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Hbgeordnctenbaud* SS. Sitzung vom Dienstag, den 6. März 1007, vormittags 11 Uhr. Am Ministertische: Frhr. v. Rheinbaben, Dr. v. Studt. Auf der Tagesordnung steht zunächst die Interpellation W i n ck I e r(f.), betreffend die Verbesserung der Besoldungs- und Ruhegehaltsverhältnisse der evangelischen Geistlichen. Kultusminister Dr. v. Studt erklärt sich bereit, die Interpellation sofort zu beantworten. Abg. Winckler(I.) begründet die Interpellation. Die Pfarrer haben stets eine grosse Bescheidenheit an den Tag gelegt. Das Ruhegehaltswesen mutz nebe» der Besoldung in allen Landeskirchen neu geregelt werden. Eine finanzielle Beihülfe des Staates ist unbedingt nötig. Kultusminister Dr. v. Studt: Kür die Geistlichen sind seit 1893 schon mancherlei Ausbesserungen erfolgt. Gleichwohl verhehlt sich die Regierung nicht, datz das Einkoinmen unter den heutigen Berhält- nisten nicht ausreichend ist und einer weiteren Ausbesserung bedarf. Der Staat wird nicht umhin können, diese Reform zu fördern. Diese Auffassung wird auch vom Finanzminister geteilt.(Beifall.) Die Aufbesserung ist aber in erster Linie Sache der Gemeinden, deren Besteuerungsrecht zu diesem Zwecke erweitert werden soll. Die Regierung denkt nicht daran, dabei etwa in die Selbständigkeit der Landeskirchen einzugreifen. Abg. Dr. Porsch(Z.) bittet, auch die katholischen Geistlichen bester zu stellen. Kultusminister Dr. v. Swdt sagt dies zu. Abg. Dippe(natl.): Wir werden die Suppe, die der Herr Kultusminister heute eingebrockt hat, gern ausesscn. sHeiterkeit.) Gerade angesichts der materiellen Strömung unserer Zeit gewinnt die Befferstclliing der für das Geistesleben des BolkrS so bedeutsamen Geistlichen eine erhöhte Bedeutung.(Bravo l) Abg. Dr. Rcwoldt(fk.) unterstützt das Verlangen der Jnter- pellation: Der Notstand der Geistlichen sei ein besonders dringender. Nach weiteren Bemerkungen der Abgg. Graf Wartcnslrbc»(I.), Dr. Prirtze(natl.) und Gras Cramrr(l.) wird ein Antrag auf Schlutz der Besprechung angenommen. Es folgt die zweite Beratung des Etats der direkten Steuern. Abg. Witzmann(natl.) bittet um Schaffung einer neuen Land- mesierordnung. Abg. Oeser(Hosp. d. frs. Vp.) fordert Besserstellung der Bureau- hülfsarbeiter bei den EinkommensteucrveranlagungS-Kommissionen. Abg. Werner(Ant.) verlangt bessere Besoldung der Super- numerare bei den Einkoinmensteuerveranlagungs-Kommissionen. Der Etat wird bewilligt. ES folgt der Etat dcS Finanzministeriums, besten Titel nach unwesentlicher Debatte bewilligt werden. Beim AusgabetitelGehalt des Ministers' beklagt Abg. Dr. MizerSki(Pole), datz die widerruflichen Zulagen an die Beamten im Osten ständig erhöht würden, dagegen an Prämien für Beamte, die Polnisch lernen wollten, nur 3009 M. aufgewendet würden. Abg. Dr. v. Böttluger(natl.) bittet, die Offenlegung der Ein- kommensteuerlisten zu beseitigen. Finanzministcr Frhr.   v. Rheinbaben: Vielleicht kann man den Mtzbräuchen, die sich durch die Offenlegung der Listen ergeben, da« durch entgegen wirken, daß man die Einsichtnahme durch einen Beamten vornehmen lätzt. Abg. Höveler(Z.) begründet einen Antrag, der verlangt, datz bei Einführung einer Wertsteuer deS Grund und Bodens in den Gemeinden für Grundstücke, welche dauernd land-�oder forstwirt­schaftlichen Zwecken zu dienen bestimmt find, nur der E r t r a g S« wert zugrunde gelegt wird. Ein RegierungSkommissar empfiehlt stattnur' zu setzenin der Regel". Bei der Genehmigung künftiger Steuerordnungen könne der Minister den Gemeinden einen Wink im Sinne des Antrages geben. In dem Antrag Höveler wird darauf auf Vorschlag des Abg. v. Arnim(k.) das Wort.nur' durch.in der Regel' ersetzt und der Antrag mit dieser Aenderung angenoinmen. Die DiSvositionSfonds zur Förderung des Deutschtums im Osten werden bewilligt, nachdem Abg. Dr. Crüger(frs. Vp.) sich namens feiner Partei gegen diese Fonds ausgesprochen hat. Beim Titel.Erwerb und Erschließung des UmwallungSgeländeS der Stadt Posen  ' erklärt Abg. Dr. Erügrr(frs. Vp.): Der Staat will hier einen Versuch mit dem Erbbaurecht machen, oas man in England nach jahrhunderte« langen Erfahrungen abzustotzen im Begriffe ist. Jemand, der sich auf den Terrains ein Hau» errichtet, will doch aber dauernd darüber verfügen und nicht nur für einen beschränkten Zeitraum. (Sehr richtig I links.) Meine Freunde müssen diese Position ablehnen. (Beifall links.) Finanzminister Freiherr   v. Rheinbaben: Die Engländer haben sich deS Erbbaurechts mit vollem Vorbedacht und gutem Erfolge be- dient. ES haben sich Vereine von städtischen Besitzern und andere Private in Posen zusammengetan, um ein Kreditinstitut zu schaffen. Diesem Institut sollte doch Dr. Erllger mit Vertrauen begegnen. Die Forderung wird bewilligt. Die erste Rate für die Verlegung deS Oberpräsidiums und des Provinzialschultolleguims von Schleswig   nach Kiel   wird ab- gelehnt. Der Etat wird bewilligt. Damit ist die Tagesordnung erschöpft. Nächste Sitzung Mittwoch 11 Uhr.(Eisenvahnetat.) Schluß v'/« Uhr.  _ Eine Beschwerde. Uns wird au» Königsberg vom 4. März geschrieben: E» ist noch nicht die schlimmste und verwerflichste Methode, die eine Anzahl Genossen seit langer Zeit anwenden, um die sozial- demokratische Partei der sie leider immer noch angehören dürfen zu bekämpfen, indem sie den Gegnern fortgesetzt Material und Waffen gegen die Sozialdemokratie liefern. DaS Organ dieser Leute, dieReue Gesellschaft', liefert nicht nur den Gegnern die Munition zu der Minierarbeit, die unausgesetzt an der Sozialdemokratie ausgeübt wird, sondern diese» Wochenblatt trachtet nach echt kapitali- stischem Brauch, noch recht großen pekuniären Nutzen auS dieser Taktik herauszuschlagen. Und zwar nimmt der Verlag dieses Organs nicht etwa die Kasten unserer Gegner, denen eS ja in erster Linie dient, dazu in Anspruch, sondern eS werden in neuerer Zeit die mit vieler Mühe gegründeten Organisafionen und die kaum gewonnenen Vertrauens- leute der zurückgebliebensten Agitationöbezirke der Partei unter Mißbrauch des Namen» der letzteren veranlaßt, Propaganda für die .NeueGesellschast" zumachen und ihr zahlende Abonnenten zu verschaffen. Zwar ist der Verlag wa» eigentlich zu verwundern ist bei seiner geschäftlichen Gerissenheit noch nicht im Besitz der Adressen aller Irganisationsleiter und Vertrauensleute der Partei im Reiche. Aber während de» WahlkampfeS   find ja genug«dresten bekannt geworden, an die sich der Verlag nnt Zirkularen und Probenummern wendet. Bis in die entlegensten Kreise Ostpreußens   werden sie der- schickt. Adressiert werden sie z. B. einfach anden sozialdemo- krafischen Kreisverein Königsberg- Land', oder anden sozialdemokratischen Verein Jnsterburg". Die Post wird schon finden, sagt sich der kundige Geschäftsmann. Und die Post findet, besonder» in kleinen Städten und auf großen Dörfern, schon immer den fast einzigen bekannten, öffentlich hervortreienden sozial- demokratischen Vertrauensmann oder Gewerkschaftsführer heraus, den sie für den Adressaten hält. In der als Drucksache versendeten Nummer derNeuen Gesellschaft" befindet sich ein Zirkular, in dem auf die vielen berühmten sozialdemokratischen Mitarbeiter hin- gewiesen und eS als Pflicht jedes Genossen bezeichnet wird, zur vuftlärung der tndiffenten Masten beizutragen, indem er für eifrige Verbreitung derNeuen Gesellschaft' sorgt. Auch für den Fall, daß diese Probenummer nicht an die richtige Adresse gelangt, ist gesorgt worden von dem geschäftskundigen Verlag. ES ist eine vorgedruckte, an den Verlag adressierte Post- karte beigefügt, auf der der Empfänger eine andere Person angeben soll, welche die Verbreitung derNeuen Gesellschaft"(pro Nummer 19 Pf.) in die Hand nehmen soll. Der Verlag läßt den Vertrauens- mann oder Gewerkschaftsleiter an jeder Nummer 4 Pf. ohne jedes Risiko verdienen, denn alle nicht abgesetzten Nummern werden wieder zurückgenommen. Wer nun unsere oft« und westpreußischen Parteivervältnisse kennt. der wird ermessen können, welch eine Gefahr unseren jungen Organisationen in den rückständigen ostelbischen Wahlkreisen droht, wenn diese das Parteileben in den vorgeschrittenen Bezirken schon vergiftende revisionistische Literatnr hier, zum Teil auch der kleinen pekuniären Vorteile für die Verbreiter wegen, eingeführt wird. Die vorgeschrittenen, aufgeklärten Genossen werden sich über die Angriffe auf die Taktik der Partei ärgern und werden ihrem Herzen in Wort und Schrift in geeigneter Weise Lust machen, dabei freilich unseren Gegnern die denkbar größte Freude bereiten. Aber sehr viel schlimmer ist eS, wenn politisch ungeschulte kaum für die Partei gewonnene Genossen, die noch nicht mal für eine ihren Verhältnissen zu teuere sozialdemokrafische Zeitung zu haben sind, nun dieses mit sozialdemokratischer Tendenz-Titelbild ge- schmückte Heft für 10 Pfennig angepriesen erhalten, eS kaufen und lesen. Diese ungeschulten Genosten oder solche, die es erst werden wollen, bekommen dieNeue Gesellschaft' in die Hand und lesen die Artikel gegen die Taktik dsr Partei, gegen das sozialdemokratische Zentralorgan und gegen alles, was sie sich erst eben mühsam als Inbegriff der Sozialdemokratie angeeignet haben. Wir glaubten bisher, wir würden vom sogenannten Revisionismus mit all seinen ihn begleitenden unangenehmen Folgen in Ostpreußen   verschont bleiben. Wir haben uns leider geläuHt und wir müssen nun Abwehrmittel gebrauchen, die im politischen Kampf ungewöhnlich und nur in äußerster Not angewendet werden, wenn die zuständigen Parteiinstanzen nun nicht bald mit dieser Gesellschaft, die sich schon selbst nicht mehr ehrlich zur Partei gehörig rechnen kann, aufräumt. Sind die Verfasser und die Herausgeber der bewußten Artikel keine Sozialdemokraten mehr, dann mögen sie kommen, wir werden mit ihnen abrechnen und sie unschädlich machen. So aber müssen wir mit gebundenen Armen zusehen, wie man unserer schwierigen Aufklärungsarbeit hemmend entgegen tritt. wie man uns im Namen der Partei Knüppel zwischen die Beine wirft, die noch ungeschulten Köpfe verwirrt und Parteidisziplin nicht aufkommen läßt. Die Genossen Berlins   und anderer Gegenden werden unS viel- leicht zu großer Aengstlichkeit oder der Uebertrcibung zeihen. Aber iver den steinigen Boden kennt, auf dem wir hier ackern müssen, der wird mit unS einstimmen müssen in den Ruf:Hinaus aus der Partei, wem es darin nicht mehr gefällt." Hermann Linde. Hue der partcu Parteiliteratur. Die Sozialdemokratie im Lichte der Kultnrentwickelung. Eine Führung durch die sozialdemokratische Bewegung und Literatur von Paul Kampffmeyer  . Verlag Buchhandlung Vorwärts, Berlin  . Preis 1.20 Di. In kurzen, übersichtlichen Kapiteln bietet der Verfasser einen Führer durch die sozialdemokratische Bewegung, dem zugleich eine Anweisung für das Studium der sozialdemokratischen Literatur bei- gefügt ist. Die soeben herausgegebene dritte vermehrte Auflage schildert die aufsteigende Kulturbewegung der Arbeiterklaste in folgenden Kapiteln: Die Erweckung deS proletarischen KlasfenbewewußtsetnS Die Organisation der proletarischen Klassenbewegung Die Begründung deS Sozialismus durch Marx Die politische Schulung der Arbeitermassen Führung durch die sozialdemokratische Literatur. Nachwort. Jedermann, der sich mit dem Studium der sozialdemokratischen Geschichte und Literatur befassen will, findet hier sehr wichtige Fingerzeige, ganz besonders sei die Broschüre jedem Arbeiter empfohlen, der in die Lehren deS Sozialismus eindringen will. Die Buchhandlung Vorwärts hat, um die Broschüre weitesten Kreisen zugänglich zu machen, eine Agitationsausgabe zu 0,60 M. heraus­gegeben, die an Vereine und Gewerkschaften bei Partiebezug zu noch bedeutend ermäßigtem Preis abgegeben wird. Die Sozialdemokratie und die Wahlen zum deutschen Reichstag«. Unter diesem Titel erscheint in wenigen Tagen im Verlage der Buchhandlung vorwärts, Berlin   3�V. 68, eine ver­gleichende Statistik der Ergebniste der ReichStagswahlen des Jahre» 190S und 1907. Die Broschüre wird eingeleitet durch einen geschicht- ltchen Ueberblick über die EntWickelung der Sozialdemokratie bei den Reichstagswahlen seit 1871. Sie enthält ferner: Ein Verzeichnis aller Wahlkreise, die zurzeit sozialdemokratisch vertreten sind oder schon einmal sozialdemokratisch vertreten waren; die sozialdemokrafischen Abgeordneten und ihre Wahlkreise; biographische Notizen über die früheren und jetzigen sozialdemo- krafischen RelchStagSabgeordneten. Die österreichische Märzschrift 1997 gelangte soeben im Berlage der Wiener   Volksbuchhandlung Jgnaz Brand, Wien   Vl. Gumpendorferstratze IS, zur Ausgabe. Sie ist auf den Wahlkampf, den ersten, den unsere österreichischen Genosten unter dem gleichen Wahlrecht führen, abgestimmt und spiegelt ihre stolze Freude über den Wahlrechtssieg und ihre Zuversicht auf den Sieg in der Wahlschlacht wieder. Blitz und blank wie das lorbeer  - umkränzte Schwert derSiegesgöttin'(Titelbild von Karl Zewy) ist auch das Schwert, mit dem da» sozialdemokratische Proletariat seine Maitage 1907 feiern wird.Wir wollen wacker v o r w ä r t S g e h' n', daS ist das Mahnwort der Fest. schrist. H. Resel schrieb eine begeisternde Erzählung:Ein anderer Märzen", S. Kaff den geschichtlichen RückblickVom Schwinder bis zum FranzenSring", Otto Bauer   einen Aufsatz 1843", F Zill einen ArtikelTriebkräfte der Revolutionen". Ein Vollbild von Karl Zewy feiertdie erste gleiche Wahl". Die Festschrift kostet 20 Heller.__ DaS Parteisekretariat für Westpreußen   befindet sich in Danzig  . Alle Zuschriften, welche westpreußiiche Parteiangelegenheiten betreffen, sind zu richten an den Genossen Artur Srispien, Danzig  , Langfuhr  , Herta st r. 11 I. r. Der erste sozialdemokratische GemeinderatSwahlfieg nach der ReichStagSwahl. In Leubnitz, einem Dorfe bei W e r d a u (Sachsen  ) mit 5000 Einwohnern, fand am letzten Sonntag eine ErgänzungSwahl zum Gemeinderat statt.(Eine Ende Dezember dort getättgte Gemeinderatswahl war wegen eines Formfehlers von der Amtshauptmannschaft Zwickau   kassiert worden.) Den Ordnung«- Parteien war nach dem Ausfall der ReichStagswahlen im Reiche auch hier der Kamm sehr geschwollen. Sie glaubten hier einen vollen Sieg erringen zu können, find aber geschlagen worden in allen Klasien. Die Kandidaten der sozialdemokratischen Partei siegten nicht nur in der Klasse der Unansässigen, sondern auch in der Klaffe der Hausbesitzer. Sin Bravo den wackeren Leubnitzer Genossen I Die Bestattung de» Genossen Adolf Gabor, so schreibt die ..Volksstimme" zu Frankfurt   a. M. am Sonnabend, vollzog sich heute vormittag in schlichter und würdiger Weise. Es waren 'nur etwas über hundert Leidtragende zugegen aus dem Ver- wandten- und Bekanntenkreise des Verstorbenen, darunter auch einige der ältesten Parteigenossen. Ebenso war der Bruder Sabors aus Berlin  , Kaufmann dortselbst, erschienen. Der Vorstand der Joseph und Klara Trierschen Stiftung legte einen Kranz mit Lila- Schleife nieder zu Ehren ihres ehemaligen Vorsitzenden, der Sabor lange Jahre hindurch war. Genosse Wilhelm Schmidt spcn- dete im Auftrage der hiesigen Parteileitung einen Kranz mit roter Schleife und sprach:Ihrem ersten Vertreter im deutschen   Paria- ment widmet dieses schlichte Zeichen dankbarer Verehrung und Anerkennung die Frankfurter   Sozialdemokratie mit der organi- sierten Arbeiterschaft und dem Personal derVolksstimme" im Namen der Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit! Der eifrige Denker, der treue Kämpfer und Dulder ruht nun in ewigem Frieden; aber sein Andenken wird dauernd leben in der gesamten. nach dem Lichte ringenden Arbeiterschaft!" Hierauf widmete e'"* früherer Schüler Sabors, Herr Schriftsteller Dr. Goldschmidt dem Verstorbenen einen tiefempfundenen Nachruf, in welchem e" be- sonders die hervorragende Befähigung und Wirkung Sabors als Lehrer pries. Damit schloß die Trauerfeier. Adolf Sabor   war geboren am 26. September 1841 in Woll« stein, Provinz Posen  , als Sohn deS dortigen jüdischen Kantors. Unter großen Entbehrungen verschaffte sich der höher strebende junge Mann die Möglichkeit zum Besuch des Gymnasiums; er gab. noch ein Kind. Nachhülfeunterricht, und wirkte, kaum sechzehn- jährig, alS Lehrer in seinem Geburtsort. Später b«og Sabor das Gymnasium in Breslau   und studierte in Berlin   Philosophie. Nach einem Aufenthalt in Oesterreich   kam er zu Anfang der 1870er Jahre nach Frankfurt  , wo er zuerst als Lehrer am Philan- thropin tätig war. Aber bereits nach einem Jahr wurde er aus dem.Schuldienste verdrängt, wegen seiner Betätigung bei der sozialdemokratischen Partei(Eisenacher Richtung). Er gab dann Pribatstunden, trotzdem er schon damals leidend war, bis ihn seine Vermählung mit einer sehr wohlhabenden Erbin, die völlig gleich- gesinnt war und ist, aller materiellen Sorgen enthob. Von einzelnen bürgerlichen Blättern wird es so dargestellt, als sei Sabor seit 1890 auch innerlich unserer Partei entfremdet gewesen. DaS ist durchaus unwahr. Von einer Sabor in der letzten Zeit nahestehenden Persönlichkeit erfahren wir ausdrücklich, daß er bis zuletzt von der begeisterten Ucberzeugung der nicht nur materiellen, sondern gewaltigen ethischen und kulturellen Be- deutung der sozialdemokratischen Bewegung durchdrungen war, und der gewissen Zuversicht, daß dieselbe durch vorübergehende Niederlagen wohl geläutert, niemals aber dauernd gehemmt werden könne. Letzteres um so weniger, je mehr daS Bewußtsein dieser hohen ethischen Mission in jeden einzelnen ihrer Glieder lebendig hlcibe. Bon ben Organisationen. Der KreiSvercin für den 1. württembergischen ReichStagswahlkreiS(Stutt- gart-Stadt und-Amt) hielt am Sonntag in Möhringen   seine Generalversammlung ab. Nach dem gedruckt vorgelegten Geschäfts- bericht zählt er jetzt 6084 Mitglieder, hat also seit Januar 1906 um 690 Mitglieder zugenommen. Von dieser Zunahme entfallen 600 auf die Stadt Stuttgart  . Der Bericht giebt eine ausführliche Dar- stellung der zu den württembergisechn LandtagSwahlen und' zur Reichstagswahl betriebenen Agitation. Der Kassenbericht giebt ein sehr günstiges Bild. Der Kreisverein begann seine Wirksamkeit im Januar 1906 mit einem Kassenbestand von 279,63 M. und konnte am 31. Dezember 1906, nach der sehr kostspieligen LandtagSwahl- agitation, über einen Bestand von 1948,61 M. verfügen. Am 28. Februar 1997, nach vollzogener ReichStagSwahl, hatte er noch einen Bestand von 1496,12 M. ES ist dies ein Beweis für die wachsende Festigung der Organisationsverhältnisse im ganzen Wahl- kreis. Die Generalversammlung war von 8? Delegierten besucht und außer dem Kreisvorstand waren noch die Landtags- resp. Reichstagsabgeordneten des Wahlkreises Fischer, Heymann, Hilden  - brand anwesend. Georg Bernhard   setzt seinen Feldzua gegen die Taktik der Sozial- demokratie in derWelt am Montag" fort. Der Artikel knüpft an daS Wort des Genossen Bebel an:Ich bin der Todfeind der bürgerlichen Gesellschaft", bezeichnet e» als einen Berstoß gegen den Geist des Marxismus", einen Verstoß, dereine absolut banausische Auffassung der ganzen Kamps stellung der Sozialdemokratie" fördert,durch eine Hinter- tür die persönliche Gehässigkeit wieder in den Kampf' einführt.'(DaS Bekenntnis der Todfeindschaft geyen ein System führt nach Bernhard die persönliche Gehässigkeit in den Kampf einl D. R.) Nach Bernhard wird dieerhabene Kampf- theorie. die davon ausgeht, daß des Menschen Handeln durch die Verhältnisse bedingt werden, in denen er steht', voneinem Teil unserer Parteipresse erniedrigt' durchden Ton. den sie hen Gegnern gegenüber anschlagen'. Außerdem hat nach Bernhardallmählich den Betriff der Jnternationalität eine Ueberspannung er- fahren, d,e seiner ursprünglichen Bedeutung vollkommen fern liegt... Jnternafionalitätsdusel gehört nicht zum Marxismus.... Uno wir wollen auch den Anschein vermeiden, als ob wir einer höheren Ein- gebung zu gehorchen hätten, die in anderen Ländern souffliert wird....' Diese letztere Stelle richtet sich gegen die Arbeit der Genossin Rosa Luxemburg   in der deutschen Sozialdemokrafie. Wir registrieren selbstverständlich diese Aeußerungen Bernhards nur und ersparen unseren Lesern jede Kritik. Genosse Südeku« tritt im neuesten Heft derNeuen Ge- sellschaft' für Bernhard und Braun ern. Zum Fall Bernhard sagt erAuch von ihm(Bernhard) ist eine Unterredung mit einem bürgerlichen Journalisten veröffentlicht worden, die ich, weil ich besseres zu tun hatte, nicht einmal gelesen habe. Sie mag meinetwegen sehr tadelnswert gewesen sein, ob fie aber den Aufwand von sittlicher Entrüstung verdient, den man nicht nur in Berlin  , Leipzig   und Dortmund  , sondern auch an anderen Orten an sie verschwendet, ist mir mehr als zweifelhaft... Genosse Südekum hat die Aeußerungen Bernhards nicht gelesen ebensowenig wie Genosse Heine, der die Behandlung, die Bernhard imVorwärts' widerfuhr, ebenfalls tadelte, eS ist ihm aber trotzdemsehr zweifelhaft', ob sie den Aufwand von sittllcher Entrüstung verdient', den man an sie ver- schwendet. Wir verstehen nicht recht, weshalb Genosse Südekum sich nicht, wenn er absolut zum Falle Bernhard schreiben mußte, wenigstens nachträglich über das Interview informiert hat. Jedenfalls haben wir keine Veranlassung, das bollständig in der Lust schwebende Urteil Südekums in dieser Angelegenheit weiter zu beachten. Zum Braunschen Artilel, dessen Verfasser er namentlich gegen dieBremer Burgerzeitung' in Schutz nimmt, sagt Genosse Südekum: Der Braunsche Arttkel enthielt, nicht nur nach meiner Anficht, sondern nach der sehr weiter Kreise von Parteigenossen, tat- sächlich sehr viel Sachliches. Es unterliegt gar keinem Zweifel, daß derVorwärts", so wie er heute ist, an schweren journalistischen Mängeln leidet und eine Art der Polemik betrelbt, die mir ich sehe von jeder ethischen Würdi- gung ab als ein grober polittscher Fehler erscheint. Eine gründliche Verbesserung des Zentralorgans darf nicht lange auf sich warten lasten, wenn die Partei nicht Schaden darunter leiden soll. Das darf nicht nur ausgesprochen werden, sondern das mutz sogar gesagt werden. Genau so, wie nach meiner Ansicht ausgesprochen werden mutzte, baß auch unsere Provinzpresse ganz anders ausgebaut werden muß. DaS hat mit denRichtungen" in der Partei stanz und gar nichts zu tun. und ich möchte den verständigen Parteigenossen sehen, der nicht lieber«in gutesradikales" als ein schlechtesrevisionistisches' Blatt liest und umgekehrt. Nicht weil derVorwärts' heute eine .radikale' Redakfion hat, plaidiere ich für eine Verbesserung, son- dern weil er nach meiner Meinung jegliche redaktionelle Führung vermissen läßt. Ich habe denVorwärts" auch nicht gelobt, als die bekannten Sechs noch an ihm tätig waren, sondern schon da» mals privafim und öffentlich Verbesserungen angeregt.