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Leichen zurückbehalte. Dagegen begrüße sie den angedrohten Prozeß mit Freuden, weil dadurch festgestellt werden würde, daß die Wör- mann-Linie große Vorteile aus den Liegegeldern usw. gezogen habe. Der Privatbeklagt« ist infolge Krankheit nicht zum Termin erschienen; feine Verteidiger beantragen die Aussetzung der Verhandlung. DaS Gericht lehnt diesen Antrag ob, worauf beide Verteidiger erklären, unter diesen Umständen nicht die Verteidigung führen zu können. Das Gericht setzt sodann die Verhandlung auf den 16. April aus und beschließt, daß beide Parteien persönlich zu erscheinen haben. Christliche Verleumder." �nde Ssovember v. I. ging durch die gesamte Zentrumspresse die Nachricht von einemunerhörten teuflischen Rache- akt zweier sozialdemokratisch organisierter N aurer gegenüber einem christlichen Arbeite r." Danach sollten in Ingolstadt   zwei freiorganisicrte Maurer auf einem Neubau einen Riegel des im Sticgenhause angebrachten Ge- rüstes durchschnitten haben, um einen noch im Bau befindlichen christlichen Arbeiter durch einen Sturz in die Tiefe dem sicheren Tode preiszu- geben. Die Nachricht wurde von der Scharfmacher- und liberalen" Blockpresse gierig nachgedruckt und vom Rcjchslügenver- bände im Wahlkampfe, nach bekanntem Schema ausgeschmückt, nach Kräften ausgenutzt. Diese fetteEnte", die zuerst in der christlichen ..I n g o l st ä d t e r Zeitung" aufflatterte, wurde am Sonnabend vor dem Schöffengerichte Ingolstadt   als eine gemeine Ver- leumdung gebrgndmarkt. Der Redakteur und Verleger dieser Zeitung hatte sicki vor diesem Gerichte wegen Beleidigung zweier freiorganisierter Maurer zu verantworten. Die Verhandlung ergab die völlige UnHaltbarkeit her schweren An- schuldigung. Der Redakteur war von seinen christlichen Ge- lvährsmännern. wie sich herausstellte, in der e r b ä r m l i ch st e n Weise angelogen worden. Deshalb ließ auch der Vertreter der so schwer verleumdeten Arbeiter, Rechtsanwalt Gen. Dr. B e r n- Heim-München   Gnade vor Recht ergehen und kam dem hercingc- legten Redakteur mit folgendem Vergleich entgegen:Redakteur Baum er nimmt die aufgestellten Behauptungen mitdem Ausdrucke des größten Bedauerns zurück, übernimmt sämtliche Kosten des Verfahrens, einschließlich der den Privatklägern erwachsenen Auslagen, sowie die durch die Publikation dieses Vergleiches in den beiden am Vrte erscheinenden Zeitungen erwachsenden Kosten.  "_ Aus der Stadt derreinen Vernunft". Um dem sich bei allen Bcvölkerungsschichten Königsbergs seit langer Zeit fühlbar machenden Saalmangcl abzuhelfen, hat sich dort eine Aktiengesellschaft zum Bau eines Konzert- und Gesell- schaftshauscs größeren Stils gebildet. Am 1. April d. I. läuft nun der Termin ab, bis zu welchem die für den gedachten Zweck erforderlichen Grundstücke zum Kaufe freistehen. Jetzt hat der Magistrat der bedrängten Gesellschaft unter die Arme gegriffen. Er machte der Stadtverordnetenversammlung eine Vorlage, nach der die S t a d t g e m e i n d e derAktiengesellschaft zum Bau einer Stadthalle" vom 1. April 1908 ah einen jährlichen Zuschuß von 15 909 M. zur Verzinsung und Tilgung des Obliga- tionen-Kapitals gewährt. Dafür sollen der Stadtgemeinde samt- liche Räumlichkeiten der zu erbauenden Stadthalle an 30 Tagen im Jahre unbeschränkt und kostenfrei zur Verfügung stehen und ihr auch mitbestimmender Einfluß auf die Verwaltung der Stadthalle gesichert sein. Hierzu stellte als sozialdemokratischer Stadtverordneter unser Genosse Haase einen Zusatzantrag, nach welchem die Bestimmung im Vertrage getroffen werden soll, daß die Stadthalle allen Bürgern zu Versammlungen und Veranstaltungen gegen die festgesetzte Eni- schädigung hergegeben werden solle. Dieser Antrag stieß beim Magistrat und bei der ganzenliberalen" Stadtverordnetenver- sammlung auf den heftigsten Widerstand! Und der Oberbürger» meister betonte ausdrücklich, daß der Magistrat bei Bearbeitung der Vorlage von vornherein die Absicht hatte, es zu hindern, bah die Stadthalle zu politischen Versammlungen oder politischen Ver- einsfestlichkeiteu hergegeben«erde! Denn, so begründete er diesen famosen Standpunkt, in politischen Versammlungen prallen sehr oft die Leidenschaften heftig aufeinander. Die Besucher erscheinen meistens so, wie sie vom Geschäft, von der Arbeit kommen(also nicht salonfähig!) und der Bau. der eine Stätte für Kunst und Wissenschaft sein und der friedlichen Geselligkeit dienen soll, könne dadurch sehr leichtentweiht" werden! Der Oberbürgermeister hatte so ganz im Sinne der national- liberalen und freisinnigen Stadiväter gesprochen; denn für den Haaseschen Antrag stimmten außer den Sozialdemokraten nur noch 3 bis 4 liberale Stadtverordnete von zirka 80 Anwesenden! Nun brachte Genosse Haase einen, der Magistratsauffassung weit entgegenkommenden Antrag ein, wonach die Stadthalle allen Bürgern und Vereinen zu geselligen Zwecken gegen Bezahlung her- gegeben werden solle. Aber auch dieser Antrag wurde bekämpft und mit allen gegen die Stimmen der Sozialdemokraten und eines einzigen liberalen Stadtverordneten abgelehnt!! Mit derselben Mehrheit wurden dann aber auch die 15 099 M. Subvention aus den Steuergroschen aller Bürger der Stadt bewilligt. Benutzen dürfen die Stadthalle nur die AuSerwählten deroberen Fünftausend", die ganz ungeniert Politik treibenden Krieger- und bürgerlichen Turnvereine sowie sonstigeoben" nicht anstößige Gesellschaften. Die Stadt derreinen Vernunft" hat sich durch ihren neuesten Schildbürgerstreich eine weitere traurige Berühmt- heit zum Russenprozeß seeligen Angedenkens, zur Aktion gegen die Jugendorganisation und zu ähnlichen Heldenstücken sonst hinzu- erworben. Christliche Arbeiter über die ReihtSfShigkeit der BernfSvereine. Die Einführung von Arbeitskammern und die Rechtsfähigkeit der Berufsvereine stehen seit langem als erste, wichtigste und dringendste Forderungen auf dem sozialpolitischen Programm des Zentrums. Noch im Winter 199ö drängte die ultramontane Presse die Regierung, endlich mit der Erfüllung dieser beiden Forderungen Emst zu machen, und als dann die Vorlage betreffs der Rechts- fähigkett der Berufsvereine angekündigt wurde, da priesen die klerikalen Blätter daS als einen Erfolg der Zentrumspolitik. Auch aus den zu der Vorlage gehaltenen Reden der ZentrumSmänner war immer noch die Bedeutung zu erkennen, die auf ultramontaner Seite der Rechtsfähigkeit der Bcrufsvereine beigelegt wurde, zum Unter- schied von der Sozialdemokratie, die, ganz abgesehen von der ver- >verflichen Tendenz der Regierungsvorlage, der Frage kühl gegen- überstand. Merkwürdigerweise stellt sich min dieWestdeutsche Arbeiter-Zeitung"(M. Gladbach) vollständig auf den Stand- Punkt der Sozialdemokratie, während sie vorher nicht Wesens genug aus der Rechtsfähigkeit der Berufsvereine machen konnte. Das Blatt meint, in Prenßen-Deutschland seien anscheinend die Berhältniffe noch nicht reif für ein modernes Gewerkschaftsrecht und die Gewerk- schaften dürften sich nicht gern in gesetzliche ZwangSformen ein- pressen lassen. Dann schreibt das Blatt: Ist'die Rechtsfähigkeit für die Berufsvereine heute das Rot- wendigste und Brennendste? Entschieden nicht! So sehr wir die prinzipielle und praktische Bedeutung der Rechtsfähigkeit an» erkennen, so haben unsere Gewerkschaften sich doch bisher ohne dieselbe ganz trefflich zurecht gefunden. Was uns vielmehr hindemd im Wege steht, istdaS überlebte Vereins- und Ver» fammlung«r«cht in Preußen. Auf die Summe von Un» zuträglichkeiten, Belästigungen, die daraus schon für unsere christ- lichen Gewerkschaften entstanden sind, soll hier nicht mehr ein- gegangen werden, ebenso nicht auf das Maß von Erbitterung und Verärgerung, das infolge Bestrafungen, auf Grund dieses Gesetzes, schon in der Arbeiterschaft hervorgerufen wurde. Hier Wandel zu schaffen, erscheint uns notwendiger und dringender als die Verleihung der Rechtsfähigkeit." Nun sei aber, so meint das Blatt weiter, kaum zu hoffen, daß wir bald ein Reichsvereinsgesetz bekommen. Deshalb müsse ein anderer Weg beschritten werden. Das Koalitionsrecht sei Reichsrecht. Würde das Koalitionsrecht geregelt, dann können dabei diejenigen Bestimmungen etnzelstaatlicher Bereinsgesetze, die der Entwickelnug des Gewerkschastswefens hinderlich seien, durch ReichSgesetz außer Kraft gesetzt werden. Dieser Weg sei wohl gangbar und die Ar» beiter.würden eine Reform des Vereins- und Versammlungsrechtes freudiger begrüßen und mehr Vorteil davon haben, als von der Verleihung der Rechtsfähigkeil unter Bestimmungen, welche die Be- wegungSfreiheit der Organisationen in Frage stellen", Die Erkenntnis kommt den M.-Gladbackern zwar spät aber sie kommt. Wir hoffen, daß die sieben christlichnationalen Arbeiter- Vertreter recht bald die Gelegenheit benutzen, um zu zeigen, daß sie imstande find, die bürgerlichen Parteien auf denWeg einer entschiedenen Sozialreform" zu drängen. Sozialdemokraten als Richter. Stuttgart  . 20. März.(Eig. Ber.) Aus der gestrigen Sitzung der Fjnanzkonuznssion'des württem- bergischen Landtags ist über einen Hemerkenswerten Vorgang zu be- richten. Der volksparteiliche Abg. V. Gauß, Oberbürgermeister von Stuttgart  , bemäugelte, daß die als Geschworene in Vor- schlag gebrachten Angehörigen und Vertreter des Arbeiter- st a n d e s von den Landgerichten meistens wieder ansgeschieden würden. In der Zeit von 13951095 habe sich beim Landgericht Stuttgart   unter 1329 Geschworenen nicht ein einziger Arbeiter be- fnnden. Der erst seit einigen Monaten im Amt befindliche Justiz- minister v. S ch m i d l i n erwiderte, daß er die Frage, ob Arbeiter als Geschworene zugelassen werden sollen, unbedingt bejahe und es im Interesse des Vertrauens zur Justiz begrüße, wenn auch Vertreter dieses Standes an den Volksgerichten beteiligt werden. Der Genosse Linde- mann warf darauf die Frage auf, ob etwa die Zugehörig- keit zur sozialdemokratischen Partei von Einfluß auf die Zusammensetzung der Geschworenenliste sei? Darauf antwortete Herr v. Schmidlin, daß die politische Gesinnung der Vorgeschlagenen auf keinen Fall einen Grund bilden werde, sie von der Geschworenenfunktion auszuschließen. Schon mit der von ihm abgegebenen Er- klärung, daß Vertreter der Arbeiterschaft nicht ausgeschlossen sein sollen, sei ja gesagt, daß auch Mitglieder der Sozial- demokratie nicht auszuschließen seien. Zur Braunschweiger Negentschaftsfrage. DerBraun- schweigischen Landeszeitung" zufolge wird der Regentschaftsrat dem am Dienstag zusammentretenden Landtage den Herzog Johann Albrecht   zu Mecklenburg, den Vorsitzenden der deutschen   Kolonial- gesellschqft. als Regenten vorschlagen.--- Eine«ationalliberale Gründung. Der von den Rationalliberalen im biergemütlichen München  gegründete neue Rationalverein erläßt als Nachklang zur großen Redoute eine lange Beitrittsaufforderung in den.Münchener Neuesten Nachr.", in denen er die zuliinftigen.gemeinsamen Richtlinien" seiner Politik darlegt. Es heißt darin: Wir sind einig in der Pflege nationaler Gemeinschaft. Im Zusammenhang mir der großen Kulturgemeinschast aller Nationen wollen wir dem Deutschtum seine Stellung in der Welt be» haupten. Wir fordern, daß die Sicherung des Reiches und unserer nationalen Jnteresien nicht abhängig gemacht werde von Erwägungen parlamentarischer Taktik und von der Stellung der Fraktionen zur Regierung. Wir sind einig in dem Ver- langen nach freiheitlichem Ausbau der inneren Einrichtungen des Reiches und der Einzelstaaten, der Verfassung und der Ver» waltung; einig in der Vertretung des allgemeinen, gleichen, direkten und geheimen Wahlrechtes, einig in dem Ziel: ein freies Deutsches Reich  , ein Volk von freien Bürgern. Wir find einig in der Forde» rnng einer freien und volkstümlichen Erziehung aller Staats» angehörigen. vor allem der heranwachsenden Jugend, zu den nationalen, staatsbürgerlichen, sozialen und wirtschaftlichen Auf- gaben der Gegenwart.., Liberal sein heißt das Recht des freien Arbeitsvertrages, das Recht der wirtschaftlichen Organisation, volle KoalitlonSfreiheit für die Angehörigen beider Geschlechter, die Gleichberechtigung von Arbeitgeber und Arbeit- nehmer anerkennen. Im wirtschaftlichen Kampfe sehen wir nicht Selbstzweck, sondern mir ein Mittel, um zum sozialen Frieden zu gelangen. Diesem Zweck soll auch der Ausbau der sozialen Gesetzgebung und ihre Ausdehnung auf weitere Kreise der Bevölkerung dienen. Nicht die Klassengegensätze verschärfen, sondern alle Berusslreise zu gemeinsamer friedlicher Arbeit zu einen, ist ein« nationale, freiheitliche Aufgabe. Das find vier große Richtpunkte, die dem gesamten Liberalismus gemeinsam sind. Sie sollen di« Tätigkeit unserer neuen Gemeinschaft be- stimmen. Es ist schwer, keine Satire zu schreiben, wenn man diese kraft- geschwollenen Phrasen liest und in Betracht zieht, daß nichts dahinter steht als der komische Tatendrang einiger durch die letzten Wahlen aus ihrem geistigen Gleichgewicht gebrachter liberaler Gernegroße. Hamburger Bürgerschaft. In der Sitzung der Bürgerschaft des Hamburger Parlaments vom Mittwochabend wurde die Nenkonstituierung des Präsidiums vorgenommen. Der seitherige Präsident Engel, seines Zeichens Landgerichtspräsident, w>zrde wiedergewählt, dagegen ließ man den zur Fraktion der Vereinigten Liberalen über- getretenen seitherigen ersten Vizepräsidenten Dr. Wex durchfallen, an Hessen   Stelle der eifrigste Befürworter des Wahlrechtsumsturzes, Herr Bliuckmann von der Linken.. gewählt wurde. In den Bürgerausschuß wurde außer einem Mitglied« der Vereinigten Liberalen auch unser Genosse Stalten delegiert. Der aus Parlamentsmitgliedern bestehende VürgerauSschuß ist die höchste Veschwerdeinstaiiz für Versassungsstreitfragen und Konflikte mit dem Senat. Er hat mithin recht wichtige Funktionen zu erfüllen.-» Naive Leute! Daß Kriegervereine auch noch nach den soeben beendeten Hottentottenwahlen an den.nichtpolitischen" Zweck ihres Daseins zu glauben vermögen, dieses Kunststück zeigen uns die braven Krieger im schwarzen Müiisterlande. In einer in Münster  (Westfalen  ) abgehaltenen Versammlung der Kriegervereine des Stadt- und Landkreises Münster   wurde nämlich folgende.Resolution" an» genommen: .Die in Münster   versammelten Abgeordneten der Krieger- vereine des Stadt- und Landkreises Münster   usw. haben nur ungern Kenntnis davon genommen, daß der Vorstand des deutschen   Kriegerbundes bei Gelegenheit der Wahlen zum deiuschen Reichstag« durch Verbreitung von Flugblätter» in den Kriegervereinen, sowie durch Veröffentlichung von Wahl- aufrufen und Wahlartikeln in der.Parole' in die Wahlbewegung eingegriffen hat. In Erwägung, daß die Satzungen der Kriegervereine aus- drücklich das Betreiben jeglicher Politik innerhalb der Vereine verbieten, daß femer durch ein derartiges Vorgehen der Bundes- leitung der guten Sache in keiner Weise genutzt ivird, daß vielmehr d.urch solche Versuche, auf die Wahlen eiuzuwirlen, nur Unfrieden zwischen die Kameraden gesäet und der Parteizwist in die Kriegervereine hineingetragen wird, spricht die Kbgeordnetenversammlung dem Bundesvorstände über dieses Ver- fahren ihr lebhaftes Bedauern und zugleich die Erwartung aus, daß der Porstand in Zukunft sich einer derartigen Wahlagitation enthalten wird." Diese biederen Kriegervereine des Münsterlandes scheinen danach immer noch nicht zu wissen, wozu sie eigentlich da sind trotz deS königlich preußischen Generalleutnants p. Liebert und des General  - majors Keim._ Der Mißbrauch der Schule zu politischen Zwecke«. Dal hessische Ministerium, Abteilung für Schulangelegenheiten, er- teilte dem Klassenlehrer einer höheren Anstalt in Mainz   einen Verweis, weil dieser kürzlich seinen Sckrnlern die Aufgabe gestellt hatte, ihreAnsichten über den Ausgang der kürzlich stattgehabten Reichslagswahlen" in Aussatzform niederzulegen. In Preußen wäre das sicher dem Lehrer nicht passiert. Aber Hessen  , wo ja bisweilen sogar sozialdemokratische Beigeordnete be- stättgt werden und der Großherzog sich schon eiiimal zu einem sozialdemokratischen Abgeordneten an den Tisch gesetzt hat, ist eben ein noch halbwildes Land, wo man natürlich von der richtigen Umsturzbekämpsung keine Ahnung hat. Fahnenflucht. Vor dem Kriegsgericht der 38. Division in Erfurt   stand am Mittwoch der Musketier Karl S e i d l e r von der 5. Kompagnie des 04. Regiments in E i s e n a ch unter der Anklage der Fahnen- flucht im ersten Rückfalle. Der Angeklagte ist 18 6 5 in Weimar   geboren, wurde 1885 zum ersten Male zum genannten Truppenteile eingezogen, desertierte aber schon 1886, wofür er ein- schließlich einiger Nebendeliktc vom Kriegsgericht der 22. Division in Kassel   zu 8 Monaten 2 Wochen Gefängnis verurteilt wurde. Im Juni 1887 war diese Strafe verbüßt, S. kam wieder zu seiner Kompagnie, aber zehn Tage später desertierte er abermals, wie er angibt, weil er mißhandelt, mit vollem Gepäck auf dem Kasernenhof umhergehetzt und vom Gefreiten ins Gesicht geschlagen worden sei. Auf eine Erörterung dieser Ursachen der zweiten Desertion ließ sich das Kriegsgericht natürlich nicht mehr ein; diese Ursachen der Desertion waren ja längst ver- jährt, die Desertion selbst aber nicht. Von 1887 bis zum Dezember vorigen Jahres befand sich der Angeklagte auf Wander- schaft im In- und Auslände, bis er endlich wieder einmal verhaftet wurde, wobei er seinen richtigen Namen angab und die Fahnenflucht freiwillig eingestand. Das Erfurter   Kriegsgericht erkannte auf die Mindeststrafe von 1 Jahr Gefängnis und wegen zweier intellektueller Urkundenfälschungen(er hatte, bei zwei vorher erfolgten Verhaftungen wegen Betteln» einen falschen Namen angegeben) auf 1 Woche Gefängnis, die durch die Untersuchungshaft für verbüßt erachtet wurde. Nach Verbüßung seiner Strafe hat der dann 43 jährige Mann den Rest seiner Militärzeit abzudienen, HtasUmd. Frankreich  . Proportionalwahl. Paris  , 21. März.(B. H.  ) Der Verband für Einführung par- lamentarischer Reformen hielt gestern abend eine Versammlung ab, an der über 2999 Personen teilnahmen. Verschiedene Redner, darunter auch Jaurös, traten für Einführung der Listen» und Proportionalwahl ein, indem sie auf die Ungelcnkigkeit des jetzigen Wahlsystems hinwiesen. Eine diesbezügliche Resolution wurde schließlich angenommen. Italien  . Em   Gesetzentwurf für die Stadt Rom  . Rom  , 16. März.(Eig. Ber.) Dieser Tage hat Giolitti der Kammer den seit langem er- warteten Gesetzentwurf zugunsten der Stadt Rom   vorgelegt. Durch diesen Entwurf will die Regierung zum soundsovielten Male der temptstadt, die in chronischer Finanznot lebt, Beistand gewähren. s handelt sich dabei nicht um einen Akt der Großmut, die ja den finanziellen Maßregeln aller Regierungen fern zu liegen pflegt. sondern lediglich um einen pflichtschuldigen Beitrag zu den Kosten, die Rom   aus seiner Stellung als Hauptstadt erwachsen und die billigerweise nicht den Konimunalfinanzen auferlegt werden können. Von den beiden Hauptproblemen, die Rom   zu lösen hat, dem der Anbahnung seiner industriellen Produktion und der Wohnungsfrage, findet nur das zweitein dem RegierungS- cntwurf eine halbwegs zufriedenstellende Berücksichtigung. Rom   ist wohl die einzige Stadt der Welt, in der Hunderte von Familien aller sozialen Klaffen(mit Ausnahme der kleinen Minderheit der Reichen) sich monatelang ohne Wohnung behelfen müssen, obwohl sie imstande und bereit sind, die ortsüblichen Mietspreise zu bezahlen. In den Hotels, als Aftermieter, in Lagerräumen, Kellern und in den Ruinen römischer Monumente und Aquädukte je nach Gesellschaftsklasse und Portemonnaie warten viele, viele Hunderte aus das Freiwerden einer ihnen paffenden Wohnung. Die Ursachen dieses Zustandes, der in keiner anderen Stadt seinesgleichen hat, sind hauptsächlich zu suchen in der Kon- zentration der Häuser und Bauplätze in wenigen Händen und in der aus ästhetischen und hygienischen Gründen erfolgten Demolierung der alten Stadtteile, ohne entsprechende Neubauten. Die Baukrise der achtziger Jahre nöttgte einige große Banken, zahllose Miets- Häuser und Bauplätze zu übernehmen und schuf so ein Monopol für einige große Hausbesitzer, die sich sehr wohl hüteten, die Preise ihrer Monopolware durch reichliches Angebot zu drücken; gleichzeitig ent- mntigte die Krise das kleine Kapital, das sich ganz von den Bau- unteruehiuiiugeu zurückzog. Was die DemolierungSarbeiten betrifft, so genüge der Hinweis, daß von den im Jahre 1883 für die bauliche Eni- Wickelung Roms vom Staate ausgeworfenen 299 Millionen nicht weniger als 176 Millionen für Demolierungen verausgabt wurden. Wie immer riß man vor allem die Häusep der kleinen Leute nieder und baute elegante Mietswobnungen, Villen und Paläste. Mit dieser Wirtschaft ist man so weit gekommen, daß der ärmste Arbeiter 15 bis 25 Lire im Monat für ein elendes Gelaß zahlen muß, in einer Wohnung zusammengepfercht mit drei, vier Familien, deren jede eine Kammer bewohnt und die alle gemeinsam m einer, gleichfalls als Wohnraum vermieteten Küche kochen! Die Beamten mit 299 oder 399 Lire Monatsgehalt geben die Hälfte ihres Einkommens für Miete aus. vermieten iuöblierte Zimmer, wobei sie selbst fast ebenso elend und ungesund wohnen wie di« Arbeiter. Die Hausbesitzer sehen zu, steigern bei jeder Konirakterneuerung und bauen nicht. Die Situation ist nachgerade unerträglich geworden, und die Regierung macht mit deni Gesetzentwurf, der sich ergänzend an frühere Gesetzesinaßiiahmen für Rom   anreiht, den Versuch, Wandel zu schaffen. Dazu ist zunächst Geld nötig mid das wird beschafft, indem die Regierung die nach dem Gesetz von 1899 in dem Jahrzehnt von 10491069 fälligen Zahlungen von insgesamt 25 Millionen schon in dem Jahrzehnt von 1090 bis 1019 in zehn Raten zur Auszahlung bringt. Außerdem wird die Reichsdepositenkasse ermächtigt, 89 Millionen Darlchn an die Stadt zu überweisen, hon denen die Hälfte für den Bau von Schulgebäuden und Stratzenbauten bestimmt»st, während die andere Hälfte Zlnn Ankauf von Bauplätzen dienen soll. Um diesen Ankauf zu er- leichtern, bestimmt da? Gesetz, daß alle Banptätze nach ihrem K a n f w e r t besteuert werden bis zu 3 Prozent dieses Wertes(bisher 1 Proz.); den Wert hat der Besitzer zu deklarieren, er muß aber für den deklarierten Wert daS Grundstück der Stadtverwaltung verlaufen, wem» dieie«s