darüber hinaus betrachtet er es auch als seine Aufgabe, eine engere Verbindung zwischen Schule und Haus herbeizuführen. Vor diesem Verein sprach am Sonnwg in der Aula der 46. Schule der Lehrer Wetzel über das Thema:„Wie wirken Bier und Wein auf die Kinder?" Der Vortragende begann mit dem Nachweis, daß Bier, wie- wohl es als kräftigend gilt, sehr wenig Nährstoffe ent- hält. Als Nährstoffe sind Eiweiß, Fett und Zucker anzusehen. In einem Liter Bier für 22 Pf. sind 7 Gramm Eiweiß, 44 Gramm Zucker, 9 Gramm Fett enthalten, macht zusammen nur 21 Gramm Nährstoffe. Für dasselbe Geld bekommt man 114 Liter Milch mit 147 Gramm Nährstoffen oder 299 Gramm Weißbrot mit 318 Gramm Nährstoffen oder 1299 Gramm Kommißbrot mit 714 Gramm Nährstoffen oder 19 Pfd. Kartoffeln mit 1132 Gramm Nährstoffen. Hiernach ist das Bier, wenn es als„Nahrungsmittel" gelten soll, zum mindesten ein sehr teures„Nahrungsmittel". Neben der geringen Menge von Nährstoffen enthält es aber auch Alkohol. Von ihm wird vielfach angenommen, daß er die Geiste?- tätigkeit günstig beeinflußt. Durch Experimente ist aber nach- gewiesen, daß das„in Irrtum ist. An erwachsenen Versuchs- Personen hat Dr. Smith-Heidelberg festgestellt, daß beim AuS- wcndiglernen von Zahlen die Leistung sank, wenn er Alkohol gab, und zwar desto bedeutender sank, je länger der Alkoholgcnuß beibehalten wurde, daß aber die Leistung wieder stieg, sobald der Alkoholgenuß ausgesetzt wurde. Seminardirektor Joost-Bern hat mit durchschnittlich siebzehnjährigen Schülern einer Scutinarklasse ähnlich experimentiert. Er teilte sie in zwei Gruppen von durchschnittlich gleicher Leistungsfähigkeit, gab der einen Gruppe Bier, während die andere sich jedes Alkoholgenusses enthalten mutzte, und stellte dann Kopfrechenaufgaben. Zunächst bleibt die Leistungsfähigkeit bei beiden Gruppen noch gleich, aber nach einer Stunde trat eine merkliche Ungleichheit auf, die in der zweiten und dritten Stunde immer größer wurde. In der dritten Stunde wurden richtige Lösungen geliefert: noch 27,9 Proz. von den Abstinenten, aber nur noch 42,4 Proz. von den Trinkern. Der schädigende' Einfluß des Alkohols auf die G e i st c s t ä t i g k e i t, der aus solchen Ergebnissen klar wird, ist sicherlich bei Kindern noch viel größer. Schuldirektor Beyer-Wien hat durch Befragung von 291 Kindern ermittelt, daß nur 134 keine alkoholischen Getränke bekamen, 164 nur gelegentlich Alkohol genossen, aber 219 täglich einmal, 71 täglich zweimal, 3 täglich drein, al. Es zeigte sich, daß das Zeugnis„g u t" vorkam bei 42 Proz. der abstinenten Kinder, bei 32 Proz. der gelegentlich trinkenden, bei 27 Proz. der täglich einmal trinkenden, bei 29 Proz. der täglich zwei- oder dreimal trinkenden, andererseits das Zeugnis „ungenügend" bei nur 7 Proz. der abstinenten Kinder, bei 9 Proz. der gelegentlich trinkenden, bei 14 Proz. der täglich einmal trinkenden, bei 22 Proz. der täglich zwei- oder dreimal trinkenden. Privatdozent Hccker-München hat durch eine Umfrage, die sich auf 4662 Kinder erstreckte, ähnliche Ergebnisse bekommen. Der Vor- tragende gelangte hierauf zu dem Schluß, daß mindestens Kindern jeglicher Alkohol vorenthalten werden müsse, nicht nur Schnaps, sondern auch Bier und Wein. die mit Unrecht als unschädlich und sogar kräftigend gelten. In der sehr lebhaften Diskussion erhob sich kein Widerspruch gegen diese Forderung. Es wurde aber die Frage aufgeworfen. warum immer noch so viele Aerzte den Kindern Wein als „Stärkungsmittel" verordnen. Ob auch Erwachsene den Alkoholgcnuß mindestens einschränken sollen, darüber wurde keine volle Einigung erzielt. Die Mehrheit der Zuhörer hatte offenbar nicht viel Neigung, für sich selber die Gefahren des Alkohols allzu hoch anzuschlagen. Herr Wetzel selber bekannte sich zur v ö l l i g e n Abstinenz. Er hob hervor, daß durch das gute Beispiel der Enthaltsamkeit Erwachsener auch der Alkoholgenuß der Kinder am sichersten verhütet werden könne. Der Automobilomnivns-Tarif, wie ihm nach den Vorschlägen des Polizeipräsidiums der Magistrat zugestimmt hat. wird nunmehr amtlich publiziert und in Kraft gesetzt werden. Danach werden für die Linien der Allgemeinen OmnibuS-Gesellschaft: Nr. 4, HallescheS Tor— Chausseeftraße, Nr. 8, Bülowstraße— Straus- berger Platz, und Nr. 19, Alexanderplatz — Moabit 19 Pf.- T e i l- strecken von etwa 3999 Meter Länge und ein Gesamt-Fahrpreis (für die ganze Fahtt) von 12 Pf. eingeführt. Die von der Gemeinde Wilmersdorf beantragten Omnibuslinien unterliegen, soweit sie das Berliner Stadtgebiet berühren, gegcmvärtig der Prüfung der Aufsichtsbehörden. Zwei derselben, Halensee— Wilhelmsplatz(Berlin ) und Hildegardplatz— Potsdamer Platz (Berlin ) sollen nach dem vorliegenden Projekt über den Kemper- platz geführt werden. Bon einem Automobilomnivus überfahren wurde gestern der Straßenbahnfahrer Kopp, als er an der Ecke der Leipziger - und Mauerstraße die Weiche stellen wollte. K. stieg zu diesem Zwecke von der Plattform des Motorwagens herab. In diesem Augenblick fuhr ein Automobilomnibus der Linie 8 so dicht an dem Straßenbahn- wagen vorbei, daß K. von dem Automobilgefährt erfaßt, nieder- gerissen und überfahren wurde. Er erlitt starke Quetschungen der Obersckenkel und Bluterguß am rechten Unterschenkel. Der Ver- unglückte wurde zunächst nach der Unfallstatton in der Kronenstraße und von dort aus seinen Wunsch nach seiner Wohnung übergefühtt. In der Fixigkeit will die Ullsteinsche„Berliner Illustrierte Zeitung " der Scherlschen„Woche" Konkurrenz machen. In ihrer letzten Nummer veröffentlicht sie ein Bild des Wiener Bürger- meisters mit der Unterschrift:„Dr. Karl Lueger si." Nun ist Dr. Lueger allerdings schwer krank, soll sich aber bereits auf dem Wege der Besserung befinden. Das Blatt ist mit feinem Streben, recht aktuell zu sein, böse hinein gefallen. Wenn sich aber die„Staatsbürger-Zeitung" über die„bezeichnende Unverschämtheit" sehr aufregt, möchten wir nur daraus hinweisen, daß es gerade die sogenannte„anständige" Presse war, die während des Wahlkampfes verschiedene sozialdemokratische Führer sterben ließ, um die Wähler irre zu machen und im Trüben zu fischen. Also vorzuwerfen haben sich die gegnerischen Blätter nichts. Der Müggelsee ist gestern für die Schiffahtt ftei geworden. so daß nunmehr der SchiffahrtSverkehr auf der Oberspree- wieder aufgenommen werden kann. Schon am vorgestrigen Tage hatte der Eisbrecher„Müggel" den Versuch unternommen, die Eisdecke der Müggel zu durchbrechen, was jedoch bei der Stärke der Eisfläche, die trotz des anhaltenden Tauwetters noch sieben Zoll betrug, nicht möglich war. Dem Dampfer gelang es nur auf einer Strecke von etwa 209 Meter, das Eis zu zerttümmern, doch setzten die Eisblöcke dem weiteren Ansturm des Dampfers derartigen Widerstand ent- gegen, daß die Tätigkeit des Eisbrechers zunächst eingestellt werden mußte. Die am gestrigen Tage fortgesetzten Versuche hatten den Erfolg, daß eine genügend breite Fahrrinne in der Stromrichtung der Spree durch den Müggelsee geschaffen werden konnte. Der Lokal- SchiffahrtSverkehr auf der Oberspree ist am heutigen Morgen bereits aufgenommen worden. Ein wahres Unglücksunternehmen scheint die in der Rubens- straße in Friedenau im Aufbau begriffene Kolonialausstellung zu sein. Kürzlich erst brach anläßlich des großen Sturmes eine Halle zusammen und in dieser Woche werden bereits zwei Unglücksfälle gemeldet. Am Montag stürzte ein Zimmergeselle ab, der beim Aufzimmern der Balkenlage tätig war und blieb mit schweren Verletzungen liegen. Der Bedauernswerte hat einen Schädelbruch erlitten, außerdem wurden Rippenbrüche und Armbrüche konstatiert. UnS wird mitgeteilt, daß der schwer Verletzte stundenlang gelegen habe, ehe ärztliche Hülfe kam. Anstatt nach dem nächstgelegenen Schönebcrger Krankenhaus zu schicken, sei nach einem Steglitzer Arzt gesandt worden, der natürlich erst später eintreffen konnte.
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