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Mg. SeFeFdttt(fortfahrend); Sie ZlllffassungSgabe des HauftS zu beurteilen, ist immer Sache d:S Redners, danach hat er seine Rede einzurichten, ze nachdem sich die Herren benehmen(Sehr gut! bei den Soz>) Ich werde wenigstens noch den Satz zu Ende lesen:daß wir die Mahnung unseres Kaisers wohl verstanden haben." Damals wäre Gelegen- heit für den Herrn Reichskanzler gewesen, zu erklären, daß nie» malö solche Absichten bei der Regierung bestanden haben und daß nichts verwerflicher sei, als wenn so das Mißtrauen Englands er» weckt werde und man uns England auf den HalS zu hetzen suche. DaS hätte er damals sagen sollen(Sehr gut! bei den Soz.), dann wäre dies Mißtrauen nicht geweckt worden und hätte sich nicht festgesetzt. Aber es mußte erst der..Vorwärts" durch eine Korrespondenz aus London   den Herrn Reichskanzler auf diese plan- mäßige Verhetzung Deutschlands   und Englands durch die Alldeut- schen aufmerksam machen. Daraus können Sie entnehmen, wie außerordentlich notwendig für unsere Reichsregierung der..Vor- wärts" ist.(Große Heiterkeit bei den Sozialdemokraten. Lachen rechts.) Ohne denVorwärts" würde der Reichskanzler heute noch gewissermaßen in somnambulem Zustande einhergehen. (Heiterkeit bei den Sozialdemokraten.) Er möge uns also künftig mit solchen Angriffen verschonen. Nachher entzieht er sich dann immer der Verantwortung für seine ungeheuerlichen Behaup- tungen und Angriffe, die er hier im Hause vorbringt.(Lebhafte Zustimmung bei den Sozialdemokraten.) Das ist eine sehr billige und bequeme Art, die Regierung zu führe».(Erneute lebhafte Zu- stimmung bei den Sozialdemokraten.) Vizepräsident Dr. Paasche: Sie haben nicht das Recht, an der Tätigkeit des Reichskanzlers in diesem Sinne Kritik zu üben. (Große andauernde Unruhe und stürmischer Widerspruch links und im Zentrum.) Sie haben gesagt: Der Reichskanzler entzog sich zcdeSmal der Verpflichtung....(Lebhaftes Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten) und ich sage, darüber, was der Reichskanzler für sein Recht hält, ob er hierher kommen muß oder nicht, darüber hat ein Abgeordneter nicht zu ent- scheiden.(Erneuter stürmischer Widerspruch links und im Zentrum. Andauernde Unruhe.) Abg. Ledebour  (fortfahrend): Darüber haben wir allerdings zu entscheiden, wie wir dies Verhalten des Herrn Reichskanzlers kritisieren wollen.(Lebhafte Zustimmung bei den Sozialdemokraten.) So lange wir in parla- mentarifchen Ausdrücken Kritik an dem Verhalten von Regierungs- Vertretern üben, lassen wir uns durch nichts darin einengen.(Leb- hafter Beifall links und im Zentrum.) Ich wiederhole(Bravo  ! bei den Sozialdemokraten), daß der Reichskanzler wiederholt in der letzten Zeit nach heftigen An- griffen, die, wenn sie bewußt gemacht werden, verleumderisch sein würden, sich der Verantwortung entzogen hat(Sehr wahr! bei, den Sozialdemokraten), daß er sogar, nachdem wiederholt im Hause und außerhalb desselben darauf hingewiesen worden ist, daß diese Angriffe unberechtigt und unwahr gewesen sind, trotzdem weder selbst noch durch einen seiner Vertreter, nicht einmal durch den sonst immer hier erscheinenden Herrn v. Löbell, diese Angriffe zurückgenommen hat.(Sehr richtigl bei den Sozialdemo- kraten.) Angesichts der völlig unaufgeklärten Frage, zu welchem Zweck eigentlich die 7400 Mann noch notwendig sind, lehnen w.ir natürlich jede Unterstützung einer solchen Forderung ab. Nun werden nicht nur militärische, sondern auch Wirtschaft- liche Gründe für die Vorlage angeführt. Herr L a t t m a n n hat zwei meiner politischen Freunde zur Unterstützung der Dern- burgischcn Politik zitiert. Sie müssen nicht glauben, daß diese Unterstützung der Dcrnburgischen Kolonialpolitik dadurch bei irgend einem Sozialdemokraten als wahr be- wiesen oder bestärkt wird, daß sie hier von Ihnen vor- getragen wird. Herr Lattman meinte, diese Aeutzerungen könnten nicht oft genug vorgetragen werden. Uns ist das recht. Bernstein  würde sich dann um so eher davon überzeugen, daß er eine Duwm- heit gemacht hat. Die Darstellungen des Herrn Dernburg   über die Ent- Wickelungsmöglichkeiten in Südwestafrika sind verschiedentlich als harmloser Optimismus bezeichnet worden. Nach meiner Meinung aber sind sie etwas ganz anderes. Ich will nur zwei Beispiele an- führen. Nachdem Herr Dernburg   den Wert der deutschen Aus- fuhr nach den Schutzgebieten auf SO Millionen Mark angegeben hat diese große Ueberschätzung kann man ja allen- falls als harmlos passieren lassen. fährt er nachher fort, daß darin 40 Millionen an Arbeitslöhnen für deutsche Arbeiter stecken.(Hört! hört! bei den Sozial- demokraten.) Wenn eine solche Behauptung von einem Herrn auf- gestellt wird, der seine Qualifikation zum Minister als Husaren- oder Marineleutnant erworben hat(Heiterkeit bei den Sozial- demokraten), so könnte man an Harmlosigkeit denken. Aber wenn sie von einem Manne aufgestellt wird, der jahrelang im wirtschaftlichen Leben gestanden hat, der sein Vermögen erworben hat durch die großen Profite, welche Wirt- schaftliche Unternehmungen eingeheimst haben, dann ist das nicht harmloser Optimismus.(Lebhafte Zustimmung bei den Sozial- demokraten.) Ich verweise darauf, daß dieNordd. Allgem. Zeitung" mitteilt, die Firma Tippelskirch u. Co. habe bei deni Export nach den Schutzgebieten in den letzten zwei Jahren ein Kapital von 900 000 Mark oder 13S Proz. Dividende verdient. Will man 10 Proz. Dividende jährlich als legitimen Verdienst ab- rechnen, so bleiben noch IIS Proz. Also selbst diese Zeitung gibt zu, daß der letzte Unternehmer, nicht etwa alle, die am Pro- duktiousprozeß beteiligt sind, sondern nur der letzte, der die Ware verkauft, 07zh Proz. daran jährlich verdient. Aber der Herr Kolonialdirektor sagt, außerdem stecken noch 80 Proz. Arbeitslöhne darin. Es ist eine geradezu ungeheuere Uebertreibung, zu behaupten, daß die deutschen   Arbeiter am Export 80 Proz. Arbeitslöhne verdienen.(Zustimmung bei dep Sozialdemokraten.) Ich komme nun zu einem anderen Fall, der deshalb interessant ist, weil darauf hingewiesen wurde und das Loblied von der Ent- Wickelungsfähigkeit von Südwestafrika so laut gesungen wurde, daß schon in ländlichen Kreisen Stimmung für die Uebersiedelung nach Südwestafrika vorhanden sei. Als Haupttrumpf hierfür führte der Herr Kolonialdirektor die Erfahrungen des Farmers Schlettwein an, der uns in der Budgetkommission als Musterfarmer vorgeführt'.wurde und als lebendes Beispiel dafür, wie gut eS dem Farmer in Südwestafrika gehe, im Lande herumreiste. Der Kolonialdirektor und der Farmer Schlettwein   haben uns eine Rechnung aufgemacht, woraus hervor- gehen soll, wie vielversprechend Südwestafrika ist. E r s e l b st i st dort in wenigen Jahren zu einem reichen Manne geworden. Das hat der Kolonialdirektor zuerst in einer Ver- sammlung von Künstlern und Gelehrten erzählt, Männern, die selbst glauben, daß sie an der Spitze der Kultur und des deutschen   Geisteslebens stehen, und diese es befanden sich unter ihnen u. a. die Herren Schmoller und Jastrow haben ihm zugejubelt. Wenn von einer solchen Fülle von Autorität, vom Herrn Kolonialdirektor und von ersten Professoren. dem Bauern so etwas vorgeredet wird, und sie niemals etwas anderes hören, so ist es erklärlich, daß eine Reihe von Leuten darauf hereinfallen, wie auch immer eine Reihe hereinfallen auf eine blutige Gründung, wenn auf ihren Prospekten die Namen von Professoren, Fürsten  , höheren Be- amten a. D. prangen.(Sehr gut! bei den Sozialdemokraten.) Wie war eS denn in Wirklichkeit mit Herrn Schlettwein! Nach den Darstellungen des Herrn Kolonialdirektors mußte jeder Unbefangene glauben, Schlettwein   sei der Typus eines arbeitenden Farmers, der dort draußen zu Geld kommen kann. Aber Herr Schlettwein ist mit einem Kapital von 35 000 M. vor 5 Jahren dort hingegangen und hat dieses Kapital in 5 Jahren vervierfacht. Es ist begreiflich, daß jeder Landwirt im Deutschen   Reiche jauchzen würde, wenn er es ebenso gut hätte(Sehr richtigl rechts), und daß eS viele Leu'e gibt, welche sich sagen, wenn das möglich ist, so gibt eS ja nicht besseres, als daß ich hier schleunigst mein Gut losschlage, die Ansiedelungskommission be- �ahltesjasehrgut(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten), ich fahre dann nach Südwestafrika und komme nach 5 Jahren als reicher Mann heim. Wie erklären sich aber die kolossalen Profite, die Herr Schlettwein in 5 Jahren gemacht hat. Daraus, daß in dieser Zeit infolge des Krieges die Viehpreise ganz kolossal, auf das Dreifache der normalen Preise gestiegen sind. Herr Schlott- wein hat sich in einem Gebiet niedergelassen, das von dem Kriege nicht berührt ist. wo er seine Produkte in aller Ruhe herstellen konnte, nebenbei durch eine maßlose Ausbeutung der Eingeborenen, und dann hat er sie an die Proviantämter verkauft. Daraus erklären sich die abnormen Prosite als Ergebnis abnormer Zeiten, und es ist geradezu unverantwortlich vom Kolo- nialdirektor. diesen Mann als den TypuS, als den normalen, arbeitenden Farmer hinzustellen. Das ist kein harmloser Optimismus, sondern es ist das, was man im Börsenjargon bluffen" nennt.(Lebhafte Zustimmung bei den Sozialdcmo- kraten.) Diese Bezeichnung ist dem Pokerspiel entnommen, das ja im deutschen Reich der Gottesfurcht und guten Sitte durch den Justizminister Ruhstrat als legitim eingeführt ist. An der Börse wird eben dieses Bluffsystem systematisch geübt.(Zustimmung bei den Sozialdemokraten.(Unruhe rechts und bei den Natlib.) Präsident Graf Stolberg: Herr Abgeordneter, der Ausdruck ..bluffen" ist die Bezeichnung von unehrlichem Handeln im Spiel. Sie sollten sie in Beziehung auf den Herrn Kolonial- direktor nicht gebrauchen. Abg. Ledebour: Ich will doch darauf aufmerksam machen-- Präsident Graf Stolberg: Ich rufe Sie zur Ordnung. (Heiterkeit und Rufe: Wieder zu spät gekommen!) Abg. Ledebour: Ich mache darauf aufmerksam, daß der Justiz- minister Ruhstrat sich ausdrücklich zu dieser Praxis als einer er- laubten bekannt hat.(Große Heiterkeit.) Wir haben in der Budgetkommission durch Befragen des Herrn Schlettwein aus ihm herausgebracht, wie er sein Geschäft betreibt. Wie alle großen Viehzüchter betreibt er es mit Ausbeutung der Eingeborenenarbeit.. Er sagte uns, er beschäftige 17 Familien und bezahle den Männern 15 M. pro Monat. Die Frauen erhielten nichts, höchstens wenn sie längere Zeit arbeiten. Die Männer be- kommen auch zu essen, die Frauen dagegen sind auf sogenannte Feldkost angewiesen. Ich glaubte, darunter sei eine Ernährung mit Feldfrüchten zu verstehen, die sie fänden. Ich habe jedoch im B e r l. Tageblatt" gefunden, daß unter Feldkost verstanden wird, die Betreffenden leben von Raupen, Fröschen, Mäusen, Heu- schrecken. Gras.(Heiterkeit rechts. Hört! hört! bei den Sozial- demokraten.) Wenn ein deutscher Unternehmer und Arbeitgeber die Neger und Eingeborenen so ausbeutet, ihnen so wenig gibt, daß ihre Frauen und Kinder auf diese Feldkost angewiesen sind, s o m a g nach Ihren(nach rechts) oft elbischen Begriffen das zum Lachen und amüsant sein. Nach unseren Begriffen ist es eine ganz unerhört brutale Ausbeutung.(Lebhafte Zustim- mung bei den Sozialdemokraten.) Daß die Bezahlung der Einge- borenen durch Herrn Schlettwein sehr niedrig ist und geradezu auf eine Ausbeutung der Notlage der Eingeborenen herauskommt, geht auch aus Ausführungen von Ihnen(nach rechts) nahestehender Seite hervor. Es wird dort gesagt, dem Kriege hätten es die Ge- schäftsleute zu danken, daß es an Arbeitern nicht fehlt. Während in Kapstadt   ein Schwarzer 80 bis 100 M. pro Monat erhalte, im Innern des Landes 60 bis 80 M. n e b st freier Station, zahle man in Südwestafrika nur 10 bis IS M., ganz wie Herr Schlettwein, und auf ihem Lande selbst nur 0 M. monatlich. Diese Konkurrenz durch kriegsgefangene Arbeiter drückt auch außer- ordentlich auf die freien Arbeiter. Genau so wie bei uns die Kon- kurrenz der Strafgefangenen. Daraus also erklärt sich, daß der Musterfarmer Schlettwein so glänzende Profite machen konnte. Er ist eben nicht ein Beispiel für deutsche Bauernarbeit, und es ist eine Gewissenlosigkeit sondergleichen, wenn man die beut- schen Bauern mit derartigen Beispielen verlocken will.(Lebhafte Zustimmung bei den Sozialdemokraten.) Präsident Graf Stolberg: Herr Abgeordneter, ich ruf« Si« zur Ordnung! Abg. Ledebour  (fortfahrend): Ich finde eS ja vollkommen begreiflich, daß Herr Schlettwein und andere Farmer in ähnlicher Lage nach diesen günstigen Erfahrungen, die sie mit Hülfe der Millionen des Reiches für ihren Geldbeutel gemacht haben, alles aufbieten, daß ihnen diese Ausbeutungs- Möglichkeit der Arbeiter erhalten bleibe. Die Denkweise des Herrn Schlettwein zeigt sich deutlich in einer Broschüre, die er im Jahre 1904 veröffentlicht hat. ES heißt da:wir stehen mit der Kolonialpolitik am Scheidewege. Nach der einen Seite daS Ziel: gesunder Egoismus und praktisches Kolonisteren, nach der andern Seite übertriebene Menschlichkeit, vager Idealismus, unvernünftige Gefühlsduselei. Die Hereros müssen besitzlos gemacht werden. (Hört! hört! b. d. Soz.) Das Volk muß nicht nur als solches unmöglich gemacht werden, es müssen auch alle das Nationalgefühl erweckenden Faktoren beseitigt werden.(Hört! hört! b. d. Soz.) Man niusi die HereroS zur Arbeit zwingen und zwar zur Arbeit ohne Entschädigung, nur gegen Beköstigung. Eine jahrelange Zwangsarbeit ist nur eine gerechte Strafe für sie und dabei die einzig richtige Erziehungsmethode. Die Gefühle deS Christentums und der Nächstenliebe, mit welchen die Missionen arbeiten, müssen zunächst mit aller Energie zurückgewiesen werden."(Hört! hört! b. d. Soz.) Diese Broschüre ist bereits 1904 geschrieben. Das war dem Kolonialamt bekannt. Trotzdem wird gerade dieser Mann als Vertrauensmann des Kolonialamts in die Budget- kommission gerufen und gerade ihn läßt man im Lande herum- reisen und Propaganda machen für Ihre harmlose Kolonialpolitik. (Zurufe rechts.) Daß Sie(nach rechts) dem zustimmen, glaube ich gern, ein Junker hat ja auch dafür gearbeitet, daß eine ganze Landwirtschaftskammer für die Einführung von Kulis eingetreten ist. Auch eine amüsante Geschichte, denn die Kulis würden sich von Ihnen auch mehr ausbeuten lassen, als eS heute die polnischen Arbeiter tun. Daß Sie also die Meinungen des Herrn Schlett- wein billigen, begreife ich. Daß aber irgend eine andere Partei diefes Hauses, vor allem die Zentrumspartei  , für eine Kolonial- Politik eintreten will, die nachgewiesenermaßen mit solchen Mitteln arbeitet, ist mir unbegreiflich, das zeigt nur, daß die Parteien. welche sich diese Unterstützung und Propaganda gefallen lassen, jeden Anspruch darauf verloren haben, daß man ihre Behauptung: Sie wollen Christentum und Kultur verbreiten, irgendwie ernst nimmt.(Sehr wahr! b. d. Soz.)/ Herr L a t t m a n n hat einen großen Trumpf gegen unsere Partei auszuspielen gedacht, indem er sagte, wir treiben eine reaktionäre Kolonialpolitik, wir seien prinzipiell dagegen. Das ist aber für uns nur ein außerordentliches Lob. Die Handels- und Weltpolitik, die wir empfehlen, ist alles andere, wie reaktionär. Sie steht auf einem weit höheren Standpunkt(Lachen rechts u. b. d. Natl.), sie arbeitet nicht mit reaktionären, kapitali- stischen Ausbeutungsmitteln, wie sie von anderen kolonisierenden Nationen vor der deutschen   angewendet sind, noch heute angewendet werden, und von der Mehrheit des deutschen   Volkes kaum gebilligt werden. Diese Kolonialpolitik bekämpfen wir prinzipiell genau so wie unsere Genossen die englische Kolonialpolitik in England, die französische in Frankreich  , die holländische in Holland   bekämpfen, weil diese Kolonialpolitik reaktionär bis auf die Knochen ist. Sie arbeitet mit den brutalsten Mitteln der kapitalistischen   Ausbeutung. Die Akkumulation des Kapitals durch die kapitalistische Kolonialpolitik wird in fremden Ländern unter den dortigen Eingeborenen noch unendlich viel brutaler betrieben, als sich die Akkumulation des Kapitals bei uns im Wirtschaftsprozeß der kapitalistischen   Entwicklung voll- zieht. Denn dabei werden sämtliche staatlichen Machtmittel zu Hülfe genommen, um zugunsten der Retchen und Wohlhabenden den Einzelnen zu expropriieren. Diese brutalisiercnde Kolonialpolitik särbt auch ab auf unsere innere Politik. Die jetzt geplante Enteignungsvorlage gegen die Polen   sst auch nichts weiter als die Zuhülfenahme staatlicher Mittel zugunsten einzelner beborzugker Kreise.'(Sehe wahr! bei den Sozialdemokraten und bei den Polen  .) Und ich be- greife, daß die Herren, die die kapitalistische Kolonialpolitik unter- stützen, auch der gegen die Polen   gerichteten Enteignungsvorlage zustimmen. Viele von ihren Standes- und Gesinnungsgenossen machen ja außerdem noch ein ganz gutes Geschäft dabei.(Heiter- keit. Sehr gut! bei den Sozialdemokraten.) Wir befürworten an Stelle der Kolonialpolitik eine verständige Wirtschafts- und Welt- Politik. Man sollte darauf hinarbeiten, daß eine kulturelle Handels- und Wirtschaftspolitik Platz greift, die alle Kulturvölker einander näher bringt.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Daß mir der Abg. Lattmann darin nicht zustimmt, wundert mich nicht. Ich habe aber bei einem Manne Zustimmung gefunden, bei dem ich es nicht erwartet hatte, nämlich beim Legationsrat a. D. Zimmermann, der die Kolonien aus eigener Anschau» u n g kennt. Er spricht sich gegen das heutige vollkommen veraltete System der Kolonialpolitik aus und fordert eine großzügige, von kapitalistischer Ausbeutung freie Kolonialpolitik.(HörtI hört! bei den Sozialdemokraten.) So spricht kein Sozialdemokrat, sondern ein verständiger Beurteiler kolonialer Dinge, und das entspricht vollkommen der Auffassung, die wir von der heutigen Kolonial- Politik haben. Diese kann nie zu etwas führen, und vor allem ist in Südafrika   die Zeit vorüber, wo dort noch was zu erreichen war. Dort herrscht jetzt überwiegend englischer Einfluß, und Südwest- afrika kann nie etwas anderes werden, als ein Wirtschaft- licher Annex der dortigen englischen Gebiete. Das deutsche Kapital kann sich dort nicht behaupten. Gerade von deutsch  -patriotischer Seite ist das Wort geprägt worden:Die Deutschen   sind im Auslande nur der Dünger anderer Nationen!" Woran liegt das? Weil das deutsche Bürgertum durch den Polizei- lich-bureaukratifch-junkerlichen Druck im Jnlande zedeS Selbst» bcwußtsem verloren hat.(Widerspruch bei den Liberalen, Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Und wenn der deutsche Kauf» mann ins Ausland kommt, dann tut er so, al» ob er über- Haupt nicht mehr deutsch   sprechen könnte! Die Deutschen   sollen ja in ganz Südafrika   die besten Kolonisatoren sein; für die Verwaltung und Selbstverwaltung haben sie weder Sinn noch Verständnis. Das erklärt sich daraus, daß dieses Vcr- ständnis im deutschen   Bürgertum planmäßih unterdrückt wird.(Widerspruch bei den Liberalen.) DaS können Sie nicht bestreiten, wo wir noch nicht einmal eine demokratische Selbst- Verwaltung bei den Kommunen haben. In allen Zweigen der Ver- waltung herrscht ein bureaukratisches Regiment, und selbst unsere Kommunalbcamten fühlen sich nicht als freie Bürger eines freien Staates, sondern als Bureaukraten zweiten Grades. (Lebhaftes Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Deshalb kann auch unsere ganze Kolonialpolitik es nie zu etwas bringen, ehe wir das protzenhafte Renommieren und Säbelklirrcn nicht aufgegeben haben(Sehr gut! bei den Sozialdemokraten), ehe wir nicht freie, selbstbewußte Männer hinausschicken, und das können wir erst» wenn wir daS ganze fluchwürdige bureaukratifche Regierungs- stlstem bei uns mit Stumpf und Stiel ausgerottet haben.(Leb- Haftes Bravo  ! bei den SozialdemokratenD ES ist wunderlich, daß die Herren von den freisinnigen Parteien, anstatt ihr Hauptziel auf die vollkommene Demokratisierung unseres Staats- Wesens zu richten, neben den Konservativen die Schutztruppe bilden zur Unterstützung de? heutigen bureankratifchen Regiments.  (Lachen bei den Liberalen, Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Es ist Ihnen eine sonderbare Hoffnung in die Glieder gefahren, so eine Art Kronprinzenliberalisinus. Sie glauben, weil«in Mann, der früher einmal eine freisinnig-vereinigte Bcrgangenheit gehabt haben soll(Heiterkeit), designierter Minister ist. wäre'hre Zeit angebrochen. Die Tatsache, daß hin und wieder ein Moller oder Dernburg   in hohe Aemter befördert wird, ändert an dem bureaukratischen Vcrwaltungsfystem unserer Regierung gar nichts. Da« ändert daran ebenscovemg, wie es an dem Privilegium des Adel» aus Gardeoffizierstellen etwas ändert, wenn hin und wieder einmal ein K o n z e s s t o n» s ch u lz e zum Gardeleutnant gemacht wird. Genau ebensowenig wird daher Konzesstonsschulze an dem jetzigen Regierungssystem etwas ändern.(Heiterkeit.) Wir werden es noch erleben, daß alle Ihre Hoffnungen von den vereinigten Reaktionären untergepflügt wer- den, und Sie ernten damit nur den Lohn dafür, daß Sie sich zu Helfershelfern dieser kapitalistischen   AuSbeutungSpolitik in den Kolonien und dieses ganzen RegierungSfhstem» hergegeben haben. (Lebhafter Beifall bei den Sozialdemokraten, Lärm rechts.) Abg. Schräder(frs. Vg.): ES scheint nicht nur in Afrika Friede gefchlossen worden zu sein, sondern auch im Hause. Wenigstens klang der Widerspruch de» Zentrums gegen die kolonialen Forderungen recht matt und die Rede de« Abgeordneten Ledebour   ist wohl nicht recht ernst zu nehmen, ebensowenig natürlich die Großsprechereien gewisser all- deutscher   Kreise. Nach allem was wir heute bereit» wissen, ist e» möglich, die Kolonie Südwcstafrika vorwärt» zu bringen, wenn dazu auch noch viel Arbeit gehören wird. Darin find sich jetzt alle Parteien einig, ebenso einig wie darin, daß wir keine vhantastische Kolonialpolitik treiben wollen.(Lebhafter Beifall bei den Libe- ralen. Kolonialdirektor Dernburg beglückwünscht den Redner.) Abg. Bindewald(Reformpartei): Meine Freunde werden für die beiden Nachtragsetats stimmen; wir müssen uns bei der Au»- gestaltung unseres kolonialen Verkehrsnetze» an den anderen Nationen ein Beispiel nehmen. Kolonialdirektor Dernburg: Der Abgeordnete Ledebour   hat dem Oberstleutnant Quade den Vorwurf gemacht, daß eine un- genügende oder unrichtige oder wissentlich unwahre Information dieses hohen Hauses durch ihn stattgefunden habe. Ich weise diesen Vorwurf mit aller Eiitschiedenheit als durchaus unberechtigt zurück. (Bravo  ! rechts, Lachen bei den Sozialdemokraten.) Es ist be- zweifelt worden, daß das Schutzgebiet ein wertvolles Aktivum fei. Dies geht aber für jedermann klar aus der Tatsache hervor, daß 20 Millionen Mark Entschädigung für entstandenen Schaden ge» währt werden müssen. Also 20 Millionen Mark Aktiva sind schon angemeldet, ehe der Aufstand ausgebrochen ist.(Sehr gut! recht».) DerVorwärts" hat am 20. Dezember 1906 geschrieben:So sei also rund heraus erklärt, daß die Sozialdemokratie für die Kolonien keinen Pfennig bewilligt, und daß sie es als Gewinn für Deutschland   ansähe, wenn wir sie los wären." Diese Stellung- nähme der Sozialdemokratie ist meines Erachten» der Grund, wcs- halb die Herren heute mit der Hälfte der früheren Sitze hier sind, (Lachen bei den Sozialdemokraten) weil das deutsche   Volk sich so etwas nicht gefallen läßt.(Lebhafte Zustimmung rechts.) Da die Herren gegen die Sache nichts zu sagen wissen, diskreditieren sie meine Person. Um die Geschichte mit der Dattelkiste zu be- seitigen, will ich folgende Stelle aus einem Buche vorlesen:Die Dattelbäume gedeihen in Asien   und Afrika   in kaum glaub- licher Fülle; auf einem Morgen wachsen bis zu 200 Dattelpalmen." So Herr August Bebel   inDie Frau und der Sozialismus". (Stürmische Heiterkeit rechts.) Die Versuche, mich zu diskredi- tieren, sind so tief, nicht unter meiner Person, sondern unter der Sache, die ich vertrete, daß ich diese Angriffe in der papiernen Welt lasse, wo sie leben.(Lebhafter Beifall rechts.) Damit schließt die erste Lesung. Die Tagesordnung ist er» schöpft. Nächste Sitzung: Donnerstag, 1 Uhr.(Etatnotgesetz. Interpellationen der Abgeordneten Dr. R ö s i ck e(Bund der Landwirte), Rügenberg(Z.) und Dr. Schellhora (natl.) betreffend die Reform des WcingesctzcS. Schluß 6 Uhr. Mgeorclnetenbaus. 2 7. Sitzung, vom Mittwoch, den 6. Mär». vormittags 11 Uhr. Am Ministertisch: Breitenbach. Auf der Tagesordnung steht die zweite Beratung des Eis«» bahnet«?,