ndtag vertreten sein wird. Da zum ersten Male das direkte Wahlrecht in Anwendung kommt und sich dieses vom Reichs- agswahlrecht dadurch unterscheidet, daß nur wählen kann, wer ein Jahr Steuern bezahlt hat und bayerischer Staats- angehöriger ist, da ferner die relative Mehrheit im Wahlgesetz vorgesehen ist, lassen sich Voraussagungen über den Ausfall der Wahl gar nicht machen. Daß sich die Genossen keinen Illusionen hingeben, ergibt sich aus dem Beschluß einer Landes- konferenz, bei der Ausstellung der Kandidaten die sorgfältigste Auswahl zu treffen und darauf bedacht zu sein, daß die Fraktion Kräfte erhält, die etwas zu leisten vermögen. poUtifcbc Geberlicbt. Berlin , den 14. März 1907, Beamtenfang. Die erste und zweite Beratung des Gesetzentwurfs, be- treffend den Hinterbliebenen-Versicherungsfoiids und den Reichsinvalidenfonds, der hauptsächlich eine gemeinsame Ver- waltung der beiden Fonds bezweckt, wurde ohne bemerkens- werte Debatte vollzogen. Dann begann der sozialpolitische Wettlauf um die Wählergunst der Privatbeamten. Herr v. H e y l, der groß- industrielle Lederkönig, spielte sich bei der Begründung seiner Interpellation, betreffend die Versicherung der Privatbeamten, als Förderer der Interessen der Privatbeamten auf, mußte sich aber vom Genossen Heine darauf aufmerksam machen lassen, daß die Beamten für seinen industriellen Machtbereich durch den bei Herrn v. Hey! üblichen Vertrag sehr beengt seien. Graf Posadowsky erklärte, dem Reichstage werde eine Denkschrift, deren Tenor er präzisierte, zugehen. Aufs neue wandte er sich gegen die Scharfmacher, die von einem Automobiltempo in der Sozialgesetzgebung geredet hatten, um in puncto Sozialpolitik bremsen zu können. Der Staats- sekretär erkannte an, daß Privatbeamte, die lange Jahre ausgenutzt und dann aufs Pflaster gesetzt werden, keinen Rück- halt für ihre Existenz haben und zum Teil sogar der öffent- lichen Wohltätigkeit anheimfallen. Vorsichtige Behandlung erfordere— so setzte er auseinander— die Gestaltung der Versicherungsbeiträge, die nach seiner Ansicht zirka 19 Proz. des Jahreseinkommens— bei einer dennoch bescheidenen Unterstützungssumme— betragen würden. Alle Redner traten für die Schaffung einer Versiche- rungsanstalt für die Privatbeamten ein, und wieder stritten die Vertreter der einzelnen Parteien um die Priorität der Anregung dieser Frage. Genosse H� i n e ironisierte die Jagd um die Gunst dieser Wählergruppe und er beklagte die materielle Stellung der Privatbeamten, die in vielen Fällen die geistigen und tech- uischen Leiter großer Unternehmungen seien, deren Besitzer nur den Profit einstecken, ohne dabei arbeitstätig zu sein. Als Beispiel führte Heine einen Vertrag mit strenger Konkurrenz- klausel von der Firma— Hey! an! Zwischen Zentrum und Nationalliberalen gab es dann ein Geplänkel, weil der Zentrumsredner S i t t a r t die Doppclnatur nationalliberaler Blätter, von denen ein Teil die Sozialpolitik fördern will, während der andere b r e m st, gekennzeichnet hatte, wogegen die nationalliberalen Redner vergebliche Abschüttelungsversuche unternahmen. Zum Schluß kam es noch zu einem Rencontre zwischen dem Abgeordneten v. H e y l und unseren Genossen Heine und Bebel, v. Heyl bezweifelte, daß ein Vertrag, wie ihn Heine stigmatisiert hatte, bei seiner Firma bestehe. Heine aber wartete dem Herrn auf mit der Verlesung der an- rllchigen Vertragsklausel? Das Fechterkunststückche» Heyls, sich über den Vertrag ununterrichtet zu stellen und die Ver- antwortung seinem Justitiar zuzuschieben, parierte Heine mit dem Hinweis darauf, daß dann Herr v. Heyl ja einer von jenen Unternehmern sei, die mit der Leitung ihres eigenen Unternehmens wenig oder gar nichts zu tun hätten! v. H e y l suchte nun einen Gegensatz in der sozialpolitischen Taktik Heines und Bebels zu konstruieren, fiel aber damit völlig ab; denn Heine sowohl wie Bebel konstatierten das Gegenteil. Be- sonders scharf, knapp und deutlich erklärte der letztere die Stellung der sozialdemokratischen Fraktion zur Sozialreform, wie er auch die Haltung der bürgerlichen Parteien zu be- stimmten Gesetzen einleuchtend darstellte. Freitag: Interpellation der sozialdemokratischen Fraktion über Eingriffe der Behörden bei Wahlen. Der polnische Schulstreik vor dem Abgeordnetenhause. Für die Polenfresser und die Erbpächter der nationalen Gc- sinmtng war die am Donnerstag eröffnete Generaldebatte zum Kultusetat die willkommene Gelegenheit, ihrem gepreßten Herzen Luft zu machen imd ihrem Haß gegen die großpolnische Bewegung beredten Ausdruck zu verleihen. Man hatte sich dahin verständigt, den polnischen Schulstreik vorweg zu behandeln und gestattete groß- mütigerweise zunächst den Polen als Anklägern das Wort. Diese schickten den Abg. S t y ch e I vor, der in längerer Rede Kritik an den Maßnahmen der Regierung übte und die Polen , die einen Per- zweiflungskampf führen und einen Akt der Notwehr gegenüber den Gewaltakten der Regierung begehen, wider die Angriffe ihrer Gegner in Schutz nahm. Seine Rede bildete eine gewaltige Anklage gegen das in Preußen herrschende System, das in einem Studt seine „würdigste" Vertretung gefunden hat. Die Erwiderung dieses „Ministers des Geistes" war vorher sorgfältig ausgearbeitet. Wie immer las er seine Rede vom Anfang bis zu Ende ab— eine Ver- günstigung, die nach der Geschäftsordnung nur den Mitgliedern des Hauses zusteht, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind. Ein Minister— noch dazu der Kultusminister— versteht natürlich deutsch ; wenn Herr Studt trotzdem dauernd jene Vergünstigung für sich in Anspruch nimmt, so wirft das auf seine geistigen Fähig- leiten ein eigenartiges Licht. Inhaltlich bestand seine Rede aus einer Reihe von nationalen Phrasen und bunt durcheinander gewiirfelten Aufzählungen von Einzelfällen, durch die er Stimmung für sich zu machen suchte. Er hätte das aber gar nicht nötig gehabt, da von vornherein die große Mehrheit des Hauses in dieser Frage fest auf feiten der Regierung steht. Die Führer der beiden konservativen Parteien und der Nationalliberalen, die Herren v. Hey debrand. Frhr. v. Zedlitz und Dr. Fried- b e r g suchten den Minister in Kraftausdrücken gegen die Polen und in berauschenden nationalen Phrasen noch zu übertrumpfe» und sie ernteten damit natürlich den lebhaftesten Beifall. Die MehrheitSparteien sind blind für die schtvere Schädigung, hie der preußische Staat sich durch seine Polenpolitik zufügt i sie sehen nicht, daß alle diese Maßnahmen nur die groß- polnische Bewegung stärken, und sie drängen die Regierung dazu, Ruf dem bisherigen Wege fortzufahren und auf Kosten der Gesamt- fcsit immer größere Mittel für die Bekämpfung der großpolnischen Bewegimg zur Verfügung zu stellen. Wenn auch die Debatte noch nicht beendet ist—- sie wird am Freitag fortgesetzt— so läßt sich doch das eine schon mit Bestimmtheit voraussagen, daß sie sich zu einem glänzenden Ver- trauensvotum für die Gewaltpolitik der preußischen Regierung ge- stalten wird.—_ Die Herrenhäusler als grostpolnische Agitatoren. Das preußische Herrenhaus hat am Donnerstag einen Beschluß gefaßt, der sowohl in staatsrechtlicher wie auch in politischer Be- ziehung von höchster Bedeutung ist: es hat entgegen der bisher von allen Parlamenten geübten Praxis einen Antrag auf Einstellung eines gegen ein Mitglied des Hauses schwebenden Strafverfahrens abgelehnt. Allerdings handelt es sich um einen Polen und die Polen leben heute in Preußen ja— wie die Sozialdemokraten— wenn auch nicht rechtlich, so doch in Wirklichkeit unter Ausnahmegesetzen. Gegen den ehemals bei Hofe so beliebten Rittergutsbesitzer von Koscielski, der im Herrcnhause den alten und befestigten Grundbesitz des Netze-Distrikts vertritt, hatte der Staats- anwalt ein Strafverfahren wegen angeblicher Uebertretung des Vereinsgesetzes eingeleitet: Herr v. Koscielski hatte den Sokol-Ver- einen zu ihrem Turnfest seinen Park zur Verfügung gestellt, nach- dem ihnen die Polizeibehörde, welche die polnischen Turnvereine als politisch betrachtet, die Abhaltung des Festes verboten hatte. Für den preußischen Staat bedeutet das Vorgehen des polnischen Rittergutsbesitzers natürlich eine„große Gefahr" und das Herren- haus fühlte sich verpflichtet, dem Staatsarüvalt in seinem staats- retterischen Bestreben beizuspringen! Die, allerdings nicht große, Mehrheit stellte sich auf den Standpunkt, daß es nicht zur Regel werden dürfe, Strafverfahren gegen Mitglieder einstellen zu lassen; denn sonst werde ja— so drückte sich ein Herr von Buch aus— der oberste Grundsatz der Verfassung verletzt, wonach alle Preußen vor dem Gesetz gleich sind.— Daß das Vorhandensein des Herrenhauses s e l b st der beste Beweis dafür ist, wie dieser Grundsatz stets nur auf dem Papier gestanden hat, scheint Herr v. Buch ganz zu über- sehen. Eine Minderheit, zu der u. a. der Universitätsprofessor Dernburg und der frühere Justizministcr Schönstedt gehören, war für den Antrag auf Einstellung des Verfahrens, sie drang aber nicht durch, da der Mehrheit offenbar in ihrem blinden Haß gegen die Polen selbst die törichtesten Mittel am Platze er- scheinen. Herr v. Koscielski kann mit dem Ausgang der Sache zu- frieden sein. Er wird zu ein paar Mark Geldstrafe verurteilt, und die großpolnische Bewegung hat Tausende von neuen Anhängern gewonnen. Vielleicht werden die Nationalpolen dem Hcrrenhause aus Dankbarkeit einen Fackelzug bringen.— Offiziöse Geschichtsfälschung. In unserer Dienstagnummer beschäfttgten wir uns mit einem historischen Irrtum Biilows. Bülow hatte dem Zentrum vorgeworfen, daß es im Wahlkampf mit einer Partei zusammen- gegangen sei, die für die P a r i s e r K o m m u n e eingetreten sei, für die Pariser Kommune , die den Erzbischof Darboy füsiliert habe. Diese ganze Auslassung atmete sittliche Entrüstung gegen die Sozialdemokratte und die von ihr verteidigte Pariser Kommune . In unserem Artikel wiesen wir das unangebrachte moralische Pathos des Reichskanzlers zurück. Wir wiesen nach: erstens, daß an der Erschießung des Erzbischofs Darboy die Bersailler Regierung und die päpstliche Nunziatur in erster Linie die Schuld trage. Zweitens, daß die Erschießung Darboys und der anderen Geiseln nur eine schwäch- liche Vergeltung darstelle für die vorher verübten Bestialitäten der französischen Regierungsmordbuben! Gegen diesen unseren Artikel bringt die„Nordd. Allgem. Ztg.", offenbar im Auftrage Bülows, in ihrer heuttgen Abenduummec einen langen Gegenartikel, in dem sie unsere Darstellung zu ent- kräften versucht. Daß Erzbischof Darboy und die übrigen Geistlichen sich am 24. Mai 1871 nur durch die Schuld der Regierung und der päpst- lichen Nunziatur überhaupt nockj als Geiseln in den Händen der Kommune befanden, haben unsere Darlegungen auf Grund des Berichts des amerikanischen Gesandten W a s h b u r n e so unwider- leglich dargetan, daß das offiziöse Organ auf jeden Versuch verzichtet, an diesem historischen Faktum zu rütteln. Wäre Blanqui von der Versailler Regierung gegen Darboy und seine Gefährten aus- gewechselt worden, wie das die Kommune monatelang vorschlug, so hätte seine Füsilade überhaupt nicht erfolgen können. Aber auch an der zweiten Tatsache, daß die Füsilierung der sechs Geiseln nur einen Sühne- und Racheakt für die Bestialitäten der Versailler darstellt, vermag die„Norddeutsche Allgemeine Zeitung" nicht zu rütteln. Sie sucht sich dadurch aus der Affäre zu ziehen, daß sie den Nachweis unternimmt, daß die sechs Geiseln nicht das Opfer eines spontanen Racheaktes geworden seien, sondern daß ihre Erschießung auf Anordnung des Kriegsmini st ers der Kommune erfolgt sei. Selbst wenn dieses Faktum richtig wäre, würden die von uns hervorgehobenen Tat- fachen damit noch keineswegs aus der Welt geschafft sein, kommt es doch darauf an, welche Seite mit den Füsiladen zuerst begann. Ist es richtig, daß die Versailler Truppen unter Führung von der Vinoy, Gallifet usw. zuerst Ge- fangene erschossen, so fällt, wie wir am 12. März schrieben, die Schuld für das vergossene Blut auf das Haupt der Rcgierungs- mordbnben, die erst den Rachedurst der zur Verzweiflung Getriebenen entflammten I Es ist nun eine historische Tatsache, daß die Bersailler Truppen zuerst mit der Erschießung Gefangener begannen. Es nützt dem offiziösen Blatt auch nichts, sich darauf zu berufen, daß bereits am 18. März die Generale Thomas und L e c o m t e bei dem Versuch, den Pariser Nationakgarden die Kanonen wegzunehmen, er- schössen wurden. Denn dieser Akt der V o l k s j u st i z wurde erst provoziert durch die Eröffnung des Bürgerkrieges, den die beiden Generale begonnen hatten. Erst nachdem von den Regierungs- truppen wiederholt auf die Masse Feuer gegeben worden und Bürger blnt geflossen war, vollzog sich das Volksgericht an den beiden Generalen I Wie in diesem Falle von den Versailler RcgierungStruppen das Signal zum Blutvergießen gegeben worden war, so auch später! Am 3. April wurden mehrere gefangene Offiziere der Kommune erschossen. Erst daraufhin erfolgte am S. April von der Kommune der Befehl, Geiseln einzuziehen, und die Proklamatton, die Mordtaten der Versailler durch Füsilierung der inhaftierten Geiseln beantworten zu wollen. Trog des furchtbarsten Bürger- krieges jedoch wurde diese Proklamation nicht ausgeführt; Die schauderhaften Metzeleien der Regierungstruppen am 23. und 24. Mai erst riefen den Bergeltungsakt an Darboy und seinen Gefährten hervor. Bereits am 23. Mai wurden 42 Männer, 3 Frauen und 4Kinder von den Regierungstruppen füsiliert. Diesen ersten Schlächtereien folgten zahlreiche andere, sowohl am 23. als auch im Laufe des 24. Mai. Trotzdem setzte die Kommune noch am 24. Mai 450 Gefangene, die als Geiseln festgehalten worden waren, in Freiheit. Ms sich dann freilich die Bestialitäten im Laufe des 24. Mai häuften, übten die Kommunards am Abend des 24. Mai dadurch Vergeltung, daß eine Reihe von Geiseln, darunter auch der Erzbischof Darboh erschossen wurden. Die„Nordd. Allgem. Ztg." behauptet nun, daß die Verant- wortung für diese Erschießung der Geiseln die Leitung der Kommune, speziell dem Kriegsminister Delescluze(das offiziöse Organ nennt ihn Celesclure) treffe, während wir be- hauptet hätten, daß zu dieser Zeit bereits der Rat der Kommune und die Zenttalverwaltung auseinandergesprengt ge- Wesen seien. In der Tat erfolgte die Auflösung des Rats der Kommune bereits am 21. Mai. Aber selbst an- genommen, wenn auch nicht zugestanden, daß Delescluze den Befehl zur Erschießung der Geiseln gegeben habe, so würden wir keinen Augenblick Anstand nehmen, diese Handlung für durchaus gerecht fertigt zu erklären. Bedeutet doch die Erschießung der Geiseln nur eine schwächliche Wiedcrvcrgcltung für die schauerlichen Bestialitäten» die vorher von den Regicrungstruppen an den Kommunards verübt worden waren. Aber der Beweis für die Verantwortlichkeit der leitenden Männer der Kommune läßt sich nicht erbringen! Die„Nordd. Allgem. Ztg." sucht den Beweis dadurch zu führen, daß selbst L i s s a g a r a y. das ehemalige Mitglied der Kommune. in seinem bekannten Werke mitteile, daß dem Kriegsminister der Kommune durch zwei Offiziere die Meldung von dieser Hinrichtung erstattet worden sei. Die Erstattung dieser Meldung beweist aber noch keineswegs, daß Delescluze auch den Auftrag dazu gegeben hat! Die betreffende Stelle in dem Werk Lissagarays lautet nämlich wörtlich: „Um 11 Uhr traten zwei Offiziere des letzten Kriegsministers der Kommune in DelescluzeS Zimmer und meldeten die Hin- richtung der Geiseln. Er hört, ohne mit dem Schreiben anzu- halten, den Bericht an. der mit unsicherer Stimme vor- gebracht wird, und fragt nur:„Wie starben sie?" Nachdem die Offiziere die Frage beantwortet und sich dann entfernt hatten, wandte sich Delescluze zu dem Freunde, der mit ihm arbeitete, und sagte, indem er sein Gesicht in die Hände barg: „Ach, welch ein Krieg, welch ein Krieg!"" Wenn Delescluze selbst den Befehl zu der Erschießung der Geiseln gegeben haben sollte, so ist zum mindesten nicht ersichtlich. warum die beiden Offiziere die Meldung mit„unsicherer Stimme" gemacht haben sollten. Ebenso wenig wäre dann der schmerzliche Stoßseufzer des letzten Kriegsministers der Kommune, der wenige Stunden darauf im Kampfe den Tod fand, erklärlich. Wie dem aber immer sei: Die historischen Tatsachen beweisen, daß die Rcgiernngstruppen im Auftrage der Bourgeoisregierung die Bestialität der Kriegsführung begannen und jene Repressalien, jene schwächlichen Repressalien provozierten, die dann von der Kommune geübt wurden. Gerade eine Regierung, die an den süd- westafrikanischen Eingeborenen die Opfer des Aufstandes durch hundertfache Rache sühnte, sollte ein Verständnis dafür haben, daß auch in einem Bürgerkriege ruchlos vergossenes Blut Sühne heischt l- ' Zk Deutrehes Reich. Zu den deutsch.amerikanischcn Handelsvertragsverhandlunge«. Vor einigen Tagen wurde aus Washington gemeldet, daß das bestehende Handclsprovisorium zwischen Deutschland und den Ver- einigten Staaten von Amerika vorläufig bis Ende dieses Jahres verlängert werden solle, und der Präsident Roosevelt zu diesem Zwecke bereit sei, Deutschland die in der Sektion III des Dingley- gesetzes genannten Zollvorteile einzuräumen, also eine Herabsetzung der Zölle auf Weinstein. Hefekristalle, Champagner, stille Weine, Branntweine und andere Spirituosen sowie Statuen und andere Kunstwerke zu gewähren. Wie die„Deutsche Tagcsztg." jedoch von gut unterrichteter Seite erfahren haben will., denkt man„deutscher- seits" nicht daran, das Handelsprovisorium mit den Vereinigten Staaten ohne besondere Zugeständnisse zu verlängern. „Man hat der amerikanischen Regierung gegenüber", schreibt das Blatt des Bundes der Landwirte,„kein Hehl daraus gemacht, daß eine Verlängerung des Provisoriums im Reichstage auf starken Widerstand stoßen werde, und daß deshalb der Abschluß eines Handelsverttages mit entsprechenden Zugeständnissen amerikanischer- seits geboten erscheine. Daß die Zollherabsetzmigen und Er- leichterungen, die der Präsident Roosevelt auf Grund des Dinglcytarifs ohne Mitwirkung des Kongresses gewähren kann, durchaus nicht genügen, um die Grundlage eines Handelsvertrags zu bilden, darüber ist man sich hier vollkommen klar. Der Konventionaltarif, der den Amerikanern jetzt provisorisch gewährt worden ist. wurde von den europäischen Vertragsstaaten durch erhebliche Zu- geständnisie erkauft, so daß es schon mit Rücksicht auf diese Staaten als ausgeschlossen erscheinen muß. ihn auf die Dauer den Amerikanern ohne gleichwertige Zu- g e st än d u i s.s e zu gewähren. Mau wird in den Vereinigten Staaten diese Verhältnisse gebührend berücksichtigen müssen, wenn man nicht Ueberraschungen erleben will, für die dann nicht die deutsche Regierung, sondern die der Vereinigten Staaten die Verantwortung tragen würde. Diese Auffassung scheint sich auch in amerikanischen Kreisen immer mehr Bahn zu brechen.— und diese Entwickelung dürfte nicht ohne Eindruck und ohne Einfluß auf die Entschließungen der amerikanischen Regierung bleiben. Vielleicht sieht sich der Präsident doch noch veranlaßt, den Kongreß zu einer Sonder- tagung einzuberufen." Die Notiz, die allem Anschein nach den Zweck verfolgt, die Ent- schließungen in Washington zu beeinflussen, ist recht vorsichtig ab- gefaßt. Sie erklärt nicht, daß der deutschen Regierung die Vorteile der Sektion III des Dingley-Gesetzcs nicht genügen und sie zu einer Verlängerung des Provisoriums auf dieser Grund- läge nicht bereit ist, sondern nur, daß eine solche Verlängerung im deutschen Reichstage— was jeder weiß— auf starken Wider- stand stoßen werde. Sie erklärt auch nicht klipp und klar, daß die Regierung schon für die Dauer der Verlängerung„gleich- wertige Zugeständnisse" fordert, sondern spricht nur davon. daß„auf d i e D a u e r" den Amerikanern der deutsche Vertrags- tarif nicht ohne solche Zugeständnisse gewährt werden könne. Das ganze Gerede mag sehr diplomatisch sein, aber präzise und bestimmt ist eS nicht.—_ Eine Polizeitat und ihre Sühne. Das Schwurgericht in Köln hat kürzlich, wie wir berichteten, den Schutzmann Weis von der Anklage, den 43 Jahre alten Arbeiter Berndgen in dem Vororte Bickendorf totgeschossen zu haben, freigesprochen. Die fünf Familienangehörigen des Getöteten bekundeten übereinstimmend und, soweit sie sich nicht mehr im Kindesalter befanden, unter Eid, daß der Schutzmann sich auf den zu Boden gestürzten Berndgen gekniet und ihm eine Kugel in den Leib gejagt habe; zwei andere Schuß Verletzungen habe der Schutzmann dem Berndge» vorher im Stehen beigebracht. Das Gericht aber glaubte dem angeklagten Schutzmann, daß die drei Schüsse aus dem Revolver durch— Zufall losgegangen sind. Jetzt hat den Schutzmann Weis dennoch die Vergeltung ereilt. Die Kölner Schutzleute sind nämlich nicht berechtigt, Revolver bei sich zu führen. Sie werden zwar im Revolverschießen für„eventuelle Fälle"(Siehe Roter Sonntag u. a.) aus- gebildet, nicht aber ständig mit Revolvern ausgerüstet. Der Schutzmann Weis aber hatte an jenem Abend seinen Privatrevolver bei sich geführt. Weil er also gegen seine Diensworschriften ver- stoßen hat, wurde er vom Kölner Polizeipräsidenten zu acht Tagen Arrest. verurteilt".
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