klärt, die Herren Roeren und Erzverger handelten und sprachen alsPrivatpersonen auf eigene Verantwortung. Dabeihat eS aber jahrelang ruhig geduldet, daß gerade dieseAbgeordneten namens des Zentrums die kolonialpolitischenFragen behandelten. Und diese jesuitische Taktik hat auch Herrv. He rtlin g, der Zentrumsdiplomat, in seiner letzten Redebeobachtet, als er erklärte:»Was gehen mich die HerrenPoeplau und Wistuba anl" Natürlich, Herr Hertling, dersich niemals um kolonialpolitische Interna gekümmert hat, der dieNachprüfung der Kolonialskandale den Herren Roeren und Erz»berger überließ, kennt die Herren Poeplau undW i st u b a n i ch t. Er hat keine Ahnung davon, welche Bewandtnis esmit deren Material hat l Aber gerade deshalb hätte er zugleich mitder von der Fraktion den beiden Abgeordneten aufgebürdetenArbeit auch die Verantwortung über die Ergebnisse dieser Arbeitauf die Zentrumsfraktion übernehmen müssen. DaS Zentrumschüttelte jedoch abermals die Herren Roeren und Erzberger vonseinen Rockschößen ab, au? keinem anderen Grunde, als umdie Rücksichtnahme der Regierung, die sich in dem Fern-bleiben Bülows von den Etatverhandlungcn und in derNichtbeantworhing der Zrntrumsrcdeu deutlich genug äußerte,durch gleiche Konzilianz zu erwidern. Das Zentrum bramar-basiert zwar gegen die Regierung, hütet sich aber vor-sichtig, durch irgend welche Taten der Regierung unangenehmzu werden!Herr Erzberger hat heute wieder erklärt, daß er künftig allesMaterial über kolonialpolitische Skandale, das zu seiner Kenntnisgelange, im Plenum des Reichstages vorbringen wolle. Wirfürchten nur, daß künftig Herr Erzberger das ihm unterbreiteteMaterial nicht mehr mit der Sorgfalt prüfen wird, wie das frühergeschah. Dieser wortgewaltige„Enthüller* wird sich künftig derdiplomatischen Taktik des Herrn Hertling fügsam unterwerfen Z—*,»*Deutfches Reich.Das triumphierende Zentrum und der kneifende Reichskanzler.Fürst Bülow hat in den letzten Tagen den Reichstag geflissentlichgemieden, um dort unliebsamen Auseinandersetzungen mit dem ihmfrüher so eng verbundenen Zentrum zu entgehen. Offenbar wollteer weitere Familienzwistigkeiten vermeiden, da er an eine wirk-liche Scheidung nicht denkt. Das Zentrum freilich nützteinstweilen Bülows Flucht vor der Oeffentlichkeit weidlich aus. Soschreibt die„Germania*:„Der Reichskanzler Fürst Bülow ist auch am Montagim Reichstage nicht erschienen; der Platz des Angeklagten amBundesratStisch blieb leer. Man hatte am Montag erst recht daraufgerechnet, daß der Reichskanzler erscheinen werde, zumal eS ihmnicht unbekannt geblieben sein konnte, daß der Abg. Freiherrv. Hertling spreche» würde. Aber vielleicht hat Fürst Bülow sichgerade deshalb ferngehalten. Fürst Bismarck entfernte sich bekanntlichrn den achtziger Jahren aus den, Reichstage, wenn der freisinnigeAbgeordnete Eugen Richter zu sprechen begann, heute aber sinddie Freisinnigen so rcgierungSfromm geworden, daß ein Reichs-karikier deshalb den Reichstag nicht zu meiden versucht sein könnte.OMnbar sind es jetzt die Redner der Zentrumsfraktion,die den jetzigen Reichskanzler den Reichstag meiden lassen.§ irrst Bülow kann sich freilich dabei nicht beklagen, wenn feinebwesenheit und fein« Weigerung, gegenüber den AnklägernRede und Antwort zu stehen, als eine Furcht vor dem Reichstageausgelegt wird. Mrt zwei wohlvorberciteten Reden gegen dasZentrum und gegen die Sozialdemokratie kann doch der einzigeverantwortliche Beamte der Reichsregierung seine amtliche undseine persönliche Rechtfertigung unmöglich als erledigt betrachten.Man wird und muß trotz alledem auch fernerhin von ihm die öffent-liche Rechtfertigung erwarten, die er den gegen ihn erhobenen An-klagen dem Jnlaiide wie dem Auslande gegenüber schuldigest."Schließlich erklärt die„Germania* noch, daß man auf derJournalistentribüne nach der Rede des Freiherrn v. Hertling denEindruck gehabt habe, daß damit die„letzten Fäden zer-schnitten worden seien, die das bereits zur Genüge zerschnitteneTischtuch zwischen dem Fürsten Bülow und dem Zentrum nochirgendwo habe erkennen lassen".Das sieht beinahe auö. als ob das Zentrum den FürstenBülow trotz seines Wahlsieges nur für eine sehr vorüber-gehende Erscheinung hielte. Vielleicht freilich handelt dasZentrum auch nur nach dem Sprichwort: Was sich liebt, das necktsich I-_Freisinniger Schwindel.Die„Freisinnige Zeitung" verwahrt sich aufgeregtdagegen, daß sie erst jetzt nach der Wahl wieder ihren anti»agrarischen Standpunkt entdeckt habe. Es sei unrichtig,daß sie„im Interesse der Wahl den prinzipiellen freisinnigenStandpunkt betreffs der Fleischnot mehrere Monate lang verheim-licht" habe. Das sei eine grobe Unwahrheit, habe sie doch„in denWochen nach der Rcichstagsauflösung beispielsweise in Nr. 448, 4SI,452 und 453 deS Jahrgangs 1906 unter der Rubrik„Volkswirt-s ch a f t" Fragen behandelt, die sich auf die Fleischbcrsorgung be-ziehen, und zwar in derselben Weise behandelt, wie bis dahin."Ebenso sei es im Januar gewesen.Durch diese klägliche Ausrede wird die«Freisinnige Zeitung"niemals die Tatsache auS der Welt schaffen, daß sie es geradezuängstlich vermieden hat, während der Wahlkampagne den prin-zipiellen freisinnigen anti agrarischen Standpunkt agitato-risch auch nur im»lindesten hervortreten zu lassen! Trotz der vonuns während des Wahlkampfes wiederholt geschehenen Festnagelungdieser freisinnigen Jämmerlichkeit hat die«Freisinnige Zeitung"sich stets darauf beschränkt, statt den Kampf gegen das Agrariertumzu führen, ihre prinzipiellen Gewissensbeocnken an möglichst unbe-mcrtter Stelle in Gestalt möglichst unbemerkter Notizen niederzu-legen. Ja sogar nach der Wahl hat es die„FreisinnigeVolkspar tri* den Rednern der Freisinnigen Ver-e i n i g u n g bei der Etatsdebatte überlassen, den antiagrarischenStandpunkt des Freisinns zu vertreten, wofür der freisinnig-volks-parteiliche Fraktionsredner Wiemer, zugleich Redakteur der„Frei-sinnigen Zeitung", denn auch das Lob der„Kreuzzeitung" geerntethat, daß er„beson nen und maßvoll" geredet hatlWenn die„Freisinnige Zeitung" weiterhin die Unverfroren-heit besitzt, zu bestreiten, daß sie in der„Freisinnigen Zeitung" inkolonialpolitischer Beziehung seit dem AuftauchenDevnburgs einen g r u n d.sä tzl i ch e.n Wechsel vollzogen habe,so verdient diese dreiste Leugnung angesichts der von uns wieder-holt beigebrachten Beweise in Gestalt von Zitaten aus der«Frei-sinnigen Zeitung" keinerlei neue Widerlegung. Mag die„Frei-finnige Zeitung" munter darauflos schwindeln, die Beweise fürihren jammervollen Gesinnungswechfel werden wir ihr ja nochmehr als einmal zu Gemüte führen!8 193.Gotha, den 4. März.Der seltene Fall, daß einem Redakteur in Ausübungseines Berufs der Schutz des 8 193 des Strafgesetzbuches(Wahr-nehmung berechtigter Interessen) vom Reichs-g e r i ch t zugebilligt wird, ist in einem PreßbeleidigungSprozeßdeS hiesigen Stadtrats gegen den früheren Redakteur des„Gotha-ischen Tageblatts" Walter zu verzeichnen. Walter war wegenseiner allzufreisinnigen Anschauungen Gegenstand fortgesetzterAngriffe der vereinigten liberalen(einschließlich der nationallibe-rqlen und agrarliberalen) Parteien in Gotha, die das„GothaischeTageblatt" für den gemäßigten Liberalismus zu gewinnen suchten.Sie gelangten kurz vor den Reichstagswahlen zum Ziel. Walterwurde trotz langfristigen Vertrages entlassen, und das„GothaischeTageblatt" trat für die Mischmaschkandidatur Hohenlohes ein.In den vorausgegangenen Kämpfen hatte Walter heftige Angriffegegen den Gotha er„Klüngel" gerichtet. Er kämpfte dabei,wie das Urteil der Strafkammer anerkannte, nicht nur für seinepolitische Ueberzeugung, sondern auch um seine Existenz. Erfpielte in einem seiner Artikel auf die Beziehungen an, die hierin Gotha zwischen der Beamtenschaft der großen Bank-institute und den matzgebenden politischen Persönlichkeitenbestehen. Diese Beziehungen, die dem politischen Leben in Gothaein besonderes Gepräge geben, äußern sich u. a. darin, daß derOberbürgermeister als Aufsichtsrat der Lebensbankund als Schlüsselbewahrer der Lebensbank, der Feuerbani undder Privatbank beträchtliche Nebeneinnahmen hat. Auch derBürgermeister, mehrere Stadträte, eine Anzahl Stadtverordneteund eine Reihe anderer einflußreicher Persönlichkeiten beziehenGelder aus Bankinstituten, während andererseits die Bank-direktoren eine bedeutsame Rolle im kommunal-, landes- undrcichspolitischen Leben der Stadt Gotha spielen. Daß dieseWechselbeziehungen eigenartige Zustände herbeiführen, liegt aufder Hand. Walter kritisierte in einem gegen den freisinnigenReichsverein gerichteten Artikel diese Verhältnisse sehr scharf.Darauf stellte Oberbürgermeister Liebetrau im Namen der städ-tischen Körperschaften, die sich getroffen fühlten, Strafantrag underzielte die Verurteilung Walters zu einem Monat Ge-fängnis durch die hiesige Strafkammer. DaS Reichsgerichthob jedoch das Urteil auf, weil Walters sämtliche Beweisanträgevon der Strafkammer abgelehnt waren, und weil ihm der Schutzdes Z 193 versagt blieb. In letzterer Beziehung sagt die Be-gründung des Reichsgerichts:„Hat der Angeklagte nach der Anschauung der Strafkammer,wenn er auch nicht von der Bcgründetheit der von ihm er-hobcnen Vorwürfe überzeugt war, doch mit der Möglichkeit,sie könnten begründet und erweislich sein, gerechnet, oder hat ersie lcichtsinnigerweise erhoben, ohne daran zu denken, wie weitsie begründet sein könnten, so dürfte ihm der Schutz des 8 193nicht lediglich um deswillen versagt werden, weil er nicht vonihrer Bcgründetheit überzeugt war. Es ist nicht richtig, daßVoraussetzung für die Anwendung des§ 193 des Strafgesetz-buches die Ueberzeugung des Beleidigers von der Begründetheitund Erweislichkeit seiner Vortoürfe ist; der Schutz des§ 193kann vielmehr auch demjenigen zugute kommen, der beleidigendeBehauptungen aufstellt, deren Bcgründetheit und Erweislichkeiter nur für möglich hält oder hinsichtlich deren Begründet-heit oder Erweislichkeit er sich überhaupt keine weiteren Ge-danken gemacht hat."Die Angelegenheit wird demnächst vor der hiesigen Straf-kammcr zur erneuten Verhandlung kommen.Nachwahl in Mecklenburg?Gegen die Wahl der Abgeordneten Dr. Dröscher(Schwerin-Wismar) und Linck(Rostock) ist zwar kein Protest eingelaufen,aber bei Prüfung der Wahlakten in der Abteilung stellten sich s oviele Unregelmäßigkeiten heraus, daß die Abteilung be-schloß, die Wahlakten der Wahlprüfungskommission zur Entscheidungüber die Gültigkeit der Wahlen abzugeben.—Interessant zu machen sucht sich die„Information", die durchdie Lüge vom Sektgelage Bebels und Singers bekannt gewordene,durch die Mitteilung, daß sie gegen Bebel die BeleidigungS-klage angestrengt habe wegen der Behauptung, die„Information*sei die Korrespondenz des ReichsverbaudeS zur Verleumdung derSozialdemokratie und wegen der Bezeichnung„Kloake*. So teiltdiese ehrenlverte Korrespondenz für 5 Pf. die Zeile ihren Ab-nehmern mit. Hinzu setzt sie die erschröckliche Drohung:„Wie eS sich aber mit den noblen Passionen einzelner Obergenossenverhält, darüber wird die Verhandlung die erforderliche Klarheitbringen." Das kann ja fürchterlich werden.Im übrigen ist die Unverfrorenheit zu bewundern, mit der deroder die Macher deS ehrenwerten Unternehmens sich als die grund-loserweise Gekränkten hinzustellen wagen, während sie selbst nochnicht einmal die elementarste Anstandspflicht, die unzweideutigeZurücknahme der Sektlüge erfüllt haben, geschweige daß sie sich ent-schuldigt hätten. �Gegen nationale Arbcitcrkandidaturcn zum Reichstage, die der„Evangelische Arbeiterbote" gefordert hat, zieht die„Post* vomLeder. Sie resümiert:«... So lange die christlichen Arbeiterorganisationen gleichder Sozialdemokratie auf dem engen Klassenstandpunkte verharren,so lange können sie nicht erwarten, daß die Parteien, welche dieAnsicht verfechten, daß reine Klassenvertreter im Parlamente vomUebel sind, solchen Vertretern in den Reichstag zu helfen."Die Industriellen sind natürlich nach der„Post* nicht„reineKlassenvertreter", sondern eignen sich ganz besonders auch zur Ver-tretung der Arbeiterinteressen.—Eine Begnadigung. Wie auS Karlsruhe gemeldet wird, hat derGroßherzog von Baden den wegen versuchter Verleitung zum Mein«cid zu einem Jahre Zuchthaus verurteilten katholischenPfarrer Gaisert aus Gündclwangen, dessen Prozeß voreinigen Monaten allgemeines Aufsehen erregte, zu sechs MonatenGefängnis begnadigt.—Hueland.Frankreich.Scheingefechte.Paris, 5. März.(W. T. B.) Die radikalen Kreise forderndie Regierung immer dringender auf, die bei Monsignore Montag.nini beschlagnahmten Papiere zu veröffentlichen. Senator Rancerklärt in der„Aurore", man wundere sich bereits darüber, daßdie Veröffentlichung dieser Schriftstücke noch nicht erfolgt sei undman frage sich nach dem Grunde dieses ZaudernS, da doch all-gemein der Wunsch ausgesprochen worden sei, daß über die Um-triebe deS Vatikans und die Mithülfe, die er dabei in Frankreichgefunden habe, volles Licht verbreitet werde. Ranc setzt hinzu:„ES laufen Gerüchte um, daß dieses Zaudern, ja, besser gesagt,dieser Widerstand vom Ministerium deS Auswärtigen ausgehe,wo noch starke klerikale Einflüsse maßgebend seien und wo man ge-wisse gefährdete Beamte retten wolle. Nach der Veröffentlichungder Papiere MontagniniS wäre dies nicht mehr möglich. Wenndieses Gerücht wahr ist, dann rechnen wir darauf, daß der Ministerdes Auswärtigen, Pichon, diesen Machenschaften mit Entschieden-heit ein rasches Ende bereiten wird."Wir glauben, der Grund für die„Nachsicht" gegen Rom liegttiefer. Man hat ganz einfach an der Seine ebensowenig ein gutesGewissen wie der heilige Vater am Tiber. Ist doch bereits dem„Echo de Paris" aus Rom gemeldet worden, der Vatikan besitzeSchriftstücke, deren Veröffentlichung der französischen Regierungsehr unangenehm werden könnte, unter anderem Papiere, ausdenen hervorgehe, daß die französische Negierung nach dem Ab-bruch der Beziehungen zum Vatikan bei Monsignore Montagniniunter vagen Friedensversprechungen vertrauliche Schritte unter-nommen habe, um hen Vatikan zur Annahme der französischenForderungen zu veranlassen.Was für Karten sonst noch der„heilige Vater' in der Hinter-Hand haben mag, das läßt sich natürlich nur ahnen. Die„hohePolitik" ist doch ein zu schönes Metier!-»England.Die Wahlbeteiligung bei den Londoner Grafschaft�-wählen war entsprechend dem ganzen Charakter dieseseigenartigen Kampfes größer als in früheren Jahren.Sie betrug 52,66 Prozent gegen 45 Prozent im Jahre1904. Die Progressisten erhielten zwar 960301 Stimmengegen 337 304 im Jahre 1904, aber die Stimmenzahl derGemäßigten stieg von 275 257 auf 509 000! Seit dem Be-stände des Grafschaftsrates ist es— nebenbei bemerkt— daserstemal, daß die Gemäßigten die Mehrheit erhalten haben.(Um das Wahlergebnis übrigens ganz würdigen zu können,ist es notwendig, hinzufügen, daß jeder Wahlberechtigte zweiStimmen hat.)Gestern(Dienstag) hat bereits die erste Sitzung des neuenGrafschaftsrates stattgefunden. Man darf auf die Wirksamkeitder Gemäßigten-Majorität gespannt sein; denn die siegreichenGegner des Munizipalsozialismus wollen ihre antisozialen undanttliberalen Ideen sehr schnell in Taten umzusetzen suchen.Die ganze städtische Verwaltung soll umgekrempelt,„reformiert"werden. Der Londoner Bürger wird— ganz wie der deutscheMichel— nicht eher einsehen, welche Dummheit er beging.das er den konservativen Gemäßigten zum Siege vcrhalf, alsihm von den Männern des neuen Kurses die Rechnungpräsentiert werden wird.—Schweden.Die Untersuchung über den Tod Tscherniaks und der anderendrei Passagiere des„Olaf Wijk" sind von dem schwedischen General-konsul in Brüssel und dem Vizekonsul in Antwerpen so nachlässigbetrieben worden, daß sich sowohl unser Parteigenosse V r a n t i n gwie auch der liberale Professor Warberg veranlaßt fühlten,am Freitag in der Zweiten Kammer die Angelegenheit zur Sprachezu bringen. Obwohl der Dampfer schon am 12. Februar in Ant-werpcn eintraf, meldete der Vizekonsul die Sache erst am 14. beider Antwerpcner Polizei an, und der Generalkonsul bequemte sicherst am folgenden Tage dazu, die kurze, knapp eine Stunde dauerndeFahrt von Brüssel nach Antwerpen zu unternehmen. Und dochhandelte es sich, abgesehen von Tscherniak und dem Franzosen, nochum den Tod zweier schwedischer Staatsbürger und um dieschwedische Handelsintcressen gefährdende Behauptung:' durcheinen wichtigen Exportartikel, die Zündhölzer, sei der Tod derPassagiere verursacht. Dazu kamen die verdächtigen Umstände.die auf ein Verbrechen hindeuteten und auch jetzt noch nicht auf-geklärt sind, was zu einem guten Teil darauf zurückzuführen ist,daß die Vertreter Schwedens die Untersuchungen lediglich unterder Voraussetzung führten, daß ein Unglücksfall vorliege.Der Minister des Aeutzern antwortete auf die Angriffe War-bergs und Brantings, daß er Anweisung gegeben habe, die Unter-suchung nach allen Richtungen hin zu führen. Er erging sich dannin der Beschuldigung, Branting und die belgische Sozialistcnprcssehabe nicht dazu beigetragen, das Ansehen des schwedischen Konsulszu stärken. Daß auch die bürgerliche liberale Presse das Verhaltendes Konsuls scharf kritisiert hatte, erwähnt er nicht besonders.Schließlich versprach er, daß alles getan werden solle, um Klarheitin der Angelegenheit zu schaffen. Seien Fehler begangen worden.so sollten die verantwortlichen Personen zur Rechenschaft gezogenwerden.Stockholm» 5. März.(B. H.) Durch die polizeiliche undchemische Untersuchung in Gothenburg wegen der Tscherniak-Affäreist untrüglich festgestellt, daß die Katastrophe nicht durch Gase derLadung oder Heizung herbeigeführt wurde. Die vorgefundenenArsenikreste deuten auf Vergiftung durch Arscnikgase, diewahrscheinlich„auf dem Lampeuglase und Heizrohr in TscherniaksKabine entwickelt" wurden.—Holland.Für die Verkürzung der Arbeitszeit.Amsterdam, 2. März.(Eig. Ver.)Der„Landes-Propaganda-Kongreß zur Beförderung einesstärkeren Kinderschutzes, Beschränkung der Arbeitszeit Erwachsenerund Abschaffung bezw. Beschränkung der Nachtarbeit" tagte amheutigen Sonnabend zu Amsterdani. Der Kongreß war von derSozialdemokratischen Partei Hollands und dem NiederländischenVerband der Gewerkschaftsvereine gemeinschaftlich veranstaltet undkann als Zeichen des Einflusses und der erstarkenden Einigkeit desklassenbewußten Proletariats Hollands angemerkt werden. Ver-treten waren 390 Organisationen, während 80 weitere ihre Sym-pathie und Zustimmung zu dem Ziele deS Kongresses mitgeteilt undnur wegen Verhinderung keine Abgeordneten gesandt hatten. Ver»treten wären insgesamt 60 000 organisierte Arbeiter, worunter derVerband der Gewerkschaften mit 26 000, die S. D. A. P. mit 7500,der Typographenvcrband mit 2500, der Schiffs- und Bootsarbeiter-verband mit 2500, der Verband der Niederländischen Volksschul-lehrer mit 7000, der Amsterdamer Verband der Gcmeindearbeitermit 1400, der Verband des Elektrischen Eisenbahn- und Tramway-Personals mit 1200 und der unter bürgerlichem Einflüsse, dem derFreisinnig-Demokraten, stehende Allgemeine Arbeiterverband mit3200 Mitgliedern.— Auch die Regierung war, bei VerhinderungdeS Ministers für Handel, Landbau und Gewerbe, durch einenReferendar vertreten, wie der Vorsitzende Henri Polak bemerkte, inHolland wohl zum ersten Male auf einem von Arbeitern veranstal-teten Kongresse. Ferner waren anwesend zwei ArbeitSinspettorenmit mehreren Beamten der Arbeitsinspcltion, während der Arbeits-inspektor des 0. Bezirks u. a. m. wenigstens ihre Sympathie schrift-licht bezeugt hatten. Die sozialdemokratische Kammerfraktion wardurch Genossen van Kol vertreten.Der Vorsitzende wie? darauf hin, daß dieser Kongreß als AuS-gangSpunkt einer kräftigen Aktion sür die Erzielung der Verkürzungder Arbeitszeit gelten müsse, ohne daß hierdurch irgendwie die Agptation für den Achtstundentag abgeschwächt werde oder der inter-nationale Standpunkt in bezug auf den letzteren verlassen sei, wieseitens der Anarchisten behauptet worden war. Die Anarchistenund die unter ihrem Einflüsse stehenden Gewerkschaften, einschlicß-lich deS Nationalen ArbeitssekrctariatS, sowie alle christlichen Ar-beitervercine waren dem Kongresse ferngeblieben.Nach den Referaten der Genossen Troelstra, Wibaut.Henri Polak, Dr. Heyermans, Oudegeest, Schick»man und nach der Diskussion wurden die dem Kongresse vor-liegenden Resolutionen betr. den Zehnstundentag, die Nachtarbeitund die Kinderarbeit angenommen, nachdem in der Resolution fürden Zehnstundentag noch ein Amendement Aufnahme gefundenhatte mit der Forderung eines wöchentlichen Ruhetages von 36 auf-einanderfolgenoen Stunden.Amerika.Bolttwehr.Eine Empfehlung Roofevelts an die Schulen geht dahin, daßExerzitien mit dem Schießgewehr zum Unterricht für die Knabengehören sollten. Eine Spezialkommission war eingesetzt worden,um diesen Vorschlag genau zu prüfen. Der nunmehr veröffent-lichte Kommissionsbericht spricht sich zugunsten einer solchenNeuerung aus. Durch Experimente mit 10000 Schülern höhererKlassen in New Dork wurde festgestellt, daß sie nur ein Viertel derZeit brauchten, die Männer notwendig hatten, um in der Hand-habung des Gewehrs gut geübt zu sein. Im Falle eines Kriegessind die Vereinigten Staaten auf F r e i w i l l i g e angewiesen, undda ist es doppelt vorteilhaft, wenn die Freiwilligen gleich mit derwichtigsten Waffe umzugehen verstehen.