Nervlichen Polenpolitik der preußischen Regierung gebrochen wird.«sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.)Vizepräsident Dr. Paaschc: Ich kann nicht zulassen, daß Siedie preußische Polenpolitik als„unglaublich töricht und verderblich'bezeichnen. sLachen bei den Sozialdemokraten.)Abg. Ledebour(fortfahrend): Es ist heute allerdings schonein stärkerer Ausdruck gefallen. Wir halten es für notwendig,daß mit diesem System gebrochen wird im Interesse der deutschenBevölkerung, die in anderen Ländern lebt und die da auch dasriecht hat, ihre eigene Sprache zu sprechen. Wir haben etwa4 Millionen Polen in Deutschland, etwa ISO(WO Dänen und etwa-.SO OOO Franzosen, während in Ungarn und Rußland je 2 Millionenund in den Bereinigten Staaten von Amerika 10 MillionenDeutsche leben, lieberall-finden sich deutsche Ansiedelungen, undüberall bemühen sich die Deutschen, ihre Muttersprache zu behalten,und sie werden darin vom Deutschen Schulverein gefördert undunterstützt. Wenn sie diese preußische Polenpolitik— man brauchtda keinen wetteren Ausdruck zu gebrauchen,„preußische Polen-volitik' sagt genug(Heiterkeit)— weiter fördern, so schädigen Siedas Deutschtum in der ganzen Welt(Sehr richtig! bei den Sozial-Demokraten) und Sie zeigen dadurch, daß Ihnen der wahre Sinniür Volksfreiheit vollkommen abgeht.(Lebhafter Beifall bei denSozialdemokraten.)Abg. v. CzarlinSki(Pole): Der Abg. Oertel hat seine Ant-warten vorrätig;, denn ein Zusammenhang zwischen dem, was!-r sagte, und unserer Interpellation ist nicht vorhanden. Wennder Reichskanzler die Rede des Herrn Oertel lesen wird, wird er'edauern, daß er nicht hier war, er hätte davon etwas lernenönnen. Die Lehrer sprechen nicht polnisch in der Schule, wie solldenn da aber eine Verständigung mit den kleinen Kindern möglich;cin, die nur polnisch verstehen? Das ist kein Zustand, der einerwahren Kultur entspricht. Wenn man jemand fortwährend sticht,uuß er sich doch wehren. Das ist ein nichtswürdiges Volk, das sichuicht wehrt!(Bravo! bei den Polen.)Abg. Stychel(Pole): Der Zwiespalt zwischen Schule undHaus ist da; er wurde nicht durch uns geschaffen, sondern durchdie Maßnahmen der preußischen Regierung. Religionsunterrichtst Sache der Kirche, nicht des Staates, der ihn bei uns zupolitischen Zwecken mißbraucht.(Sehr richtig! bei den Polen.)Her Schulstreik ist von unserem Standpunkt aus nicht zu bedauern,andern zu bewundern. Trotz aller Leiden hält das polnischeliolk an ihm fest. Wenn der Staat seine Kompetenz überschreitet,st man moralisch verpflichtet, ihm Wider st and zu leisten.(Bravo! bei den Polen.)Damit schließt die Besprechung.Nächste Sitzung: Mittwoch 1 Uhr. Wahl des Präsidenten undder Vizepräsidenten für die Dauer der Session; zweite Beratungdes kolonialen Notetats; dritte Beratung des Reichsetatsnotgesetzes;zweite Beratung des Gesetzes über die Bemessung des Kontingentes'ür landwirtschaftliche Brennereien; Interpellationen der Sozial-Demokraten und des Zentrums über das Grubenunglück bei Klein-Rösseln.Schluß 7 Uhr._HbgcordnctcnbauöoÜ7. Sitzung. D i e n s t a g, d e n 19. M ärz 1907,vormittags 11 Uhr.Am Ministertisch: Dr. v. Studt.Tie zweite Beratung des KultuSetats wird fortgesetzt.Abg. Dr. Porsch(Z.): Die Reden der Freisinnigen Funck undCassel beweisen, daß die Ausführungen des Reichskanzlers bei derFreisinnigen Volkspartei auf fruchtbaren Boden gefallen sind.(Sehrrichtig! im Zentrum.) Nun hat Herr Cassel es jetzt so dargestellt,als ob die Freisinnigen einen Angriff auf unser nationalesSmpfinden nicht gemacht hätten. Ich habe hier ein Flugblatt ausdem zweiten Berliner Reichstagswahlkreis, in dem das Zentrumantinational genannt wird.(Hört! hört! im Zentrum.)Unterschrieben ist dieses Flugblatt von den LandtagsabgeordnetenBreitling, Berschel, Kopsch und Träger.(Hört! hört! im Zentrum.)Das ist doch eine Aeußerung, für die die Freifinnige Volksparteidie Verantwortung trägt.(Sehr richtig! im Zentrum.) Und datritt Herr Funck hierher und sagt:„Hier ist eine nationaleFrage!" Da kann sich doch Herr Funck über meine Kritik nicht be-klagen.(Sehr richtig! im Zentrum.) Ich stehe demgegenüber aufdem Standpunkt: Was du nicht willst, daß man dir tu', das füg'auch keinem andern zu!(Stürmisches Bravo! im Zentrum.) Ichantworte deshalb nicht im gleichen Tone. Wenn sich aber jemandrfrechen sollte, mir nationale Gesinnung abzusprechen(stürmische»Bravo! im Zentrum), so werde ich ihm die richtige Antwort er-teilen.(Bravo! im Zentrum.)Abg. Cassel(frs. Vp.): Ich habe die nationale Gesinnung desAbg. Dr. Porsch niemals bezweifelt. Ich wäre der letzte, der einensolchen Vorwurf erheben würde. Zch weise deshalb den Ton desAbg. Dr. Porsch zurück.(Bravo! links.) Mein Freund Funck hatnur darauf hingewiesen, daß Schulfragen wichtige Atigelegenheitenund deshalb Kulturfragen seien. Darin sollte das Zentrum eigent-lich mit uns einer Ansicht sein.(Sehr richtig! bei den Freis.) Wirnehmen aber auch für uns nationale Gesinnung in Anspruch;denn wir sind aus einer Partei hervorgegangen, die als erste eineEinigung Deutschlands unter Preußens Führung auf ihr Paniergeschrieben hat.(Lebhafter Beifall links, Gelächter rechts.)Ein Antrag auf Schluß der Besprechung wird angenommen.Das Gehalt des Ministers wird bewilligt.Beim Kapitel„Elementarunterrichtswesea"tadelt Abg. Kreth(k.), daß leistungsschwache Gemeinden, inSbeson-dere Gutsbezirke im Osten, durch Gehaltserhöhungen für Lehrersehr belastet seien!Ministerialdirektor Schwartzkopff: Wenn Gemeinden proviso-rische Gehaltserhöhungen gewährt haben, müsien sie die Kosten auchallein tragen. Wir haben im vergangenen Jahre vor solchen Prodi-sorischen Gehaltserhöhungen ausdrücklich gewarnt.Abg. Dr. Dahlem(Z.) fordert, daß im nächsten Jahre fürNassau ein katholisches Lehrerinnenseminar in Montabaur errichtetwerde.Ein Regierungskommissar erwidert, Verhandlungen darüberschwebten noch.Auf eine Anregung des Abg. v. Bülow-Homburg(natl.) erklärtMinisterialdirektor Schwartzkopff, eine Entscheidung des Ober-Verwaltungsgerichts darüber, ob ,n Nassau die Konfessionsschulenneben den Simultanschulen zulässig seien, sei in den nächsten Tagenzu erwarten.Abg. v. Kardorff(frk.): Bei den letzten ReichstagSwahlen sindmehr als 3 Millionen Stimmen für die Sozialdemokratie abgegeben.Da sollen wir uns doch der Tatsache nicht verschließen, daß sowohlder kirchliche wie der Schulunterricht nicht dazu geführt haben, diejungen Leute mit so festen christlichen und patriotischen Grund-sähen auszurüsten, daß sie gegen Verführungen der Sozialdemo-kratie gefeit gewesen wären. In der evangelischen Kirche ist schonein lebhaftes Gefühl dafür vorhanden, daß die Kirche hier den An-forderungen nicht genügt hat. Infolgedessen entstand die großartigeGemeinschaftsbewegung, die den Gläubigen das Evangelium näher-dringen will. Wenn es so in der Kirche geht, muß sich auch dieSchule bewußt werden, daß sie auch ihre Aufgabe nicht voll erfüllthat. Das wird anders werden, wenn man die Schule bessert. Dazuwird die Fachschulaufficht beitragen! Ich möchte deshalb das Schul-Wesen so geregelt wissen, wie Frhr. v. Zedlitz es neulich geforderthat. Ich gestehe ganz offen, daß ich vor 2S Jahren noch ganz ent-gegengesetzter Ansicht war. Ich sah die Forderung aus Einführungder Fachschulaussicht zunächst als eine Ueberhebung des Lehrer-Personals an. Mit der Zeit lernte ich aber erkennen, daß die christ-liche Schulaufsicht zu Mißverständnissen und Trübungen des Ver-hältnisses zwischen Geistlichkeit und Lehrerstand fuhrt. Ich sprachdarüber mit einem jetzt verstorbenen Gymnasialdirektor. Der sagtemir:„Was würden Sie sagen, wenn Marineoffiziere einen sechs-Nerantwortlicher Redakteur:«an» Weber, Berlin. Für denwöchentlichen Reiwnterricht nähmen, am dann Kavallerieschwadronen zu inspizieren?"(Heiterkeit.) Ich lernte dann verstehen,daß die jungen Lehrer sich herabgesetzt fühlten, wenn sie sahen, daßdie Geistlichen ihnen nicht über-, sondern unterlegen seien. Wennirgend eine Frage sich nicht dazu eignet, zum Parteigezänk gemachtzu werden, so ist es diese. Alle Parteien haben ein Interesse daran,daß unsere Jugend patriotisch und christlich erzogen wird, undhoffe, daß wir dazu gelangen werden, hier alle politischen Streitigleiten auszuscheiden.(Beifall.)Vizepräsident Dr. Porsch: Die Frage der Fachschulaufsicht ge>hört nicht zu diesem Punkte der Tagesordnung. Ich habe aber ge>glaubt, im Sinne des Hauses zu handeln, wenn ich den Redner nichtunterbrach.(Beifall.) Ich bitte dr Redner aber, jetzt nicht mehrdarauf zurückzukommen.Abg. Faltin(Z.) spricht für Erteilung des Religionsunterrichtsin der Muttersprache in den gcmischtsprachlichen Landesteilen.Abg. Kopsch(frs. Vp.): Zunächst ist festzustellen, daß der Lehrer-Mangel nicht ab-, sondern erheblich zugenommen hat.(Sehr richtig!links.) Redner fordert eine genaue Statistik über den Lehrermangelund eine Aenderung der Ausbildung der Lehrer. Man solle dieVorbildung für den Lchrerberuf ähnlich gestalten, wie für denPost-, Bankberuf usw. Redner bespricht sodann noch die Beschaffen-heit der Schulhäuser.Abg. Werner(Antis.) bezeichnet als Kern- und Kardinalpunktfür alle Lehrerfragen die Gleichstellung der Lehrer mit den Sub-alternbeamten erster Klasse.Abg. Wolff-Biebrich(natl.) führt Beschwerde über den katho-lischen geistlichen Schulinspektor in Camberg, der in bezug auf dasGebet in einer naffauischcn Simultanschule Anordnungen imGegensatz zu den Lehrern getroffen habe.Ministerialdirektor Dr. Schwartzkopff erwidert, daß ein Kom-missar zur Untersuchung der Angelegenheit nach Camberg gc-sandt sei.Abg. Mcttger(natl.) fragt, ob eS richtig sei, daß der Kultus-minister entschieden habe, daß Ibsen, Sudermann und Hauptmannfür die Bibliotheken der Lehrerseminare nicht angeschafft werdensollten.Ministerialdirektor Dr. Schwartzkopff: Ueber diesen Gegenstandsind in der Press? ganz falsche Behauptungen gebracht. Für denUnterricht an den Seminaren kommen die drei vom Vorrednergenannten Schriftsteller überhaupt nicht in Betracht. Für dieBibliotheken können dagegen Ibsen, Sudermann und Haupt-mann sehr wohl angeschafft werden, wenn Mittel dazu vorhandensind.(Aha! links.) Die Unterrichtsverwaltung ist aber der Ansicht,daß Schiller, Goethe usw. den Vorrang haben, dann kommen auchIbsen, Sudermann und Hauptmann noch lange nicht, sondernerst viele andere.Ein Antrag auf Schluß der Besprechung wird angenommen.Eine Reihe Titel werden bewilligt.Das Haus vertagt sich.Nächste Sitzung: Mittwoch 11 Uhr.(EtatSnotgesetz, kleine Bor-lagen. Fortsetzung der heutigen Beratung.)Bergwerkskatastrophen.Ein Gedenktag.Am vorletzten Sonntag war der Jahrestag der Katastrophevon Courrieres. Und die Opfer waren nicht vergessen. Die An-gehörigen zogen hinaus nach den Friedhöfen von Billy-Montigny,Sallaumines und NohelleS und aus dem ganzen Kohlenrevier desPas de Calais waren die Bergarbeiter herbeigeeilt, um auf denMassengräbern ihrer Kameraden einen Kranz niederzulegen. Undes war nicht bloß eine Erinnerungsfeier, sondern auch und vorallem ein Protest und ein WarnungSruf an die Gesellschaft undeine Mahnung an das Unternehmertum und den Staat, endlichihrer Pflicht nachzukommen. BaSly, Lamendin und Cadot hieltenauf den drei Friedhöfen die Gedächtnisreden und sie machten sichzum Interpret der Forderungen der Bergarbeiter und sie fordertendiese auf, im gewerkschaftlichen und politischen Kampfe ihre Rechtezu erkämpfen. In Mericourt strömten nicht weniger denn 40 000Menschen zusammen, die an der Demonstration teilgenommenhatten.Wird das Warnungszeichen verstanden, wird der Arbeit endlichihr Recht werden?mMittlerweile hat Deutschland schon zwei große Schlagwetter-katastrophen gehabt. Vor einem Jahre erklärten unsere Berg.fachmänner und die Regierungsvertreter mit souveräner Sicher-heit: In Deutschland ist ein Courriöres unmöglich! Und heute?In der Werkspresse lobt man die Mustereinrichtungen und machtden Himmel und den Zufall verantwortlich für die Massenver-nichtungen. Gegen diese Praxi» protestieren die Arbeiter. So-lange man deren berechtigte, das größte Maß von Sicherheitgarantierende Forderungen nicht bewilligt, müssen alle Versuche.die Schuld auf unverantwortliche Faktoren abzuschieben, als voll-ständig unberechtigt zurückgewiesen werden.»»'Ein Wohlfahrtstrunk.Bei der gestrigen Tafel im königlichen Schloß aus Anlaß derJohanniterfeier brachte der Kaiser einen Trinkspruch auS, aus demwir folgenden Passus wiedergehen:..Die letzten Monde haben gezeigt, welche schweren Prüfungender Menschheit auf allen Gebieten auferlegt worden sino, undwelche Hekatomben von Menschenleben verschiedenen Katastrophenzum Opfer gefallen find. Das weist alle Ordensmitgliederdarauf hin, daß das erste Gebot für uns alle ist die LiebeS-tätigkeit gegenüber unseren Mitbrüdern; und so werden wirdaS Wohl des Herrenmeisters in der Gesinnung trinken, diein dem Schriftwort Ausdruck findet:„So bleibet Glaube, Hoff-nung, Liebe, diese drei, aber die Liebe ist die größeste unterihnen". Wir weihen unser Glas dem neuen Herrenmeister mitdem Wunsche, daß es ihm vergönnt sei, eine segensreiche Tätigkeitin der Mitte des Ordens auszuüben."DaS mag ganz gut gemeint sein, die Bergarbeiter sind aberüberzeugt, daß ihnen mit einem wirksamen Schutz mehr gedientist als mit dem kräftigsten Wohlfahrts- und Liebestrunk.War alles in Ordnung?Unser Saarbrücker Korrespondent schreibt:Einer uns zugehenden Schilderung eines auf dem RossclnxrUnglücksschacht beschäftigten Knappen entnehmen wir folgendehaarsträubenden Details, die von amtlicher Seite unbedingt auf.geklärt werden müssen. Die Behauptung, daß auf der Nachtschichtnicht geschossen wird und daß demnach das Schießen die End-Ursache der Explosion nicht gewesen sein könne, ist falsch. Von derSohle 417, auf der die Katastrophe erfolgte, wird nach der darüberliegenden Sohle 382 ein Ueberhau(Verbindungsschacht) durch.gearbeitet, wobei sowohl auf Tag- wie auf Nacht-ficht geschossen wird. Falsch ist auch die Behauptung.daß an die Belegschaft der Nachtschicht kein Pulver verausgabtwird. Der Steiger, der diese Angabe vor dem Bergmeister gemachthaben soll, hat seihst noch vor kurzer Zeit ln Abwesenheitdes Schießmeisters abgeschossen. In sämtlichenBremsbergen sollen Brüche liegen, die-vollWetter stehen. Ferner sollen die Galerien in den Brems-Hergen nicht vollständig versackt, sondern nur vorn inder Front mit einem Damm versehen worden sein, sodaß sich in dem durch Dämme versteckten„alten Mann"(Hohl-räume) die Wetter ungehindert ansammeln können. Wenn daSrichtig ist, so wäre das die schwerste Anklage gegen die Gruben-Verwaltung, da diese Art der Versackung geradezu eine Vor-täuschung rationeller Versackung wäre. Sammelt sich hinter dentrügerischen Dämmen Wetter an, so können diese durch, nieder-Anstratenteil verantw.: Ttz. Glocke» Berlingehende Gesteinsmassen, durch die nicht luftdicht schließendenDämme in die Strecken getrieben werden und hier beim Schießenexplodieren. Ebenso kann im„alten Mann" Feuer entstehen durchden Druck des Gesteins, wobei selbstverständlich die Wetter auch inExplosion geraten und die Dämme mit elementarer Gewalt durch-brechen, Tod und Verderben in den umliegenden Strecken ver-breitend.Mit der so herausgestrichenen Berieselung des Kohlenstaubes,dessen Explosion die verheerendsten Wirkungen im Gefolge hat, solles sehr prohlematischer Natur gewesen fein. Die BerieselungS-anlage ist wohl intakt, angeblich ist aber nur alle 14 Tage einmalgerieselt worden, und das nur in den Ouerschlägen(Grundstrecken). Unser Gewährsmann versichert, und das wirduns auch von anderer Seite bestätigt, daß in der Zeit, während erauf dem Unglücksschacht arbeitet, schon dreimal Feuer ausgebrochensei.(Jedenfalls durch Druckwärme. D. B.) Da ist es gar nichtausgeschlossen, daß auch dieses Mal in irgend einem verborgenenWinkel, hinter den trügerischen Dämmen, ein Brand entstand, derdie Wetter zur Explosion brachte, ohne daß an den Arheitsortenetwas davon zu merken war. Die Vcrsackung(Ausfüllung derHohlräume durch„Berge") soll überhaupt eine sehr mangel-hafte sein, weil der Akkord sehr niedrig be»messen sei und die Arbeiter, um annähernd zuihrem Lohn zu kommen, eben nur Pfuscharbeitleisten können. Ueber eine Reihe Klagen untergeordneterNatur, die die Katastrophe begreiflich erscheinen lassen, wollen wirhinweggehen, da sie Mängel betreffen, die der kapitalistischen AuS-heutung überall eigentümlich sind. Die Aufsichtsorgane iverdennicht umhin können, über diese Anklagen Aufklärung zu schaffen.Bewahrheitet sich nur der fünfte Teil derselben, so i st diestereotype Phrase„Alles in Ordnung" gerichtet.Denselben Wert scheint die Aufklärung über denverhängnisvollen Scilbruch auf dem fiska-lischen Mathildenschacht zu haben, wenn sich die Mit-teilungen bestätigen, die uns von dort beschäftigten Bergleutenzugehen. Danach hat das gerissene Förderseil schon seit Monatennicht nur einen, sondern zwei Brüche gehabt, die nachder einen Information schon im Dezember beim Seil-schmieren entdeckt und den Steigern gemeldetworden seien. Vor 14 Tagen sei der Bruchoberhalb des Förderkorbes wiederholt gemeldetworden, trotzdem sei das brüchige Seil immer nochzur Menschenförderung benützt worden. Unter den Berg-leuten behauptet sich auch mit aller Hartnäckigkeit das Gerücht, nachder Katastrophe sei 4 bis 6 Meter oberhalb der Bruchstelle daS Seilende abgehauen worden.Ueber die BeHandlungsweise der Bergleute durch untere Beamtewird sehr geklagt, ebenso über die Reduzierung der Gedinge, wasman auf das Konto der Reichstagswahl setzt, die Anlaß zu einemförmlichen Spionagesystcm gegeben habe. Schroffheiten, Drohungenund Beschimpfungen seien an der Tagesordnung, alles Er-scheinungen, die zum saarabischen System passen. Bewahrheitetsich die von vielen Seiten erhobene Behauptung, daß den unterenBeamten die Mangelhaftigkeit des Förderseiles bekannt war dannwird die Forderung der Bergleute nach Aw-beiterkontrolleuren, die mit Exekutivgewaltauszurüsten sind, unbedingt erfüllt werdenmüssen, wenn man nicht ein Verbrechen an denBergleuten auf sich laden will. Den Bergleutennützen alle die Beileidstelegramme hoher und höchster Personennichts; und die bei solchen Anlässen entfesselte Wohltätigkeit kannin ihnen nur das Gefühl auslösen, daß man ihre An-ehörigen mit Bettelsuppen traktiert, wo sieas Recht haben, eine Sicherung ihres Lebenszu verlangen. Lasse man die Bcrgsklaven mitraten und mit-taten, und das Wort„AlleS in Ordnung" wird zur Wahrheitwerden.Letzte Nachrichten.Forbach, 19. März. Nach Mitteilung der GrubendirektionKlein-Nosseln ist nunmehr festgestellt, daß 73 Mann tot und0 verletzt sind. Drei Mann werden noch vermißt.Klein-Nosseln, 19. März. Gestern nachmittag 3 Uhr wurdedie Leiche des verunglückten Steigers Waldschmidt, de» jüngstenvon 8 Geschwistern, die sämtlich auf der Grube Klein-Rosseln be-schäftigt waren, beerdigt. Er war der einzige Protestant von allenVerunglückten._Versammlungen.Ter verein Berliner Hausdiener hielt am Montag in KellersSaal eine Mitgliederversammlung ab. auf deren Tagesordnung alserster Punkt ein Vortrag des Genossen Ledebour über die Rc-volution von 1348 stand. Nach Eröffnung der Versammlung er-suchte der Vorsitzende Wappler die wenigen anwesenden Frauen.sich an einem besonderen Tisch im Hintergrunde des SaaleS zu begeben. ES sei daS eine Anordnung des übertvachenden Polizei-beamten, der verlangte, daß sich die Frauen in ein„Segment" be-geben, weil der Vortrag, welcher hier gehalten werden soll, ein p o-li tisch er sei. Nachdem sich die Frauen in das„Segment" be-geben hatten, bezeichnete Genosse Ledebour diese polizeilicheAnordnung als ein Zeichen dafür, wie rückständig bei uns inPreußen die politischen Zustände noch sind. Solche polizeiliche Be-vormundung der Staatsbürger herrscht heute. 5>9 Jahre nach derRevolution von 1848, während vor derselben die Bürger im FreienVersammlungen abhielten, ohne daß die Polizei sich darum zukümmern hatte. Der Redner besprach dann die Ursachen derHammersteinschen Segmentverfügung, die ja für politische Vereinegelten soll. Nun sei der Verein Berliner Hausdiener kein politischerVerein, nach Auffassung des Polizeibeamten solle er aber für diesenAbend ein politischer geworden sein, weil ein politischer Vortrag gc-halten werden solle. Ledebour sagte, er habe die Absicht gehabt,einen historischen Vortrag zu halten, da aber die Polizei dieAuffassung habe, der Vortrag solle ein politischer sein, sowerde er nun die Gelegenheit benutzen, um einenpolitischenVortragzuhaltcn und die Frage behandeln:Welche politischen Lehren hat das Proletariat auS der Märzrevolution zu ziehen.— Pon diesem Gesichtspunkt auS behandelteder Referent denn auch sein Thema unter lebhaftem Beifall derVersammlung.— Hierauf beschäftigte sich die Versammlung mitden Anträgen zum Verbandstag, der zu Pfingsten in Berlin statt-findet. Angenommen wurde ein Antrag, der die Einführung einerbesonderen Rubrik im Verbandsorgan befürwortet, die an bevor-zugter Stelle Mitteilungen über Streiks und Aussperrungen bringt.Ferner will der Antrag, daß das Verbandsorgan alle acht Tage er-scheint. Ein anderer Antrag, der gleichfalls angenommen wurde,besagt, sämtliche Mitgliedschaften wählen ihre Ortsbeamte selbst,die Neuwahl erfolgt alljährlich, die Gewählten unterliegen der Be-stätigung des Hauptvorstondes.— Hierauf stimmte die Versamm-lung einer von der erweiterten Ortsvcrwaltung aufgestellten Vor-schlagsliste zur Delegiertenwahl zu. Die Wahl selbst erfolgt amKarfreitag in verschiedenen Lokalen.I« der letzten Mitgliederversammlung des Wahlvereinsvon Franzüsisch-Buchholz(Bezirk Pankow) erstattete GenosseW i eSb erg den Bericht von der Kreis- Gencralver-sammlung. Allseitig wurde die Notwendigkeit einer geplantenintensiveren Agitation gutgeheißen. Ueber die Erhöhung der Bei-träge entspann sich eine lebhafte Debatte. Zweidrittel erklärten sichbei der Abstimmung gegen eine Erhöhung des MonatSbeitrageS. Voneiner Maifeier am Orte soll Abstand genommen werden, da maneine lohnende Beteiligung an derselben nicht erwartet. Hingegenwurde heschlossen, am 5. Mai ein Volksfest zu veranstalten. ZumSchluß übte Genosse Pohl noch herbe Kritik an der Tätigkeit derbürgerlichen Gemeindevertreter und ermahnte die Genossen, durchunermüdliche Werbearbeit dafür Sorge tragen zu helfen, daß beider im nächsten Jahre stattfindenden Gemeindevertrcterwahl unsereGenossen in» Gemeindeparlament gcwählt�werden.Druck u. Verlag: VorwärS Buchdruckerei u. PerlagSanstalt Jgaul Singer 8- Eo.. Berlin SM£